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Sevengardens – die Methoden
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Die Bildungsarbeit des Sevengardens-Färbergärten-Projektes bedient sich Methoden, die von Menschen schon seit Urzeiten angewendet werden: Das Lernen durch Zeigen und Nachahmen (Lernen am Modell) und das Geschichtenerzählen. Die Beteiligten lernen, Farben aus natürlichen Bestandteilen herzustellen, und ganz nebenbei sehr viel über Ökologie und Nachhaltigkeit.
Bildung bedeutet nicht einen Eimer zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen. (altgriechische Weisheit)
Der Künstler Peter Reichenbach hatte irgendwann genug von chemischen Farben: "Als Künstler habe ich viele Acrylfarben und chemische Pigmente benutzt. Irgendwann habe ich in meinen Malkasten hinein geguckt und mich gefragt, was ich da eigentlich mache. Ich habe mich immer schon für einen nachhaltigen Lebensstil engagiert, habe z.B. darauf geachtet nur biologisch einwandfreie und fair gehandelte Lebensmittel zu konsumieren. Die chemischen und auch gesundheitsschädlichen Farben zu verwenden hat dazu nicht gepasst. Biologisch einwandfreie Farben waren damals nur im Bereich der Restaurierung zu erwerben und die waren sehr teuer und für mich als Künstler einfach nicht bezahlbar. Deshalb habe ich dann begonnen, mich an mittelalterlichen und sogar antiken Techniken zu orientieren. So bin ich auf die traditionellen Farben aus Färberpflanzen und Mineralien gestoßen, wo man wirklich mit Biofarben arbeiten und auch neue Rezepte kreieren kann."
Da das Wissen um die Herstellung von Farben aus Pflanzen jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten war, musste Reichenbach erst einmal tief graben, um sich die entsprechenden Kenntnisse zu erschließen. Neben der umfangreichen Sammlung des Ruhr Museums in Essen wurde er auch in den Archiven der Universität von Massachusetts in den USA fündig. Um dieses Wissen optimal nutzen zu können, begann Peter Reichenbach selbst Färbergärten anzulegen, in denen er alte Färberpflanzen neu kultiviert.
Arbeit gegen Farbe – Die Anfänge
"All die Farben, die ich für meine Arbeit brauchte, selbst herzustellen war sehr zeitaufwendig. So habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und mit der Grundschule am Königshöher Weg in Wuppertal 1998 ein Tauschgeschäft gemacht: Arbeit gegen Farben." Das war die Geburtsstunde von sevengardens als Bildungsprojekt. "Ich habe mit den Schülerinnen und Schülern Kunstprojekte durchgeführt, bei denen wir gemeinsam Färbergärten angelegt und Farbe hergestellt haben." 2002 kam die Gesamtschule Essen-Süd hinzu und damit die Ausweitung auf eine weiterführende Schule bis hin zur Sekundarstufe II.
Die ersten Projekte hatten nur ein gesetztes Ziel: Die Herstellung von Farben. Sie waren lernzielunabhängig, wodurch ein freies und intensives gemeinsames Arbeiten möglich wurde. Die damals am Färbergartenprojekt beteiligten Schüler und Schülerinnen haben heute bereits ihre Berufsausbildungen bzw. Studien beendet. Viele von ihnen beteiligen sich mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Kenntnissen weiter am sevengardens Netzwerk.
Aus diesen positiven Erfahrungen heraus entwickelte Peter Reichenbach das Projekt sevengardens, eine Sozialskulptur im Sinne von Joseph Beuys: "Die Idee ist es, ein soziales Netzwerk zu bilden, in dem über die Kunst politische Themen wie Biodiversität, Generosion und vieles mehr, was für die moderne Gesellschaft wichtig ist, transportiert wird," erklärt der Künstler. Um diese Idee umzusetzen, gründete Peter Reichenbach zusammen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern, mit Pädagoginnen und Pädagogen sowie mit Agenda 21-Akteuren den Verein atavus e.V. Die ersten Sieben Gärten entstanden im Ruhrgebiet und der NRW-Partnerregion Mpumalanga in Südafrika.
Nachhaltige Bildung spielt eine zentrale Rolle im Konzept der sevengardens. Dabei geht es nicht nur um die Unterweisung in handwerklichen Prozessen, sondern vor allem um die grundlegende Sensibilisierung für Themen wie die Förderung der Artenvielfalt. Auch ermöglicht eine pädagogische Begleitung die anschauliche Vermittlung von ökologischen Zusammenhängen und chemischen Reaktionen. Durch die unmittelbaren Erfahrungen bei der Farbgewinnung wird außerdem das Interesse an weitergehender kreativer Arbeit mit der gewonnenen Pflanzenfarbe – Malerei, Kalligraphie, usw. – angeregt.
