Die "Wiedergeburt" Dresdens nach der "Wende" – der Wiederaufbau der Frauenkirche, die Rekonstruktion kleinteiliger Blockstrukturen am Neumarkt sowie die Sanierung der barocken und gründerzeitlichen Quartiere – scheint auf den ersten Blick wieder nahtlos an die Ära vor 1945 anzuknüpfen, sofern man die dazwischen liegende Zeit ausblendet. Die Weichen für diese Rückbesinnung auf die Qualitäten der historischen Stadt wurden aber bereits deutlich früher gestellt. Auch die ersten Korrekturen an den sozialistischen Städtebaukonzepten erfolgten bereits während der Spätphase der DDR.
Denn die Dresdner Denkmalpfleger
Parallel zur einsetzenden Kritik an den immer unwirtlicher werdenden Trabantensiedlungen des staatlichen Wohnungsbauprogramms kam es bereits ab den 1970er-Jahren zu einer zunehmenden Wertschätzung der Urbanität der Innenstadtquartiere sowie der identitätsstiftenden Wirkung der historischen Kulturbauten. Die grundlegenden Entscheidungen zum langfristigen Wiederaufbau von Schloss
Die Vorgeschichte – die sozialistische Stadtumgestaltung
Nach den Zerstörungen durch die Luftangriffe setzte in Dresden bereits in den ersten Nachkriegsjahren eine überaus effektive Großflächenenttrümmerung ein, der große Bereiche der Altstadt, darunter auch viele wiederaufbaufähige Gebäude, zum Opfer fielen.
Während in anderen Städten oft erst nach dem Abklingen der Wiederaufbau-Euphorie die Trauer um die verlorene Bausubstanz einsetzte, war den Dresdnern der Verlust durch die städtebauliche Leere mitten im Herzen der Stadt immer bewusst. Daher avancierte Löfflers Bildband "Das alte Dresden"
Dresdens Selbstverständnis als Kunst- und Kulturstadt wird neben den Kunstschätzen entscheidend durch die historischen Bauten der Altstadt sowie die oft als "Canaletto-Blick" bezeichnete Silhouette am Elbufer bestimmt. Die neue politische Führung hatte aufgrund ihrer antibürgerlichen Ressentiments jedoch kein Interesse daran, diese Gebäude wiederaufzubauen. Deshalb muss die Entscheidung der UdSSR 1955, die als Kriegsbeute in unterschiedliche Museen gelangten Kunstwerke der Dresdner Gemäldegalerie (darunter auch Raffaels "Sixtinische Madonna") wieder zurückzugeben, "gewirkt haben wie die Rückkehr der verlorenen Seele".
Gleichzeitig setzte sich durch den raschen Wiederaufbau der Gemäldegalerie, des von Gottfried Semper entworfenen Teils des Zwingers, in der Architekten- und Planer-Szene die Hoffnung durch, dass noch weitere hochrangige Gebäude provisorisch wiederhergestellt oder sogar wiederaufgebaut werden würden, wenn man eine Nutzung dafür finden könnte. Durch geschicktes Taktieren gelang es unter anderem, dass das Verkehrsmuseum im Johanneum untergebracht und das Georgentor als "Baustelleneinrichtung" für das für den Kulturpalast zuständige Baukombinat wiederaufgebaut wurde.
"Dresden – moderne sozialistische Großstadt"
Weitestgehend unbeeindruckt vom lokalen Subkontext wurden in der DDR die Leitlinien für die Stadtgestaltung zentral vorgegeben. In einer kurzen stalinistischen Phase in den frühen 1950er-Jahren wurden der Dresdner Altmarkt und die Ernst-Thälmann-Straße (heute Wilsdruffer Straße) in stark vergrößerten, auf Stand- und Fließdemonstrationen zugeschnittenen Dimensionen im Stil der "Nationalen Traditionen", die an der Elbe natürlich barock interpretiert wurden, neu errichtet.
Ab 1953 waren verschiedene mehr oder weniger an den Warschauer Kulturpalast erinnernde Hochhaus-Varianten für das als Krönung des Altmarktes vorgesehene "Haus der sozialistischen Kultur" durchgespielt worden.
