Der folgende Text entspricht einem leicht gekürzten Vortrag, den Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur, auf dem Symposium der Deutschen Gesellschaft e.V. „Frauen (be-)stimmen mit! – 1918 als gesellschaftspolitische Zeitenwende“ am 27. September 2018 gehalten hat.
Viele Frauen im Westen bewunderten das, was ihre Geschlechtsgenossinnen im Osten durch den Staat zur Verfügung gestellt bekamen: Selbstverständliche Berufstätigkeit sowie Kinderbetreuung und das ohne die Kämpfe, die die westdeutsche Frauenbewegung auszufechten hatte.
1968 in den Blick nehmen
Für diesen Beitrag habe ich mich entschieden, der Frage nach der Emanzipation und Gleichberechtigung von Frauen in Ost- und Westdeutschland am Beispiel des Jahres 1968 nachzugehen. Das Jahr 1968 gilt als Schlüsseljahr für die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Ost wie West. Für Westdeutschland wird 1968 als Ausgangspunkt einer tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umgestaltung gesehen, die gemeinhin mit „den 68ern“ verbunden wird: Mit der Studentenbewegung sei der „Mief von 1.000 Jahren“ nicht nur an den Universitäten ausgetrieben worden. Die westdeutsche Gesellschaft insgesamt sei gezwungen worden, sich ihrer Verantwortung für Holocaust und Vernichtungskrieg zu stellen. Dies sei einhergegangen mit einer Modernisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens, die die Stellung der Frau ebenso umfasst habe wie die Liberalisierung des öffentlichen Lebens. Während 1968 im Westen im Rückblick als Chiffre für den Aufbruch aus einer zutiefst konservativen Gesellschaft steht, ist 1968 im Osten mit dem Untergang der Träume von einem gesellschaftlichen Aufbruch und der Möglichkeit eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ verbunden. Während junge Menschen in Westeuropa auf den Straßen die Namen kommunistischer Diktatoren wie Mao, Fidel, Che Guevara oder „Onkel Ho“ skandierten und sie als Helden eines antiimperialistischen Befreiungskampfs feierten, landeten tausende ihrer Altersgenossen in den Ländern des Ostblocks wegen ihres Wunsches nach Freiheit und Demokratie im Gefängnis.
Für dich im Osten versus Freundin im Westen
Wie sah es nun 1968 mit der Situation von Frauen und Frauenbildern im geteilten Deutschland aus? Für diesen Beitrag wurden jeweils offizielle Darstellungen aus Politik und Medien in Ost (Neues Deutschland) und West (FAZ, Tagesspiegel) sowie eine ost- und eine westdeutsche Frauenzeitschrift ausgewertet. Für die DDR fiel die Auswahl nicht schwer, gab es doch dort neben verschiedenen Modezeitschriften wie Pramo oder Sibylle nur eine Frauenzeitschrift, die Für Dich. Für die damalige Bundesrepublik fiel die Auswahl schon schwerer, da es dort eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Frauenzeitschriften gab. Ich habe mich für die in München herausgegebene Freundin
Für beide gewählten Zeitschriften gilt, dass sie Themen aufgriffen, die nah an der Lebenswelt ihrer Leserinnen waren. Westdeutsche Frauenzeitschriften sahen ihre Aufgabe vor allem darin, ihre Leserinnen (und auch Leser!) zu unterhalten und wie es in der ersten Ausgabe der Freundin 1948 hieß, ihnen „nach all den schweren Jahren […] freudigen Herzens ein bisschen Sonnenschein in ihr Heim (zu) bringen“. Die Zeitschrift wollte „Ihre Freundin sein und Sorgen und Freuden mit ihnen teilen“. Die DDR-Zeitschrift hatte ebenso wie ihre Vorgängerin Die Frau von heute eine andere Aufgabe: Sie sollte die Frauen weniger unterhalten, sondern politisch bilden und erziehen. Das hieß vor allem, sie für die Politik der SED und die Berufstätigkeit zu gewinnen. So finden sich beispielsweise 1968 vielfältige Aufforderungen an die Frauen, sich dafür einzusetzen, dass die DDR völkerrechtlich anerkannt wird.
Daneben gab es in der Frauenzeitschrift der DDR Für Dich ebenso wie in den Frauenzeitschriften im Westen Ratgeberseiten, Modestrecken und Kochrezepte. Gleich war auch in den Zeitschriften, dass ost- und westdeutsche Frauen mittels Heiratsannoncen einen Partner fürs Leben oder die Freizeit finden konnten. Dabei suchten Frauen und Männer in Ost wie West gleichermaßen nach der „Liebe und dem Glück fürs Leben“. Während Frauen in der DDR in den Annoncen oftmals beschrieben, dass sie nach einer „großen Enttäuschung“ für sich und ihre Kinder einen neuen verständnisvollen Partner suchten, sind partnersuchende Frauen im Westen Ende der 1960er Jahre zumeist kinderlos. Frauen aus Ost und West beschreiben sich als gut verträglich, adrett, reizend und attraktiv und betonen, dass sie „keine Versorgung“ suchen. Männer in Ost wie West betonen ihre wirtschaftliche Situation: Wohnung, gutes Einkommen und Auto werden in Ost wie West als Merkmale für eine gute Partie angegeben.
