Regulierungsbestreben und Barrieren unterschiedlicher Art
Institutionelle Vorgaben, Vorbehalte und Hürden
Die fraglichen Eheschließungen verweisen auf komplexe privatrechtliche und humanitäre Fragen, etwa bezüglich des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts. Das Zustandekommen solcher Ehen wird nicht nur von sozialer Seite bestimmt, wie allen voran in den Familien. Verschiedene Familienmitglieder legten laut Überlieferung immer wieder ihr Veto ein, wenn das eigene Kind – vor allem die Tochter – einen nichtdeutschen Mann ehelichen wollte, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Dieser Aspekt kann hier allerdings nicht weiter vertieft werden.
Stattdessen erfolgt eine Konzentration auf die zu beobachtenden Verhandlungen und Aushandlungen im behördlichen Kontext. Die Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und eines anderen Staates bedurften der Genehmigung der staatlichen Organe; geregelt war dies im Einführungsgesetz zum Familiengesetzbuch von 1965 (§ 15, Abs. 1) – eine Vorkehrung, durch die sich die Staats- und Parteiführung eine bessere Überprüfung solcher Heiraten erhoffte. Falls von den nichtdeutschen Partnern kein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt werden konnte, hatte der Rat des Kreises darüber zu entscheiden, ob eine Ehe geschlossen werden konnte oder nicht. Letztlich bedurften Eheschließungen mit Bürgern anderer Staaten der Genehmigung der zuständigen DDR-Stellen, auch wenn die Ehe im Ausland geschlossen wurde – allerdings sind keine verbindlichen und für alle Fälle gültigen Regelungen darüber zu finden, nach welchen Kriterien eine Genehmigung zu erteilen war. Antragsteller waren daher nicht selten mit einer gewissen Willkür der zuständigen Stellen konfrontiert.
Formal-einheitlich waren allerdings Prüfungsprotokolle samt sogenannten Rahmengliederungen, die jene Anträge auf Eheschließungen (wie auch Übersiedlungen) stets begleiteten. Hier fanden sich zunächst Einschätzungen zur Person. Dazu gehörte auch die Beurteilung des "Leumundes", die sich maß an Fragen des Lebenswandels, der "Labilität" des Charakters, der Häufigkeit von "Männerbekanntschaften", "ungeordnete Verhältnisse" oder ähnlichen Aspekten, von denen sich die Behörden Anhaltspunkte über den "moralischen Lebenswandel" und die "Ernsthaftigkeit" des Anliegens erhofften.
Ein umfassendes Bild über diese Punkte sollte durch Befragungen im Betrieb oder durch Ermittlungen im Wohngebiet sowie Einschätzung über Verwandte – konkret die Frage, ob nahe Familienangehörige Geheimnisträger waren – zustande kommen. Es folgten sodann Gründe und Motive für die Eheschließung, die zu erwartenden Auswirkungen einer Bewilligung und die letztendliche behördliche Entscheidung. Involviert in die Entscheidungsfindung waren demnach eine Reihe von Akteuren, ob der Betrieb, die Kreisdienststelle der Staatssicherheit oder auch das zuständige Volkspolizeikreisamt.
Das Aktenstudium lässt viele Fälle von Verzögerungen und Verlangsamungen erahnen, gerade bei Beteiligung außereuropäischer Männer und insbesondere schwarzer sowie muslimischer Verlobter. Rassistische, kulturelle und religiöse Vorurteile waren keineswegs neu, sondern eine Hypothek aus institutionellen und administrativen Wahrnehmungs- und Entscheidungspraktiken – und auch in den analysierten Fällen erkennbar, wenngleich die DDR-Behörden sich dieser Problematik im Laufe der Zeit durchaus immer stärker bewusst wurden. Die Frage der Versagung von entsprechenden Anträgen konnte die DDR-Führung durchaus unter Druck setzen. So beklagte sich etwa ein damals in Halle/Saale wohnender kenianischer Medizinstudent im Sommer 1975, der eine Frau aus Dessau ehelichen wollte, aber eine Ablehnung erhalten hatte, die DDR praktiziere Diskriminierung und vereitele der Frau die Freiheit, ihren Ehemann zu wählen: "Ein Mädchen wird von der Regierung daran gehindert, einen Ausländer zu heiraten, erst recht, wenn er Afrikaner ist. Soviel ich weiß, ist die DDR das einzige Land der Welt, wo – aufgrund der Haltung der Regierung – eine Frau nicht den Mann heiraten kann, den sie heiraten möchte. In dieser Frage steht die DDR unter den sozialistischen Ländern allein."