Dresden – Altstadt, Stadtmodell, 1969. Im Vordergrund die Prager Straße mit dem Interhotel "Dresden" (Hochhauskomplex) und dem "Haus der Industrie", beide nicht realisiert, an der Südseite des Altmarkts, ganz rechts das Robotron-Areal (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Altstadt, Stadtmodell, 1969. Im Vordergrund die Prager Straße mit dem Interhotel "Dresden" (Hochhauskomplex) und dem "Haus der Industrie", beide nicht realisiert, an der Südseite des Altmarkts, ganz rechts das Robotron-Areal (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Innere Neustadt, Stadtmodell, 1969. Straße der Befreiung (heute Hauptstraße) und geplantes, aber nicht realisiertes Ensemble rund um den Platz der Einheit (heute Albertplatz) mit 30-geschossiger "Höhendominate" und vorgelagertem Kino, Gebäude der Bezirksparteischule sowie rundem Schauspielhaus (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Innere Neustadt, Stadtmodell, 1969. Straße der Befreiung (heute Hauptstraße) und geplantes, aber nicht realisiertes Ensemble rund um den Platz der Einheit (heute Albertplatz) mit 30-geschossiger "Höhendominate" und vorgelagertem Kino, Gebäude der Bezirksparteischule sowie rundem Schauspielhaus (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Zusätzlich zum Altmarkt mit dem Kulturpalast waren noch zwei weitere Ensembles an der Prager Straße sowie der Straße der Befreiung in der Inneren Neustadt geplant. Der diesem umfassenden Neubaukonzept – aufgrund des völligen Bruchs mit der überlieferten Stadtstruktur – skeptisch gegenüberstehende Chefarchitekt Herbert Schneider wurde wegen "politisch-ideologischer Unklarheiten"
Die Prager Straße
Dank umfassender Trümmerberäumung und "Vergesellschaftung" des Bodens konnte mit der neuen Prager Straße ab 1965 eine städtebauliche und architektonische Großvision in Form einer 700 Meter langen und mehr als 60 Meter breiten, präzise durchkomponierten modernen Stadtlandschaft entstehen. Die 240 Meter lange Wohnzeile trennte die Fußgängerzone von der neuen Nord-Süd-Tangente und gab dem Ensemble ein Rückgrat. Auf der gegenüberliegenden Seite markierte das großformatige Wandbild "Dresden grüßt seine Gäste" am Restaurant "Bastei"
Dresden – Prager Straße, Blick vom Hotel "Newa" nach Norden, 1970 (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Prager Straße, Blick vom Hotel "Newa" nach Norden, 1970 (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
den Beginn der Touristenroute ins Stadtzentrum, durchgängige Pergolen vor den sich daran anschließenden Ladenpavillons und Hotels gaben der Anlage eine klare Struktur. Das Interhotel "Newa", vor allem aber die erst in den 1970er-Jahren am nördlichen Ende der Prager Straße errichteten Gesellschaftsbauten wie das "Rundkino" genannte Filmtheater, das Restaurant "International" und das Centrum-Warenhaus
Mit der Ära Honecker hatte sich die "sozialistische Stadt" der Moderne jedoch erledigt. Der Wohnungsbau hatte Vorrang, das Centrum-Warenhaus blieb jahrelang im Rohbaustadium stecken und wurde erst 1978 fertiggestellt. Ein weiterer, die Prager Straße zum Altmarkt hin abschließender Hochhauskomplex mit Interhotel und einem als Tagungszentrum fungierenden "Haus des Lehrers" wurde nicht mehr realisiert und hinterließ auch weiterhin riesige freie Flächen im Zentrum der Stadt.
Trotz der klaren Vorgaben mit vielen industriell hergestellten Bauteilen (umgesetzt vor allem bei den Hotels) zeigen sich bei der Prager Straße auch die in diesen "goldenen Jahren" der DDR noch vorhandenen Spiel- und Freiräume bei der künstlerischen Umsetzung der Bauten. Die aus dem Typ P 27 entwickelte Wohnzeile atmete den Geist der Wohnmaschinen Le Corbusiers: Kleine verglaste Ladenpavillons schoben sich im Erdgeschossbereich zwischen die Pilotis und vernetzten das Gebäude im Einkaufsgeschehen der Fußgängerzone. Der auf dem Dach gelegene Sportraum fungierte mit der sich daran anschließenden Dachterrasse als offener Gemeinschaftsbereich. Der Betonzylinder des Rundkinos stammte aus einem Serienprogramm des Industriebaus, die spannungsreiche Fassadengestaltung aus vertikalen, weiß emaillierten Stahlblechtafeln und einem horizontal davor hängenden, filigranen Stahlstabwerk machten aus dem freistehenden Rundbau jedoch ein architektonisches Kunstwerk. Der Gaststättenkomplex "International" beeindruckte mit einem Faltdach, und das Centrum-Warenhaus hatte dank seiner kristallinen Aluwabenfassade den Charme der weltraum-begeisterten Sixties.
