Einleitung
"Wir gegen uns – Sport im geteilten Deutschland". Unter diesem Titel zeigte das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig Ende 2009 eine Ausstellung zum deutsch-deutschen Sport zwischen 1945 und 1990. Ziel der Ausstellung war es, "die politische Dimension und die oft ambivalente Rolle des deutschen Sports in Ost und West während des Kalten Krieges transparent zu machen".
Eines der ausgestellten Objekte, ein Modell des Leipziger Sportforums, trug an einem der Gebäude die Beschriftung "Sportmuseum Leipzig". Es verwies darauf, dass es zwischen 1977 und 1991 in Leipzig bereits nicht nur eine Ausstellung, sondern ein ganzes Sportmuseum gegeben hatte, in dem deutsche Sportgeschichte noch unter einer ganz anderen Zielstellung präsentiert worden war. Als eine "Stätte sozialistischer Bildung und Erziehung", so der 1. Sekretär der Leipziger SED-Bezirksleitung, Horst Schumann, zur Eröffnung,
Museen und Ausstellungen sind zweifellos in jedem Gesellschaftssystem Spiegel und Speicher der Geschichts- und Weltsicht ihrer Zeit. Wie präsentierte sich also die "Sportnation" DDR im Leipziger Sportmuseum? Folgte die museale Präsentation strikt politischen Leitlinien und konnte sie tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, ein DDR-spezifisches Nationalgefühl in der Bevölkerung zu verbreiten?
Sport- und Museumsnation DDR?
Von Beginn an kämpfte die DDR um ihre internationale Anerkennung als eigenständiger deutscher Staat. Seit Anfang der 1970er-Jahren definierte sich der SED-Staat schließlich in Abgrenzung zur Bundesrepublik als "sozialistische Nation". Dieses theoretische Konstrukt sollte auf verschiedensten Wegen bei den Ostdeutschen in ein DDR-spezifisches, nationales Wir-Gefühl transformiert werden. Zwei Felder versuchte die SED-Führung in besonderem Maß für diesen Zweck zu instrumentalisieren: den Sport und historische Museen.
Vor allem der Spitzensport war, so das häufig bemühte Zitat Erich Honeckers, in der DDR nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.
Der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, Lothar Wenzel, bei der Führung von Ehrengästen, darunter DTSB-Chef Manfred Ewald (r.) und der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig, Horst Schumann (M.), durch das Sportmuseum Leipzig bei dessen Eröffnung. (© Heinz Krabbes)
Der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, Lothar Wenzel, bei der Führung von Ehrengästen, darunter DTSB-Chef Manfred Ewald (r.) und der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig, Horst Schumann (M.), durch das Sportmuseum Leipzig bei dessen Eröffnung. (© Heinz Krabbes)
Das 1977 eröffnete Leipziger Sportmuseum vereinte somit zwei beliebte und für die Präsentation der DDR als eigenständige "sozialistische Nation" zentrale Felder.
Das Leipziger Sportmuseum
Tausende Besucher waren 1977 zum VII. Turn- und Sportfest der DDR nach Leipzig gereist. Neben den zahlreichen sportlichen Veranstaltungen feierte die Messestadt in diesem Jahr auch die Eröffnung des ersten größeren Sportmuseums der DDR. Bis dahin hatte es lediglich zwei sporthistorische Gedenkstätten (die Guths-Muths-Gedenkstätte in Schnepfenthal und das Jahnmuseum in Freyburg/Unstrut) sowie das Wintersportmuseum in Oberhof und ein sporthistorisches Sammlungszentrum in Ost-Berlin gegeben. Keines dieser Häuser präsentierte Sportgeschichte so DDR-bezogen und umfassend wie das Leipziger Sportmuseum.