In beiden deutschen Staaten ist das über die Zeitschriften transportierte Bild der modernen Frau ähnlich. Sie wird als jung, frisch, fröhlich, mutig, gepflegt, sportlich, aktiv – im Westen auch schon mal mit Zigarette in der Hand
Zum 8. März, der in der DDR bereits seit 1947 als Internationaler Frauentag begangen wurde, ging es 1968 um den Kampf für Selbstbestimmung und Menschenrechte. Womit jedoch nicht die Selbstbestimmung der Frauen in der DDR gemeint war, sondern der antikoloniale und antikapitalistische Befreiungskampf und der Kampf zur Stärkung des Sozialismus. Der achte März als Internationaler Frauentag spielte im Westen kaum eine Rolle. Zwar berichteten die Zeitungen im Westen am 8. März 1968 darüber, dass Frauen aller Altersgruppen für das Recht auf Abtreibung demonstrierten. Ein Vorgang, der für die DDR undenkbar war – auch wenn dort ebenfalls viele Frauen illegal abtrieben und wie sich ab 1972 zeigte, dringend auf die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen warteten.
Ein Blick in die Ratgeberseiten
In Ost wie West bewegten Frauen unabhängig vom politischen System, in dem sie lebten, offenbar ähnliche Fragen:
Sie/Er hat ihn/sie verlassen für eine/n andere/n
Er zahlt nicht nach der Scheidung
Frauen fühlen sich zu schüchtern, beklagen ihr fehlendes Selbstbewusstsein und fragen, wie man damit umgeht
Frauen erbitten sich Ratschläge bei der Erziehung und dem Umgang mit ihren Kindern: Wobei es in der DDR-Zeitschrift vor allem um die Frage der Berufstätigkeit und mögliche schädliche Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung ging (was selbstverständlich verneint wurde). Während es sich im Westen darum drehte, wie man sein Kind gut erzieht, ihm Nestwärme und Geborgenheit geben kann und beispielsweise durch die Wahl der richtigen Puppe, den Mädchen frühzeitig das richtige Mutterbild vermittelt.
Zugleich bringt die Freundin immer wieder Artikel, in denen betont wird, dass arbeitende Mütter gut für ihre Kinder sind und ihnen ein gutes Rollenvorbild bieten.
In Ost wie West gab es darüber hinaus durchaus spezielle Fragen. In der westdeutschen Freundin geht es zum Beispiel auf der Frage- und Ratgeberseite mit dem Titel „Kein Fall ist aussichtslos“ um folgende Fragen und Probleme:
Eine Frau darf nach der Scheidung ihr Kind nicht mehr sehen.
Eine Frau war mit einem Mann in Afghanistan verheiratet, wo ein sehr veraltetes Frauen- und Familienbild herrsche und es Probleme in der Ehe mit einem „Orientalen“ gebe, da in Afghanistan dem Artikel zufolge, der Mann über die Frau bestimme und alles Eigentum der Frau dem Mann gehöre.
Die Problematik unehelicher Kinder, die für Ost und West sehr unterschiedlich war: Während in der DDR unehelich geborene Kinder ehelich geborenen Kindern gleich gestellt waren und gesellschaftlich auch keinen Makel mehr darstellen sollten, sahen sich unverheiratete Mütter im Westen durchaus Diskriminierungen ausgesetzt. So wurde hier erst 1968 die gesetzliche Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern beschlossen. Bis dahin galten unehelich geborene Kinder als in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu ihren Vätern stehend.
Lebenswirklichkeit der Frauen nach dem Krieg
In Ost wie West stellten Frauen 1968 noch knapp eine Bevölkerungsmehrheit dar: Von 17 Millionen Einwohnern in der DDR waren über 9 Millionen Frauen (53 Prozent). In der Bundesrepublik waren 32 der 60 Millionen Einwohner Frauen (53,3 Prozent). Frauen, die Ende der 1960er Jahre bereits erwachsen waren, teilten in Ost wie West ähnliche Erfahrungen: Sie waren in der Regel in der Weimarer Republik oder im Nationalsozialismus geboren worden, hatten als Kinder oder junge Erwachsene die Kriegsjahre miterlebt und waren oft vaterlos aufgewachsen. Frauen aus Ost und West hatten während der Kriegsjahre und in den ersten Nachkriegsjahren die Erfahrung gemacht, dass sie selbst oder ihre Mütter die Plätze der Männer einnahmen, die Familien zusammenhielten und über die entbehrungsreichen Jahre brachten. Sie hatten das Kriegsende er- und überlebt, sie hatten das zerstörte Land aufgebaut und gehofft, dass ihre Väter, Männer oder Söhne den Krieg und die Gefangenschaft überleben würden. Sie hatten sich als Überlebenskünstlerinnen in Ruinen erwiesen. Frauen in der späteren DDR erlebten zudem am Kriegsende die Massenvergewaltigungen und Übergriffe durch Soldaten der Roten Armee.
Und auch das verband die Frauen dieser Generationen in Ost und West: Sie teilten ähnliche Bilder vom Familien- und Eheleben. Der Mann – blieb trotz jahrelanger Abwesenheit – das Familienoberhaupt, auf dessen Rückkehr man wartete, um an das Leben vor der „Katastrophe“ wieder anzuknüpfen, auch wenn sich dies nach den Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre oft schwieriger erwies als erhofft. Sowohl Frauen als auch Männer hatten sich verändert, und die Probleme beim erneuten Zusammenleben und Zueinanderfinden waren so erheblich, dass nach Kriegsende in beiden Landesteilen Eheberatungsstellen eingerichtet wurden.
