Einleitung
Ein Gedenkort für beide Diktaturen: die Haftanstalt "Roter Ochse" in Halle (Saale). Aufnahme aus den 1990er-Jahren.
Als mit der Epochenzäsur von 1989/1991 das "kurze 20. Jahrhundert"
Aus diesem Befund ergeben sich Konsequenzen für die Geschichtsaufarbeitung und Vergangenheitsbewältigung der Bundesrepublik: Wie lassen sich beide Diktaturen in einem adäquaten Verhältnis erinnern? Wie können sie zueinander in Beziehung gesetzt werden? Wie können die Verbrechen des DDR-Regimes zeitgemäß dargestellt werden, ohne damit die nationalsozialistischen Gräueltaten zu relativieren, zu verharmlosen oder zu banalisieren? Antworten auf diese Fragen zu finden bleibt eine zentrale Aufgabe für die politische Kultur der "Berliner Republik".
Die folgenden Ausführungen möchten dazu einige Denkanstöße liefern. Zunächst einmal sollen die Vorzüge und Nachteile des Vergleichs als wissenschaftlicher Methode in der Zeitgeschichte analysiert werden (1). Anschließend wird ein knapper Überblick über die Rezeptionsgeschichte des deutsch-deutschen Diktaturenvergleichs in den vergangenen 20 Jahren gegeben (2). Davon ausgehend wird herauszuarbeiten sein, welchen Einfluss die zweifache Diktaturvergangenheit auf die politische Kultur der Bundesrepublik hat und welche Möglichkeiten und Grenzen sich daraus ergeben. Die vielfältigen Herausforderungen lassen sich auf mindestens vier Ebenen ausbuchstabieren: Sie haben sowohl eine semantische als auch eine pädagogisch-didaktische wie auch eine wissenschaftliche und schließlich eine politische Dimension (3).
1. Der Vergleich
als zeitgeschichtliches Analyseverfahren
Die zeitgeschichtliche Komparatistik nahm in der deutschen Geschichtsschreibung bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine unterprivilegierte Stellung ein. Das die deutsche Geschichtswissenschaft dominierende Historismus-Paradigma blieb der Rekonstruktion historischer Individualitäten in ihrem jeweilig als spezifisch verstandenen Kontext verpflichtet.
In anderen Sozialwissenschaften außerhalb der Geschichtswissenschaft spielten und spielen komparative Untersuchungen eine ungleich wichtigere Rolle. Dies gilt insbesondere für die Politische Wissenschaft, die epistemologisch zwischen dem universalistischen Interesse der Verhaltenswissenschaften und dem partikularistischen Interesse von Geschichtswissenschaft und Staatsrecht angesiedelt ist. Die vergleichende Methode erweist sich dabei vor allem im Bereich der Regierungslehre als unverzichtbar. Der systematische Verfassungs- und Gesellschaftsvergleich verweist auf eine lange Traditionslinie, die sich von Aristoteles und Thukydides über Machiavelli bis hin zu Rousseau und Tocqueville erstreckt. Eine hervorgehobene Rolle spielen komparative Verfahren auch auf dem Feld der Diktatur- und Totalitarismusforschung.
Die historische Komparatistik ist gleichermaßen durch methodische Risiken wie Vorzüge gekennzeichnet. Sie kommt nicht umhin, die Vielschichtigkeit und den Umfang des gegebenen Forschungsgegenstandes massiv zu begrenzen; allerdings ist es gerade Aufgabe jeder wissenschaftlichen Theoriebildung, den Komplexitätsgrad der Realität zu reduzieren. Zudem erschwert es der Vergleich, eine konkrete Fragestellung zu formulieren und einen analytisch praktikablen Rahmen für die Untersuchung der gegebenen Einzelfälle zu entwickeln. Darüber hinaus läuft der Vergleich immer Gefahr, prima facie strukturell ähnlich erscheinende Phänomene vorschnell als inhaltliche Gemeinsamkeiten aufzufassen. Dabei muss jede historische Konstellation letztlich immer als individuell, nicht kopierbar und insofern als einmalig betrachtet werden. Dieser Einwand lässt sich mit der Maßgabe abschwächen, dass jeder gehaltvolle historische Vergleich einerseits auf den Begriff "Gemeinsamkeiten" verzichten und andererseits zunächst einmal prinzipiell darum bemüht sein sollte, Unterschiede klar zu konturieren, bevor mit der gebotenen Vorsicht gewisse Ähnlichkeiten herausgearbeitet werden können. Weitere Bedenken gegen die historische Komparatistik ergeben sich aus der Problematik, nicht zu extensiv ins Detail gehen zu können und als Vergleichsgegenstand ein repräsentatives pars pro toto mit exemplarischer Aussagekraft auswählen zu müssen.