Die "Straße der Befreiung" in der Inneren Neustadt
Aufgrund des ambitionierten Wohnungsbauprogrammes wurde das Bauwesen der DDR in der Ära Honecker immer mehr auf die Anwendung von Typenprojekten, vor allem auf die meist nur "WBS 70" genannte Wohnungsbauserie 70 umgestellt. Auch auf der Neustädter Elbseite waren in den ersten Nachkriegsjahren viele historische Bauten einschließlich des Rathauses gesprengt worden, um Platz für neue städtebauliche Strukturen zu schaffen. Diese abgeräumten Flächen lagen ebenfalls jahrzehntelang brach.
Dresden – Innere Neustadt, Areal rund um den ehemaligen Neustädter Markt, 1958 (nach den Sprengungen 1950). Links stehen noch das Blockhaus ("Neustädter Wache") und das Gebäude der "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15, rechts das freigeräumte Areal der früheren Hauptstraße (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Innere Neustadt, Areal rund um den ehemaligen Neustädter Markt, 1958 (nach den Sprengungen 1950). Links stehen noch das Blockhaus ("Neustädter Wache") und das Gebäude der "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15, rechts das freigeräumte Areal der früheren Hauptstraße (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Mit dem Beginn des Wohnungsbauprogramms wurde das Areal rund um die Straße der Befreiung (heute Hauptstraße) dann für die Anwendung der WBS 70 umgeplant. Trotzdem orientieren sich die mit vorspringenden Ladenzeilen versehenen Typenbauten an historischen Firsthöhen und Fluchtlinien. Einige Bürgerhäuser, darunter das ehemalige Wohngebäude des romantischen Malers Gerhard von Kügelgen, wurden rekonstruiert und in den mit Bäumen bestandenen Straßenzug mit aufgenommen.
Damit hatten die Planer ein ganz im Zeitgeist liegendes Ensemble geschaffen. Denn sie hatten mit der Köpckestraße aus einer kleinteiligen Struktur geschwungener Gassen eine vierspurige Verkehrsachse geformt und mit der Straße der Befreiung eine neue imposante Fußgänger-Magistrale errichtet, die die barocken, auf den Platz der Einheit als "Point de vue" ausgerichteten Blickachsen aufnimmt und so optisch bereits von Weitem das Ende des "gesellschaftlichen Erlebnisweges" markiert. Außerdem war es ihnen durch den Wiederaufbau in Plattenbauweise gelungen, sämtliche Merkmale der Bürgerstadt (individuell gestaltete, meist auf schmalen Parzellen stehende und senkrecht gegliederte Bauten) durch eine neue "sozialistische" Architektursprache (Typenbauten als Symbol für die angestrebte soziale Gleichheit) zu ersetzen.
Obwohl der Einkaufsboulevard auch von den Einheimischen gut angenommen wurde – er wird in Anlehnung an ein Kügelgen-Zitat zum historischen Straßenzug bis heute als "schönste und freundlichste Straße" Dresdens bezeichnet
Dresden – Hauptstraße in der Inneren Neustadt, 2008 (© Wikimedia)
Dresden – Hauptstraße in der Inneren Neustadt, 2008 (© Wikimedia)
–, bilden die integrierten barocken Bürgerhäuser die Keimzelle der sich seit der "Wende" ausbreitenden Bestrebungen, die Plattenbauten nach und nach durch historisierende Neubauten zu ersetzen. Dies lenkt den Blick auf die "Anschlussprobleme" zwischen dem Ensemble und seinem historischen Umfeld. Da das Typensystem nicht auf die Parzellenstruktur modifizierbar war, wird der Boulevard durch zwei weitestgehend geschlossene Gebäudezeilen flankiert, die historische Querstraßen überbauen und den Zugang in die dahinter liegenden Viertel nur durch Aussparungen im Erdgeschossbereich ermöglichen.
Dies war zu DDR-Zeiten sicherlich erwünscht. Denn die Plattenbauten schotteten die Fußgängerzone – ähnlich wie in einem Potemkinschen Dorf – von dem dahinter liegenden, völlig ruinösen Quartier um die Rähnitzgasse und die (damals in Friedrich-Engels-Straße umbenannte) Königstraße ab. Bereits in den 1970er-Jahren entstanden erste Modernisierungskonzepte für dieses Areal, wurden aber nicht realisiert. Daher hatte sich in den seit Jahren als Sanierungskandidaten gehandelten – und deshalb auch nach und nach entmieteten – barocken Bauten eine jugendliche Subkultur des "Schwarzwohnens" etabliert, durchmischt mit systemkritischen Künstlerkreisen, darunter die Obergrabenpresse um A. R. Penck. Als die seit langem geplante "Komplexsanierung" ab 1988 endlich in Gang kam, waren viele der Bauten bereits so abbruchreif, dass einzelne Gebäude wie das Café Donnersberg bis auf die Gewölbe abgetragen und in enger Anlehnung an den Vorgängerbau in einer Mischung aus Backstein und Stahlbeton wiederaufgebaut wurden. Nach 1989 wurde das gesamte Quartier dann aufwändig saniert, stadträumlich abgetrennt ist es aber weiterhin.
