Einleitung
Die Reichswehr hatte die Machtübernahme Hitlers mehrheitlich begrüßt. Die Militärs hofften auf die Überwindung der Hemmnisse des Versailler Vertrags, auf Wiedereinführung der Wehrpflicht und bessere Karrierechancen durch die Vergrößerung der Streitkräfte. Viele begrüßten die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und standen der angekündigten autoritären Staatsordnung überwiegend erwartungsvoll gegenüber. Die Militärs hatten nichts dagegen, daß die Hitlerregierung die politische Linke ausschaltete, verfolgte und die NSDAP ein Einparteien-Regime errichtete. Die Reichswehr unterstützte die Mordaktion des 30. Juni 1934 ("Röhmputsch"), bei der die Spitze der SA liquidiert wurde, weil damit eine gefährliche und zugleich verachtete Konkurrenz ausgeschaltet wurde. Im August 1934 gab es auch keine Einwände seitens der militärischen Führung dagegen, daß Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg die Ämter des Reichskanzlers und des Staatsoberhaupts vereinigte und damit auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte wurde. Reichswehrminister von Blomberg führte sogar eine neue Eidesformel ein, mit der die Soldaten Hitler persönlich Treue gelobten.
Empörung über die Morde des 30. Juni 1934, denen auch zwei ehemalige Generale (unter ihnen Kurt von Schleicher, Hitlers Vorgänger als Reichskanzler) zum Opfer fielen, war Sache weniger Offiziere. Zu ihnen gehörte der damalige Major Hans Oster von der Abwehrabteilung des Reichswehrministeriums. Er und einige Gleichgesinnte mißbilligten die Zerstörung des Rechtsstaates und verabscheuten die Methoden des NS-Regimes, dessen Antisemitismus und Kirchenfeindschaft.
Aber Opposition im Militär regte sich erst um die Jahreswende 1937/38, als manche Offiziere die Gefahren der aggressiven Außenpolitik Hitlers zu erkennen begannen. Zu ihnen gehörte auch der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, der Hitlers Annexionsabsichten gegen die Tschechoslowakei und Österreich kritisch gegenüberstand. Eine Intrige, die von der SS angezettelt war, um ihn und andere konservative Generale loszuwerden, drängte ihn Anfang 1938 aus dem Amt. Diese Intrige, die auch Kriegsminister von Blomberg zu Fall brachte, machte es Hitler möglich, die Spitze der militärischen Organisation so umzubauen, daß er nicht nur formell, sondern auch tatsächlich Oberbefehlshaber der Wehrmacht wurde. Die Armee war nunmehr praktisch gleichgeschaltet und nicht mehr in der Lage, Einfluß auf den politischen Entscheidungsprozeß zu nehmen.
Hitler hatte im November 1937 den Wehrmachtsspitzen mitgeteilt, daß er Österreich und die Tschechoslowakei annektieren wolle, als erste Etappen zur Erweiterung des deutschen "Lebensraumes" durch Krieg. Der Chef des Generalstabs des Heeres, Generaloberst Ludwig Beck, versuchte, sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen. Nach der Annexion Österreichs im März 1938 hoffte Beck, erst mit Denkschriften den Gang der Dinge zu beeinflussen und suchte dann vergeblich die Generale zur Gehorsamsverweigerung zu bewegen. Im August 1938 trat er zurück.
Ähnlich wie Beck dachten andere hochrangige Offiziere, etwa der Leiter der militärischen Abwehr, Admiral Wilhelm Canaris, und dessen Stabschef Oster sowie Becks Nachfolger Franz Halder. Auch der Kommandierende General des III. Armeekorps, Erwin von Witzleben, gehörte zu den Militärs, die Überlegungen anstellten, wie man Hitler an der Fortsetzung seiner aggressiven Politik hindern könnte. Zwei Strömungen standen bei den zum Staatsstreich bereiten Offizieren einander gegenüber. Die eine, vertreten durch die Männer der Abwehr, zielte dahin, Hitler festzunehmen und zu töten; die andere beabsichtigte lediglich, den "Führer" zu zwingen, seine Kriegspläne aufzugeben. Zu letzteren gehörten der Generalstabschef des Heeres Halder und der Oberbefehlshaber Walther von Brauchitsch.