Gleichberechtigung in der Verfassung
Bereits 1949 war in beide deutsche Verfassungen die Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgenommen worden. Jedoch verstand man in der DDR und der Bundesrepublik sehr Unterschiedliches darunter: In beiden Fällen hieß es, dass Frauen vor dem Gesetz gleich seien. Frauen in der DDR genossen in der Tat die gleichen Rechte wie Männer. Zahllose Gesetze vom Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit bis hin zu Erleichterungen für berufstätige Mütter sollten es Frauen erleichtern, arbeiten zu gehen und trotz Berufstätigkeit, ihren Aufgaben als Ehefrau und Mutter nachzukommen. Trotz dieser Regelungen verdienten Frauen auch in der DDR durchschnittlich 30 Prozent weniger als Männer. Sie erreichten weit seltener gut bezahlte Leitungspositionen und arbeiteten zumeist in grundsätzlich schlechter bezahlten so genannten Frauenberufen. Frauen waren deswegen auch in der DDR öfter als Männer von Altersarmut betroffen.
Im Westen hatte das 1957 verabschiedete „Gleichberechtigungsgesetz“ sowie das 1958 beschlossene Familiengesetzbuch die Arbeitsteilung in der Ehe festgelegt: Berufstätigkeit war mit Zustimmung des Mannes möglich und soweit diese nicht die Zuständigkeit der Frau für den Haushalt beeinträchtigte. Der Mann war für das Einkommen verantwortlich und galt als Haushaltsvorstand. Erst 1977 wurde mit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs die so genannte Hausfrauenehe abgeschafft und das Partnerschaftsprinzip eingeführt. Frauen wurden damit „geschäftsfähig“ und konnten selbst ihre Arbeitsverträge abschließen oder ohne Zustimmung des Mannes ein Konto eröffnen. Interessant ist, dass die Freundin bereits 1968 immer wieder Frauen ermutigt, sich als Partnerinnen ihrer Männer zu verstehen und auf eine partnerschaftliche Ehe hinzuarbeiten.
Frauen in der Politik
In Ost wie West hatten Frauen das aktive und das passive Wahlrecht, wobei sie in beiden deutschen Staaten im politischen Raum unterrepräsentiert waren. Während es in der DDR keine freien Wahlen gab und die Aufnahme in eine der „Einheitslisten“ von Parteigremien beschlossen wurde, waren es im Westen die männerdominierten Strukturen der Parteien, die den Aufstieg von Frauen in politische Führungspositionen behinderten. In der DDR waren ca. 29,7 Prozent der Abgeordneten Frauen (die Mehrzahl in der „Fraktion“ des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, kurz: DFD), im Westen nur 6,9 Prozent. Jedoch wurde mit Annemarie Renger 1972 zum ersten Mal eine Frau Bundestagspräsidentin. In Ost wie West war Ende der 1960er Jahre noch das Bild verbreitet, Frauen seien nicht für Leitungspositionen geeignet, da ihnen hierfür die nötigen Eigenschaften fehlen würden. In einer Ende der 1960er Jahre von der Zeitschrift Für Dich durchgeführten Umfrage gaben Männer an, dass „Frauen (…) zu wenig Selbstbewußtsein (hätten und) darum (…) nicht leiten" könnten. Die vor allem von Männern vorgebrachten Argumente unterstellten Frauen, sie seien für Leitungsfunktionen nicht geeignet, weil sie nicht so leistungsfähig wie Männer wären und neben einer Leitungsfunktion nicht auch noch in angemessener Weise den Haushalt versorgen könnten. Zudem seien Männer zuverlässiger und würden nicht so oft „ausfallen“. Außerdem hätten Frauen weit weniger Verständnis für komplizierte Probleme nicht nur in technischen, sondern auch in wirtschaftlichen Fragen. Diese Einschätzungen änderten sich offenbar erst maßgeblich in den achtziger Jahren, wobei Frauen dennoch die Wege an die Spitze zumeist versperrt blieben.
Sicher dürften es nicht allzu viele Frauen wegen der anderweitigen Belastungen (Haushalt, lange Arbeitstage, Familie, Kinder, für die die Zeit ohnehin kaum reichte) bedauert haben, dass sie zu den eigentlichen Macht- und Repressionszentren der SED-Diktatur kaum Zugang hatten. Trotzdem war die geringe Präsenz von Frauen symptomatisch für die trotz aller propagandistischen Beteuerungen nach wie vor voremanzipatorischen und paternalistisch geprägten Frauenbilder auch in der DDR.
Berufstätigkeit von Frauen in den 1950er und 1960er Jahren
Frauen in der Bundesrepublik mussten ebenso wie ihre Geschlechtsgenossinnen im Osten während des Krieges und in der Nachkriegszeit die Plätze der Männer in Wirtschaft und im öffentlichen Leben einnehmen. Nach der Rückkehr der Männer wurden sie jedoch mehrheitlich wieder aus dem Berufsleben verdrängt. Mit der Rückkehr der Männer wurden nun diese wieder in ihre vormaligen Arbeitsstellen integriert und die Arbeitskraft von Frauen war nicht mehr erforderlich. Dies entsprach zumindest in den 1950er und auch 1960er Jahren noch den Vorstellungen vieler Frauen: Diese sahen ihre Berufstätigkeit als etwas Vorübergehendes und sich selbst in der Rolle der „Zweit- oder Zuverdienerin“, die sobald der Mann zurückgekehrt wäre, wieder etwas kürzertreten würde.