Ursprünglich von lokalen Arbeitersportlern initiiert und schließlich von der SED- und Sportführung gebilligt und unterstützt, entstand das Leipziger Sportmuseum unter Beteiligung führender DDR-Sporthistoriker und örtlicher Museumsfachleute. Sowohl die zentrale Sportführung der DDR als auch örtliche Parteifunktionäre nahmen jedoch ebenfalls immer wieder Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltung des Sportmuseums. Der damalige Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig und Leiter der Arbeitsgruppe Sportmuseum, Lothar Wenzel, erinnert sich an verschiedene Besprechungen mit DDR-Sportchef Manfred Ewald, Vertretern des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport und Vertretern des Rates der Stadt Leipzig sowie der SED-Bezirksleitung, in denen diese ihre konzeptionellen Vorstellungen und Änderungswünsche an das Museumskollektiv weitergaben.
Die so erarbeitete Zielstellung des Museums fasste Wenzel schließlich folgendermaßen zusammen: "Die gute Kenntnis vom Werden und Wachsen unseres Staates – in unserem Fall am Beispiel des Sports – dient der Förderung des sozialistischen Nationalbewusstseins."
Probe zum Schlussbild der Sportschau des Turn- und Sportfestes 1977 im Leipziger Zentralstadion, in dessen Rahmen auch das Sportmuseum eröffnet wurde. (© Bundesarchiv, Bild 183-S0727-121; Foto: Peter Koard)
Probe zum Schlussbild der Sportschau des Turn- und Sportfestes 1977 im Leipziger Zentralstadion, in dessen Rahmen auch das Sportmuseum eröffnet wurde. (© Bundesarchiv, Bild 183-S0727-121; Foto: Peter Koard)
Die Ausstellung, so Wenzel weiter, sollte "unseren Bürgern ein Gefühl des berechtigten Stolzes auf unsere Leistungen im Freizeit- und Erholungssport, auf die Erfolge […] des Leistungssports" vermitteln.
Auf insgesamt 600 Quadratmetern präsentierte das Sportmuseum in drei chronologisch gegliederten Abschnitten die Geschichte des ostdeutschen Sports vom Beginn der Arbeitersportbewegung im 19. Jahrhundert bis in die sozialistische Gegenwart. Die Ausstellung wurde 1991 abgebaut – die Bestände magaziniert. Ausstellungsdrehbücher und Fotos, die im Hausarchiv des Sportmuseums erhalten sind, ermöglichen es jedoch auch heute noch, einen Blick in die Ausstellung von damals zu werfen. Zwei exemplarisch ausgewählte Ausstellungseinheiten zum olympischen Sport sowie zur DDR als Akteur auf internationalem sportpolitischen Parkett geben Auskunft darüber, wie die Leipziger Museumsmacher die "sozialistische Sportnation" DDR museal in Szene gesetzt hatten.
"Olympische Erfolge – Beitrag zum wachsenden Ansehen des Sozialismus"
Kaum ein anderes sportliches Ereignis ließ einerseits die eindrucksvolle Effizienz des ostdeutschen Leistungssportsystems und andererseits die politische Dimension des Sports als Ersatzschauplatz des Kalten Krieges in so konzentrierter Form zu Tage treten wie die Olympischen Spiele. Der enorme Erfolg von DDR-Athleten bei Olympia machte die umfassende Darstellung dieses Themengebiets im Sportmuseum unverzichtbar. Insgesamt zeigte das Sportmuseum in sechs über die Dauerausstellung verteilten Großvitrinen die Erfolgsbilanz der DDR bei den Olympischen Spielen von 1956 bis 1976. Die Spiele von 1952, an denen die DDR mangels Anerkennung durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht teilgenommen hatte, erfuhren keine museale Würdigung. Alle Vitrinen, die sich konkret mit den Olympischen Spielen befassten, folgten einem einheitlichen gestalterischen Prinzip: In einer zweigeteilten Großvitrine waren die jeweiligen Winter- und Sommerspiele eines Jahres gemeinsam untergebracht. Ein in jeder Vitrine angebrachter Medaillenspiegel informierte die Besucher über die olympische Erfolgsbilanz der DDR-Sportler. Außerdem enthielt jede Vitrine Nachbildungen der errungen Medaillen, Fotos der siegreichen Athleten sowie deren Sportkleidung und Sportgeräte. Die olympiabezogenen Ausstellungselemente waren aus heutiger Sicht jedoch viel mehr als nur ein Schaukasten realsozialistischer Erfolge: Die Darstellung olympischer Geschichte zwang das sonst auf die Entwicklung von Körperkultur und Sport im eigenen Land beschränkte Sportmuseum dazu, sich mit einem Kapitel deutsch-deutscher (Sport-)Geschichte auseinanderzusetzen, das in vielerlei Hinsicht die politischen Spannungen zwischen den beiden deutschen Staaten widerspiegelte.
