„Auch die Hamburger Ausländerbehörde wird von Asylanträgen überschwemmt. Die Zahl der Anträge steigt von Woche zu Woche.", war am 6. Mai 1980 im Hamburger Abendblatt zu lesen. Die erste große Asyldebatte der Bundesrepublik war in der Hansestadt angekommen. Zahlreiche Presseberichte thematisierten die damals steigende Zahl an Asylsuchenden und die Probleme, die damit für Bund, Länder und Kommunen einhergingen.
Phasen des starken Anstiegs der Asylzuwanderung sind bis heute begleitet von Unterbringungsproblemen, die sich vor allem auf lokaler Ebene zeigen. Dieser Beitrag untersucht die Unterbringungspolitiken, die um 1980 auf lokaler beziehungsweise Länderebene für Asylsuchende entwickelt wurden. Die damalige Asyldebatte kennzeichnete ein Wechselspiel aus einer skandalisierenden Medienberichterstattung, einem zunehmenden Rassismus gegen Türk:innen und „Asylanten“ sowie der Entwicklung restriktiver Politiken, die schließlich 1993 in die Einschränkung des Asylrechts im Grundgesetz mündeten. Am Beispiel Hamburgs, der damals größten Stadt Westdeutschlands, werden im Folgenden die Unterbringungspolitiken und ihre Auswirkungen auf städtische Ankunftsräume nachgezeichnet.
„Asyldebatte“ und Unterbringungspolitik in Hamburg
Im Laufe der 1970er Jahre stiegen die Asylbewerberzahlen langsam an, wobei die Zahlen in Hamburg im Vergleich zu West-Berlin, über das der Großteil der Asylsuchenden einreiste, noch gering ausfielen. Die Schließung des zentralen Aufnahmelagers Zirndorf in Bayern 1973 führte zur Dezentralisierung der Aufnahme. Die Verteilung der Asylsuchenden über die Bundesländer blieb jedoch bis zum Asylverfahrensgesetz 1982 umstritten. Hamburg sollte offiziell 3,1 Prozent der Asylbewerber:innen aufnehmen, doch schon 1976 klagte die Arbeits- und Sozialbehörde, dass die „Unterbringung und Betreuung dieses Personenkreises [...] erhebliche räumliche, finanzielle und personelle Probleme“ aufwerfe. Zurückgegriffen wurde zunächst auf Strukturen, die im Zuge anderer Migrationsprozesse geschaffen worden waren. So wurden Asylsuchende Mitte der 1970er Jahre in Aussiedler- oder frühere „Gastarbeiter“-Unterkünfte in der Peripherie einquartiert, wo sie unter anderen mit Aussiedler:innen, Obdachlosen und DDR-Flüchtlingen zusammenlebten.
1980 spitzte sich die öffentliche Debatte zu, wobei Medien wie Politiker mit Verweis auf die geringen Anerkennungsquoten von „Scheinasylanten“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ sprachen, die die Bundesrepublik zu „überfluten“ drohten. Hamburgs Sozialsenator Jan Ehlers, ein linker Sozialdemokrat, wehrte sich zunächst gegen restriktive Maßnahmen. Noch im Juli 1980 nannte er die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften eine „aberwitzige Vorstellung“, „so integrativ wie ein offener Knast“. Er lehne es ab, Hamburg zur „geschlossenen Stadt für Asylbewerber zu machen“. In den folgenden Monaten verdoppelte sich jedoch die Zahl der Asylbewerber:innen in der Stadt – von 7.000 im Mai 1980 auf über 13.800 Ende 1981. Über die Frage der Unterbringung kam es Ende 1980 im Senat zum Streit. Die Sozialbehörde lehnte Sammellager ab und verwies darauf, dass sie die Eigeninitiative der Flüchtlinge lähmten.
Die konzentrierte Unterbringung auf engem Raum führe zu Konflikten untereinander und mit Anwohner:innen. Bezirksämter und Baubehörde kritisierten dagegen das Ziel, alle Asylsuchenden in Wohnungen unterzubringen, als realitätsfremd. Dieses werde am fehlenden Wohnungsangebot scheitern und die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt verschärfen. Anspruch auf Sozialwohnungen hatten sie nicht. Der Senat entschied sich, die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten zu intensivieren, schloss eine kasernierte Lager-Unterbringung aber aus. Neben dem Ziel des möglichst raschen, kostengünstigen und sozial verträglichen Aufbaus einer Infrastruktur der Unterbringung war ein weiteres Leitbild prägend: das der gleichmäßigen Verteilung im städtischen Raum und der Entlastung jener Stadträume, die bereits hohe Ausländeranteile aufwiesen. In den Jahren zuvor war die verstärkte Ansiedlung von Arbeitsmigrant:innen in innerstädtischen Quartieren als Form der „Ghettobildung“ skandalisiert worden. Der Senat hatte vergeblich versucht, über verschiedene Maßnahmen „Ausländerkonzentrationen“ zu reduzieren. Die Unterbringungspolitik gegenüber Asylsuchenden fügte sich in diese Politik ein, die einem impliziten Leitbild der „ethnischen Mischung“ folgte.
Als die Asylbewerberzahlen 1981 weiter stiegen, gewannen die Befürworter:innen einer Unterbringungspolitik, die primär auf Abschreckung setzte, an Einfluss. Die Innenbehörde forderte die Umstellung der Sozialhilfe auf Sachleistungen – und, damit verbunden, die obligatorische Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Gegen das Votum der Sozialbehörde folgte der Senat im November 1981 diesem Vorschlag und beschloss „die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß neu einreisende Asylbewerber grundsätzlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden können“. Damit folgte Hamburg anderen Bundesländern, die diesen Weg bereits 1980 gegangen waren, und einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Mit ihrer Forderung, ein zentrales Sammellager zu errichten und die Residenzpflicht einzuführen, konnte sich die Innenbehörde allerdings nicht durchsetzen.
Der Beschluss zur obligatorischen Einführung der Gemeinschaftsunterbringung führte zu einer regen Einrichtung neuer Unterkünfte. Doch die private Unterbringung verschwand keineswegs: Da von den 14.000 Asylbewerber:innen in Hamburg nur etwa 7.400 Sozialhilfe in Anspruch nahmen, verpflichtete man nur diejenigen Asylsuchenden zur Gemeinschaftsunterbringung, die Sozialhilfe beantragten. Denn der Senat fürchtete für den Fall einer öffentlichen Versorgung aller Asylbewerber:innen einen massiven Kostenanstieg.
Formen der Unterbringung
Die Unterbringungspolitik der Stadt ebenso wie das Handeln der Migrant:innen selbst brachten unterschiedliche Wohnverhältnisse und Formen der Unterbringung hervor – von Hotels und Notunterkünften über städtische Gemeinschaftsunterkünfte bis zu privat angemietetem oder informell organisiertem Wohnraum.
Hotelzimmer und Notunterkünfte
Die Unterbringung in Hotels und Pensionen war ein Notbehelf der Stadt. Angesichts weniger und überfüllter städtischer Unterkünfte und schwierigen Versuchen, Asylsuchende in Wohnungen zu vermitteln, mieteten die Bezirke Hotelzimmer an. Dies war kostspielig, für einen Hotelplatz zahlte die Stadt monatlich zwischen 350 und 1.200 DM. Diese Kosten wurden in der Presse immer wieder skandalisiert, aber auch im Senat wurde der Ruf laut, die teure Hotelunterbringung zu reduzieren. Angesichts steigender Asylbewerberzahlen war dies jedoch zunächst kaum möglich. Im November 1981 erklärte die Innenbehörde, die „Möglichkeiten, für die Asylbewerber überhaupt noch geeignete Hotels und Pensionen zu finden“, seien „faktisch ausgeschöpft“. Zum Jahresende wurde eine Höchstzahl von 1.606 Hotelunterbringungen erreicht, was rund 12 Prozent aller in Hamburg lebenden Asylbewerber:innen entsprach.
Während der Hotel-Begriff Assoziationen mit einer luxuriösen Unterbringung weckt, handelte es sich tatsächlich um Mehrbettzimmer der untersten Preisklasse, die dem Senat zufolge „privat betriebene[n] Gemeinschaftsunterkünften“ glichen. Eine zivilgesellschaftliche Initiative, der Arbeitskreis Asyl, kritisierte 1986 die Wohnverhältnisse in diesen Billighotels als „noch beengter und menschenunwürdiger als in den Lagern“, womit städtische Gemeinschaftsunterkünfte gemeint waren. Es war also ein spezifisches Segment des Hotel- und Pensionsgewerbes, das von der Vermietung an die Bezirke profitierte. Demgegenüber lehnten Hotels „mittlerer und gehobener Qualität“ die Einquartierung von Asylsuchenden ab, weil sie „Geschäftsschädigungen“ fürchteten.
Da die Standorte von Billighotels in Hamburg sich rund um den Hauptbahnhof, in St. Georg, und in Stadtteilen wie St. Pauli konzentrierten, führte diese Form der Unterbringung zu einer starken Konzentration der betroffenen Asylbewerber:innen im zentral gelegenen Bezirk Hamburg-Mitte. Im November 1981 waren 882 der 1.583 in Hotels lebenden Asylsuchenden (56 Prozent) dort untergebracht. Die Angebotsstruktur des niedrigpreisigen Hotelgewerbes beeinflusste so die Verteilung der Asylzuwanderer:innen über den städtischen Raum.
Neben Hotels wurde auch auf die Unterbringung in Obdachlosenunterkünften und Schlafmöglichkeiten bei Trägern wie der Bahnhofsmission zurückgegriffen. „Immer mehr Asylbewerber melden sich bei den Sozialämtern obdachlos“, konstatierte die Sozialbehörde im Juli 1980, wobei zu diesem Zeitpunkt 1.166 Antragsteller*innen in Obdachlosenunterkünften untergebracht waren. Damit nahmen Asylsuchende 25 Prozent der Kapazität dieser Unterkünfte in Anspruch. Diese Zahl blieb auch in den folgenden Monaten weitgehend konstant.
Gemeinschaftsunterkünfte
In den frühen 1980er Jahren, vor allem nach dem Senatsbeschluss vom November 1981, stieg die Bedeutung städtisch betriebener Gemeinschaftsunterkünfte – auch wenn die anvisierte Zahl von über 5.000 Plätzen nicht erreicht wurde. Bestanden Ende 1981 insgesamt 2.077 Plätze, waren es vier Jahre später fast 3.000. Während die Zahl der in Hamburg lebenden Asylbewerber:innen in diesem Zeitraum von knapp 14.000 auf 8.200 zurückging, stieg der Anteil der in dieser Form Untergebrachten von 15 auf über 35 Prozent. Die meisten Unterkünfte wurden von den Bezirken betrieben, während die Sozialbehörde für sieben größere Unterkünfte zuständig war. Im Unterschied zu West-Berlin spielten Wohlfahrtsverbände als Träger von Gemeinschaftsunterkünften in Hamburg keine Rolle. Nur einen kleinen Anteil hatten Wohnprojekte, die von Verbänden initiiert wurden. So organisierte etwa Amnesty International 1980 im Bezirk Harburg mehrere Wohngemeinschaften für Flüchtlinge.
Schaut man auf die räumliche Lage bzw. die Verteilung der Unterkünfte in der Stadt, lässt sich eine größere Streuung ausmachen als im Fall der Hotelunterbringung. Der industriell geprägte Süden Hamburgs beherbergte das Gros der Unterkünfte, aber auch in peripheren Stadtteilen im Nordosten wie Rahlstedt oder Blankenese im Westen wurden Unterkünfte eingerichtet. Dies entsprach dem Bestreben der Stadt, über eine entsprechende Lokalisierung eine „Entlastung der Ausländer-Ballungsräume“ zu befördern. In den folgenden Jahren wurden insbesondere in den Bezirken Nord und Wandsbek zahlreiche Unterkünfte eingerichtet.
Eine Vielzahl von Gebäudetypen wurde dafür herangezogen – von ehemaligen Schulen und Heimen über Altbau-Mietshäuser bis zu früheren Verwaltungsgebäuden. Die größte Unterkunft, in der Wetternstraße in Harburg, hatte 1982 eine Kapazität von 380 Plätzen und zählte der Sozialbehörde zufolge zu den „größten Einrichtungen in der Bundesrepublik“. Die meisten fassten zwischen einer Handvoll und 100 Personen, was dem Ziel entsprach, Massenunterkünfte möglichst zu vermeiden. Mit der Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften, aber vor allem bedingt durch sinkende Asylbewerber:innenzahlen gelang es dem Senat bis 1984, die Zahl angemieteter Hotelplätze auf unter 50 zu reduzieren.
Die Errichtung dieser Unterkünfte provozierte Proteste vor Ort. So wurde etwa 1982 für den Bezirk Bergedorf eine Unterkunft mit 250 Plätzen geplant – ein Plan, auf dessen Umsetzung nach massiven Bürgerprotesten verzichtet wurde. Obwohl es auch andernorts zu Protesten kam, etwa im wohlhabenden Blankenese, wo ein Studentenwohnheim zur Asylunterkunft umfunktioniert werden sollte, blieb Bergedorf so als einziger Bezirk frei von größeren Asylunterkünften.
Für die erstarkende westdeutsche Neonazi-Szene wurden Asylunterkünfte zu Symbolen der „Überfremdung“ Deutschlands. Ein Wohnheim für vietnamesische Flüchtlinge in Hamburg-Billbrook wurde im August 1980 zum Ziel eines tödlichen Anschlages von Neonazis, bei dem zwei Menschen starben. Auch in Rahlstedt kam es 1981 zu einem Brand einer Unterkunft, wobei die Kriminalpolizei von einem Anschlag ausging.
Alternative Linke, Migrant:innen und Sozialverbände protestierten aus entgegengesetzten Gründen gegen Asylunterkünfte. Initiativen aus diesem Spektrum hatten den Senatsbeschluss zur obligatorischen Gemeinschaftsunterbringung als „Internierung“ in „Sammellagern“ und „Ghettos“ angeprangert. Als Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) im Februar 1982 die Unterkunft in der Wetternstraße besichtigte, wurde er von Asylsuchenden mit Sprechchören und Plakaten empfangen – mit Slogans wie „Wir wollen keine Sammellager“, „Gebt uns das Recht, menschenwürdig zu leben“ und „Sollen wir in KZs verschwinden, wie fünf Millionen Juden?“. In der linksalternativen Stadtteilzeitung Schanzenleben wurden Gemeinschaftsunterkünfte als heruntergekommene, unhygienische Orte geschildert, die die Stadt von „Vermieterhai[en]“ angemietet habe. Die Wohnverhältnisse seien als „physische und psychische Folter“ zu bezeichnen. Und auch das Rote Kreuz sah im Juli 1982 die „Menschenwürde [...] mit Füßen getreten“.
Die Kombination aus Arbeitsverbot, der Alimentierung durch den Staat und dem Leben auf engem Raum führte, so schilderte es die alternative Presse, zu Wohnsituationen, die mit Depressionen verbunden war. „Hinter den Mauern der Flüchtlingslager verbirgt sich Trostlosigkeit“, charakterisierte die Hamburger Rundschau 1985 das Alltagsleben in einer Unterkunft im Stadtteil Osdorf. „Bis zu 24 Menschen müssen sich vier einzeln angeschlossene Kochplatten teilen. [...] Verdreckte Duschen und Toiletten gehören hier zum Lager-Alltag.“ Geschildert wurde ein alles andere als gastfreundliches Milieu. Dieser Typus Ankunftsinfrastruktur zielte nicht auf das langfristige Ankommen in der Stadtgesellschaft, sondern auf Abschreckung und Rückkehr – einem staatlich formulierten Ziel, das auch durch nächtliche Abschiebeaktionen aus der Einrichtung umzusetzen versucht wurde.
Privater Wohnungsmarkt und soziale Netzwerke
Der Unterbringungsform, der in den frühen 1980er Jahren die größte Bedeutung zukam, war die privat organisierte Wohnungsversorgung. „Von den in Hamburg befindlichen Asylbewerbern wurde nur etwa die Hälfte durch Behörden untergebracht. Die übrigen haben sich selbst Unterkunft gesucht“, erklärte der Senat im Dezember 1981. Auch nach dem Beschluss zur obligatorischen Gemeinschaftsunterbringung beziehungsweise der Kopplung der Sozialhilfe an diese änderte sich dies zunächst kaum. So schätzte der Arbeitskreis Asyl noch 1986, dass „vermutlich [...] annähernd die Hälfte der Flüchtlinge in Wohnraum [lebe], dessen Miete nicht vom Sozialamt gezahlt wird“. In begründeten Ausnahmefällen übernahm die Sozialbehörde zudem weiterhin die Mietkosten privat angemieteter Wohnungen.
Jenseits kommunaler Unterbringungsmaßnahmen rekurrierten Migrant:innen auf zwei Formen des Zugangs zu Wohnraum: den privaten Wohnungsmarkt und soziale Netzwerke. Bereits im Sommer 1979 registrierte die Sozialbehörde, dass Asylsuchende „in erheblichem Umfange [...] bei Landsleuten in meist überbelegten einfachsten Massenquartieren, für die häufig unverhältnismäßig hohe Mieten verlangt werden“, untergekommen seien. Ein Jahr später hatte sich dieses Problem zugespitzt und die Behörde verwies auf zunehmende „Fälle von unerträglichen Wohnverhältnissen und von Ausbeutung durch Vermieter“.
Auch die Medien skandalisierten solche Fälle. Im Herbst 1981 stellte sich etwa bei einer polizeilichen Durchsuchung eines Hauses in Winterhude heraus, dass in dessen 39 Ein-Zimmer-Wohnungen 285 Personen gemeldet waren. Anwohner*innen hatten sich über nächtlichen Lärm beschwert und durch „das provozierende Verhalten einzelner Bewohner“ belästigt gefühlt. Vor Ort wurden 113 Personen angetroffen, fast alle aus Ghana. Zur Historie des Hauses vermerkte der Senat, dass die Wohnungen „früher an türkische Staatsangehörige vermietet“ worden waren. In den 1970er Jahren wohnten Arbeitsmigrant:innen in solchen Substandard-Wohnungen, deren Vermieter:innen nun in Asylsuchenden eine neue Klientel entdeckten. „Hausbesitzer schlagen Kapital aus der Wohnungsnot von Asylbewerber. Das Geschäft mit den Hilflosen“, titelte das Hamburger Abendblatt.“
Eine verbreitete Form des Zugangs zu Wohnraum bestand im Einzug bei Verwandten oder Bekannten. Vor allem Zugewanderte aus der Türkei konnten auf entsprechende Netzwerke zurückgreifen. Aber auch hinsichtlich neuer Migrant:innengruppen gingen Behördenvertreter davon aus, dass die Zunahme der Asylbewerber:innenzahlen u.a. auf den „Nachzug von Freunden, Bekannten, Verwandten und Nachbarn von hier bereits aufhältlichen Ausländern aus der dritten Welt zurückzuführen“ sei. Diese informelle, über soziale Netzwerke organisierte Versorgung mit Wohnraum ist bislang kaum erforscht.
Politische Organisationen wie Devrimci Yol aus der Türkei etwa organisierten eine eigene Ankunftsinfrastruktur für „ihre“ Flüchtlinge. Als viele Aktivist:innen dieser linksradikalen Gruppe um 1985 mit gefälschten Papieren nach Hamburg kamen, mietete die Gruppe eine Wohnung in St. Georg, um sie für die ersten Nächte unterzubringen. In der Folge wurden sie entweder in andere westdeutsche oder -europäische Orte weitergeschickt oder es konnten Zimmer bei Verwandten, türkischen Arbeitsmigrant:innen oder sympathisierenden Deutschen organisiert werden. Diese Form der Wohnungsversorgung war sicherlich nicht typisch, da sie von einer politischen Organisation koordiniert wurde. Sie verweist aber auf die große Bedeutung migrantischer Netzwerke.
Inwiefern beeinflusste die private Unterbringung die Verteilung der Asyl-Zuwanderer:innen im städtischen Raum? Da der Senat nur Daten über diejenigen Asylsuchenden erhob, die Sozialhilfe beantragten, können in dieser Hinsicht nur Mutmaßungen angestellt werden. Doch auch die Sozialbehörde erklärte bereits 1980: „Asylbewerber, die sich auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt selbst eine Unterkunft suchen, verstärken den Trend einer erhöhten Belastung solcher Stadtteile, die ohnehin einen hohen Ausländeranteil haben.“ Neben der Unterbringung bei Verwandten und Bekannten lag dies auch daran, dass es diese innerstädtischen und in der industriell geprägten Peripherie gelegenen Ankunftsquartiere waren, in denen günstiger Wohnraum zugänglich war.
Fazit
Der erste größere Anstieg der Asylbewerberzahlen in der Bundesrepublik um 1980 war auch auf der lokalen Ebene von einem Krisen- und Überlastungsdiskurs geprägt, der mit der Entwicklung neuer Unterbringungspolitiken einherging. Diese bewegten sich im Spannungsfeld von sozialpolitischen und restriktiven, auf Abschreckung setzenden Maßnahmen. Dabei lässt sich eine Entwicklung hin zur Kommunalisierung der Unterbringung in Form städtisch betriebener Gemeinschaftsunterkünfte ausmachen. Diese war eng verbunden mit der Transformation der zuvor vielfach lohnabhängig beschäftigten Asylsuchenden in Abhängige staatlicher Transferleistungen, die mit Arbeitsverbot belegt worden waren. Eine solche Politik zielte auf die Blockade gesellschaftlicher Ankommensprozesse, da die Migrant:innen als „Scheinasylanten“ galten und zur Rückkehr gedrängt werden sollten.
An Gemeinschaftsunterkünften entzündete sich Protest unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Im Zuge einer wachsenden „Politisierung der Unterbringung“ wurden diese zu Symbolen der „Überfremdung“ oder einer als inhuman kritisierten Asylpolitik. Der zeitgenössische Fokus auf diese Unterkünfte verdeckt jedoch, dass das Gros der Asylsuchenden um 1980 anders untergebracht war – vor allem über den privaten Wohnungsmarkt oder Verwandte und Bekannte. Diese Form des Zugangs zu Wohnraum verstärkte die Präsenz von Migrant*innen in bestehenden Ankunftsquartieren, die sich bereits im Zuge der Arbeitsmigration in den Jahren zuvor herausgebildet hatten.
Zitierweise: David Templin, Orte des Ankommens (VI): Hotelzimmer oder Sammellager? Asylzuwanderung, Unterbringungspolitiken und urbane Ankunftsräume in Hamburg um 1980, in: Deutschland Archiv, 19.07.2024, Link: www.bpb.de/550559. Der Beitrag ist Teil einer Serie "Orte des Ankommens", erstellt in Kooperation des Fachgebietes Städtebauliche Denkmalpflege und Urbanes Kulturerbe der Technischen Universität Berlin, dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner und der Stiftung Berliner Mauer 2023/24, herausgegeben von Stephanie Herold und Małgorzata Popiołek-Roßkamp. Anlass war eine Tagung zum 70. Jahrestag der Gründung des Externer Link: Berliner Notaufnahmelagers Marienfelde am 14. April 1953. Alle Beiträge im Deutschland Archiv sind Recherchen und Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar und dienen als Mosaikstein zur Erschließung von Zeitgeschichte. (hk)
Zu weiteren Beiträgen in dieser Serie über Interner Link: Orte des Ankommens nach 1945.
Ergänzende Texte zur Gewalt gegen Zugewanderte in Deutschland. Zum Beispiel 1992 in Interner Link: Rostock-Lichtenhagen.