In der DDR war die Situation wegen der anhaltenden Bevölkerungsverluste durch die Fluchten in den Westen anders: Bis 1961 flohen etwa vier Millionen (das waren ca. 25 Prozent der Bevölkerung) – oft junge und gut ausgebildete – Menschen aus der DDR. Hier waren Frauen die einzige Arbeitskräftereserve, auf die zurückgegriffen werden konnte und die unbedingt im Berufsleben gehalten werden musste. Trotz der unterschiedlichen politischen Systeme behielten die Menschen in Ost und West unabhängig von dem Staat, in dem sie lebten, bis Mitte/Ende der 1960er Jahre ähnliche Vorstellungen von den Geschlechterrollen und -bildern: Eine Berufsausbildung für Mädchen wurde zwar in Ost wie West mehrheitlich befürwortet (1970 hatten 71 Prozent der DDR-Frauen eine solche), die höhere Bildung oder ein Studium sollte jedoch den Jungen der Familie vorbehalten bleiben.
1961 waren in Ost wie West etwa 25 Prozent der Studenten Frauen, obwohl in Ost wie West etwa 35 Prozent der Abiturienten Frauen waren. Für die DDR ist dieser relativ geringe Anteil insofern erstaunlich, da dort seit den 1940er Jahren massiv dafür geworben wurde, dass Frauen ebenso wie Männer studieren oder eine Ausbildung absolvieren sollten. Mütter schienen ihren Töchtern damals in Ost wie West eher davon abgeraten zu haben, zu studieren, denn – so die damals gängige Auffassung – angeblich würden Männer Frauen, die ihnen überlegen seien, nicht mögen. Sowohl in der Für Dich als auch in der Freundin wird die Angst, arbeitende Frauen könnten zu wenig „fraulich“ sein und Männer sie nicht mehr attraktiv finden, aufgegriffen.
Stellenwert der Berufstätigkeit von Frauen in Ost- und Westdeutschland
Im Westen konstatierte der Tagesspiegelin Berlin aber auch die Freundin, dass immer mehr (und vor allem junge) Frauen sich zunehmend als Partnerinnen der Männer verstehen würden. Dennoch würden die „Klischees […] und Anschauung von der elterlichen oder großelterlichen Ehe“ weiterleben und zählebig sein.
Während in der DDR betont wurde, dass nur die Berufstätigkeit die volle Gleichberechtigung der Frauen bringen und den Frauen eine „sinnvolle“ Beschäftigung bieten würde, wurde im Westen anders argumentiert. In zahlreichen Ausgaben der Freundin des Jahres 1968 werden Frauen und Mädchen ermutigt, eine Berufsausbildung zu machen und diese auch abzuschließen. Damit wären sie unabhängig und könnten beispielsweise im Falle eines Scheiterns der Ehe, ohne Angst vor Verarmung, selbstbewusst und selbstbestimmt entscheiden, wie sie leben wollten. So widmet sich die Freundin gleich in ihrem ersten Heft 1968 dem Thema, was moderne Ehen als „wirkliche Partnerschaften“ ausmachen.
Auch hier zeigen sich die Unterschiede zwischen Ost und West: Während Frauen in der DDR immer wieder erklärt wird, dass die erhöhten Belastungen durch die Hausarbeit durchaus vorhanden seien, aber durch die Maßnahmen des Staates bald verringert sein würden, wird im Westen anders argumentiert. Hier heißt es, dass die Belastungen durch Berufstätigkeit und Hausarbeit so hoch seien, dass – sofern die wirtschaftliche Situation der Eheleute dies zulasse – Frauen, zumal mit Kindern nur in Teilzeit arbeiten sollten, um die Belastungen möglichst sowohl für sich selbst als auch für die Familien gering zu halten. Mit größerem Alter und Selbständigkeit der Kinder könnten Frauen durchaus stärker ins Berufsleben zurückkehren. Als Vorbilder werden Unternehmerinnen oder auch Frauen in politischen Positionen vorgestellt.
So werden in der 1968 von der Freundin ins Leben gerufenen Aktion „Die beste Ehefrau“ Frauen präsentiert, die nicht dem Klischee eines „Heimchens am Herd“ entsprechen, sondern moderne und selbstbewusste Frauen, die ihren Männern Partnerinnen sind. Auch die in der Aktion „Der beste Ehemann“ gekürten Männer sind keine Paschas, die ihre Frauen als Putzfrauen oder Köchinnen betrachten, sondern Männer, die sich als Partner erweisen und sich „auch nicht zu schade sind“ im Haushalt zu helfen.