Als die DDR 1951 ihr eigenes Nationales Olympisches Komitee gründete, war auch im deutschen olympischen Sport der Kalte Krieg ausgebrochen: Die Gründung eines eigenen NOK stellte eine klare Kampfansage gegen den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik auf sportlichem Gebiet dar. Das Internationale Olympische Komitee versuchte daraufhin, diesen politischen Fakten mit ganz eigenen Wirklichkeiten zu begegnen. Es forderte die Bundesrepublik und die DDR dazu auf, eine gesamtdeutsche Mannschaft zu bilden, um die offizielle Teilung im Sport und eine klare Stellungnahme des IOC zur Deutschen Frage zu vermeiden. In der Ausstellungseinheit "Im Kampf um Olympisches Lorbeer"
Während dieser Ausstellungstext noch auf die Existenz einer gesamtdeutschen Olympiamannschaft für die Zeit zwischen 1956 und 1964 hinwies, trat dies in den folgenden Ausstellungseinheiten stark in den Hintergrund. Die nationale Ausrichtung des Museums sowie der in der Feinkonzeption des Hauses formulierte Grundsatz, die Rolle von Körperkultur und Sport im "antiimperialistischen Kampf" in der musealen Präsentation hervorzuheben, verbot selbstverständlich die Darstellung der sportlichen Erfolge des "Klassenfeindes", auch wenn diese unter gemeinsamer Olympiafahne errungen worden waren. Unter diesem Blickwinkel verwundert es kaum, dass die in den Vitrinen gezeigten Medaillenspiegel lediglich die von DDR-Sportlern errungenen Medaillen aufführten, obwohl für die Zeit der gesamtdeutschen Mannschaft auch das IOC die olympischen Erfolge gesamtdeutsch führte. Da die DDR sich in den 1970er-Jahren bereits als eigenständige Nation definierte, war es für die Leipziger Museumsmacher nur konsequent, den nationalen Rahmen, in dem sie die Sportgeschichte darstellten, auf die DDR zu beschränken.
Die museale Präsentation der Olympischen Spiele zwischen 1956 und 1964 konnte insgesamt den Eindruck erwecken, als sei die DDR von Anfang an mit einer eigenen Mannschaft angetreten. Die Bildlegende eines Fotos, das DDR-Athleten bei den Winterspielen von Squaw Valley 1960 zeigte, lautete "DDR-Mannschaft zu den Olympischen Winterspielen 1960" und überging damit die Tatsache, dass es 1960 de facto keine selbstständige DDR-Mannschaft gegeben hatte. So wenig die gesamtdeutsche Olympiageschichte Teil der musealen Präsentation war, so ausführlich widmeten sich die folgenden Ausstellungseinheiten einer selbstständigen DDR-Olympiamannschaft sowie den wachsenden und fortan "rein sozialistischen" Erfolgen des ostdeutschen Sports bei olympischen Wettbewerben. Immer wieder verwiesen Ausstellungstexte und Bildunterschriften auf die nunmehr selbstständige DDR-Mannschaft während in den vorherigen Ausstellungseinheiten stets von einer deutschen, nicht aber von einer gesamtdeutschen Mannschaft die Rede gewesen war.