Der verschobene Putsch
Als Hitler im September 1938 die Tschechoslowakei durch Kriegsandrohung zur Abtretung des Sudetengebietes zu zwingen suchte, war der Kreis um Oberstleutnant Hans Oster zu einer gewaltsamen Aktion gegen die Reichskanzlei entschlossen. Hitler sollte getötet werden, um den Frieden zu retten. Absicht der oppositionellen Offiziere um Beck und den Goerdeler-Kreis war es hingegen, unmittelbar nach der Kriegserklärung, mit der Hitler die Zerstörung der Tschechoslowakei beginnen würde, ihn durch einen Staatsstreich zu stürzen. Diese Absicht war auch in London bekannt. Goerdeler hatte über einen Mittelsmann das Foreign Office ins Bild gesetzt. Der Gutsbesitzer Ewald von Kleist-Schmenzin war im August 1938 auf Wunsch Osters und mit Billigung Becks nach London gereist, wo er die Pläne sogar Winston Churchill vortragen konnte. Mit dem "Münchener Abkommen", das mit britischer und französischer Billigung zustande kam, in dem am 29./30. September 1938 Prag der Annexion der Sudetengebiete durch das Deutsche Reich zustimmen mußte, entfielen die Voraussetzungen für den geplanten Putsch.
Die Militäropposition resignierte für längere Zeit und blieb auch nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 passiv. Skeptisch beurteilten die Führer der Wehrmacht den Ausgang des Krieges gegen Frankreich und Großbritannien, weil die Wehrmacht noch nicht hinlänglich gerüstet und ausgebildet sei. Die Mißachtung der Neutralität Belgiens, Hollands und Luxemburgs mißbilligten viele. Die Nachrichten von dem Schreckensregiment in Polen taten ein übriges, um das Offizierskorps an der Westfront gegen Hitler einzunehmen. Alle Vorbereitungen zu einem Staatsstreich wurden jedoch Anfang November 1939 von General Halder abgebrochen, weil er glaubte, Hitler sei über diese Aktivitäten informiert. Oster, einem der engagiertesten Regimegegner, blieb nichts anderes übrig als der Versuch, Holland, Dänemark und Norwegen vor dem deutschen Überfall zu warnen.
Mit dem "Blitzkrieg" gegen Frankreich und der Besetzung großer Teile Westeuropas 1940 wuchs das Ansehen Hitlers noch einmal. Die Begeisterung erfaßte Soldaten und Zivilisten in gleicher Weise. Zustimmung fand auch noch der Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 und hielt mindestens bis zur Niederlage in Stalingrad Anfang 1943 an. Die Mehrheit der Deutschen ließ sich von Hitlers Erfolgen blenden und glaubte allzulange daran, für eine gute Sache, für ein größeres und besseres Deutschland und gegen den Bolschewismus zu kämpfen. Viele hohe Militärs sahen, wie von Goebbels propagiert, den Überfall auf die Sowjetunion als berechtigten und notwendigen "Kreuzzug" gegen den Bolschewismus.
Kontakte zu zivilen Kreisen
Die Männer der Militäropposition hielten Distanz zum NS-Regime. Ludwig Beck stand schon vor seinem Rücktritt in Kontakt mit Goerdeler. Offiziere wie die Generale Halder, von Witzleben oder Georg Thomas hatten ebenfalls Verbindung zum zivilen Widerstandskreis um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister aufgenommen. Die engagiertesten Hitlergegner im militärischen Bereich waren immer noch die Männer im "Amt Ausland/Abwehr" des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) unter Admiral Canaris. Bis April 1943 war die Dienststelle ein Zentrum des Widerstandes mit engen Kontakten zum Kreisauer Kreis. Versuche, im Ausland für einen Frieden zu wirken (u. a. durch Kontakte zum Vatikan) und die Westoffensive im Frühjahr zum Scheitern zu bringen, blieben erfolglos. 1943 wurde nach der Verhaftung einiger Mitarbeiter (Dohnanyi, Bonhoeffer) und der Kaltstellung Osters das "Amt Abwehr" als Ort des Widerstandes lahmgelegt. Im Februar 1944 wurde auch Canaris abgelöst, etwas später unter Hausarrest gestellt, dann ins KZ eingeliefert und im April 1945 hingerichtet.