In Ost wie West werden in unterschiedlichem Umfang Berufe vorgestellt, die für Frauen in Frage kommen. Im Westen entsprechen diese dem gängigen Bild: Sekretärin, Verkäuferin, Telefonistin, Vorführdame oder Mannequin und Buchhalterin. Im Osten hingegen wurde dafür geworben, dass Frauen auch Männerberufe ergreifen sollten: Traktoristin, Ingenieurin, Mechanikerin sollten Berufe wie Friseurin oder Verkäuferin ergänzen beziehungsweise ersetzen, denn wie Walter Ulbricht schon 1964 verkündet hatte, könnte man den Sozialismus ja nicht nur mit Friseusen und Verkäuferinnen aufbauen
Berufstätigkeit von Frauen im Osten
Während im Westen Frauen ermutigt wurden, arbeiten zu gehen und in ihrem Selbstbewusstsein bestärkt wurden, sie seien eigentlich das „stärkere Geschlecht“, konstatierte die DDR-Frauenzeitschrift Für Dich 1968, dass für eine Mehrzahl der Frauen in der DDR Berufstätigkeit mittlerweile zum modernen Frauen- und Ehebild gehöre. Frauen könnten sich mittlerweile ein Leben ohne Berufstätigkeit gar nicht mehr vorstellen. Hier war inzwischen die erste Generation Mädchen und Jungen herangewachsen, die die zehnklassige POS (Polytechnische Oberschule) absolviert hatte, die 1959 eingeführt worden war. 10 Jahre Schule war nun der Normalfall für alle Kinder in der DDR. Damit einherging, dass Mädchen und Jungen in dieser Zeit mit einem neuen Frauenbild aufwuchsen: Dieses sah selbstverständlich vor, dass Mädchen einen Beruf erlernen und diesen auch mit Familie weiter ausüben würden. Dies äußerte sich auch in dem 1968 bereits hohen Anteil berufstätiger Frauen: Hier arbeiteten bereits über 80 Prozent der Frauen, 25 Prozent davon in Teilzeit. Bis 1989 stieg der Anteil arbeitender Frauen auf 92,4 Prozent.
Anonyme Umfragen ergaben ein durchaus differenzierteres Bild: Eine Mehrzahl der Frauen gab an, dass sie vor allem arbeiten würden, weil ein Verdienst für die Familien nicht ausreiche oder um sich als Familien mehr leisten zu können, die Wohnungseinrichtung zu verschönern oder in den Urlaub zu fahren. Die Zurückhaltung von Frauen, sich enthusiastischer über ihre Berufstätigkeit zu äußern, hatte vor allem mit der hohen Belastung zu tun, der berufstätige Frauen in der DDR ausgesetzt waren. Viele Frauen klagten darüber, dass die versprochenen Erleichterungen bei Kinderbetreuung und Hausarbeit unzureichend seien. Zudem seien die starren Arbeitszeiten und der sehr frühe Arbeitsbeginn, der in Regel bei 6 Uhr oder 6:30 Uhr lag, kaum mit den Öffnungszeiten der Kindergärten vereinbar. Sie müssten eine „zweite Schicht“ bewältigen und fühlten sich oft „zweigeteilt“. Schaut man sich Arbeitszeiten im Beruf und die für den Haushalt aufzuwendenden Zeiten an, so verbrachten Frauen in der DDR pro Woche oft mehr Zeit damit, den Haushalt zu führen als ihrem Beruf nachzugehen. Dies hing mit den Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen ebenso zusammen, wie mit den damit verbundenen oft langen Wartezeiten, dem Schlangestehen. Eine Mehrzahl der berufstätigen Frauen sprach sich dafür aus, dass Frauen in Teilzeit arbeiten sollten, um allen an sie gestellten Anforderungen auch gerecht werden zu können. Teilzeitarbeit gehörte jedoch nicht zu den politisch verfolgten Zielen in der DDR, auch wenn diese wegen der bekannten Probleme und der begrenzten Möglichkeiten, die Probleme zu beheben, toleriert werden musste.
Frauen im Westen arbeiteten in Teilzeit
Im Westen waren 1968 36,6 Prozent der Frauen berufstätig, die Mehrheit in Teilzeit, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Bis 1989 erhöhte sich dies auf 50 Prozent der Frauen. Bei Umfragen zu ihrer Motivation arbeiten zu gehen, gaben alleinstehende Frauen an, dass sie einerseits arbeiten gehen müssten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sie andererseits aber auch finanziell unabhängig sein wollten und Freude am Beruf hätten. Der Anteil von Frauen, die dies als Motivation für ihre Berufstätigkeit angaben, erhöhte sich, je älter die Frauen wurden. So betrug dies bei Frauen unter 45 Jahren 28 Prozent, bei über 45-jährigen waren es 35 Prozent.
Kinderbetreuung – ein wichtiges Thema im Osten
Ein Thema, das sich in der westdeutschen Presse in dieser Form kaum findet, ist die Frage der Kinderbetreuung. Auch wenn 1968 die ersten Kinderläden entstehen und Frauen ermutigt werden, ihre Kinder stundenweise außer Haus betreuen zu lassen, bleibt es 1968 im Westen ein Randthema. In der ostdeutschen Für Dich hingegen zieht sich die Frage der Kinderbetreuung durch viele Hefte. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob eine Mutter, die ihr Kind morgens in der Krippe oder im Kindergarten abgibt, eine gute Mutter ist und ihrem Kind genügend „Nestwärme“ gibt. Die dazu erscheinenden Artikel haben alle den gleichen Tenor: Mütter, die lieber zu Hause bleiben bei ihren Kindern, werden als „Glucken“ abgewertet, die ihren Kindern eher schaden, wenn sie mit ihrer „Affenliebe“ kleine Egoisten erziehen. Außerdem könne die moderne Frau Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen, sie müsse sich nur Mühe geben, auch wenn das nicht immer einfach sei. Schließlich würde die Berufstätigkeit auch die „Autorität“ der Frau in der Familie und bei den Kindern erhöhen. Und auch im Westen wird Frauen in der Freundin bescheinigt, dass sogenannte Karrierefrauen die „besseren Mütter“ seien.