Die Große Meißner Straße 15 und das Hotel "Bellevue"
Parallel zur Rekonstruktion der Semper-Oper sollte für die zu erwartenden Touristenströme ein neues Fünf-Sterne-Interhotel als Devisenbringer entstehen. Dafür wurde 1980 ein Ideenwettbewerb für den als "Canaletto-Blick" bekannten Elbufer-Bereich zwischen Blockhaus und Japanischem Palais ausgeschrieben.
Dresden – Innere Neustadt, Blick vom Palaisgäßchen aus in die Große Meißner Straße, 1947. Das Gebäude ganz rechts, die "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15 blieb auch nach der Sprengung des Areals 1950 erhalten (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Innere Neustadt, Blick vom Palaisgäßchen aus in die Große Meißner Straße, 1947. Das Gebäude ganz rechts, die "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15 blieb auch nach der Sprengung des Areals 1950 erhalten (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
, sich an der Elbe aber als dichtes Gewimmel von Seitenflügeln, Brandwänden, Gewächshäusern und Wäschehöfen präsentierten. Von 1933 bis 1936 war nahezu das komplette Königsufer mit terrassenartigen Freitreppen, Pavillons und Plastiken umgestaltet worden, lediglich die damals geplante Gedenkstättenanlage neben dem Blockhaus sowie die als Zubringer zur Reichsautobahn angedachte Trassenführung im Bereich der Großen Meißner Straße wurden nicht realisiert.
Da die kleinteiligen Strukturen rund um den Neustädter Markt auch weiterhin eine großzügige Neugestaltung des Areals behinderten, setzten bereits kurz nach 1945 erste Versuche der Stadtverwaltung ein, den Straßenzug von der Liste der erhaltenswerten Bauten zu streichen. Als dies aufgrund des Widerstandes der Denkmalpflege nicht gelang, wurden die ausgebrannten Ruinen der Häuser 3–13 trotzdem 1950 wegen fingierter "Einsturzgefahr" ad hoc abgerissen. Dies löste eine Protestwelle unter Bürgern und Fachleuten über diese "sinnlose Zerstörungswut"
Dresden – Innere Neustadt, Köpckestraße im Bau an der Ecke zur Straße der Befreiung (heute Hauptstraße), späte 1970er Jahre. Im Hintergrund das Gebäude der "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15 (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Dresden – Innere Neustadt, Köpckestraße im Bau an der Ecke zur Straße der Befreiung (heute Hauptstraße), späte 1970er Jahre. Im Hintergrund das Gebäude der "Regierung" in der Großen Meißner Straße 15 (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt)
Lediglich das Gebäude der "Regierung", das ehemalige Kanzleihaus in der Großen Meißner Straße 15, das den Bombenhagel vom Februar 1945 nahezu unversehrt überstanden hatte, war nicht gesprengt worden. Dieser teilweise noch aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäudekomplex war mehrfach umgebaut und erweitert worden, zuletzt 1734 für den Sächsischen Hof unter der Regie des Zwingerbaumeisters Matthäus Daniel Pöppelmann, der das Ensemble durch einen weiteren rückwärtigen Seitenflügel zu einer Doppelhofanlage vervollständigte. Während der DDR-Zeit wurden diese Bauten weiterhin genutzt, verfielen aber durch mangelnden Unterhalt immer mehr und wurden ab 1978 zusammen mit der gesamten Uferzone durch die neu angelegte Köpckestraße stadträumlich von der Inneren Neustadt abgetrennt.
Da beim Ideenwettbewerb viele der beteiligten Planungskollektive (auch die Hälfte der Preisträger) nachgewiesen hatten, dass eine Integration der Altbausubstanz möglich sei, votierte das Preisgericht aus denkmalpflegerischen Gründen für einen Erhalt, denn "mit der Einbeziehung dieses wertvollen historischen Gebäudes besteht die Möglichkeit, dem Hotel einen spezifischen und einmaligen Charakter zu geben, der gleichzeitig die günstige Einbeziehung in die vorhandene Bebauung der Umgebung vermittelt".