In drei wichtigen militärischen Dienststellen entstanden ab Ende 1941 oppositionelle Gruppen, die auch Verbindung untereinander aufnahmen: Im "Allgemeinen Heeresamt beim Befehlshaber des Ersatzheeres", geleitet von General Friedrich Olbricht, beim Militärbefehlshaber in Frankreich (General Carl-Heinrich von Stülpnagel) und an der Ostfront in der Heeresgruppe Mitte, dessen Erster Generalstabsoffizier Henning von Tresckow Mittelpunkt einer Gruppe von Regimegegnern war. Die Greuel der deutschen Besatzungspolitik im Osten und der Massenmord an den Juden durch die Einsatzgruppen der SS und ab Ende 1941 in den Vernichtungslagern blieben den Soldaten der Wehrmacht nicht verborgen. Offiziere, die Rechtsempfinden und Moral über soldatisch-militärische Pflichterfüllung stellten, waren in der Minderheit; aber es gab sie, wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der nach schwerer Verwundung in Afrika 1944 Chef des Stabes beim Oberbefehlshaber des Ersatzheeres in Berlin wurde. Graf Stauffenberg drängte seit Frühjahr 1942 auf einen Staatsstreich, um Hitler auszuschalten und die Verbrechen des Regimes zu beenden.
QuellentextClaus Graf Stauffenberg
Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) stammte aus einer traditionsbewußten katholischen schwäbischen Adelsfamilie. Er besuchte wie seine Brüder, die Zwillinge Berthold und Alexander, ein humanistisches Gymnasium in Stuttgart und schlug anschließend die Laufbahn eines Berufsoffiziers ein. Bereits auf der Kriegsakademie lernte er Albrecht Ritter Merz von Quirnheim, einen späteren Mitverschwörer gegen Hitler, kennen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten erlebte von Stauffenberg als Kavallerieleutnant in Bamberg.
Stauffenberg war zunächst kein ausgesprochener Gegner des neuen Regimes. Er bejahte sogar einige der Grundideen des Nationalsozialismus wie den Gedanken des Führertums, die Volksgemeinschaft oder die Betonung des grundverwurzelten Bauerntums. Doch bald gehörte er zu den Kritikern Hitlers. Dem aktiven Widerstand schloß er sich erst im September 1942 an. Er stand unter dem Eindruck der Massenmorde an Juden, von denen er spätestens im Sommer dieses Jahres erfuhr, der hohen Verluste der Wehrmacht in Rußland und der brutalen Behandlung der Zivilbevölkerung im Osten.
Im Mai 1940 bis Anfang 1943 diente Stauffenberg dem Generalstab des Heeres. 1943 (Februar bis April) wieder an der Front, wurde er in Afrika schwer verwundet. Er verlor dabei die rechte und einen Teil der linken Hand und das linke Auge. Nach monatelangem Lazarettaufenthalt übernahm er am 1. Oktober 1943 die Position eines Chefs des Stabes im allgemeinen Heeresamt des Oberkommandos des Heeres unter General Olbricht, der schon länger Gegner des Hitlerregimes war. General Olbricht brachte Stauffenberg in Verbindung mit Carl Goerdeler und Ludwig Beck. Stauffenberg wurde zur treibenden Kraft der Verschwörer und entschloß sich Anfang Juli 1944, selbst den Anschlag auf Hitler durchzuführen. Durch seine neue Stellung als Chef des Stabes bei General Fromm, dem Befehlshaber des Ersatzheeres, hatte er ständigen Zugang zu den militärischen Lagerbesprechungen in Hitlers Hauptquartier. Der Anschlag am 20. Juli 1944 scheiterte, Hitler wurde nur leicht verletzt. Noch am selben Abend wurde Claus Schenk Graf von Stauffenberg zusammen mit einigen Mitverschwörern erschossen. Sein Bruder Berthold wurde am 10. August hingerichtet. Claus von Stauffenbergs Frau Nina und ihre drei Kinder, zwischen vier und zehn Jahre alt, wurden in "Sippenhaft" genommen.
Verena Artz
Es war schwer, einen populären Frontgeneral zu finden, der sich an die Spitze der Erhebung stellen würde. Unterdessen scheiterten auf geradezu groteske Weise alle Attentatsversuche gegen Hitler. Nachdem schon etliche Pläne fehlgeschlagen waren, sollte Hitler bei einem Besuch der Heeresgruppe Mitte in Smolensk erschossen werden. Aus Rücksicht auf unbeteiligte Offiziere unterblieb der Anschlag jedoch; Oberst Tresckow ließ dann im Flugzeug Hitlers eine Bombe verstecken, die ihn auf dem Rückflug in die Luft sprengen sollte. Aber der Zünder versagte.
