Das Beziehungsgeflecht von Medien, Werbung und Sport
Die Kommerzialisierung des Sports ist eng mit dem Interesse der Medien am Sport verbunden. Denn erst durch die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit wurde der Sport für kommerzielle Interessen attraktiv. Damit boten sich Sportprogramme wiederum als eine geeignete Plattform für die Platzierung von Werbung an. Die Entwicklung zahlreicher Sportarten zu Massenphänomenen führte außerdem zu einer Professionalisierung des Sports (bezahlte Sport-Profis), die sich ebenfalls auf die Kommerzialisierung auswirkte. Daraus ergibt sich ein Beziehungsgeflecht von Medien, Werbung und Sport.
Folgen der Kommerzialisierung
Kommerzialisierung meint, dass sportliche Wettkämpfe einerseits für sportfremde Zwecke (Werbung, Sponsoring, Merchandising) vermarktet werden, z. B. im Fernsehen, und dass andererseits sportfremde Investoren erst die Bedingungen für die sportlichen Leistungen schaffen. So haben z. B. die Sportrechte-Agenturen durch den internationalen Verkauf der Fußball-Fernsehrechte eine Veranstaltung wie die Champions League erst möglich gemacht. Zudem bieten die verschiedenen Werbeformen der Industrie die Gelegenheit, ihr Image mit Sport aufzupolieren. In diesem Geschäft spielen Sportartikelhersteller eine wesentliche Rolle. Sie nutzen Verbände, Vereine und einzelne Sportler als Werbeträger, rüsten diese mit Sport- und Wettkampfkleidung aus und binden sie mit Exklusivverträgen an sich.
Sportler als Werbeträger
Einer der ersten berühmten Werbeträger für einen Sportartikelhersteller war Sepp Herberger, der Bundestrainer der deutschen Fußball-Weltmeistermannschaft von 1954, der sich gern in seinem Adidas-Trainingsanzug und seinen Adidas-Sportschuhen abbilden ließ. Die kommerzielle Liaison zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Adidas hält bis heute an. Der bis 2022 verlängerte Ausrüstervertrag beschert dem DFB ab 2018 Geld- und Sachleistungen von über 50 Mio. Euro pro Jahr. Da konnte selbst ein üppiges Angebot der Konkurrenzfirma Nike nichts ausrichten.
Während sich die Professionalisierung über die Jahrzehnte langsam und in verschiedenen Sportarten unterschiedlich schnell entwickelt hat (so professionalisieren sich sogenannte Trendsportarten wie Snowboard oder Skaten sehr schnell, da sie auf einen Jugendmarkt zielten und daher genügend Sponsoren rekrutieren konnten), hat die Kommerzialisierung seit den 1990er Jahren erheblich an Dynamik gewonnen. Dennoch reichen ihre Ursprünge weit zurück.
Frühe kommerzielle Sportereignisse
Bereits 1903 wurde ein großes kommerzielles Sportereignis durchgeführt. Damals richtete die französische Sportzeitung "L'Équipe" erstmals das bedeutendste Radrennen der Welt aus, die Tour de France. An diesem Beispiel zeigt sich, dass sich die Kommerzialisierung zunächst in Profisportarten wie dem Radsport und dem Boxen durchsetzte. Der Amateursport blieb anfangs davon unberührt.
Die Olympischen Spiele wurden zunächst nicht von der Wirtschaft, sondern von der Politik vereinnahmt, wie es im Jahr 1936 bei den Spielen in Berlin eindrucksvoll zu beobachten war. Für die Kommerzialisierung der Olympiade gelten die Spiele 1984 in Los Angeles als Wegbereiter. In den USA war die Professionalisierung des Sports damals bereits weit fortgeschritten. Für die Veranstalter lag daher auch eine kommerzielle Vermarktung der Olympischen Spiele nahe. Die DDR öffnete sich ebenfalls der kommerziellen Vermarktung, auch wenn sie diese im Westen jahrelang heftig kritisiert hatte, und ermöglichte Sportlern wie z. B. der Eiskunstläuferin Katharina Witt die Teilnahme an Profi-Veranstaltungen.
