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26. Februar 1924: Prozess wegen Hochverrats gegen Hitler | Hintergrund aktuell | bpb.de

26. Februar 1924: Prozess wegen Hochverrats gegen Hitler

Redaktion

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Am 26. Februar 1924 begann der Prozess gegen Adolf Hitler und neun Angeklagte, die im November 1923 einen Putschversuch unternommen hatten. Der spätere Diktator konnte den Prozess als Bühne nutzen.

Hochverratsprozess gegen die Teilnehmer des Hitler-Putschs vom 9. November 1923. Die Angeklagten posieren vor dem Verhandlungsgebäude. Aufgenommen wurde das Foto im April 1924 von Hitlers Hausfotograf Heinrich Hoffmann. Es ist Teil der propagandistischen Bildberichterstattung der NSDAP. (CC, Bundesarchiv, Bild 102-00344 / Heinrich Hoffmann) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Am Interner Link: 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler gemeinsam mit völkisch-nationalen Unterstützern in München gewaltsam die Macht zu erlangen. Die Polizei schlug den Putsch nieder, Hitler wurde wegen Hochverrats angeklagt. Da der Vorsitzende Richter den Prozess zugunsten der Angeklagten auslegte, konnte Hitler ihn als Bühne für die nationalsozialistische Propaganda nutzen. Nach einem milden Urteil kam er im Dezember 1924 aus der Haft frei.

Politische Situation zu Beginn der 1920er Jahre

Die Weimarer Republik war zu Beginn der 1920er Jahre durch Interner Link: Reparationszahlungen und eine Hyperinflation wirtschaftlich geschwächt. Rechts- wie linksradikale Gruppierungen lehnten die neugegründeten, demokratischen Institutionen ab und setzten die staatliche Autorität unter Druck. Immer wieder kam es zu politischen Attentaten und Putschversuchen von rechts und links, wie etwa beim Märzaufstand 1920, bei dem auf Seiten der Aufständischen und der Reichswehr mehr als 1.000 Menschen starben.

Im Januar 1923 besetzten belgische und französische Truppen das Rheinland, da Deutschland mit seinen Reparationszahlungen im Rückstand war. Die gesellschaftlichen und politischen Kräfte reagierten darauf mit Streiks, wirtschaftlicher Absperrung des Ruhrgebiets sowie Sabotageakten gegen die Besatzer. Die Wirtschaft brach ein, Ernährungsprobleme nahmen zu. Im September 1923 gab die Reichsregierung den passiven Widerstand auf. Verschiedene rechtsgerichtete Gruppierungen entwickelten daraufhinInterner Link: Pläne, die Macht in der Republik durch einen Putsch oder Staatsstreich zu übernehmen.

Völkisch-nationalistische Kräfte in Bayern an der Macht

Die bayerische Landesregierung nahm das Ende des passiven Widerstands zum Anlass, im September 1923 in Bayern den Ausnahmezustand zu verhängen. Die Spannungen zwischen Bayern und der Republik nahmen zu. Traditionell vertraten die bayerischen Regierungen eine föderalistische, republikfeindliche Haltung. Die Politik war von rechtskonservativen Kräften geprägt.

Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes erhielt Gustav Ritter von Kahr als Generalstaatskommissar in Bayern diktatorische Vollmachten. Er unterstellte die dort stationierten Truppen seinem Kommando und entmachtete damit die Reichsregierung in Bayern. Gegenüber der Reichsregierung war dies Hochverrat. Außerdem setzte Kahr das Externer Link: Gesetz zum Schutze der Republik außer Kraft und verhinderte ein Verbot der nationalsozialistischen Tageszeitung „Völkischer Beobachter“. Gemeinsam mit dem bayerischen Wehrkreiskommandeur Otto von Lossow und dem Landespolizeipräsidenten Hans von Seißer bildete Kahr ein Drei-Männer-Bündnis, das auf die Errichtung einer reichsweiten Diktatur hinarbeitete.