Im März 1944 schmuggelte der Abwehroffizier Oberst Rudolf-Christoph von Gersdorff eine Bombe ins Berliner Zeughaus, wo Hitler erbeutetes Kriegsmaterial besichtigen wollte, aber - wie beim Bürgerbräuattentat Georg Elsers 1939 - verließ Hitler die Ausstellung unerwartet früh. Zwei junge Offiziere, Axel von dem Bussche und Ewald von Kleist, wollten Anfang 1944 anläßlich der Vorführung neuer Uniformen Hitler beseitigen. Da er nicht erschien, war auch dieser Plan gescheitert. Auch die Absicht des Rittmeisters Breitenbuch, als Ordonnanzoffizier des Generalfeldmarschalls Busch Zu- gang zu Hitler zu finden und ihn bei einer Besprechung am 11. März 1944 zu erschießen, schlug fehl, weil die SS-Wachen den Ordonnanzen den Zutritt verweigerten.
Im Sommer 1944 war die militärische Lage längst aussichtslos. In der Normandie waren die Alliierten gelandet, die Ostfront war in der Mitte zusammengebrochen, die deutsche Niederlage war nur noch eine Frage der Zeit. Die oppositionellen Offiziere standen vor der Frage, ob ein gewaltsamer Umsturz noch Sinn habe, da absehbar war, daß die Geschicke der Deutschen nach Kriegsende von den Siegern bestimmt würden.
20. Juli 1944
Oberst von Stauffenberg, der entschlossen war, das Attentat auf Hitler unter allen Umständen zu begehen, um wenigstens ein moralisches Zeichen zu setzen, wurde dazu auch ermuntert von Generalmajor Henning von Tresckow, der die Meinung vertrat, es komme gar nicht mehr auf einen praktischen Zweck an, "sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat".
Der Umsturz war längst vorbereitet. Der Entwurf einer Regierungserklärung, die von Beck als provisorischem Oberhaupt und Goerdeler als Kanzler unterzeichnet werden sollte, war bereits ausgearbeitet. Sie sollte gleich nach dem gewaltsamen Sturz des Hitler-Regimes veröffentlicht werden. Um das Land unter Kontrolle zu bekommen, entwarfen General Olbricht mit Stauffenberg und dessen Freund Mertz von Quirnheim den Operationsplan "Walküre". Er basierte auf einem bereits vorhandenen Plan zur Niederwerfung eines etwaigen Aufstandes ausländischer Zwangsarbeiter. Ein Netz aus vertrauenswürdigen Offizieren in den wichtigen militärischen Schaltstellen wurde geknüpft.
Das Attentat auf Hitler wurde dreimal verschoben, weil Himmler und Göring bei den Lagebesprechungen auf dem Berghof bei Berchtesgaden am 6., 11. und 15. Juli nicht anwesend waren; sie sollten als gefährlichste und wichtigste Gefolgsleute Hitlers und als Inhaber der höchsten Ämter im Staat zusammen mit Hitler beseitigt werden. Obwohl sie auch am 20. Juli nicht dabei waren, zögerten Stauffenberg und sein Adjutant Oberleutnant Werner von Haeften nicht länger. Sie waren frühmorgens vom Flugplatz Rangsdorf bei Berlin zum Führerhauptquartier "Wolfsschanze" bei Rastenburg in Ostpreußen geflogen.
QuellentextGeplanter Aufruf Stauffenbergs
Hitlers Gewaltherrschaft ist gebrochen.
Ungeheuerliches hat sich in den letzten Jahren vor unseren Augen abgespielt. Nicht vom deutschen Volke gerufen, sondern durch Intrigen schlimmster Art an die Spitze der Regierung gekommen, hat Hitler durch dämonische Künste und Lügen, durch ungeheuerliche Verschwendung, die allen Vorteile zu bringen schien, in Wahrheit uns aber in Schulden und Mangel stürzte, in unserem Volke Geister und Seelen verwirrt, ja selbst außerhalb Deutschlands verhängnisvolle Täuschung erzeugt. Um sich an der Macht zu halten, hat er eine Schreckensherrschaft errichtet. Unser Volk durfte einst stolz auf seine Redlichkeit und Rechtlichkeit sein. Hitler aber hat die göttlichen Gebote verhöhnt, das Recht zerstört, den Anstand verfemt, das Glück von Millionen vernichtet. Er hat Ehre und Würde, Freiheit und Leben anderer für nichts erachtet. Zahllose Deutsche, aber auch Angehörige anderer Völker, schmachten seit Jahren in Konzentrationslagern, den größten Qualen ausgesetzt und häufig schrecklichen Foltern unterworfen. [...]