Dresden – Wettbewerb Interhotel "Bellevue" (1980), Wettbewerbsbeitrag des Kollektivs des Büros des Stadtarchitekten Dresden, Straßenansicht an der Köpckestraße. Entwurf für einen Hotelneubau zwischen Blockhaus ("Neustädter Wache", links) und Japanischem Palais (rechts) (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtarchiv)
Dresden – Wettbewerb Interhotel "Bellevue" (1980), Wettbewerbsbeitrag des Kollektivs des Büros des Stadtarchitekten Dresden, Straßenansicht an der Köpckestraße. Entwurf für einen Hotelneubau zwischen Blockhaus ("Neustädter Wache", links) und Japanischem Palais (rechts) (© Landeshauptstadt Dresden, Stadtarchiv)
Zu diesem Zeitpunkt war die Bauindustrie der DDR jedoch nicht mehr in der Lage, Hotels auf internationalem Niveau zu errichten. Daher wurde das Projekt während des Japan-Besuches von Staats- und Parteichef Erich Honecker im Mai 1981 als Teil eines umfangreichen Auftragspaketes der Kajima Corporation, einem der größten japanischen Baukonzerne, angeboten.
Die Kajima Corporation hatte mit dem Internationalen Handelszentrum an der Berliner Friedrichstraße (1976–1978) sowie dem Fünf-Sterne-Devisenhotel "Merkur" in Leipzig (1978–1981) bereits zwei vergleichbare Projekte realisiert, beide als knapp 100 Meter hohe Hochhäuser. Auch in Dresden kursierten zeitweilig Entwürfe für ein ähnlich imposantes Interhotel an der Prager Straße, sie wurden aber nicht realisiert. Mittlerweile hatte sich auch der Zeitgeist verändert – weg von der Ostmoderne hin zur "Pflege des kulturellen Erbes". Die Verhandlungen für das Interhotel am Elbufer liefen intern über den staatlichen Importausschuss in Berlin mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses zum 18. Dezember 1981 ab.
Bereits für den 23. Dezember 1981 war die Sprengung angesetzt worden, da der Stadtarchitekt das Votum für den Erhalt der Altbauten gar nicht weitergereicht hatte.
Auch die Lokalpresse freute sich: "Das fünfgeschossige Gebäude – also kein Hochhaus als Dominante – erhält der Dresdner Bautradition folgend eine für die Bezirksstadt typische Sandsteinfassade und ein mit Kupfer eingedecktes Mansarddach."
Dresden – Hotel Bellevue, Blick vom Elbufer 2008 (© Wikimedia)
Dresden – Hotel Bellevue, Blick vom Elbufer 2008 (© Wikimedia)
Das "Bellevue" war danach jahrelang das erste Haus am Platz. "Die Bürgerinitiative von 1981/82 war der erste große Sieg über Funktionärsentscheidungen in Dresden."
Die Frauenkirche
Trotz der Kriegszerstörungen und der staatlich verordneten Wiederaufbauplanungen hat die Dresdner Denkmalpflege immer versucht, die wichtigsten Baudenkmale als "Leit-Ruinen" für einen späteren Wiederaufbau zu erhalten. Um die Überreste der Frauenkirche vor dem Abtransport zu retten und gleichzeitig auch eine unsensible Überbauung des ansonsten freigeräumten Neumarktes zu verhindern, betonte der damalige Chefkonservator Hans Nadler immer wieder, dass es kein geeigneteres Mahnmal gegen den Krieg geben könnte. Daraufhin wurde der Altarbereich eingemauert und der Trümmerberg mit Rosen bepflanzt.
Denn Dresden spielte während des Kalten Krieges eine zentrale Rolle in der Erinnerungspolitik der DDR.
Schon die ersten Skizzen zum Wiederaufbau des Neumarktes aus den 1970er-Jahren zeigen – obwohl zu diesem Zeitpunkt eine Rekonstruktion weder politisch gewollt noch überzeugend möglich gewesen wäre – im Zentrum des Ensembles eine wiedererrichtete Frauenkirche. Bereits Anfang 1982 lautete ein offizielles Fazit der Teilnehmer des 3. Internationalen Entwurfsseminars für das Rekonstruktionsgebiet Neumarkt, dass die Ruine auch weiterhin erhalten werden soll, um eine Rekonstruktion für die "Generationen nach uns, die sich dann andere Möglichkeiten und Mittel erarbeitet haben werden, offen zu halten."
Die post-sozialistische Stadtumgestaltung
Mit dem politisch-gesellschaftlichen Umbruch von 1989/90 setzte eine rasante und auch radikale Welle post-sozialistischer Stadtumgestaltungsversuche in Dresden ein. Vor allem die ideologisch kontaminierten Zeichen dieser Epoche sollten möglichst schnell aus dem Stadtbild verschwinden.