Die Interner Link: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Machtbasis in München. Hier war sie 1919 gegründet worden und hatte gute Verbindungen zu rechten Kräften in Politik, Wirtschaft und Militär. Adolf Hitler war seit 1921 Vorsitzender der NSDAP, mit diktatorischen Vollmachten. Die Teilnahme an Wahlen lehnte er ab, stattdessen äußerte auch er Putschpläne für eine Machtübernahme durch die NSDAP.

Hitler-Putsch am 9. November 1923

Eine Gelegenheit dazu sahen Adolf Hitler und Erich Ludendorff, ehemaliges führendes Mitglied der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, am 8. November 1923. Am Abend stürmte die Sturmabteilung (SA) im Münchner Bürgerbräukeller eine Versammlung mit Spitzen der bayerischen Politik. Hitler erpresste von Generalstaatskommissar Kahr, Seißer sowie dem bayerischen Wehrkreiskommandanten Lossow die Zusage, sich an der Absetzung der Reichsregierung zu beteiligen. Anhänger des Putsches versuchten, Ministerien und Kasernen zu besetzen, doch die Behörden und die Reichswehr weigerten sich – von Lossow, Kahr und Seißer widerriefen noch in der Nacht ihre Unterstützung für die NSDAP.

Dennoch marschierten Hitler und Ludendorff mit ihren Anhängern am Mittag des 9. Novembers 1923 in die Münchener Innenstadt, um die Staatsgewalt an sich zu reißen. Die bayerische Polizei schlug den Aufstand nieder. Vier Polizisten und 16 Putschisten starben. Hitler konnte zunächst leicht verletzt entkommen, wurde aber zwei Tage später festgenommen. Außerhalb Münchens gab es kaum Aktionen – der Aufstand war klar gescheitert. Die NSDAP wurde reichsweit verboten.

Streit um Zuständigkeit des Gerichts – Leipzig oder München?

Vor Beginn des Prozesses gab es zwischen der bayerischen Landesregierung und der Regierung der Weimarer Republik Streit darüber, welches Gericht zuständig sei. Die Reichsregierung wollte den Prozess am Leipziger Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik führen. Schließlich hätten sich Hitler und seine Anhänger des Hochverrats gegen die Reichsverfassung schuldig gemacht.

Die bayerische Staatsregierung und Justizbehörden waren anderer Auffassung. Zum einen verbat man sich generell die Einflussnahme der Reichsregierung auf die eigene Gerichtsbarkeit. Zum anderen befürchtete man, dass in Leipzig die zweifelhafte Rolle von Kahr, Seißer und Lossow näher beleuchtet oder ihnen ebenfalls der Prozess gemacht werden könnte. Die bayerische Regierung weigerte sich daher, den Haftbefehl eines Leipziger Ermittlungsrichters gegen Hitler zu vollstrecken. Die Reichsregierung hätte ihre Rechtsauffassung nur mit militärischer Gewalt durchsetzen können. Schließlich gab sie nach, und der Putsch wurde vor einem Volksgericht in München verhandelt. Diese Gerichte bestanden bis 1924 zur beschleunigten Aburteilung bestimmter Straftaten. Rechtsmittel wie eine Revision konnten hier nicht eingelegt werden.

Ob dieses Gericht nach der Weimarer Verfassung zuständig war, blieb umstritten. 1922 war jedoch die Zuständigkeit der Volksgerichte bei Landesverrat in einem Fall anerkannt worden. Auch zeitgenössische Rechtswissenschaftler waren der Meinung, dass ein solches Vorgehen zulässig sei.

Prozess wegen Hochverrats in München

Der Prozess gegen Hitler, Ludendorff und acht Mitverschwörer begann am 26. Februar 1924 in München. Das Urteil fiel nach 25 Verhandlungstagen am 1. April. Angeklagt wegen Hochverrats war neben Hitler und Ludendorff auch Ernst Röhm. Der spätere SA-Chef hatte während des Putsches das Wehrkreiskommando besetzt.

Zudem wurden auch der Leiter der Münchener Kriminalpolizei Wilhelm Frick sowie der ehemalige Münchner Polizeipräsident Ernst Pöhner angeklagt. Pöhner war nach den Plänen der Putschisten als bayerischer Ministerpräsident vorgesehen.