Um Frauen in die Berufstätigkeit zu bringen, hatte der Staat DDR mittlerweile für 60 Prozent der Ein- bis Dreijährigen und für 80 Prozent der unter sechsjährigen Kinder Betreuungsplätze angeboten. Damit Mütter arbeiten gingen und zum Beispiel Schichtdienste verrichteten, wurde diesen angeboten, ihre Kinder in Dauerkrippen unterzubringen, wo die Kinder von montags bis freitags oder samstags bleiben sollten. Begründet wurde die flächendeckende Krippen- und Kindergartenbetreuung aber nicht nur mit der Berufstätigkeit der Frauen, sondern auch damit, dass ausgebildete Erzieherinnen die Kinder viel besser betreuen und erziehen könnten als ihre Mütter.
Das bisschen Haushalt ….
In Ost wie West ist Hausarbeit 1968 ein wichtiges Thema. Dabei geht es nicht nur um Werbung für moderne Haushaltsgeräte, sondern auch darum, dass die damit verbundene Arbeit nicht wertgeschätzt wird. In Ost wie West beklagen viele Frauen die mangelnde Anerkennung der Hausarbeit. Nicht nur im Westen hätten viele Männer die Zeile „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“ unterschrieben. In der DDR wurde dies noch durch die von der SED betriebene Missachtung und Herabsetzung von Hausarbeit und Hausfrauen politisch befördert („Faulenzerinnen“, „Schmarotzerinnen“, „Nicht-Arbeit“). Trotz der demonstrativen Abwertung von Hausarbeit in der DDR war das Problem der „Doppelbelastung“ bekannt und wurde als brisant eingeschätzt. Frauen wurden immer wieder Erleichterungen bei der Hausarbeit versprochen: Sie sollten durch technische Geräte so stark entlastet werden, dass sie quasi arbeiten gehen müssten, um sich nicht zu langweilen, hieß es beispielsweise in den 1950er Jahren bei der Werbung für Haushaltsgeräte. Berechnungen des DDR-Instituts für Marktforschung ergaben ganz in diesem Sinne, dass Frauen durch die Nutzung eines Kühlschranks, einer Waschmaschine oder eines Staubsaugers so viel Zeit sparen würden, wie eine durchschnittliche Arbeitswoche besäße.
Da viele Frauen in der DDR dennoch über die Doppelbelastung – die „zweite Schicht“ – klagten, erteilte die Für Dich Rat: Es wurde durchaus zugegeben, dass die öffentlichen Dienstleistungen und die Ausstattung mit Haushaltsgeräten nicht ausreichend seien, um „die Arbeitskraft von Frauen nicht zu vergeuden“. Dennoch wurde den Frauen mit auf den Weg gegeben, dass sie ihre Ansprüche reduzieren könnten, denn man müsste nicht vom Boden essen können. Frauen wurde zudem erklärt, dass sie an ihrer Überlastung teils selbst schuld seien, da sie zum Beispiel zu viel Zeit für überflüssige Arbeiten wie die Nutzung von Tischdecken oder das Eindecken des Tisches aufwenden würden. Auch das Selberkochen wird in die Kategorie unnütze Hausarbeit gesteckt: Wenn die Familien die Schul- und Betriebsspeisung nutzen würden, würden Frauen sehr viel Zeit sparen und so ihre Belastungen verringern.
Auch im Westen ist Hausarbeit ein Thema. Hier allerdings weniger, um Frauen in die Berufstätigkeit zu bringen, sondern um den Verkauf neuer Geräte anzukurbeln und Frauen die Arbeit zu erleichtern. Während in der DDR immer wieder über die Erleichterungen in der Hausarbeit geschrieben und diese angekündigt werden, gehören moderne Haushaltsgeräte und Dienstleistungen im Westen 1968 zum Alltag.
In beiden Staaten wendet sich die Werbung für Haushaltsgeräte Ende der 1960er Jahre auch den Männern zu. Männern war in der DDR seit den 1950er Jahren versprochen worden, dass die Berufstätigkeit ihrer Frauen keine Beeinträchtigung ihrer häuslichen Bequemlichkeit bedeuten würde. Ihnen war versprochen worden, dass sie nur Vorteile haben würden, wenn ihre Frauen mitarbeiten würden: Die Familien hätten mehr Einkommen, um sich Dinge zu kaufen. Durch die Mitarbeit (sic) der Frauen würde zudem das Warenangebot größer werden. Und da die Frauen bei Hausarbeit und Kindererziehung entlastet würden, hätten die Männer auch nicht zu befürchten, dass sie mehr im Haushalt helfen müssten. Für den Schnellkochtopf wurde zum Beispiel damit geworben, dass sich in diesem das Essen quasi von allein koche, es werde geradezu veredelt, so dass der Mann, wenn er abends nach Hause kommen würde, gar nicht bemerken würde, dass seine Frau nicht den ganzen Tag am Herd gestanden hätte. Da die versprochenen Erleichterungen jedoch auf sich warten ließen und die Überlastung vieler Frauen immer offensichtlicher wurde, griff man in der DDR darauf zurück, Männer stärker zu motivieren. „Meine Frau hat das gleiche Recht auf Freizeit wie ich“, lautete eine Werbekampagne.
Scheidungen in Ost und West
Die veränderten Frauenrollen und das wachsende Selbstbewusstsein von Frauen verunsicherte viele Männer in der DDR. Ende der 1960er Jahre ist in der DDR ein neues Phänomen zu beobachten: Die Zahl der Ehescheidungen war seit Anfang der 1960er Jahre gestiegen und über die Jahre zunehmend normal geworden. Dazu hatte auch beigetragen, dass in der DDR bereits Mitte der 1950er Jahre die Unterhaltspflicht von Männern für ihre Frauen bei einer Scheidung abgeschafft worden war. Damit sollten Frauen dazu gebracht werden, arbeiten zu gehen und nicht als „Faulenzerinnen“ und „Heimchen am Herd“ das Leben „rückständiger bourgeoiser Dämchen“ zu führen. Wurden 1960 nur 14 Prozent der Ehen geschieden, waren dies 1970 bereits 20 Prozent und 1989 38 Prozent.
Während bis Ende der 1960er Jahre überwiegend Männer die Scheidung einreichten (um ihre jüngeren Sekretärinnen zu heiraten, wie die DDR-Zeitschrift Die Frau von heute sarkastisch Ende der 1950er Jahre anmerkte), beklagten sich 1968 ostdeutsche Männer darüber, dass ihre Frauen immer anspruchsvoller werden würden. Sie würden nun nicht mehr nur erwarten, dass die Männer die Familien ernährten. Vielmehr würden sie in vielen Bereichen Mitsprache einfordern und Ansprüche stellen. Für den ostdeutschen Mann besonders herausfordernd war, dass seine Frau ihn gleichberechtigt an der Hausarbeit beteiligen wollte und ihre eigenen Entscheidungen – bis eben hin zur Scheidung – traf. „Im Gegensatz zu früher gibt die Frau mit dem Tage der Eheschließung keinesfalls ihre Selbständigkeit auf. Sie bleibt zumeist auch ökonomisch unabhängig. Sie hat frei gewählt, ob und wen sie heiraten will, sie ordnet sich ein, aber nicht unter“, lautete eine Einschätzung von Ende der 1960er-Jahre.
„Leidet die Liebe unter der Berufstätigkeit der Frau?“, fragte ein großer Artikel in der Berliner Zeitung 1973. Eine Umfrage hatte ergeben, dass insbesondere Männer der Meinung waren, dass die Berufstätigkeit bei Frauen zu „Gefühlskälte“ führe und damit einem harmonischen Ehe- und Familienleben abträglich sei.
Auch im Westen lässt sich 1968 eine veränderte Einstellung zur Scheidung erkennen. Die Freundin ermutigte ihre Leserinnen, eine Berufsausbildung zu beenden und diese nicht mehr nur als Überbrückung bis zu einer Eheschließung zu begreifen, sondern sie auch im Hinblick auf das mögliche Scheitern einer Ehe und eine höhere Unabhängigkeit zu sehen. Frauen wurden unter dem Titel „Nach der Scheidung lebt sich’s besser“ darin bestärkt, eine unerträgliche Ehe nicht aus Angst vor dem Getuschel der Nachbarn aufrecht zu erhalten, sondern eine Ehe anzustreben, in der sie als Partnerin des Mannes anerkannt würden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass Männer sich partnerschaftlich verhalten sollten. Unter dem Titel „geschiedene Frauen sind die besten“ bestärkte die Zeitschrift Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und versuchte den Makel „eine Geschiedene“ zu sein, zu mildern. Zugleich warnte die Freundin ihre Leserinnen vor einem zu sorglosen Umgang mit einer Ehe. Fast ein Drittel der jungen Frauen würden bereits vor der Ehe ein Scheitern derselben einrechnen – nach dem Motto: „Wenn es halt nicht klappt, dann lassen wir uns eben wieder scheiden.“
Familienplanung in Ost und West
Ein Thema, das Frauen in Ost und West 1968 gleichermaßen bewegte, war die Familienplanung und der Umgang mit ungewollten Schwangerschaften. In der Bundesrepublik war die „Antibabypille“ bereits 1961 zugelassen worden. Dennoch verunsicherte die Frage der Verhütung viele Frauen auch 1968 noch, wie die entsprechenden Beiträge in der Freundin ab dem ersten Heft 1968 zeigen. In der Freundin konnten diese Fragen aus der Anonymität einer Frauenzeitschrift heraus beantwortet werden. Da ging es um die Unsicherheit vieler Frauen, wo und wie man die Pille erhalten könne, wie man sich beim Arzt verhalten sollte, um die Pille verschrieben zu bekommen. Da wurde gefragt, ob man offen sagen sollte, dass man keine Kinder mehr haben möchte oder es besser sei, gesundheitliche Gründe für den Wunsch nach der Pille anzuführen.
Die Freundin gab dabei nicht nur auf praktische Fragen Rat, sondern griff auch heikle moralische Fragen auf, mit denen sich viele Frauen plagten.
Der Berliner Tagesspiegel stellte im Sommer 1968 teils bewundernd fest, dass man junge Frauen und Männer kaum mehr voneinander unterscheiden könne, denn „beide tragen lange Haare und lange Hosen“.
In der DDR wurde die so genannte „Wunschkindpille“ erst 1968 offiziell zugelassen. Auch dort stellten sich Frauen ähnliche Fragen wie Frauen im Westen. Dabei fürchteten sich DDR-Frauen bereits Ende der 1960er Jahre weniger davor, ein uneheliches Kind zu bekommen, denn diese waren in der DDR bereits in den 1950er Jahren ehelich Geborenen gleichgestellt worden. Mit der Liberalisierung der Familien- und Ehepolitik nahm die Zahl der Kinder zu, die von ledigen Müttern geboren wurden. Die Zeit schrieb dazu Anfang der 1970er Jahre, dass es bei Frauen in der DDR offenbar zum guten Ton gehöre, ein uneheliches Kind zu haben.
Frauen in Ost wie West waren Ende der 1960er Jahre bei der Geburt des ersten Kindes in etwa gleich alt: 22 bis 23 Jahre, wobei Frauen in der DDR ihr erstes Kind in der Regel mit 21,4 Jahren, Frauen im Westen mit 23,1 Jahren bekamen. Dies entsprach auch in etwa dem Unterschied beim Heiratsalter: Frauen in der DDR heirateten in der Regel anderthalb Jahre früher als ihre westdeutschen Altersgenossinnen. Noch 1973 gaben 63 Prozent der ostdeutschen Frauen an, dass sie heiraten würden, um in materieller Sicherheit zu leben. Die Begründung für die früheren Eheschließungen lassen sich in der Wohnungsnot der DDR finden: Erst eine Heirat und Kinder ermöglichten es vielen Paaren in eine eigene Wohnung zu ziehen beziehungsweise überhaupt eine Chance zu haben, eine solche zu bekommen. Für westdeutsche Frauen konstatierte eine Studie, aus der die Freundin 1968 zitierte, dass viele junge Frauen zu früh heiraten würden, weil sie sich der Kontrolle durch die Eltern entziehen möchten.
Familienpolitik in der DDR
In Ost wie West machte sich seit Anfang der 1960er Jahre der Trend zur Kleinstfamilie bemerkbar. Bei einer Umfrage der Frauenzeitschrift Für Dich gaben 1964 über die Hälfte der befragten Frauen an, dass sie lediglich ein Kind haben wollten. Weitere 40 Prozent erklärten, dass für sie höchstens zwei Kinder in Frage kämen. Als Gründe für die Orientierung an einer kleinen Familie mit wenigen Kindern erklärten viele Befragte, dass ihnen Familien mit mehr Kindern leid täten, weil sie neben der Arbeit und den Kindern dann kaum noch Zeit für sich selbst hätten. Außerdem hieß es: „Ein Kind mehr nicht. Bei einem Kind wissen wir genau, daß wir ihm alles bieten können.“
Die Zahl der Kinder ging bis Ende der 1970er Jahre von 2,4 (1950er Jahre) auf 1,97 Kinder, Mitte der 1980er Jahre auf 1,70 Kinder und Ende der 1980er Jahre weiter auf 1,52 Kinder zurück.
„DDR-Frauen“ im vereinten Deutschland
Obwohl Frauen in der DDR immer wieder gelobt wurden für das, was sie leisteten und ihnen bescheinigt wurde, sie würden „ihren Mann stehen“ und seien unverzichtbar für die sozialistische Produktion, verdienten Frauen auch in der DDR bis zum Schluss im Schnitt 30 Prozent weniger als die Männer. Auch erreichten Frauen trotz des gleichen Ausbildungsgrads weit weniger Leitungspositionen als Männer. Und auch in politischen Machtpositionen blieben die greisen Männer in der SED lieber unter sich.
Dennoch haben es die DDR-Frauen nach 1989 wegen ihrer selbstverständlichen Art, Beruf, Kinder und Familie unter einen Hut zu bringen zu Vorbildern einer gelungenen Emanzipation gebracht: Das Beste in der DDR seien die Frauen hieß es. Im Westen genoss die DDR-Frau einen fast legendären Ruf: Frauen im Osten galten als qualifizierter, ihre selbstverständliche Berufstätigkeit wurde bewundert. Trotz aller Gleichberechtigung und Berufstätigkeit seien Ostfrauen aber weiblich geblieben: Den Haushalt meisterten sie quasi nebenher, sie würden Männer nicht als ihre Feinde ansehen und seien umgänglich. Das gelungene Bild für eine vermeintlich schmerzlose Emanzipation. Während bis 1989 im Westen Frauen aus der DDR vor allem positiv betrachtet wurden, fanden sie sich nach 1989 plötzlich zwischen verschiedenen ideologischen Fronten wieder: „Gegenseitige Vorurteile, Arroganz, unterschiedliche Lebensweisen, Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft, Erfahrungen, Bildung, Wertvorstellungen, ja, schon die sehr unterschiedlich ausgeprägte Kultur des Zuhörens und Eingehens auf den Gesprächspartner verhindern oftmals das gegenseitige Verständnis“, konstatierte Sonja Ryll im Rückblick auf das erste Aufeinandertreffen von Frauen aus Ost und West.
Für die meisten ostdeutschen Frauen bedeutete der Untergang der DDR, dass sie sich Vorwürfen zu ihrem Selbstbild und ihrem Rollenverständnis ausgesetzt sahen. Beides hatte mit ihren Erfahrungen und den Herausforderungen der Umbruchszeit nach 1989, die für viele mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden war, nur wenig gemein: „Zu meinem Mosaik gehört die Masse der Frauen, die schnell und deutlich erkannt hat, daß sie mit der DDR ihren Arbeitsplatz, die gesellschaftliche Kindererziehung, die bezahlbare Wohnung, das sichere Umfeld, ihre Stellung in Familie und Gesellschaft verliert.“
Zwar wünschten sich zu DDR-Zeiten viele Frauen Erleichterungen bei der Bewältigung des täglichen Spagats zwischen voller Berufstätigkeit, Haushalt, Kinderbetreuung und Familie. Einen vollständigen Rückzug aus dem Arbeitsleben konnten sich jedoch die wenigsten vorstellen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Frauen vor dem Hintergrund ihrer individuellen Umbruchserfahrungen unmittelbar nach 1990 an der DDR vor allem die Möglichkeiten der Teilhabe und Gleichberechtigung in ökonomischen Fragen als besonders positiv erinnerten.