In diesem Kriege haben Machtrausch, Selbstüberheblichkeit und Eroberungswahn ihren letzten Ausdruck gefunden. Tapferkeit und Hingabe unserer Soldaten sind schmählich mißbraucht. Ungeheure Opfer des ganzen Volkes sinnlos vergeudet. Wider den Rat der Sachverständigen hat Hitler ganze Armeen seiner Ruhmsucht, seinem Machtdünkel, seiner gotteslästerlichen Wahnidee geopfert, berufenes und begnadetes Werkzeug der Vorsehung zu sein.
So durfte es nicht weitergehen! Unserer Väter wären wir nicht würdig, von unseren Kindern müßten wir verachtet werden, wenn wir den Mut nicht hätten, alles, aber auch alles zu tun, um die furchtbare Gefahr von uns abzuwenden und wieder Achtung vor uns selbst zu erringen. [...]
Unser Ziel ist die wahre, auf Achtung, Hilfsbereitschaft und soziale Gerechtigkeit gegründete Gemeinschaft des Volkes. Wir wollen Gottesfurcht an Stelle von Selbstvergottung, Recht und Freiheit an Stelle von Gewalt und Terror, Wahrheit und Sauberkeit an Stelle von Lüge und Eigennutz. Wir wollen unsere Ehre und damit unser Ansehen in der Gemeinschaft der Völker wiederherstellen. Wir wollen mit besten Kräften dazu beitragen, die Wunden zu heilen, die dieser Krieg allen Völkern geschlagen hat, und das Vertrauen zwischen ihnen wieder neu beleben.
Die Schuldigen, die den guten Ruf unseres Volkes geschändet und soviel Unglück über uns und andere Völker gebracht haben, werden bestraft werden. [...]
Quelle: Auszug aus dem geplanten Aufruf der Gruppe Stauffenberg an das deutsche Volk. Aus den Kaltenbrunner-Berichten an Bormann und Hitler, Anlage 3, 4. August 1994 zit. nach Wolfgang Michalka (Hg.). Das Dritte Reich, S. 367 ff. München 1985.
Kurz vor 12.30 Uhr setzte Stauffenberg den Zeitzünder der Bombe in Gang und begab sich zu der Baracke, in der Hitler die Lagebesprechung abhielt. Stauffenberg stellte seine Aktentasche mit der Bombe in der Nähe Hitlers ab und verließ unter einem Vorwand den Raum. Gegen 12.45 Uhr explodierte die Bombe, fünf der vierundzwanzig Anwesenden wurden getötet. Hitler wurde nur leicht verletzt. Stauffenberg, der die Detonation beobachtet hatte, war überzeugt vom Erfolg des Attentats und flog nach Berlin zurück. Dort hatten die Mitverschwörer in den Diensträumen des Oberkommandos des Heeres (OKH) in der Bendlerstraße stundenlang gewartet, ehe sie den Alarm nach dem Plan "Walküre" auslösten, um die Wehrkreise zu verständigen. Generaloberst Fromm, der Befehlshaber des Ersatzheeres, war nicht zu bewegen, sich auf die Seite des Widerstandes zu stellen. Stauffenberg verhaftete ihn. An seine Stelle trat Generaloberst Hoepner, den Hitler 1942 entlassen hatte. Das Zögern der Wehrkreisbefehlshaber, sich den Verschwörern anzuschließen, und die schnelle Rundfunkmeldung von Hitlers Überleben ließen den Staatsstreich scheitern.
In Prag, Paris und Wien waren die Gesinnungsgenossen der Verschwörer für kurze Zeit erfolgreicher. Sie waren Herren der Lage und setzten SS-Führer fest. In Berlin brach der Widerstand [Zentrum waren die Diensträume des Oberkommandos der Wehrmacht (OKH) im Bendlerblock] noch am Abend des 20. Juli zusammen. Kurz vor Mitternacht verhaftete Generaloberst Fromm, den hitlertreue Offiziere inzwischen wieder befreit hatten, die Spitzen des Widerstandes. Den Generälen Beck und Hoepner gab er die Möglichkeit zum Freitod (Hoepner lehnte ab), Olbricht, Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und von Haeften wurden nach Mitternacht im Hof des OKH-Gebäudes erschossen.
Die Gestapo nahm in den folgenden Tagen in einer großen Verhaftungsaktion Tausende von Regimegegnern fest, Anfang August begannen die Prozesse vor dem "Volksgerichtshof". Sie dauerten bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes im Mai 1945. Die genaue Zahl der Verurteilten ist nicht bekannt, Hunderte wurden Opfer der Rache Hitlers, sie sind auf grausame Weise hingerichtet worden. Viele ihrer Angehörigen, die nichts mit dem Umsturzversuch zu tun hatten, wurden in "Sippenhaft" genommen und kamen ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager.