Kriegsgräber sind ein zentraler Bestandteil des Erbes der Weltkriege. In fast allen Ländern werden sie bis heute gepflegt und erhalten. Allein während des Zweiten Weltkrieges starben auf deutscher Seite etwa 3,8 Millionen Soldaten, der größte Teil von ihnen jenseits der deutschen Grenzen. Nach Kriegsende wurden die Toten zunächst im Inland, seit den 1950er Jahren auch im Ausland auf sogenannte Kriegsgräberstätten umgebettet, um ihre Gräber dauerhaft zu erhalten. Bis heute ist dieser Vorgang nicht vollständig abgeschlossen. Die Suche nach den Toten, die Umbettung der Gebeine und der fortwährende Erhalt der endgültigen Ruhestätten ist ein in den meisten Nachkriegsgesellschaften zu beobachtender Vorgang. Er ist zugleich eng verbunden mit dem Gedenken an die Toten. In der Bundesrepublik wurde beides maßgeblich durch die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge geprägt. Der Verein etablierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als wichtigster Akteur bei der Betreuung deutscher Kriegsgräber. Zugleich ist er Initiator des Volkstrauertages. Die vom Volksbund an diesem Tag veranstalteten Gedenkfeiern, insbesondere die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag, sind ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Totengedenkens.
Der folgende Beitrag wird diese Zusammenhänge untersuchen. Dabei wird beschrieben, wie die Anlage von Kriegsgräbern nach dem Zweiten Weltkrieg organisatorisch bewältigt wurde, wie sich das öffentliche Kriegstotengedenken am Volkstrauertag entwickelte und wie sich langfristig die Bedeutung und das Verständnis von Kriegsgräberfürsorge verändert haben.
Traditionen der Gefallenenehrung
In vielen Staaten Europas und in Nordamerika setzte sich im 19. Jahrhundert ein Verständnis des Kriegstodes als heroisches Opfer für das Vaterland durch. Kriegsdienst wurde Bürgerpflicht, der Tod auf dem Schlachtfeld somit zur heldenhaften Großtat auch des "kleinen Mannes", die seinen Anspruch auf einen Platz im nationalen Gedenken untermauerte.
Anspruch auf eine eigene Grabstätte
Der Erste Weltkrieg brachte hier einen grundsätzlichen Wandel. Jedem Soldaten wurde der Anspruch auf eine eigene Grabstätte zuerkannt, die als Zeichen der Ehrung dauerhaft erhalten bleiben sollte. Neben dem besonderen zeitgenössischen Verständnis des Kriegstodes als Aufopferung für die Nation sind außerdem humanitäre Beweggründe für den Schutz der Gräber erkennbar. Die Achtung der Gräber sollte sicherstellen, dass der Tod an der Front nicht gleichbedeutend mit anonymem Massensterben wurde. Ein Anspruch, der sich trotz seiner Verankerung im entstehenden humanitären Völkerrecht unter den realen Bedingungen des Stellungskrieges an der Westfront unmöglich vollständig verwirklichen ließ.
In den 1920er Jahren begann die Anlage großer Soldatenfriedhöfe. Die meisten am Weltkrieg beteiligten Staaten schufen eigene Behörden oder staatliche Organisationen zur Betreuung der Gräber oder Überführung der Toten. Verbunden war dies zumeist mit innergesellschaftlichen Debatten über den richtigen Umgang mit den Toten und der Suche nach einer angemessenen Form der Totenehrung. Allgemein lässt sich festhalten, dass sich bei der Bestattung der Toten egalitäre Prinzipien durchgesetzt haben. Unterschiede in der sozialen Stellung des Toten werden bei der Gestaltung von Kriegsgräbern in der Regel nicht mehr zum Ausdruck gebracht.
Gründung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
In Deutschland war die Betreuung der Kriegsgräber nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Problem verbunden, dass sich mit Ausnahme Ostpreußens fast alle Gräber auf dem Gebiet der ehemaligen Kriegsgegner befanden. Um die Pflege der deutschen Kriegsgräber zu sichern und das Gedenken an die Gefallenen wach zu halten, wurde 1919 der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gegründet.