Der "Sport-Medien-Komplex"
Die Kommerzialisierung des Sports wird vor allem durch den sogenannten 'Sport-Medien-Komplex', die zunehmend enger werdende Verflechtung von Medien, Sportverbänden und Werbung, befördert. Denn zahlreiche Sportarten sind auf nationaler und internationaler Ebene nur überlebensfähig, wenn sie finanzielle Zuwendungen aus dem Medienbereich bekommen können. So musste der Deutsche Ski-Verband im Winter 2007/08 einen Wettkampf (Tour de Ski) als Ausrichter an den tschechischen Verband abgeben, weil die Rechtssituation unklar war und so keine Fernsehgelder flossen. Durch die sportlichen Veranstaltungen selbst werden aber nur relativ wenige Zuschauer direkt erreicht. Sehr viel mehr Zuschauer sitzen vor dem Fernseher oder lesen darüber in der Zeitung, so dass das Medienpublikum interessanter für die Werbeträger ist als die realen Wettkampf-Zuschauer.
Die Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports mit allen Folgen wie explodierenden Spielergehältern und Preisgeldern, steigenden Kosten für Lizenzrechte, Doping, zunehmender Inszenierung usw. hat fast alle Sportarten erfasst – manche mehr, andere weniger – und hat außerdem zur Entwicklung neuer Sportarten, die mit dem Begriff 'Trendsportarten' bezeichnet werden, geführt.
Preisentwicklung bei den Übertragungsrechten
Je beliebter die Sportart, desto teurer die Übertragungsrechte (© Stefan Atamann/fotolia.com)
Je beliebter die Sportart, desto teurer die Übertragungsrechte (© Stefan Atamann/fotolia.com)
Übertragungsrechte an den einzelnen Sportarten müssen von den Fernsehsendern erworben werden, d. h. die Sender müssen dafür bezahlen, dass sie Sport übertragen dürfen. Die Rechte werden von den Verbänden der Sportarten verkauft, in der Regel nicht direkt an das Fernsehen, sondern an eine Vermarktungsagentur, die dann mit den Sendern über die Höhe der Summe verhandelt. In den Sportarten, die sich stark professionalisiert haben, wurden eigene Vermarktungsgesellschaften gegründet. So werden die Fernsehrechte an der Fußball-Bundesliga nicht mehr vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verkauft, sondern von der Deutschen Fußball-Liga (DFL), einer Vermarktungsgesellschaft, der alle Profi-Klubs angehören.
Beispiel Fußball
Am Beispiel des Fußballs lässt sich auch zeigen, wie stark die Preise für dieses begehrte Programmgut angestiegen sind, seit neben den öffentlich-rechtlichen auch private Sender um die Übertragungsrechte buhlen. In den 1950er Jahren zahlte z. B. der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) zwischen 1000 und 2500 DM pro Spiel, das live gesendet wurde. Erst mit der Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 setzte eine regelmäßige Vermarktung ein. Zahlte die ARD in der Bundesliga-Saison 1965/66 lediglich 0,33 Millionen Euro pro Saison, waren es 1980/81 bereits 3,22 Millionen Euro.
Preisentwicklung seit der Einführung des Privatfernsehens
Als das duale Rundfunksystem im Jahr 1984 eingeführt wurde, genügten noch 5,11 Millionen Euro pro Saison, und in der Saison 1987/88, der letzten exklusiv öffentlich-rechtlichen, waren es 9,2 Millionen Euro. Für die erste Saison im Privatfernsehen (1988/89) mussten 20,45 Millionen Euro bezahlt werden. Anschließend trieb der Kirch-Konzern die Preise in die Höhe, von 74 Millionen Euro für die Saison 1992/93 bis auf 355 Millionen Euro für die Saison 2000/01. Doch dann ging es erst einmal bergab. Im Jahr der Kirch-Insolvenz wurde der ausgehandelte Preis nicht in vollem Umfang bezahlt, so dass in der Saison 2001/02 "nur" 328 Millionen Euro in die Kassen der Liga flossen. Bis zur Saison 2005/06 musste sie dann mit 290 bzw. 300 Millionen Euro auskommen. Die neuerliche Steigerung bescherte der Liga immerhin ab 2006/07 für drei Jahre jeweils 420 Millionen Euro. Für die Spielzeiten von 2013/14 bis 2016/17 wurde ein Erlös von jährlich 628 Millionen Euro ausgehandelt. In der Saison 2017/18 flossen 1,16 Milliarden Euro und 2028/19 rund 1,48 Milliarden Euro in die Kassen der DFL.