Vitrine zu den Olympischen Sommerspielen 1972 in München in der Dauerausstellung des Leipziger Sportmuseums (© Stadtgeschichtliches Museum/Sportmuseum Leipzig)
Vitrine zu den Olympischen Sommerspielen 1972 in München in der Dauerausstellung des Leipziger Sportmuseums (© Stadtgeschichtliches Museum/Sportmuseum Leipzig)
Die Olympischen Sommerspiele in München 1972 bildeten mit Sicherheit einen der Höhepunkte des deutsch-deutschen "Kalten Krieges auf der Aschenbahn"
Insgesamt zeigten sich die zahlreichen Ausstellungselemente zum Thema Olympische Spiele im Leipziger Sportmuseum immer wieder als Mikrokosmos ostdeutscher (Sport-)Politik. Die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz und das Anerkennungsstreben der DDR auf internationaler Ebene wurden in den Museumsvitrinen greifbar. Die Kernaussage der Vitrinen und Wandelemente fassten die Museumsmacher schließlich am Ende des dritten Ausstellungsteils noch einmal in einer Überschrift zusammen, die eine ganze Ausstellungswand zierte: "Olympische Erfolge – Beitrag zum wachsenden Ansehen des realen Sozialismus."
"Frieden, Freundschaft, Solidarität" – Die DDR als Akteur auf dem internationalen sportpolitischen Parkett
Nicht nur die Olympischen Spiele, sondern auch Weltsporttreffen und internationale Tagungen boten eine vielversprechende Plattform für die DDR, um sich als eigenständiger deutscher Staat und als unabhängige "sozialistische Nation" zu präsentieren. Auch diesen internationalen Sportbeziehungen der DDR widmete das Sportmuseum einige Ausstellungseinheiten im zweiten und dritten Teil der Dauerausstellung. Die Ausstellungsmacher illustrierten hier vor allem die Bedeutung des Sports für den Kampf der ostdeutschen Diktatur um völkerrechtliche Anerkennung. Sie zeichneten den Weg der DDR von der sich mit sowjetischer Aufbauhilfe entwickelnden Sportnation zum international geachteten Partner im Weltsport nach. Unter der Überschrift "Für Frieden, Völkerfreundschaft und Internationale Zusammenarbeit"
Ein Foto von der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 war mit einem Originalzitat daraus unterlegt: "Um bestehende Verbindungen und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sports zu erweitern werden die Teilnehmerstaaten entsprechend Austausch, einschließlich Sporttreffen und Wettkämpfen fördern." Ein Blick auf die deutsch-deutschen Sportbeziehungen und den innerdeutschen Sportverkehr in den frühen 1970er-Jahren zeigt, dass die sportpolitische Realität vor allem in Bezug auf die Bundesrepublik nicht immer diesen Prämissen folgte. Angesichts der angespannten politischen Lage hatten sich die sportlichen Begegnungen und Kontakte seit den 1960er-Jahren in engen Grenzen gehalten. Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen sportlichen Dachverbänden hatte es kaum gegeben.
Erst im Fahrwasser des Grundlagenvertrages unterzeichneten die beiden Dachverbände Deutscher Sportbund (DSB) und Deutscher Turn- und Sportbund (DTSB) 1974 ein "Sportprotokoll". Danach waren alle Kontakte in Zukunft im Rahmen von Jahresplänen abzustimmen. Eine hochgradige Bürokratisierung war die Folge, und während die westdeutsche Seite eine Intensivierung der Beziehungen anstrebte, verfolgte die SED-Führung weiter das Ziel größtmöglicher Abgrenzung und zwängte den innerdeutschen Sport in ein enges Korsett. Die SED-Führung ließ lediglich 20 deutsch-deutsche Sporttreffen pro Jahr zu. Begegnungen im Jugend- und Trendsport waren völlig untersagt.
Dessen ungeachtet zeigte das Sportmuseum die DDR in dieser Ausstellungseinheit als weltgewandten und kompetenten Partner im Sport. Gleichzeitig verwies die Darstellung auf politische Prozesse, die einen wesentlichen Fortschritt für die internationale Anerkennung der DDR bedeuteten. Illustriert wurde dies durch ein Foto, das auf der Europäischen Sportkonferenz 1975 in Dresden aufgenommen worden war, durch Statistiken über Sportverträge mit anderen Ländern sowie durch eine Fotokollage aus Titeln von Vorträgen, die Leipziger Sportwissenschaftler auf Kongressen in München, Quebec und Paris gehalten hatten.