In der NS-Zeit wurden diese Friedhofsprojekte bereitwillig in den Dienst des nationalsozialistischen Heldenkultes gestellt.
Kriegsgräberfürsorge in der Nachkriegszeit
Die Kriegsniederlage im Mai 1945 schuf für den Volksbund eine grundlegend neue Situation. Während des Krieges war die Wehrmacht für die Erfassung getöteter Soldaten und ihrer Gräber zuständig. Bei Kriegsende brachen die zuständigen Abteilungen der Wehrmachtsverwaltung zusammen. Das Aktenmaterial wurde von den Alliierten konfisziert oder ging verloren. Damit bestand zunächst keine zentrale Instanz mehr, die die Toten administrativ erfasste und Auskunft über die Lage eines Grabes hätte geben können.
In den letzten Kriegsmonaten hatten Tote oft nur provisorisch bestattet werden können. Name und Herkunft der Toten konnte dabei nicht immer geklärt werden. Die Anlage von ordentlichen Gräbern in der Nachkriegszeit war zunächst einmal ein wesentlicher Schritt bei der Wiederherstellung der Identität der Toten und der Ermittlung von Einzelschicksalen. Der Volksbund war durch den Krieg ebenfalls schwer angeschlagen. Seine Berliner Bundesgeschäftsstelle war ausgebombt und kaum noch arbeitsfähig. Durch die Struktur des Vereins, die sich damals über ein Netz von Landes-, Bezirks- und Kreisvereinen bis in kleine Ortschaften erstreckte, kam es jedoch zu einer raschen Wiederbelebung seiner Aktivitäten. Insbesondere in der britischen Besatzungszone begannen Mitglieder des Volksbundes frühzeitig Kriegsgräber zentral zu erfassen und Hilfestellung bei der Benachrichtigung der Angehörigen und der Anlage von Friedhöfen zu leisten, die einen dauerhaften Erhalt der Gräber ermöglichten. Von der britischen Militärregierung wurde der Volksbund 1946 offiziell als für die Kriegsgräberfürsorge zuständige Organisation anerkannt, die amerikanische Anerkennung folgte 1947.
Bis 1952, als mit Einführung des Kriegsgräbergesetzes ein neuer rechtlicher Rahmen für den Umgang mit Kriegsgräbern in der Bundesrepublik geschaffen wurde, übernahm der Volksbund wesentliche Funktionen bei der Anlage und Erfassung von Kriegsgräbern, der Identifizierung der Toten und der Suche nach Angehörigen. Das Gedenken an die Kriegstoten spielte in dieser Phase noch eine untergeordnete Rolle. Die Besatzungsmächte setzten hier enge Grenzen, um ein befürchtetes Wiederaufleben des deutschen Militarismus zu unterbinden. Kriegsgräber sollten ihre humanitäre Aufgabe erfüllen und nicht einem eventuell falsch verstandenen Heldentum huldigen.
Kriegsgräber im Ausland
Wie auch nach dem Ersten Weltkrieg befand sich nach 1945 ein Großteil der deutschen Kriegsgräber im Ausland. Während des Krieges waren die Gefallenen am Ort der Kampfhandlungen provisorisch bestattet worden. Der Bau von ordentlichen Begräbnisstätten sollte erst nach Kriegsende erfolgen. Die Überführung der Toten in die Heimat war für die Dauer des Krieges sogar verboten worden.
Nach der rechtlichen Neuordnung der Kriegsgräberfürsorge innerhalb der Bundesrepublik begann der Volksbund nun sich diesen Gräbern zuzuwenden. Um im Ausland überhaupt tätig werden zu können, war eine enge Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt notwendig, welches zunächst in bilateralen Verhandlungen Regelungen zum künftigen Umgang mit deutschen Gräbern in den betroffenen Ländern vereinbaren musste. In diesen sogenannten Gräberabkommen wurde die Anlage zentraler Friedhöfe vereinbart, auf die die deutschen Toten im jeweiligen Land überführt werden sollten. Die Gräber sollten dort, entsprechend der international üblichen Konvention des dauerhaften Ruherechtes, zeitlich unbegrenzt erhalten bleiben. Zugleich wurde in diesen Abkommen der Volksbund als von der Bundesregierung beauftragte Organisation bestimmt, welche den Bau der Kriegsgräberstätten und deren Betreuung übernehmen sollte.