Einerseits geht damit in der Bundeliga die Einnahme-Schere zwischen den sog. Spitzenclubs und den anderen Vereinen immer weiter auseinander. Andererseits hinkt die Bundesliga im internationalen Vergleich bei den TV-Einnahmen hinterher. Die Clubs der englischen Premier League erhalten etwa ab der Saison 2016/17 2,3 Milliarden Euro jährlich und haben damit weit mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als die Bundesliga-Clubs. Selbst der letztplatzierte Verein der Premier League erhält mehr Geld aus den TV-Einnahmen als der Spitzenreiter der 1. Bundesliga.
Je beliebter, desto teurer
Eine ähnliche Entwicklung ist jedoch nur bei beliebten Sportarten oder Sportereignissen wie Olympischen Spielen zu verzeichnen, denn die Preise, die erzielt werden können, hängen stark von der Beliebtheit der jeweiligen Sportart im Fernsehen ab. So stiegen die Kosten für die Übertragung der Olympischen Spiele für den europäischen Raum von 1,74 Millionen Dollar für die Spiele von 1972 in München über 75 Millionen Dollar für die Spiele 1992 in Barcelona auf 442 Millionen Dollar für die Spiele in Peking 2008 (zum Vergleich: der amerikanische Sender NBC zahlte für die Übertragungen aus Peking 894 Millionen Dollar). Für den Verkauf der weltweiten TV-Rechte an den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi und den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro erlöste das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Rekordsumme von mehr als vier Milliarden Dollar.
Mit 1,3 Milliarden Dollar fiel der Erlös für die olympischen Spiele von 2018 bis 2024 geringer aus. Durch die Vergabe von Sublizenzen des neuen Rechteinhabers Discovery/Eurosport sowie die Etablierung eines eigenen olympischen TV-Kanals durch das IOC werden sich die TV-Einnahmen voraussichtlich noch weiter erhöhen.
Für eine zumindest im Winter populäre Sportart wie Ski (Alpin und Nordisch), die durch den Deutschen Ski-Verband (DSV) vermarktet wird, waren immerhin noch zehn Millionen Euro pro Saison fällig. Für das Leichtathletik-Weltfinale in Stuttgart 2008 kassierte der Veranstalter lediglich 170.000 Euro für die Fernsehrechte.
Werbung und Sponsoring
Die Präsenz im Fernsehen erhöht auch die Attraktivität des Sports für Sponsoren und andere Arten der Vermarktung von Werbung. So gibt es in den Hallen und Stadien die sogenannte Bandenwerbung, d. h. Werbebanner werden so in den Mittelpunkt gerückt, dass sie bei einer Fernsehübertragung nicht zu übersehen sind. Daneben gibt es das Wettkampf-Sponsoring von Veranstaltungen. So wurde z. B. die Tischtennis-Mannschaftsweltmeisterschaft 2012 von der Elektronik-Firma Liebherr gesponsert. Die German Open im Golf werden von BMW gefördert. Zahlreiche Sportverbände haben sich unabhängig von konkreten Veranstaltungen sogenannte Hauptsponsoren gesichert, die dafür mit ihren Logos auf allen Sportereignissen präsentiert werden. Eine beliebte Methode des Sponsorings ist das Trikotsponsoring bei einzelnen Vereinen.
Trikotsponsoring als Werbemethode
Das Jahr 1973 war gewissermaßen der Urknall für diese Werbemethode. Nachdem die Fußball-Elf von Eintracht Braunschweig am 27. Januar des Jahres gegen Kickers Offenbach mit dem Jägermeister-Logo auf der Brust angetreten war, verbot der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zunächst diese Form der Werbung. Nach einem Rechtsstreit wurde das Trikotsponsoring im Fußball seit Ende Februar 1973 erlaubt. Braunschweig kassierte dafür von dem Likörhersteller 100.000 DM pro Saison. Seitdem sind die Einnahmen aus dem Sponsoring stark gestiegen. Spitzenreiter bei den Trikotwerbeeinnahmen sind 2020/21
der VfL Wolfsburg (Sponsor Volkswagen), 70 Mio. € (unbefristet)
der FC Bayern München (Sponsor Deutsche Telekom) 45 Mio. €, (bis 2023)
Borussia Dortmund (1&1 und Evonik), 35 Mio. €, (bis 2025) und
RB Leipzig (Red Bull) 35 Mio. €, (bis 2023).
Vereine am anderen Ende der Skala wie Union Berlin und Arminia Bielefeld erhalten pro Saison 2,5 Mio. Euro von ihren Trikotsponsoren. Damit zeigt sich auch hier ein Gefälle, denn je öfter ein Verein im Fernsehen und anderen Medien präsent ist (z. B. durch die Teilnahme an internationalen Wettbewerben wie der Champions League), desto höher sind die Einnahmen aus dem Trikotsponsoring. Noch geringer werden die Summen in der Zweiten Bundesliga und in den Landes- und Bezirksligen. Die anderen Sportverbände haben nach dem Fußball ebenfalls diese Werbeform erlaubt, so dass Trikotsponsoring in allen Sportarten üblich ist.
Kommerzialisierung und Stilisierung des Sports
Sicherheitskräfte bewachen das Nationalstadion während im Hintergrund Feuerwerk zu sehen ist (© AP)
Sicherheitskräfte bewachen das Nationalstadion während im Hintergrund Feuerwerk zu sehen ist (© AP)
Die Kommerzialisierung des Sports hat dazu geführt, dass Sportereignisse als fernsehtaugliche Events inszeniert werden. Die Eröffnungsfeiern von Olympischen Spielen folgen inzwischen einer regelrechten Hollywood-Dramaturgie. Die sportlichen Aspekte spielen zwar nach wie vor eine Rolle, doch die Showelemente, wie z. B. der Einmarsch der Nationen, das Entzünden der olympischen Flamme, Ballettauftritte etc. nehmen neben den Kommentierungen, Interviews und eingestreuten kurzen Sportberichten eine immer größere Rolle ein.
Einen Höhepunkt bildeten die Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Peking mit ihren überdimensionalen Lichterspielen und Massenchoreographien. Fußball-Länderspiele werden durch Vorberichte, Nachberichte, Interviews und Kommentierungen von Moderatoren und Experten im Studio künstlich in die Länge gezogen und zu einem Fernsehereignis gemacht. Einige Sportarten wie Tischtennis und Volleyball haben sogar ihre Regeln geändert, um den Sport für das Fernsehen – und damit auch für Sponsoren – attraktiver zu machen.
Sportlicher Erfolg und die Quote
Dabei hängt die Präsenz im Fernsehen vor allem vom sportlichen Erfolg und von den Sportlern ab. Sportarten wie Tennis waren zu Zeiten von Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich, also in den 1980er und 1990er Jahren, ein Garant für hohe Einschaltquoten. Jahre später, als nur noch Tommy Haas als deutscher Tennisspieler in der Weltspitze mitspielte, fristete die Sportart lange Zeit ein Nischendasein auf den Spartensendern. Selbst die Erfolge von Angelique Kerber (u. a. Siegerin bei den US-Open 2016, Gewinnerin des Wimbeldon-Turniers 2018) bewirkten keinen neuen Tennisboom im Fernsehen.
Dagegen sorgten die Triumphe der deutschen Handballer bei der WM 2007 und EM 2016 für starke TV-Quoten. Das EM-Finale 2016 im Ersten verfolgten 13 Millionen Zuschauer, was einen überragenden Marktanteil von 42 % bedeutete.
Ähnlich erfolgsabhängig haben sich die Übertragungen von der Formel 1 erwiesen, die während der erfolgreichen Karriere von Michael Schumacher als mehrfachem Weltmeister hohe Einschaltquoten erzielten. Nachdem Schumacher ab 2007 nicht mehr auf der Rennpiste aktiv war, sanken die Zuschauerzahlen (von im Durchschnitt über 7 Mio. auf ca. 4 bis 5 Mio.