Hitler nutzt Prozess als Propagandabühne

Vorsitzender Richter des Verfahrens war Georg Neithardt, der den Prozess wohlwollend gegenüber den Angeklagten führte. Bereits zeitgenössische Rechtswissenschaftler und Teile der Presse bezeichneten den Prozess als „Farce“ oder „Justiztravestie“. Der Historiker Ernst Piper sieht aus heutiger Perspektive in dem Interner Link: Prozess die „Karikatur“ eines rechtsstaatlichen Verfahrens, da geltendes Recht missachtet worden sei.

Hitler konnte den Prozess als politische Bühne nutzen. Er hielt stundenlange Plädoyers, die Propagandareden glichen. So stilisierte er sich als Ankläger gegen die Republik und versuchte mit dem Mantra der „Dolchstoßlegende“ den Friedensschluss von Versailles als den wahren Landesverrat umzudeuten. Richter Neithardt stellte die Fragen so, dass sich entlastende Antworten anboten. Das Publikum im Saal war auf der Seite der Angeklagten. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ schrieben dazu: „Wir machen keinen Hehl daraus, dass unsere menschlichen Sympathien auf Seiten der Angeklagten in diesem Prozess und nicht auf Seiten der Novemberverbrecher vom Jahre 1918 stehen.“ Gemeint waren damit Unterstützer der demokratischen Republik.

Urteile fielen milde aus

Am Ende des Prozesses fielen die Urteile milde aus. Das Gericht verurteilte Hitler wegen Hochverrats zur gesetzlichen Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zu einer Geldstrafe von 200 Goldmark. Drei weitere Angeklagte erhielten das gleiche Strafmaß. Ludendorff wurde freigesprochen. Das Gericht begründete dies damit, dass er keine Kenntnis von den eigentlichen Plänen des NSDAP-Anführers gehabt habe. Die anderen fünf Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen.

In der Urteilsbegründung bestätigte das Gericht, dass Hitler eine „gewaltsame Verfassungsänderung“ beabsichtigt habe. Allerdings seien „die Angeklagten bei ihrem Tun von rein vaterländischem Geiste und dem edelsten selbstlosen Willen geleitet “ gewesen, um das Vaterland zu retten, so die Richter.

Das Gericht lehnte es ab, den Ausländer Hitler nach Österreich auszuweisen, obwohl das Gesetz dies zwingend vorsah. Begründet wurde dies mit der „deutschen Gesinnung“ Hitlers, die eine Anwendung des Paragrafen überflüssig mache. Zudem war Hitler bereits 1922 wegen Landfriedensbruchs verurteilt worden. Eine erneute Verurteilung auf Bewährung wäre daher nicht mehr möglich gewesen. Trotzdem hatte das Urteil Bestand, da das Volksgericht keine Revision zuließ.

Bedeutung des Putsches für Hitler und die NSDAP

Hitler und die anderen Verurteilten verbüßten die Festungshaft in Landsberg am Lech. Während dieser Zeit verfasste HitlerInterner Link: den ersten Teil seines Buchs „Mein Kampf“. Am 20. Dezember 1924 wurde er wegen „guter Führung“ nach neun Monaten vorzeitig aus der Haft entlassen.

Der Prozess und sein Ausgang waren nach Ansicht von Experten ein Triumph für Hitler. Der politische Nutzen des gescheiterten Staatsstreichs, des Verfahrens und des Urteils könne „kaum überschätzt werden“, resümiert etwa der Politikwissenschaftler Peter Reichel. Der spätere Diktator konnte sich in nationalen Kreisen als Held des Vaterlands profilieren und erlangte größere Bekanntheit .

In der Folge des gescheiterten Putsches schlug Hitler den Weg ein, über Parlament und Straße an die Macht zu gelangen. Nach Aufhebung des Parteiverbots wurde die NSDAP im Februar 1925 neu gegründet, mit Hitler als unumstrittener Führungsfigur der nationalsozialistischen Bewegung.

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