Den Schriftzug "Der Sozialismus siegt", der am Hochhaus am Pirnaischen Platz angebracht war, hatte der reformfreudige Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer schon 1987 entfernen lassen. Da sich bereits kurz nach der Fertigstellung des etwa zehn mal 30 Meter großen Wandbildes "Der Weg der roten Fahne" von Gerhard Bondzin (1969) am Kulturpalast kleine Betonplättchen gelöst hatten, wurde es nach der "Wende" mit einem Baunetz verhangen, um die auf dieser Touristenroute zum Schloss flanierenden Passanten vor herunterfallenden "Platten" (und auch derart heroisch-monumentalen Darstellungen) zu schützen. Das 1974 am Wiener Platz aufgestellte Lenin-Denkmal wurde 1992 demontiert und das vom Hauptbahnhof aus als optischer Auftakt für die Prager Straße fungierende Wandbild am ehemaligen Restaurant "Bastei" von mehreren Seiten so durch Neubauten umstellt, dass es sich jetzt – dem direkten Blick entzogen – in einem Hinterhof-ähnlichen Zwischenbereich zwischen zwei Geschäftshäusern befindet.
Dresden – Blick zur Prager Straße mit Lenindenkmal von Grigorij Jastrebenetzki (1974) und Wandbild "Dresden, die Stadt der modernen sozialistischen Industrie, der Wissenschaft und der Kunst grüßt seine Gäste" von Kurt Sillack und Rudolf Lipowski (1969) am Restaurant "Bastei", 1979 (© Bild und Heimat)
Dresden – Blick zur Prager Straße mit Lenindenkmal von Grigorij Jastrebenetzki (1974) und Wandbild "Dresden, die Stadt der modernen sozialistischen Industrie, der Wissenschaft und der Kunst grüßt seine Gäste" von Kurt Sillack und Rudolf Lipowski (1969) am Restaurant "Bastei", 1979 (© Bild und Heimat)
Denn das auf den ersten Blick harmlos wirkende, mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Wandbild "Dresden, die Stadt der modernen sozialistischen Industrie, der Wissenschaft und der Kunst grüßt seine Gäste" von Kurt Sillack und Rudolf Lipowski (1969) zeigt neben dem üblichen sozialistischen Personal die für das aktuelle Stadtmarketing wenig attraktive Vision einer nach sozialistischen Leitbildern umgestalteten Stadt, in der von Ferne zwar der Zwinger grüßt, die Stadtstruktur sich aber ansonsten neben dem Fernsehturm aus unzähligen Hochhäusern und Plattenbauten zusammensetzt.
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Altstadt, vor allem der Bereich zwischen Prager Straße und Altmarkt sowie entlang des Ringes (Waisenhaus- und Ringstraße), das Zentrum des regen Dresdner Geschäfts- und Amüsierbetriebs. Viele der dort angesiedelten Warenhäuser, Cafés, Variétes und Kinos setzten Maßstäbe
Neben der (städte)baulichen Umgestaltung sollte der sozialistische Bruch mit der bürgerlichen Stadt – vor allem in der Anfangszeit der DDR – auch durch einen völlig neuen Charakter des Zentrums (dem "bestimmenden Kern der Stadt") zum Ausdruck kommen.
Nach der "Wende" sollten dann – auch in Bezug auf die Attraktivität des Stadtzentrums – innerhalb kürzester Zeit West-Standards erreicht werden. Die während der DDR-Zeit neu errichteten Ladenpassagen und Einkaufszentren waren bis auf die beiden größeren Warenhäuser, das ehemalige Centrum- und spätere Intecta-Gebäude von 1955/56 am Altmarkt (heute Teil der Altmarkt-Galerie) sowie das Centrum- Warenhaus (1970–1978) an der Prager Straße, alle eher kleinteilig. Die Verkaufsflächen von Webergasse (1958–1962) und Prager Straße waren größtenteils in vielen kleinen Pavillon-ähnlichen Bauten untergebracht, die Ernst-Thälmann-Straße sowie die Straße der Befreiung hatten Ladenzonen im Erdgeschossbereich. Ein Verkaufskonzept, das mit dem Übergang zum neuen Wirtschaftssystem nicht mehr den branchenüblichen Standards entsprach, die meist ein variables Mall-Konzept vorsehen.