So lässt sich im Laufe der Jahre eine spürbare "Normalisierung" und folglich steigende Bewilligungswahrscheinlichkeit entsprechender Eheschließungsanträge vermerken. Wir können hier einen institutionellen Lernprozess beobachten, der aber vermutlich nicht immer freiwillig war. Absagen wurden im Zuge des Bemühens um diplomatische Anerkennung der DDR tendenziell subtiler vorgetragen – und nur andeutungsweise finden sich in den Quellen rassifiziert-homogenisierende und überkommene kulturelle Klischees, wenn etwa vom "Leben in der Großfamilie" oder "Vielweiberei" gesprochen wurde.
Eheschließungen mit mosambikanischer Beteiligung sollten allerdings noch bis in die späte DDR hinein, so die Maßgabe des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA), "möglichst" vermieden werden. Noch 1986 wurde über Eheanträge innenministeriell ausgeführt, dass für eine Ablehnung zahlreiche Gründe sprechen würden, und zwar sowohl "politische, kulturelle als auch Probleme des unterschiedlichen Lebensstils usw." Inwiefern diese normative Maßgabe in der institutionellen Entscheidungspraxis dann auch wirklich Umsetzung fand, ist fraglich, denn sowohl die bewilligten Eheanträge als auch die erfolgten Eheschließungen zwischen DDR-Frauen und Männern aus diesem afrikanischen Staat deuten anderes an: Zwischen Anfang 1984 und Ende März 1988 wurden in der gesamten DDR 50 Anträge auf Eheschließung mit einem mosambikanischen Staatsangehörigen gestellt; hiervon wurden 25 genehmigt und nur drei abgelehnt, die übrigen 22 wurden zurückgezogen – aus welchen Gründen ist allerdings unklar; ebenso auch, wie viele der 25 Paare dann auch tatsächlich die Ehe geschlossen haben.
Allerdings enden viele Überlieferungen von Einzelfällen mit der Einladung zu mündlichen Gesprächen nach Ostberlin in das MfAA. Dorthin wurden die beteiligten DDR-Frauen einbestellt – was dort hinter verschlossenen Türen in Form von Informationen oder Belehrungen geschah, kann nur vermutet werden. Teilweise ging es um eine Aufklärung über die sozialen wie klimatischen Verhältnisse in den Herkunftsländern der beteiligten Männer, vermutlich immer mit dem Ziel, die Entscheidung "nochmals gründlich zu überdenken", wie in einem Vermerk zu einem knapp zweistündigen Gespräch, das im Sommer 1976 mit einer Frau geführt wurde, die einen Mann aus Guinea heiraten wollte. Jedenfalls vermied die Bürokratie offenbar ein ausführliches schriftliches Festhalten, wohl auch, um Angriffsflächen in den Begründungen und damit etwaige diplomatische nachteilige Wirkungen zu vermeiden.
In den Überlieferungen sind ferner immer wieder Anhaltspunkte für mündliche Zurückweisungen, Vertröstungen oder Verweise an andere zuständige Behörden gerade bei der Beteiligung muslimischer und/oder afrikanischer Männer zu finden. So teilten, um nur ein Beispiel zu nennen, einzelne Standesämter offensichtlich Frauen mit, Eheschließungen zwischen Algeriern und DDR-Bürgerinnen seien verboten, was allerdings nicht den Tatsachen entsprach. Eine Generalisierung solchen Vorgehens allerdings verbietet sich; dieser Beleg deutet indes an, dass zentrale Vorgaben vor Ort völlig anders gedeutet und umgesetzt werden konnten – eine für die betroffenen Verlobten nervenaufreibende und langwierige behördliche Korrespondenz inklusive.
Verdacht auf "Scheinehen"
Diese Formen unverhohlener bis subtiler Zurückweisung stehen beispielhaft für die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Geschlecht, Klasse, "Rasse" beziehungsweise Ethnizität und Religion, verweisen also auf Aspekte von Intersektionalität und den daraus resultierenden Ungleichheiten. Dazu gehörte auch, dass verschiedene Ehevorhaben vonseiten der Behörden infrage gestellt worden sind; konkret wurde die Ernsthaftigkeit und die Absichten hinter den Heiratsplänen skeptisch beäugt, die "Liebe" delegitimiert.
Die Frage, was eine "echte Ehe" war, beschäftigte die DDR-Bürokratie immer, wenngleich in unterschiedlichem Maße, wenn solche Eheanträge vorgelegt wurden. Verstärkt seit dem Mauerbau erfolgte die Überprüfung, ob bei der Beziehung zu einem Ehepartner aus dem "nichtsozialistischen Ausland" ein "echtes Verhältnis" vorlag – denn eine Vermählung war für die Behörden gleichbedeutend mit dem vordergründigen Ziel einer ständigen Ausreise aus der DDR, was besonders deswegen schmerzte, weil es sich hierbei hauptsächlich um junge, arbeitsfähige und gut qualifizierte Frauen handelte. Zudem beobachteten Behörden seit jeher mit einer gewissen Skepsis Versuche, während Urlaubsaufenthalten in sozialistischen Ländern mit Westdeutschen die Ehe anzubahnen, um auf diese Weise die Reisegesetze zu umgehen.
Genauer schaute man spätestens seit den frühen 1970er-Jahren hin. Nachweislich griff die Staatssicherheit gezielt ein, um junge Beziehungen im Keim zu ersticken, etwa durch fingierte Briefe an die DDR-Partner, um die bundesdeutschen Partner zu diskriminieren oder durch die Zerschlagung von Liebesverhältnissen durch die Ablehnung von geplanten Einreisen in die DDR bzw. Einreisesperren.
Jenes verstärkte Bemühen war Folge des intensiver werdenden deutsch-deutschen Reiseverkehrs und ergab sich aus Sicht der DDR-Behörden aus dem angeblichen "Zusammenhang mit der verstärkten Aktivität des Klassengegners, arbeitsfähige, hochqualifizierte Fachkräfte mittels Eheschliessung aus der DDR abzuwerben." Die zuständigen Dienstzweige von Volkspolizei und Staatssicherheit waren aus diesem Grund in präventiver Hinsicht aufgerufen, genauestens abzuwägen, ob ein "dauerhaftes, echtes Beziehungsverhältnis" bestand oder nicht. So unterlagen die Eheantragsverfahren einer "straffen Kontrolle", damit wertvolle Arbeitskräfte nicht auf diese Weise verlorengingen und eine ständige Ausreise des Bürgers der DDR die "staatlichen Interessen" nicht beeinträchtigte – so zumindest der Anspruch. Es sollte demnach auch in der DDR der "international anerkannte Rechtsgrundsatz" gelten, "daß jeder souveräne Staat, wenn es seine Interessenslage erfordert, nach eigenem Ermessen festlegt und entscheidet, wann und unter welchen Bedingungen Ehen mit Bürgern anderer Staaten geschlossen werden können." Die eingangs vorgestellten Zahlen zu den Eheschließungen mit Frauen und vor allem Männern aus Westdeutschland, die seit den 1970er-Jahren in die Höhe schnellten, unterstreichen dieses Bedürfnis eindrücklich und erklären auch das bis zum Ende der DDR aufrechterhaltene Ziel, Anträge auf "ständige Ausreise", die sich aus Eheschließungen ergeben würden, zu verhindern und zurückzudrängen. Doch nicht nur im Kontext westdeutscher Partner und Partnerinnen, auch bei mosambikanischen Verlobten war eine Überprüfung auf ein "echtes und dauerhaftes Verhältnis" die Regel; und auch bei vietnamesischen Frauen und Männern, die die Ehe mit DDR-Bürgern eingehen wollten, wurde der Verdacht von Scheinehen zumindest überprüft, und zwar sowohl von ostdeutscher wie vietnamesischer Seite.
Die einschränkende und ermöglichende Rolle der anderen beteiligten Staaten
Die Aushandlung darüber, ob ein bestimmtes Ehevorhaben bewilligt wurde oder nicht, war in der Regel ein bilaterales Unterfangen. Denn es war in vielen Fällen nicht allein die DDR-Bürokratie selbst, sondern eben auch der jeweils andere beteiligte (sozialistische) Staat, der die anvisierten Ehepläne behindern konnte. Die "befreundeten sozialistischen Staaten" waren nämlich in der Regel an einer Rückkehr ihrer Bürger und Bürgerinnen nach einem Studium oder der Facharbeiterausbildung in der DDR interessiert – was deren bis in die 1980er-Jahre hinein zu beobachtende rigorose Ablehnungspolitik solcher Eheanträge begründet. Nachweislich lassen sich solche Ablehnungspolitiken für die Länder Kuba, Mosambik oder Vietnam finden. Im letzteren Fall kam es immer wieder zu Schwierigkeiten wegen der Forderung Vietnams, ihre Staatsbürger und Staatsbürgerinnen müssten Ausbildungskosten zurückzahlen, wenn sie eine Ehe mit einem DDR-Bürger oder einer DDR-Bürgerin schließen wollten – immerhin zwischen 5.000 und 22.000 Mark der DDR entsprechend des Ausbildungsgrades, eine horrende Summe für jung verlobte Paare. Das Land wollte die gut ausgebildeten Kader keineswegs verlieren – und auch der Wunsch vieler involvierter DDR-Bürger und Bürgerinnen, dorthin zu siedeln, wurde von vietnamesischer Seite aus sozial-ökonomischen Gründen als unmöglich bezeichnet; noch mehr: Das deutliche Missfallen solcher Beziehungen und die schwierigen Lebensbedingungen führten zu der Maßgabe, dass eine Wohnsitznahme von DDR-Bürgern und Bürgerinnen in Vietnam nicht genehmigt werden durfte.
Nicht alle Betroffenen wollten sich mit den daraus resultierenden schleppenden Verfahren und langen Wartezeiten abfinden. Aus dem Jahr 1981 etwa – und dies ist nur eines von zahlreichen weiteren überlieferten Beispielen – liegt ein Brief vor, der das Unverständnis eines Ostberliners artikuliert, denn zuvor war sein Antrag auf Eheschließung mit einer Vietnamesin abgelehnt worden: "Wie kann denn eine derartige zwischenmenschliche Beziehung abnorm sein? Liebesbeziehungen sind nicht reglementierbar" heißt es in seinem Schreiben, sodann an die Solidarität unter "Brüdervölkern" appellierend. Lapidar antworteten ihm die zuständigen Behörden, eine Einmischung in die Belange anderer Staaten sei unmöglich, vielmehr bestehe im Zuge des Wiederaufbaus "die internationalistische Pflicht der DDR … auch darin", beizutragen, die ausgebildeten Kader bei der Rückkehr in ihre Heimat zu unterstützen, um am Wiederaufbau ihres Landes mitzuwirken. Ausnahmen und kulanteres behördliches Agieren wurde nur in solchen Fällen in Aussicht gestellt, wenn bereits gemeinsame Kinder existierten und "wenn erkennbar ist, daß ernsthafte Absichten einer Eheschließung bestehen."
Auch im Falle Kubas waren die betreffenden binationalen Paare lange mit Problemen konfrontiert: War man in Havanna zunächst rigoros und begegnete jenen Wünschen nach Eheschließung mit Unverständnis – genannt wurde die lange Bearbeitungsdauer von kubanischer Seite, die schwierige wirtschaftliche Situation, komplizierte Lebensbedingungen auf Kuba sowie geringe Flugkapazitäten –, ließ sich seit Mitte der 1980er-Jahren ein zunehmend differenzierteres, entgegenkommenderes Herangehen der zuständigen Organe beobachten. Verhandlungen mit der DDR führten zu Erleichterungen für die betroffenen Familien. Bis dato war der Wunsch, eine Ehe mit einem kubanischen Staatsangehörigen einzugehen, mit dem Ziel gleichgesetzt worden, das Land in Richtung USA zu verlassen. Folglich richtete sich der Unmut gegen jene, die ein leichteres Leben im Ausland führen wollten, wobei sich im Volksmund für solche, die im sozialistischen Ausland bleiben wollten, die auf ein vermeintlich parasitäres Verhalten abzielende abwertende Bezeichnung "rote Würmer" eingebürgert hatte.
Wegen langer Wartezeiten waren viele Familien, zunehmend auch solche mit Kleinkindern, von verzögerten Eheschließungs- und Übersiedlungsverfahren betroffen. DDR-Bürgerinnen und Bürger richteten sich mit Eingaben verstärkt an den Staatsratsvorsitzenden, um eine Lösung familiärer und daraus resultierender sozialer und materieller Bedingungen zu erwirken. Zum Ausdruck kam dabei häufig auch Verärgerung und Unverständnis über die bestehende Verfahrenspraxis, trotz enger Beziehungen "und eng befreundeter Staatsmänner" viele finanzielle und sonstige Belastungen infolge der räumlichen Trennung erleiden zu müssen. Erst mit bilateralen Abkommen und gegenseitiger Rechtshilfe in Zivil- und Familiensachen seit den 1980er-Jahren und dem ausdrücklich artikulierten Wunsch, fortan die betreffenden Fälle wohlwollend zu prüfen und großzügiger zu handhaben, agierten die Behörden hier wie dort großzügiger in ihren Entscheidungen, was die rapide steigenden Eheschließungszahlen seit Anfang der 1980er-Jahre erklärt. Im Jahr 1988 wurde mit 547 geschlossenen Ehen ein Höchststand erreicht.
Blicken wir auf andere Herkunftsländer wie Mosambik, so galt es auch hier, mit nicht genehmigten Eheanträgen einen Beitrag für die Entwicklung des Heimatlandes zu leisten – so zumindest auf dem Papier. Da die mosambikanische Regierung in dieser Sache allerdings aus Sicht der DDR "keine klare Position" eingenommen hatte, vielleicht auch, weil keine Seite hierfür Verantwortung übernehmen wollte, verfolgte das mosambikanische Justizministerium eine Politik des Hinhaltens. Beobachtern aus der DDR zufolge verbarg sich dahinter die Hoffnung, die Betroffenen nähmen Abstand von den Eheanträgen – was dazu führte, dass vonseiten der DDR zwar Anträge genehmigt worden sind, durch jenes Retardieren, Zögern und "Aussitzen" auf mosambikanischer Seite indes viele Anträge in der Schwebe blieben.
Dieser Umstand war vor allem dann problematisch, wenn aus der Beziehung bereits Kinder entstanden waren, und erklärt vermutlich zu Teilen die vielen zurückgezogenen Anträge, die oben zur Sprache gekommen sind. Man muss allerdings gar nicht allein in Richtung außereuropäischer Staaten schauen, um vergleichbare bürokratische Hindernisse ausfindig zu machen: Für Anträge, die der rumänischen Regierung vorgelegt wurden, wurde in den ausgehenden 1980er-Jahren eine Bearbeitungsdauer von mindestens sechs Monaten bis zu zwei, mitunter gar bis zu drei Jahren veranschlagt. Die DDR-Organe sahen sich hier machtlos, eine Beschleunigung herbeizuführen, und bis Sommer 1989 stellte sich keine wirkliche Besserung der Situation ein, sondern vielmehr zahlreiche Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen und eine überaus restriktive Haltung der Behörden.
Eigen-Sinn der Betroffenen
Diese Perspektive auf die Widerstände und Barrieren, mit denen Paare konfrontiert sein konnten, bliebe allerdings unvollständig, wenn nicht auch deren Innensicht mit einbezogen würde. Die Thematisierung von Emotionen und individuellen Handlungs- und Gestaltungsspielräumen und damit der Autonomie der Paare und ihrem "Eigen-Sinn" (Alf Lüdtke) in der Auseinandersetzung mit institutionellen und familiären Vorgaben eröffnet noch einmal neue Perspektiven. Seit Mitte der 1970er-Jahre griffen immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger auf die Möglichkeit zurück, bei Problemen in Punkto Antragsbearbeitung oder im Falle behördlicher Zurückweisungen internationale Organisationen wie die UN-Menschenrechtskommission oder Medien einzuschalten, um Unterstützung zu erbitten.
Somit lässt sich auch für die DDR – trotz tendenzieller, wenngleich widerwilliger Akzeptanz solcher Eheschließungen – ein Wechselspiel aus (Alltags-)Rassismus sowie sexualisierten kolonialrassistischen Vorstellungen auf der einen und dem Eigen-Sinn der Verlobten auf der anderen Seite, die sich den Einschränkungen zu entziehen suchten, erkennen. Dem allgemeinen Trend hin zur Berücksichtigung von Menschenrechten, zumal in familiär-privatrechtlicher Hinsicht, wollte die DDR-Führung aber allenfalls widerwillig Folge leisten. Seit Herstellung diplomatischer Beziehungen seien diverse Forderungen an die DDR gerichtet und als "humanitäre Anliegen" bezeichnet worden, wie das MfAA bereits 1973 konstatieren musste, und zwar "in Form von sogenannten Härtefällen, Noten, mündlichen Ersuchen oder Schreiben von Bürgern."
Damals lautete die Maßgabe noch, "Anträge dieser Art […] generell nur in begrenzten und begründeten Ausnahmefällen" zu genehmigen. Vorrang hatte vielmehr die "Gewährleistung der nationalen Sicherheit" und der "Schutz der sozialistischen Ordnung". So sollten Eheschließungen mit Beteiligung ausländischer Partner nur dann erlaubt werden, wenn ein dauerhaftes Verhältnis zwischen dem Antragsteller und betreffenden Bürgern vorlag und keine staatlichen Interessen der DDR diesen Eheplänen entgegenstanden. Eine Entscheidung über die Bewilligung jedenfalls müsse immer souveräner Akt der DDR bleiben – so die Verlautbarung, die nicht nur abermals auf die vermeintliche "Echtheit" bzw. mutmaßliche "Dauerhaftigkeit" von Ehewünschen abhob, sondern insgesamt den Regulierungs- und Entscheidungsanspruch der DDR-Führung auch in den privatesten Lebensbereichen hinein unterstrich. Dieses behördliche Agieren führte wenig überraschend zu einigem Unmut aufseiten der Betroffenen – und zwar sowohl gegen die eigenen wie auch die Behörden des Heimatstaates, aus dem der beziehungsweise die nichtdeutsche Partner/in stammte. Auch die beteiligten nichtdeutschen Akteure hatten bisweilen die Möglichkeit, indirekt Druck auf die DDR-Behörden auszuüben und damit eine Beschleunigung der Verfahren anzuregen. So wandte sich etwa die libanesische Botschaft in Beirut zu Jahresbeginn 1974 mit einiger Verwunderung an das MfAA, warum die Bearbeitung einzelner Eheanträge so lange dauern würde, zumal die Anfragen meist durch Parteien, Organisationen sowie einflussreiche Persönlichkeiten des Landes vorgetragen worden seien.
Auch in vielen weiteren Fällen wurden die jeweils zuständigen Botschaften der DDR gezielt aufgefordert, im Sinne außenpolitischer Vorteile bestimmte Eheanträge zu unterstützen, ob – und dies nur exemplarisch – bei der 1973 erfolgten Eheschließung einer Dresdnerin mit dem Generaldirektor für Jugend und Sport, der zugleich Präsident des Nationalen Jugendverbandes im Irak war oder im Falle einer geplanten Eheschließung einer DDR-Bürgerin mit einem Mann aus Nigeria ein Jahr später. Und auch im Falle der USA sollten 1975 "alle notwendigen Maßnahmen" veranlasst werden, da "gegenwärtig […] besonderes Interesse" besteht, Einzelfälle an Eheschließungen bei Beteiligung US-amerikanischer Staatsbürger, "umgehend zu realisieren". Hintergrund waren auch hier Fragen der internationalen Anerkennung – denn ein Jahr zuvor hatten die USA mit der DDR diplomatische Beziehungen aufgenommen.
In vielen Fällen scheinen sich Hartnäckigkeit und Geduld der Antragsteller und Antragstellerinnen ausgezahlt zu haben, scheinen Anträge auf Eheschließung und Übersiedlung nach teils monate-, wenn nicht jahrelanger Wartezeiten letztlich doch bewilligt worden zu sein. Bisweilen gehörte auch einfach Glück dazu, im richtigen, außenpolitisch-diplomatisch günstigen Moment einen Antrag auf Eheschließung eingereicht zu haben. Die Überlieferung in den Archiven müsste in einem weiteren Schritt allerdings noch weiter nach Herkunftsländern systematisiert werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit von Anträgen sowie intersektionelle Gesichtspunkte noch präziser zu erfassen.
Schlussbemerkungen
Die analysierten Paarbeziehungen zeigen eine Individualisierungstendenz: Setzte diese in der Bundesrepublik im Vergleich etwas früher ein, erhielten binationale und interkulturelle Partnerschaften und Eheanbahnungen seit den 1970er-Jahren eine zunehmend wichtige Bedeutung: Auch wenn sie kein Massenphänomen waren, verraten sie doch einiges über den Umgang der DDR-Gesellschaft und -Bürokratie mit "Fremdheit".
Partnerwahl und Eheschließung war nicht mehr ausschließlich und in abnehmendem Maße Sache von gesellschaftlichen Institutionen, der familiären oder kirchlichen Kontrolle, sondern zunehmend autonom-eine persönliche Lebensentscheidung, die freilich abhängig war von individuellen und situativen Umständen sowie überkommenen institutionellen Wahrnehmungen und Praktiken. Allerdings stehen wir gerade noch am Anfang davon, die hier zu beobachtenden Individualisierungsdynamiken genauer zu untersuchen – im Übrigen auch über die Zäsur 1989/90 hinaus, denn damit etablierten sich auch in den ostdeutschen Bundesländern Selbsthilfegruppen, um gegen Diskriminierung und Ausgrenzung mobil zu machen, wie erste Ableger der "Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen" (IAF), ein Vorläufer des heutigen "Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften".
Eine deutsch-deutsche Perspektive würde es möglich machen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Umgang mit den besagten Paaren hervortreten zu lassen und miteinander vergleichen zu können, somit Familienkulturen und Lebenswelten jenseits politisch-ideologischer Überformungen zu analysieren und davon ausgehend den Umgang mit kultureller Differenz auf deutschem Boden nach 1945 zu beleuchten. Denn geographische Wanderungsbewegungen haben immer eine konstitutive und gesellschaftsverändernde Kraft, die es gilt, ernst zu nehmen – und die sich gerade auf der Ebene von Paarbeziehungen und Familien besonders gut beobachten lässt. Nicht nur das Thema der (Un-)Durchlässigkeit von Migrationsregimen, ihrer staatlich-behördlichen Einhegung sowie Kontroll- und Regulierungsmechanismen ist hoch aktuell, auch das Fortwirken rassistischer Deutungsmuster in Gesellschaft und Bürokratien.
Zitierweise: Christoph Lorke, " Verhandelte Grenzüberschreitungen - Binationale und interkulturelle Eheschließungen und Paarbeziehungen in der DDR", in: Deutschland Archiv, 13.10.2021, Link: www.bpb.de/342017
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