Insgesamt zeigte diese Ausstellungseinheit die DDR als eigenständige Nation, die sowohl im internationalen Forschungsdiskurs als auch bei internationalen politischen und sportlichen Konferenzen von anderen Nationen als gleichberechtigter Partner angesehen wurde. Tatsächlich zeitigte das langjährige Anerkennungsstreben der DDR in den 1970er-Jahren, erst im Zuge der neuen Ostpolitik der bundesdeutschen Regierung Brandt/Scheel Erfolge. Die DDR hatte schließlich mit der Teilnahme an der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und der Unterzeichnung von deren Schlussakte in Helsinki erstmals die Möglichkeit, auf dem internationalen Parkett als anerkannter Staat und gleichwertiger Verhandlungspartner aufzutreten.
"Frieden, Freundschaft, Solidarität"
Ausstellungseinheit in der Dauerausstellung des Sportmuseums zur Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport in Leipzig (DHfK) mit einem Modell des Leipziger Sportforums. (© Stadtgeschichtliches Museum/Sportmuseum Leipzig)
Ausstellungseinheit in der Dauerausstellung des Sportmuseums zur Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport in Leipzig (DHfK) mit einem Modell des Leipziger Sportforums. (© Stadtgeschichtliches Museum/Sportmuseum Leipzig)
Ein Großfoto afrikanischer Studenten beim Fußballtraining an der DHfK, das als Vitrinenhintergrund diente, Studiennachweise und Trainerscheine sowie die Promotionsurkunde eines kubanischen Sportfunktionärs verwiesen auf das sogenannte Ausländerstudium an der DHfK. Seit Mitte der 1950er-Jahre stand diese, wie die meisten anderen ostdeutschen Hochschulen, auch ausländischen Studierenden offen. In der Vitrine ausgestellt waren außerdem unter anderem ein besticktes Gewand aus Ghana, das der ehemalige Stabhochspringer und DHfK-Absolvent Manfred Preußger, der seit 1967 als Lehrer am Institut für Ausländerstudium tätig war, als Gastgeschenk erhalten hatte, sowie ein Fotoalbum Preußgers, das Aufnahmen enthielt, die er auf seinen Reisen nach Sri Lanka, in den Libanon und nach Tansania gemacht hatte. Zudem war die Autobiografie des DDR-Trainers Horst Franz mit dem Titel "Als Boxtrainer in Guinea" zu sehen. Der Objekttext erläuterte: "Mehr als 60 DDR-Trainer wirkten bisher in 15 Ländern". Obwohl sich diese Ausstellungseinheit vordergründig ausschließlich mit von der DDR geleisteter sportlicher Aufbauhilfe befasste, dürfte auch dahinter die Intention gestanden haben, diese Hilfe als Beleg für die Leistungsfähigkeit des sozialistischen Sport- und Gesellschaftssystems zu präsentieren.
Anhand der beschriebenen Ausstellungseinheiten konnte der Besucher beim Gang durch die Ausstellung den Weg der DDR von einem Adepten des sowjetischen Sportmodells zu einer selbstständigen und leistungsfähigen Sportnation Schritt für Schritt nachvollziehen. All diese Ausstellungseinheiten lassen die Absicht erkennen, durch die Präsentation der sportlichen Anerkennung der DDR eine Art Nationalstolz im Besucher zu wecken. Die DDR, so die Kernaussage dieses Ausstellungsbereichs, war nicht länger ein deutscher Teilstaat (mit erheblichen Legitimationsproblemen), sondern eine unabhängige Nation, die sich selbstbewusst auf internationalem Parkett bewegte. Die ideologische Durchdringung der Ausstellung ist demnach offenkundig.