Daher galten in Dresden – wie an vielen anderen Orten auch – in den ersten Nachwendejahren die "Publikumsmagneten" Shopping-Mall und Multiplex-Kino als Garanten für ein attraktives und belebtes Stadtzentrum, die bestehenden, durch mangelnden Bauunterhalt heruntergekommenen Kaufhäuser dagegen als Symbol für das ungenügende Warenangebot der DDR-Zeit. Sofort sicherten sich westliche Investoren die Top-Lagen und begannen, mithilfe eines neuen, mehr Baudichte vorsehenden Planungsleitbildes
Als 1972 das Rundkino neu eröffnet wurde, war vielen Dresdnern durchaus bewusst, dass es bis 1945 rund um die Prager Straße bereits sechs vergleichbare Kinos mit mehr als 1.000 Plätzen gegeben hatte
Das Rundkino war als Solitär und zentrales Gelenk für die sich zum Altmarkt hin leicht verschwenkende moderne Stadtlandschaft konzipiert worden. Da der direkt daneben geplante Hochhauskomplex nicht mehr realisiert wurde, begann man bereits ab 1987, die freien Flächen mit blockartigen Wohnstrukturen zu füllen und dabei auch den Rundbau zu umbauen. Eine der ersten Baumaßnahmen an der Prager Straße nach 1989 war die Errichtung der Whörl-Plaza (1996), die sich an zwei Seiten um das Kino legt, es dadurch wieder in das Innere eines Blocks abdrängt und nahezu vollständig von der Fußgängerzone abriegelt.
Vorher hatten die lokalen Diskussionen seit dem hochkarätig besetzten west-östlichen Architekten-Workshop im Sommer 1990
Das frühe Scheitern der sozialistischen Städtebaukonzepte
Obwohl die ganz großen Baumaßnahmen zur Korrektur der sozialistischen Stadtumgestaltung erst nach 1989 einsetzten, war das Modell der "modernen sozialistischen Großstadt" in Dresden aufgrund der damit einhergehenden Zerstörung der von der Bevölkerung geschätzten und für die Identität der Stadt wichtigen historischen Bauwerke und kleinteiligen Strukturen von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Da das als Manifestation des sich etablierenden Systems gedachte, großflächige Neubaukonzept vor allem in den 1960er-Jahren die baulichen Traditionen der Elbestadt zunehmend negierte und lediglich mittels politischen Druckes durchgesetzt werden konnte, blieb den wirklich hochrangigen Ensembles wie der Prager Straße lange Zeit die Anerkennung versagt. Außerdem entwickelte sich der Versuch, der Elbestadt eine neue "sozialistische" Identität als Wissenschafts- und Produktionsstandort zu geben, zu einem permanenten Spagat zwischen den offiziellen Darstellungen der neu entstehenden, in die Zukunft weisenden, modernen Metropole und dem – für das touristische Stadtmarketing sowie als Propagandainstrument im Kalten Krieg wichtigen – etablierten Bild der historischen Kunst- und Kulturstadt.
Vor allem in den 1980er-Jahren nahmen viele Dresdner diese Widersprüche nicht mehr hin. Immer wieder kritisierten sie die fehlenden Qualitäten der öffentlichen Räume sowie den offensichtlichen Verfall der Altbauquartiere. Mehr als die Hälfte der etwa 13.000 jährlichen Eingaben an die lokale Stadtverwaltung bezogen sich auf das Thema "Wohnungsprobleme". Sie dokumentieren auch heute noch sehr anschaulich anhand der mitgelieferten Fotoaufnahmen die katastrophalen Zustände der Bauten zu jener Zeit.
Bereits ein Blick auf die zum 20. Gründungstag der DDR 1969 freigegebenen Fotoaufnahmen von Dresden zeigt anschaulich, wie es zu der auch heute noch weitverbreiteten Ablehnung gegen die Bauten der Ost- und Nachkriegsmoderne kommen konnte. Denn der als "großzügiger Wiederaufbau der Elbmetropole" bezeichnete erste Bauabschnitt der Prager Straße wirkt zu diesem Zeitpunkt eher wie eine aus dem baulichen Niemandsland herauswachsende Bettenburg.