Neben den gravierenden Nachteilen, die zugleich die methodischen Grenzen des historischen Vergleichs abstecken, bieten komparatistische Verfahren ein ganzes Bündel an methodisch fruchtbaren und operational hilfreichen Vorteilen: Schon im 19. Jahrhundert verstand der Positivismus den Vergleich als "Surrogat für das Fehlen experimenteller Möglichkeiten in den Sozialwissenschaften"
2. Die Spezifika des deutschen Diktaturenvergleichs
Gerade in der Bundesrepublik Deutschland wurde dem Vergleich insbesondere von diktatorischen Herrschaften verschiedener weltanschaulicher Provenienz noch bis weit in die 1980er-Jahre hinein eine große Skepsis entgegen gebracht. Dies dokumentiert nicht zuletzt der sogenannte "Historikerstreit", die letzte große geschichtspolitische Kontroverse der alten Bundesrepublik. Eine breite Front von Historikern und Intellektuellen hatte hier noch die These von der strukturellen Ähnlichkeit sowie den impliziten Wechselwirkungen zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus abgelehnt. Wer beides miteinander verglich, stand sogleich im Verdacht, die nationalsozialistische Vergangenheit relativieren und verharmlosen zu wollen. Aus heutiger Sicht steht fest, dass der "Historikerstreit" keinen wissenschaftlichen Ertrag erbracht hat, sondern im Kern ein Ringen um die intellektuelle Deutungshoheit über die politische Kultur der Bundesrepublik gewesen ist.
Das Ende des ideologischen Zeitalters 1989/90 führte allerdings zu einer Verschiebung des normativ-politischen Koordinatengefüges. Als 1989 die Mauer fiel, erkannten viele der vormaligen Vergleichsskeptiker, dass es auch große Chancen birgt, die DDR von Anfang an nicht nur als "historisches Individuum", sondern auch komparativ erforschen zu können.
Sitzung der Enquete-Kommission (© Dämelow / Bundesregierung, B 145 Bild-00017315.)
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Sitzung der Enquete-Kommission (© Dämelow / Bundesregierung, B 145 Bild-00017315.)
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Sitzung der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" im Berliner Abgeordnetenhaus, 4. November 1993, mit Bundeskanzler Helmut Kohl, dem Kommissionsvorsitzenden Rainer Eppelmann (CDU), dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel und dem ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP).
Dieser Aufgabe widmeten sich unter anderem die beiden Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages, die zur Aufarbeitung der Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in den 1990er-Jahren eingesetzt wurden.
Doch ungeachtet dieser unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der konkreten Charakterisierung und Einordnung der DDR waren sich beide Seiten einig, dass ein Vergleich zwischen dem nationalsozialistischen und dem SED-Staat nicht nur wissenschaftlich zulässig, sondern auch geschichtspolitisch notwendig sei. Jürgen Kocka führte dazu aus: "Der Vergleich zwischen den beiden deutschen Diktaturen ist, wie ich glaube, legitim und nützlich, überdies wissenschaftlich angebracht [...]. Der Vergleich kann auch helfen, mit den Folgen besser umzugehen und zu lernen, um ähnliches zu vermeiden."