Das Sportmuseum präsentierte die Sportnation DDR auf – im Sinne der Partei – vorbildliche Weise. Die SED-Stadtleitung zeigte sich kurz nach der Eröffnung des Museums "beeindruckt vom hohen Niveau und dem Informationsgehalt, den interessanten Ausstellungsstücken und der Darstellung der sozialistischen Sportentwicklung."
Das Sportmuseum als Träger und Vermittler nationaler Identität?
Ansprechend gestaltet, ideologisch auf Linie und an einem zentralen Ort für sportbegeisterte Besucher gelegen, verfügte das Sportmuseum durchaus über einiges Wirkungspotential. Die dank eines ausgefeilten Auslese- und Kadersystems sowie des flächendeckenden Dopings erstaunlichen sportlichen Erfolge ostdeutscher Athleten, die auch im Sportmuseum reichlich Würdigung erfuhren, riefen möglicherweise in einigen DDR-Bürgern eine Form von Nationalstolz hervor. Viele Menschen freuten sich, wenn ihr kleines Land bei den Olympischen Spielen mit sportlichen Großnationen wie den USA oder der Sowjetunion mithalten konnte und regelmäßig einen der vordersten Medaillenränge erzielte. Die sportlichen Erfolge der DDR erhielten 1977 auf dem Höhepunkt der Begeisterung für den Leistungssport mit ihrer Darstellung im Leipziger Sportmuseum eine attraktive Plattform. Die Museumsbesucher konnten anhand von Originalobjekten, Radioreportagen, Filmen, Medaillen und Pokalen die Höhepunkte des DDR-Sports bei ihrem Gang durch die Ausstellung noch einmal erleben. Besucher jedes Alters konnten in der Ausstellung ihre persönlichen sportlichen Helden und so eine Identifikationsfläche wiederfinden. Die umfassende Präsentation der sportlichen Erfolge sollte den Besuchern vor allem die Glanzstunden des DDR-Sports in Erinnerung rufen und so eine Art kollektives Gedächtnis heraufbeschwören, das sich wesentlich aus den gemeinsamen Erinnerungen an siegreiche Momente von Athleten der DDR speiste, und damit das Angebot zur Identifikation mit diesem Staat verstärken.
Einige Besucher, die sich in die Gästebüchern des Hauses eintrugen, sprechen dort zwar von der erfolgreichen Entwicklung "unserer DDR"
Die Wirkungsmöglichkeiten der musealen Präsentation des DDR-Sports sind deshalb unbedingt vor diesem Hintergrund zu beurteilen. Auch eine mit politisch-ideologischen Losungen und Botschaften durchzogene und attraktiv gestaltete Ausstellung ist längst kein Beweis dafür, dass die implizierten Aussagen eine positive Wirkung auf die Besucher entfalteten. Die zahlreichen Originalobjekte, die von der vermeintlichen "Sieghaftigkeit des Sozialismus" zeugen sollten, konnten für den einzelnen Besucher eine ganz eigene Bedeutung haben. Denn "nicht nur der gestaltende Museologe, sondern auch der mit dem Objekt kommunizierende Betrachter ist ein Produzent von Sinn, […] in ihm löst die Betrachtung Assoziationen, ja Emotionen aus"
Dessen ungeachtet ist die unterbewusste Wirkung sportlicher Triumphe und gemeinschaftlicher Erlebnisse im Rahmen von massensportlichen Veranstaltungen nicht zu unterschätzen. Sie machten den Alltag bunter und damit die Diktatur ein wenig erträglicher. In Zeiten einer positiven Grundstimmung konnte so auch der Museumsbesuch verstärkend wirken, in Zeiten nüchterner Betrachtung waren die Besucher vermutlich nicht mehr ganz so empfänglich für die "frohe Botschaft des Sozialismus". Das Sportmuseum hat vermutlich seinen Teil dazu beigetragen, die Legitimation des SED-Staates teilweise durch seine bewusste oder unbewusste Wirkung auf seine Besucher zu fördern. Es funktionierte als kleines Rädchen in der großen ideologischen Maschinerie der SED.