"Die Bezirksstadt Dresden aus den Trümmern des Krieges neu erstanden. Fertige Wohnblocks, Hotels und Einkaufszentren und riesige Bauplätze für noch zu errichtende Häuser spiegeln den großzügigen Wiederaufbau der Elbmetropole wider. Unser Foto vemittelt einen Blick auf das Neubaugebiet Prager Strasse, das als Zentrum des internationalen Touristenverkehrs vorgesehen ist. Von riesigen Baustellen umgeben wurden das längste Wohnhaus der Stadt (links) und die Interhotels 'Bastei', 'Lilienstein' und 'Königstein' (Mitte) bereits fertiggestellt. Links an das Wohnhaus schließt sich das Hotel 'Newa', das im Rohbau fertig ist, an. Zwischen dem riesigen Wohnkomplex und den drei Interhotels liegen zwei große Ladenstraßen-Gebäude für die Versorgung der Bewohner." – Originaltext ADN, 12.11.1969 (© Bundesarchiv, Bild 183-H1106-0301-002; Hubert Link/ADN-ZB)
"Die Bezirksstadt Dresden aus den Trümmern des Krieges neu erstanden. Fertige Wohnblocks, Hotels und Einkaufszentren und riesige Bauplätze für noch zu errichtende Häuser spiegeln den großzügigen Wiederaufbau der Elbmetropole wider. Unser Foto vemittelt einen Blick auf das Neubaugebiet Prager Strasse, das als Zentrum des internationalen Touristenverkehrs vorgesehen ist. Von riesigen Baustellen umgeben wurden das längste Wohnhaus der Stadt (links) und die Interhotels 'Bastei', 'Lilienstein' und 'Königstein' (Mitte) bereits fertiggestellt. Links an das Wohnhaus schließt sich das Hotel 'Newa', das im Rohbau fertig ist, an. Zwischen dem riesigen Wohnkomplex und den drei Interhotels liegen zwei große Ladenstraßen-Gebäude für die Versorgung der Bewohner." – Originaltext ADN, 12.11.1969 (© Bundesarchiv, Bild 183-H1106-0301-002; Hubert Link/ADN-ZB)
"Die Bezirksstadt Dresden aus den Trümmern des Krieges neu erstanden. Festlich, großzügig, hell und weit bietet die Ernst-Thälmann-Straße […] einen wesentlichen Einblick in das Baugeschehen, das in den letzten 20 Jahren in der Elbmetropole durchgeführt wurde. Sie erstreckt sich vom Pirnaischen Platz über den Altmarkt zum Postplatz (vorn im Bild). In den Jahren 1965–67 entstand hier der größte Gaststättenkomplex der DDR, die Großgaststätte "Am Zwinger" (links). Rechts bildet das Institutsgebäude, das auch das Haus des Buches der Elbestadt beherbergt, den zweiten Neubaukomplex am Postplatz." – Originaltext ADN, 12.11.1969 (© Bundesarchiv, Bild 183-H1106-0301-003; Hubert Link/ADN-ZB)
"Die Bezirksstadt Dresden aus den Trümmern des Krieges neu erstanden. Festlich, großzügig, hell und weit bietet die Ernst-Thälmann-Straße […] einen wesentlichen Einblick in das Baugeschehen, das in den letzten 20 Jahren in der Elbmetropole durchgeführt wurde. Sie erstreckt sich vom Pirnaischen Platz über den Altmarkt zum Postplatz (vorn im Bild). In den Jahren 1965–67 entstand hier der größte Gaststättenkomplex der DDR, die Großgaststätte "Am Zwinger" (links). Rechts bildet das Institutsgebäude, das auch das Haus des Buches der Elbestadt beherbergt, den zweiten Neubaukomplex am Postplatz." – Originaltext ADN, 12.11.1969 (© Bundesarchiv, Bild 183-H1106-0301-003; Hubert Link/ADN-ZB)
Auch die den Altmarkt sechsspurig flankierende Ernst-Thälmann-Straße lässt jegliche Intimität der historischen Strukturen vermissen und durch die Austauschbarkeit der im internationalen Stil errichteten Neubauten keine neue, spezifisch Dresdner Identität aufkommen. Der als optischer Fixpunkt an dieser Aufmarschachse am Pirnaischen Platz angebrachte Schriftzug "Der Sozialismus siegt" muss damals gewirkt haben wie ein Statement der Funktionäre, dass eine völlige Überformung der Stadtstruktur trotz der heftigen Proteste gegen die Zerstörung der historischen Bausubstanz möglich war. Allein die jahrelangen Kontroversen um die Sophienkirche – "das Ding"
Erst die nachwachsende Generation sowie die vielen Zugezogenen, die die Repressalien zur Durchsetzung dieser Bauten nicht selbst miterlebt haben, konnten weitestgehend unbefangen von der lokalen Vorgeschichte mit einer fachlich objektiven Annäherung an die Ostmoderne beginnen und dabei auch die teilweise beeindruckenden gestalterischen Qualitäten dieser Bauten und Ensembles (wieder) entdecken. Vor allem ab 2002 setzte in der Elbestadt bei Fachleuten, Künstlern und auch Teilen der Bevölkerung ein reges Interesse für die baulichen Zeugnisse dieser Ära ein