Reaktionen im Ausland
Der Wunsch, Kriegsgräberstätten für Wehrmachtssoldaten im Ausland errichten zu wollen, bedeutete auch die direkte Konfrontation mit den sehr unterschiedlichen Kriegserfahrungen und ihrer gesellschaftlichen Ausdeutung in den verschiedenen Ländern. Krieg und Besatzungserfahrung konnten zu verständlichen Vorbehalten gegenüber dem deutschen Anliegen führen, waren jedoch keinesfalls zwangsläufig. Gerade für die Staaten, in denen bereits vergleichbare Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg bestanden, war die Zusammenbettung der Kriegstoten auf Kriegsgräberstätten eine bereits bekannte Vorgehensweise. Verzögerungen etwa in den Verhandlungen zum 1966 geschlossenen Abkommen mit Frankreich ergaben sich aus unklaren Finanzierungsfragen, nicht jedoch weil die deutschen Pläne an sich in Frage gestellt wurden. Die Umbettungen waren hier seit Ende der 1950er Jahre bereits in vollem Gang.
Grundsätzlich verwehrt blieb der Zugang zu den Gräbern im Osten. Vollzog sich der Ausbau deutscher Kriegsgräberstätten im Westen von den 1950er bis in die 1970er Jahre, konnte dies in den vormals sozialistischen Staaten erst nach 1989 nachgeholt werden. Verschiedene Versuche eine Annäherung in der Gräberfrage zu erzielen blieben zuvor ergebnislos. Dies galt auch für Gräber von Wehrmachtsangehörigen auf dem Gebiet der DDR. Ihre Betreuung durch die Evangelische Kirche wurde geduldet, fand aber keine staatliche Anerkennung.
Entsprechend dem politischen Selbstverständnis galt es in der DDR den antifaschistischen Widerstand herauszustellen. Gedenkwürdig waren kommunistische Widerstandskämpfer oder die (politisch) Verfolgten des Nationalsozialismus. Gräber und Denkmäler für die Gefallenen der Roten Armee wurden als Gedenkstätten für die Befreiung von der NS-Herrschaft betrachtet, die Toten der Wehrmacht blieben im Gegensatz dazu aus dem offiziellen politischen Totengedenken der DDR ausgeschlossen.
Ein neues Totengedenken?
Bundeskanzler Konrad Adenauer legt im Juli 1962 einen Kranz auf dem deutsch-französischen Soldatenfriedhof in Versailles-Legóurds nieder (© Bundesregierung, B 145 Bild-00011843, Egon Steiner)
Bundeskanzler Konrad Adenauer legt im Juli 1962 einen Kranz auf dem deutsch-französischen Soldatenfriedhof in Versailles-Legóurds nieder (© Bundesregierung, B 145 Bild-00011843, Egon Steiner)
Die Überführung der sterblichen Überreste der Toten in als angemessen empfundene Begräbnisstätten war begleitet von einer Suche nach gesellschaftlich akzeptierten Formen des Kriegstotengedenkens. Der Volksbund setzte sich für eine Wiedereinführung des von ihm bereits in den 1920er Jahren begangenen Volkstrauertages als nationalen Gedenktag für die Kriegstoten ein. Damit sollte auch eine klare Abgrenzung zum Nationalsozialismus deutlich gemacht werden, wo der Volkstrauertag in Heldengedenktag umbenannt worden war. Das Anknüpfen an die Weimarer Tradition allein führte jedoch noch zu keiner Neuausrichtung der Inhalte und formalen Gestaltung der Gedenkveranstaltung. In dieser Tradition wurde nur der gefallenen Soldaten gedacht. Bereits während des Krieges hatte sich jedoch das Verständnis durchgesetzt, dass auch die zivilen Opfer als Kriegstote zu werten seien. Dies wurde in der Nachkriegszeit selbstverständlich auch auf Flucht und Vertreibung erweitert und bediente damit das weitverbreitete Bedürfnis nach Anerkennung von erlittenem Leid. Die Opfer der NS-Verfolgung nicht auszublenden wurde von politischer Seite ebenfalls angemahnt. Im öffentlichen Bewusstsein der 1950er Jahre stand jedoch für weite Teile der Bevölkerung noch das Verständnis im Vordergrund in erster Linie selbst Opfer der Kriegsfolgen und der Niederlage zu sein.