Die gewandelten Rahmenbedingungen des normativ formierten politisch-kulturellen Umfelds führten zu einer erhöhten Forschungsproduktivität. Verschiedene Konzepte für den deutsch-deutschen Diktaturenvergleich wurden entwickelt. Wie oben bereits ausgeführt, sollte jeder gehaltvolle historische Vergleich zunächst einmal die markanten Unterschiede zweier historischer Einzelbeispiele konturieren. So können folgende das "Dritte Reich" und die DDR unterscheidenden Aspekte in der seriösen Forschung der vergangenen 20 Jahren als unumstritten gelten: Die DDR hat keinen Weltanschauungs- und Rassenkrieg vom Zaun gebrochen und ebenso wenig einen systematischen Genozid zu verantworten. Die Anzahl der Menschen, die dem SED-Regime zum Opfer fielen, verblasst angesichts der Ausmaße der Shoah. Handelte es sich beim NS-Staat um ein von innen heraus entstandenes Unrechtsregime, so war die DDR ein Produkt des Kalten Krieges. Das "Dritte Reich" war ein eigenständiges Herrschaftssystem, wohingegen die DDR einer "Satrapie der Sowjetunion" (Hans-Ulrich Wehler) glich. Andererseits hatte die SED-Führung 40 Jahre Zeit, die angestrebte radikale Veränderung der Gesellschaftsstruktur durchzusetzen, wohingegen das "Tausendjährige Reich" nur zwölf Jahre existierte. Insofern waren Grad und Intensität der Gesellschaftsdurchherrschung in der zweiten deutschen Diktatur weit höher als in der ersten. War der Untergang des Nationalsozialismus das folgerichtige Ergebnis eines selbst angezettelten Weltkrieges, so lässt sich das Ende der DDR nur aus dem komplexen Zusammenhang international bedeutsamer Entwicklungen und innenpolitischer Strukturdefizite erklären. Dies sind zweifellos gravierende und fundamentale Unterschiede zwischen dem "Dritten Reich" und der DDR; aber sie sind eben erst das Ergebnis einer vergleichenden Betrachtung.
Nach und nach wurden Kriterienkataloge erarbeitet, die systematische Ansatzpunkte für den innerdeutschen Diktaturenvergleich vorschlugen. Wolfgang Schuller empfiehlt insgesamt sieben Vergleichsebenen: historische Ausgangslage, im Vorhinein vorhandene Strukturen, Ideologieanspruch der führenden Partei, "Durchherrschtheit" der Gesellschaft, Repression, Nachrichten- und Meinungsmonopol sowie Herrschaftsende.
Auf diesem Forschungsfeld lässt sich also eine hohe Produktivität in den vergangenen beiden Dekaden feststellen.
3. Perspektiven des deutschen Diktaturenvergleichs
Welche Perspektiven ergeben sich für den Vergleich zwischen dem nationalsozialistischen und dem SED-Regime heute, über 20 Jahre nach der Deutschen Einheit? Die vielfältigen Bezüge lassen sich in vier zentralen Aspekten bündeln: Es handelt sich um eine semantische, eine pädagogisch-didaktische, eine wissenschaftliche und nicht zuletzt um eine politische Herausforderung.
(a) Das erste Problem stellt sich bereits auf der sprachlichen Ebene. Ist es überhaupt gerechtfertigt, so fragte Salomon Korn vom Zentralrat der Juden in der "Zeit", von einer "doppelten Diktatur" oder den "beiden totalitären Systemen" zu sprechen, ohne damit beide Herrschaftsregime bereits gedanklich gleichzusetzen?
Einigen könnte man sich hingegen sicherlich auf den Diktaturbegriff, der sich in der vergleichenden Politikwissenschaft als praktikabler Oberbegriff etabliert hat und der zugleich Raum für weitere Differenzierungen lässt. Fernerhin erscheint es ebenso plausibel, sowohl das "Dritte Reich" als auch die DDR als ideologiegeleitete Diktaturen bzw. als "Ideokratien" zu bezeichnen.
(b) Neben dieser basalen sprachlichen hat der deutsch-deutsche Diktaturenvergleich auch eine pädagogisch-didaktische Dimension. 2005 wurden im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands 5.616 Schülerinnen und Schüler aus allen deutschen Bundesländern zu ihren Kenntnissen über die DDR befragt. Dabei stellte sich heraus, dass das vorhandene Wissen der Schülerinnen und Schüler gravierende Mängel aufweist. Fragen, die nach den Curricula nachweislich zum zu vermittelnden Unterrichtsstoff gehörten, wurden im Schnitt von weniger als der Hälfte der Befragten richtig beantwortet. Ein knappes Drittel gab an, die Geschichte der DDR im Unterricht der Sekundarstufe I überhaupt nicht behandelt zu haben.
Themen, die sich mit dem "Dritten Reich" befassen, nehmen in den Lehrplänen an deutschen Schulen nun bereits seit mehreren Jahrzehnten einen nach wie vor relativ breiten Raum ein. Die vergleichende Betrachtung zwischen Nationalsozialismus und SED-Regime könnte auch hier helfen, Schüler zur Herausbildung eines informierteren und differenzierteren DDR-Urteils anzuleiten. Das stellt zwar hohe didaktische Anforderungen an das Lehrpersonal, da nicht der Eindruck einer vorschnellen Gleichsetzung erweckt werden darf; pädagogisch vernünftig aufbereitet, kann der vergleichende Blick allerdings äußerst hilfreich sein, um ein kritisches Geschichtsbewusstsein gerade für die Schattenseiten der kollektiven Vergangenheit des eigenen Gemeinwesens zu vermitteln.
(c) Auch die Zeitgeschichtsforschung steht noch immer vor vielerlei Herausforderungen. Es sollte nicht vergessen werden, dass wohl kein anderer Staat auf der Welt über so umfangreiche und gut zugängliche Archivmaterialien zu zwei diktatorischen Herrschaftssystemen verfügt wie Deutschland. Allein diese Tatsache sollte Motivation bieten. Auch wenn ideologische Hemmnisse in großem Stil abgebaut worden sind, beurteilten 2004 satte 40 Prozent der deutschen DDR-Forscher den Vergleich zwischen der DDR und dem "Dritten Reich" als "unzureichend" bzw. als "sehr unzureichend" erforscht.
Die genannten Kriterienkataloge von Schuller, Heydemann und anderen sind bei Weitem noch nicht vollumfänglich abgearbeitet. Es liegen noch lange nicht zu jedem der genannten Punkte systematische Vergleichsstudien vor. Überblickt man den Forschungsstand insgesamt, so scheint es, als ob die herrschaftspraktische Seite der beiden deutschen Diktaturen schon recht ausführlich thematisiert worden ist. Demgegenüber nehmen Fragen der Herrschaftslegitimation bisher eine eher unterprivilegierte Rolle ein. Dabei ist es gerade für die wissenschaftliche Einordnung und Bewertung einer diktatorischen Herrschaft von entscheidender Bedeutung, nicht nur deren Symptome, sondern vor allem auch deren tiefer liegende Ursachen in den Blick zu nehmen. Im Rückblick wird deutlich, wie wirkmächtig Ideen, Dogmen und Gedankensysteme auf den Gang der Geschichte einwirken können und dass mitnichten von einer unüberbrückbaren Kluft zwischen der theoretischen Welt der Ideen und Ideologien und der praktischen Welt der Politik und Gesellschaft ausgegangen werden kann. Politik findet nicht im gleichsam luftleeren Raum statt. Dem politischen Handeln liegen vielmehr stets bestimmte normative Grundsätze, konkrete moralische Werte sowie spezifische regulative Ideen zu Grunde. Der Vergleich zwischen dem Nationalsozialismus und der DDR erweist sich in dieser Perspektive auch als anschlussfähig für die vergleichende Ideologieforschung im Allgemeinen, wie sie in den vergangenen Jahren Autoren wie Friedrich Pohlmann, Lothar Fritze oder Barbara Zehnpfennig betrieben haben.
Öffentliche Anhörung (© Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
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Öffentliche Anhörung zu den "Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes 'Aufarbeitung der SED-Diktatur'" im Deutschen Bundestag, Berlin 6. Juni 2006. Im Bild (v.l.) die Kommissionsmitglieder Klaus-Dietmar Henke, Ulrike Poppe und der Vorsitzende Martin Sabrow sowie der Moderator Christhard Läpple und Bernd Schäfer, Staatssekretär beim Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM).
(d) Das Erbe der beiden deutschen Diktaturen stellt nicht zuletzt auch die bundesdeutsche Erinnerungspolitik vor große Aufgaben. Im Gefolge der Ergebnisse der zweiten Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages wurde in Deutschland eine staatlich geförderte und zentralisierte Gedenkstättenlandschaft institutionalisiert, deren Federführung seit 1999 dem von der rot-grünen Bundesregierung neu geschaffenen Amt eines Kulturstaatsministers obliegt. Diese strukturelle Zusammenführung der staatlichen Gedenkstättenpolitik hat sich bis heute erhalten. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass eine nationale Gedenkstättenpolitik nur funktionieren kann, wenn sie sich auch auf beide deutschen Diktaturen bezieht. Der Arbeit der "Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes 'Aufarbeitung der SED-Diktatur'" ist zweifellos wenig Erfolg beschieden gewesen.
Konsequenterweise berücksichtigte die gelungene, in Teilen auf den Empfehlungen der Expertenkommission aufbauende Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes, die im Juni 2008 verabschiedet wurde, die vergleichende Perspektive. Die zentrale Achse des Konzepts bildet die Frage, wie das vereinte Deutschland mit dem Erbe sowohl des Nationalsozialismus als auch des SED-Regimes in einem angemessenen Verhältnis zueinander umgehen kann. Winfried Sträter hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sicherlich kein leichtes Unterfangen war, die beiden Diktaturen miteinander in Beziehung zu setzen und zu unterscheiden sowie dabei gleichzeitig keinerlei Angriffsfläche für den Vorwurf der Verharmlosung des NS-Regimes und den der Bagatellisierung der DDR zu bieten.
Die Gedenkstättenlandschaft zur Erinnerung an die NS-Diktatur besitzt in Deutschland eine über Jahrzehnte hinweg gewachsene und etablierte erinnerungspolitische Struktur. Daher geht der größere Anteil der staatlichen Förderung noch immer an die NS-Gedenkstätten. Die Angemessenheit der Proportionierung wird in den kommenden Jahren sicher immer wieder neu zu überprüfen sein. Die DDR-bezogenen Gedenkstätten haben sich in den vergangenen 20 Jahren etwas "naturwüchsiger" entwickelt. Die Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption sah sinnvollerweise eine stärkere Kooperation gerade der Berliner Erinnerungsstätten vor; die ist jedoch noch immer weiter auszubauen. Es ist einerseits richtig, dass in der Geschichte wohl kaum eine Diktatur so umfassend und mit solch hohem personellen und finanziellen Aufwand in die Gedenkstättenarchitektur eines demokratischen Gemeinwesens eingeordnet worden ist wie das SED-Regime. Auf der anderen Seite haben viele Gedenkstätten des Nationalsozialismus seit Jahren mit finanziellen Kürzungen zu kämpfen. In finanzpolitischen Krisenzeiten ist die Kultur- und Gedenkstättenpolitik oftmals eines der ersten Felder, auf denen gespart wird. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass sich die demokratische Qualität eines liberalen Gemeinwesens auch und gerade daran bemisst, wie es mit den Schattenseiten der eigenen Vergangenheit umgeht und welchen Stellenwert diesen im öffentlichen Erinnern eingeräumt wird.
Es konnte hier nur in groben Zügen angedeutet werden, wie heterogen, vielschichtig und mehrdimensional die Herausforderungen des deutsch-deutschen Diktaturenvergleichs auch heute noch sind und bleiben. Sie werden die Zeitgeschichtsforschung und die Erinnerungspolitik noch eine ganze Weile beschäftigen. Fest steht in jedem Fall: Ohne eine intensive und vorurteilsfreie Aufarbeitung der beiden deutschen Diktaturen auch und gerade in vergleichender Perspektive wird die "Berliner Republik" nur schwerlich zu sich selbst finden können.