Inzwischen haben sich zahlreiche Bildungsprojekte unterschiedlichster Ausprägung entwickelt. Die Grundprinzipien auf denen alle Projekte basieren, sind jedoch unverändert. Im Kern geht es darum, weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufzubauen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung von Gestaltungskompetenz (vgl. de Haan, Harenberg) und der Schaffung eines Bewusstseins für Nachhaltigkeit.
Die Herstellung und anschließende Nutzung von natürlichen Farben eignet sich ideal dazu, auf einfache Art und Weise den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu vermitteln. Kunst und Kreativität sind der Schlüssel hierzu. Basis der Arbeit von sevengardens sind Färbergärten. Die Gewinnung von Naturfarben aus Färberpflanzen ist Ausgangspunkt für ein niedrigschwelliges Partizipationsmodell. Darüber initiiert sevengardens vielfältige Projekte im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung, der Erhaltung der Biodiversität und der Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe. Die Philosophie von sevengardens bietet mit dem spielerischen und ästhetischen Zugang über die Farben Einsichten in ökologische Zusammenhänge, faire Teamarbeit, Verantwortung für das eigene Tun sowie den Schutz von Werten. Sevengardens verknüpft das Lernen für eine globale Welt mit der Eigenverantwortung und den Entwicklungsmöglichkeit des Einzelnen.
Inzwischen ist sevengardens durch die Unesco als "Offizielle Maßnahme der Weltdekade" ausgezeichnet worden.
Am Lagerfeuer
Die Methoden, derer sich Peter Reichenbach in seinen ersten Bildungsprojekten bediente und die bis heute Bestand haben, waren atavistisch, das heißt, es waren Methoden, die Menschen schon seit Urzeiten nutzen: das Lernen durch Zeigen und Nachahmen (Lernen am Modell) und das Geschichten erzählen.
Eine (wahre) sevengardens Geschichte
Wir waren einmal an einer Schule in Wuppertal. Hier zeigten wir den Kindern, wie man aus Rotkohl Farbe herstellen kann und wie man diese Farbe verändert. Aber die Kinder wollten mehr. Sie wollten eine Farbe finden, die es noch niemals gab, eine einmalige, besondere Farbe. Also gingen sie hinaus, um eine Pflanze zu finden, die ihnen diese besondere Farbe schenken konnte. Sie sammelten viele Pflanzen, gingen zurück zur Schule und versuchten aus den Pflanzen Farbe herzustellen. Und tatsächlich, die besondere Pflanze war dabei. Es war eine unscheinbare Flechte, mit der die Kinder experimentierten. Zum Pflanzensaft fügten sie Sumpfkalk, Asche und selbst gemachtes Ammoniak hinzu. Und siehe da, als die Kinder die Flasche nach einer Woche wieder hervorholten, war aus dem unscheinbaren Pflanzensaft ein wunderbares Violettblau geworden. Die Kinder waren begeistert. Sofort zogen sie los, um mehr Flechten zu sammeln und mehr von der wunderbaren Farbe herzustellen. Sie füllten eine ganze Flasche. Aber als sie neue Farbe brauchten und wieder loszogen, um Flechten zu sammeln, stellten sie fest, dass es keine Flechten mehr gab. Sie hatten alle abgeerntet. Die Kinder waren verwirrt. Sie erfuhren, dass diese besondere Flechte sehr lange braucht, um zu wachsen. Da verstanden sie, was sie getan hatten. Ein Kind wusste das genau: "Wir haben Raubbau betrieben, so wie die Holzhändler im tropischen Regenwald." Die Kinder waren sehr traurig und versprachen sich gegenseitig, nie wieder so unvorsichtig zu sein. Den kleinen Rest an Farbe, der ihnen noch geblieben war, bewahren sie heute wie einen Schatz.
Die Geschichte, die bis heute in verschiedensten Variationen in sevengardens-Projekten erzählt wird, zeigt, dass es nicht beim bloßen Nachahmen bleibt. Im Projekt geht es nicht darum, Wissen zu sammeln, sondern darum, einen Experimentierraum zu schaffen, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eigene Ideen einbringen und spielerisch, ohne Angst und ohne Zwänge, ausprobieren können. Das Lernen am Modell schafft hierfür die Grundlagen. Die Geschichten dienen nicht nur der Vermittlung von Wissen. Sie können auch als Schreibanlass dienen und Teilnehmerinnen und Teilnehmer inspirieren, zur Feder zu greifen und – mit selbst gemachter Tinte – eigene Geschichten zu verfassen.
Grenzen überschreiten
Peter Reichenbach bei den Zulu
Einer der tollsten Workshops, die ich jemals gemacht habe, fand in Südafrika statt. Da hatte ich wirklich Tränen in den Augen. Ich war mit einer Zulu-Dolmetscherin in einer absolut abgeschiedenen ländlichen Region und habe dort vor Farmern einen Workshop gegeben. Und das ganze in Zulu-Manier. Also man tanzt dann fast schon die Sachen vor, zeigt mit den Händen, arbeitet mit den Füßen. Erzählt kurz seine Geschichte und wie einfach es eigentlich ist, die Farben selber herzustellen. Plötzlich stand eine Frau auf und sagte: Das ist richtig, dieser Weiße lügt nicht. Das Farbe-Machen ist ganz einfach. Rot mache ich aus einer Rinde, Schwarz mache ich aus einer Wurzel. Ich fragte: Ja, und was ist mit Blau? Blau? Ja, natürlich auch aus einer Wurzel. Da bin ich auf sie zu gegangen. Ich wollte ihr einfach nur die Hand schütteln. Da nimmt sie mich in den Arm, drückt mich und sagt: Danke, dass Sie hier waren. Ich protestierte: Danke, dass SIE hier sind und jetzt sind SIE hier die Lehrerin. Dann habe ich mich in den Kreis der Zuhörenden gesetzt und sie gebeten, mehr zu erzählen. Da legte sie richtig los. Die ganze Halle war begeistert. Das war eine ganz wunderbare Erfahrung!
Zu den Grundprinzipien von sevengardens gehört das Überschreiten von Grenzen. Das sind die Grenzen zwischen Ländern – sevengardens hat inzwischen Partner in allen Teilen der Welt – genauso wie die imaginären Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden, verschiedenen Fachbereichen, zwischen Kinderkunst und Hochkultur u.v.m. In einem evolutionären Prozess schafft sevengardens eine Kultur des Miteinander- und Voneinander-Lernens. So finden Kunst und Naturwissenschaften zusammen, so lernen wir von Schulen – etwa auf den Feldern der Inklusion und der integrierten Eingangsstufe und so präsentieren wir Kunstwerke von Kindern an Orten der Hochkultur, wo sie gleichberechtigt neben den Werken etablierter Künstlerinnen und Künstler ihren Platz finden. Weitere Beispiele für das Durchbrechen der Schranken zwischen Lernenden und Lehrenden sind die Aktion "Mini Lehrerinnen" an Universität Duisburg-Essen, bei der Schülerinnen der Grundschule Königshöher Weg in Wuppertal Lehramtstudenten und -studentinnen in das Geheimnis der Herstellung von Farbe aus Pflanzen einweihten. Ebenso die Aktionen der Kita "Villa Kunterbunt" in Kooperation mit dem Berufskolleg Dinslaken, wo die Kindergartenkinder regelmäßig Erzieherinnen in Ausbildung ihre Kenntnisse zu Färbergärten und Pflanzenfarben vermitteln. Diese positiven Erfahrungen gibt die Villa Kunterbunt jetzt weiter an einen neuen Netzwerkpartner: die Spatzenvilla in Dresden. Die Spatzenvilla ist der erste Netzwerkpartner in Dresden. Sie ist der Nukleus, aus dem heraus sich sevengardens_Dresden weiter entwickeln wird.
Formell oder Informell?
Ziel der sevengardens-Projekte ist es, einen Baustein zum Aufbau einer Gesellschaft zu legen, die auf Nachhaltigkeit beruht. "Wir wissen nicht, was letztendlich der Königsweg hierhin ist. Genau so wenig wie wir wissen, was durch den Klimawandel passiert, wie sich die Bevölkerung entwickeln wird, wissen wir auch nicht, was nachher qualitätssichernd und welche Bildungsform am Ende entscheidungsrelevant für einen Paradigmenwandel in der Gesellschaft sein wird. Wir wissen nicht, ist es die nonformelle oder die formelle Bildung. Oder ist es beides im Wechselspiel? Deswegen bedienen wir beides. Und zwar gleichberechtigt", erläutert Peter Reichenbach.
Anja Bardey, M.A. konzipiert und realisiert seit 2006 Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Bildung. Zunächst im Rahmen des Kulturhauptstadtprojekts THE THIRD EYE zum Thema Stadt und Raum; seit 2011 für die Netzwerkinitiative sevengardens. Mitherausgeberin des Buches "Meine Stadt der Zukunft". Seit 2005 freie Mitarbeiterin der Online-Redaktion des Goethe-Instituts.
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