Ein neuer gedenkpolitischer Sammelbegriff
Die Neue Wache in Berlin dient heute als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (© Public Domain, Luukas)
Die Neue Wache in Berlin dient heute als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (© Public Domain, Luukas)
Für das öffentliche Gedenken an die Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges ergaben sich gegenüber dem Ersten Weltkrieg zwei wesentliche Unterschiede. Erstens wurden in das Gedenken zivile Tote mit einbezogen. Zweitens setzte sich durch, aller Toten, auch der im Kampf Gefallenen, als passive Opfer zu gedenken. Der Kriegstod wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht mehr als heroische Aufopferung für das Vaterland gedeutet, sondern nur noch als erlittenes Leid. Die 1950er Jahre müssen hierbei als Übergangsphase gesehen werden, in der etablierte Formen des militärischen Totengedenkens noch fortlebten und auch in rhetorischer Form zum Ausdruck kommen konnten. Die politische Forderung keine Unterschiede zwischen den Toten des Krieges und der NS-Verbrechen zuzulassen, wurde in den 1960er Jahren sprachlich durch die Einführung der Formel "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" als gedenkpolitischer Sammelbegriff umgesetzt.
Kritisiert wurde diese universelle Gedenkformel später, weil sie in Bezug auf die Verbrechen der Wehrmacht Unterschiede zwischen Tätern und Opfern ausblendet und beide unter einem Oberbegriff zusammenführt. Betrachtet man die zeitlichen Umstände ihrer Entstehungszeit, muss man allerdings davon ausgehen, dass sie nicht mit der Absicht geschaffen wurde historische Verantwortung zu verschleiern. Sie sollte den NS-Opfern zur Anerkennung verhelfen, zugleich aber auch in Zukunft weitere Opfer integrieren können. Hier verband sich Kriegserinnerung mit den politischen Bedürfnissen der Gegenwart, denn mit "Gewaltherrschaft" war nicht ausschließlich das Dritte Reich gemeint. Die zweite Hälfte der Gedenkformel verwies auch auf die DDR. Als Begriff in den Quellen tritt die Formulierung "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" erstmals einige Monate nach dem Mauerbau in den Diskussionen zum Bau des Bonner Ehrenmals und bei der Reform des Kriegsgräbergesetzes in Erscheinung.
Bedeutungswandel des Kriegsgrabes
Die Gleichstellung der unterschiedlichen Opfergruppen beim Totengedenken am Volkstrauertag hatte für den Umgang mit den Kriegsgräbern selbst keine direkten Konsequenzen. Sie hatte vor allem symbolische Bedeutung. Mitte der 1960er waren die einzigen Gräber, die tatsächlich noch nach Handlungsbedarf verlangten, die Gräber gefallener Wehrmachtssoldaten im Ausland. Es war absehbar, dass der Volksbund die Umbettung der Toten auf Kriegsgräberstätten in Westeuropa bis etwa Mitte der 1970er Jahre beendet haben würde. Kriegsgräberfürsorge verlor damit zunehmend ihre nach Kriegsende noch so wichtige Bedeutung für die Aufklärung zahlreicher Einzelschicksale. Mit den sich verändernden gedenkpolitischen Anforderungen stand zugleich die traditionelle Bedeutung des Kriegsgrabes als "Ehrenstätte" in Frage. Sollten Kriegsgräberstätten jedoch mehr sein als nur private Orte der Trauer für die Hinterbliebenen, musste der Volksbund neue Antworten auf die Frage nach der öffentlichen Bedeutung von Kriegsgräberfürsorge und der Relevanz für den dauerhaften Erhalt der Kriegsgräber finden.
Teilnehmer eines deutsch-französischen Jugendlagers zur Kriegsgräberfürsorge im Juli 1964 (© Bundesregierung, B 145 Bild-00012946)
Teilnehmer eines deutsch-französischen Jugendlagers zur Kriegsgräberfürsorge im Juli 1964 (© Bundesregierung, B 145 Bild-00012946)
Der Weg, der dabei beschritten wurde, führte dazu, Kriegsgräberstätten als Erinnerungsstätten und Orte des historischen Lernens hervorzuheben. Kriegsgräber sollten als Medium verstanden und genutzt werden, um heranwachsende Generationen zum Erhalt des Friedens in Europa zu erziehen. Erste Ansätze hierzu entwickelten sich ab 1953 in Belgien, als eine Gruppe von deutschen Jugendlichen dort unter dem Motto "Versöhnung über den Gräbern" begann deutsche Kriegsgräber instand zu setzen. In den folgenden Jahren entwickelten sich hieraus internationale Jugendlager. Die Teilnehmer waren zunächst häufig Angehörige kirchlicher Jugendgruppen aus verschiedenen Ländern. Der Leitgedanke der Lager war auf Seiten der Teilnehmer noch stark vom christlichen Versöhnungsverständnis und Idealen der Ökumene geprägt. Die sommerlichen Grabpflegeaktionen erhielten mit dem voranschreitenden Ausbau deutscher Kriegsgräberstätten in Frankreich in den 1960er Jahren erheblichen Aufschwung. Die institutionelle Verankerung des internationalen Jugendaustausches etwa durch die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes bildete den politischen Hintergrund für eine breite Akzeptanz dieser besonderen Form der Jugendarbeit im In- und Ausland. Die Aktionen wurden auch auf andere Länder ausgeweitet. Dem Anspruch nach sollten sie die Aussöhnung und Verständigung mit allen früheren Kriegsgegnern fördern. Vor allem spiegelte sich in den Jugendlagern jedoch die voranschreitende deutsch-französische Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, denn Frankreich war mit Abstand das Land, in dem die meisten Jugendlager stattfanden. Die Jugendarbeit etablierte sich dabei zugleich als fester Bestandteil der Arbeit des Volksbundes und hat dabei nachhaltig das Verständnis von Kriegsgräberfürsorge verändert.
Grab und Symbol
Kriegsgräber vereinen immer zwei Funktionen. Sie sind gleichermaßen Grab und Symbol, Ort der privaten Trauer wie auch des öffentlichen Gedenkens. In dieser Doppelfunktion hat sich ihre Bedeutung mit zeitlichem Abstand zum Krieg zugunsten der letzteren verlagert. Die politischen Aussagen, die sich mit ihrem symbolischen Gehalt verbinden, werden jedoch von den Bedürfnissen der Gegenwart bestimmt. Dies zeigt sich unter anderem im sich verändernden Totengedenken, wo sich seit den 1960er Jahren die einseitige Fokussierung auf die Kriegstoten zu einem breiteren Opferverständnis verschob. Daneben war der Ost-West-Konflikt eine prägende Kraft. Er überformte nicht nur das Totengedenken, sondern war auch der entscheidende Faktor, der den Zugang zu deutschen Kriegsgräbern im Ausland lange Zeit maßgeblich bestimmte. Die Bitten der Bundesrepublik, Zugang zu Kriegsgräbern auf den Territorien der sozialistischen Staaten des Warschauer Paktes zu erhalten, stießen fast immer auf Ablehnung. In der DDR stützte die Nichtbeachtung der Toten der Wehrmacht zudem das antifaschistische Selbstverständnis. Im Westen dagegen dienten die Friedhöfe der Weltkriege nicht selten als Kulisse, vor deren Hintergrund Staatschefs bei gemeinsamen Gedenkveranstaltungen die Geschlossenheit des transatlantischen Bündnisses gegenüber der kommunistischen Bedrohung im Osten zum Ausdruck brachten.
Zitierweise: Jakob Böttcher, Heldenkult, Opfermythos und Aussöhnung - Zum Bedeutungswandel deutscher Kriegsgräber nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Deutschland Archiv Online, 07.02.2014, Link: http://www.bpb.de/178572