Insgesamt gab es in der DDR 662 Heime, davon 456 Normalheime mit 21.259 Plätzen, 168 Spezialheime mit 9364 und 38 Jugendwerkhöfe mit 3031 Plätzen.
Abweichungen vom sozialistischen Idealbild
In der sozialistischen Gesellschaft der DDR galt das Kollektiv als die beste aller Lebensformen. Kernpunkt dieser Ideologie war, dass jedes Individuum sich freiwillig und bewusst in das Kollektiv integrieren und das Beste für die Gemeinschaft und damit folgerichtig auch für sich selbst als Teil des Ganzen tun sollte. Die Heimerziehung in der DDR folgte dem marxistisch-leninistischen Pädagogikprinzip, nach dem das „Sein“ das Bewusstsein prägt. Kinder und Jugendliche, die sich nicht bewusst und freiwillig den gesellschaftlichen Regeln unterwarfen, sollten durch die Heimerziehung zu einem Umdenken bewegt und zur Einsicht gebracht werden. Hier sollte – notfalls durch das gewaltsame Brechen ihres Willens – eine Änderung des Seins und damit auch des Bewusstseins herbeigeführt werden. Der Leitfaden der Jugendhilfekommissionen des Ministeriums für Volksbildung hielt hierzu fest:
"Jugendhilfe ist dann erforderlich, wenn im Zusammenhang mit der Kindererziehung in den unmittelbaren sozialen Beziehungen einzelner Menschen die Prinzipien sozialistischen Zusammenlebens nicht verwirklicht werden können. Jugendhilfe hat Störungen der sozialen Beziehungen zum Gegenstand, Abweichungen vom Idealbild der sozialistischen Menschengemeinschaft, und das vor allem auf den Familienbereich bezogen."
Die Ängste, Sorgen oder Probleme des Einzelnen spielten dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Umstände, die zu einer Einweisung geführt hatten. Heidemarie Puls wurde nach einem Suizidversuch in das Kinderheim Müritz eingewiesen.
Es gab – auch das belegen zahlreiche Berichte ehemaliger Heimkinder – auch positive Lebenswege und Erfahrungen im Heim, freundliche Erzieher und menschliche Unterstützung. Doch die Strukturen, Regeln und Maßnahmen der (Um-) Erziehung, die durch Betroffenenberichte, zeitgenössische Kontrollberichte und Vorschriftenkataloge nachzeichenbar sind, zeigen das erschreckende Ausmaß der bewussten und gewollten Brechung des Willens und der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen und lassen ahnen, wie groß der Schaden ist, der den Kindern und Jugendlichen in der Obhut der Heime in der DDR zugefügt wurde. Dies trifft insbesondere für die Spezialheime und Jugendwerkhöfe zu.
Auch Kinder in westdeutschen – hier oft auch konfessionellen – Kinderheimen machten traumatische und menschenunwürdige Erfahrungen. Der fundamentale Unterschied ist jedoch, dass im Westen weggeschaut und das Unrecht geduldet wurde, während man im Osten die Maßnahmen als rechtmäßig und notwendig erachtete.
Normalheim
In die sogenannten Normalkinderheime – der Begriff wurde erstmals 1951 verwendet –wurden
"anhanglose, milieugefährdete Kinder ohne wesentliche Erziehungsschwierigkeiten, Kinder, deren Erziehungsberechtigte durch berufliche Tätigkeit, Krankheit o. a. Gründe ihren Erziehungspflichten nicht nachkommen konnten, sowie anhanglose, familiengelöste und milieugefährdete Jugendliche ohne erhebliche Erziehungsschwierigkeiten"
eingewiesen.
Die Kinder wurden dabei in Gruppen für die Drei- bis Sechsjährigen und Sechs- bis Sechszehnjährigen getrennt. Jugendliche über 16 Jahren wurden in Jugendwohnheimen untergebracht. Die in Normalheimen untergebrachten Kinder besuchten die Regelschulen der Umgebung. Ob und in welchem Umfang ein Zugang zu normaler Ausbildung und höheren Bildungseinrichtungen (Abitur, Studium) bestand, ist bislang nicht ausreichend erforscht. Allerdings wurde oft zur Erleichterung der Organisation nur ein einziger Ausbildungsort für alle Insassen angestrebt, es erfolgte also eine Ausbildung in Gruppen. Erste Analysen ergeben, dass die Heimkinder durchschnittlich schlechtere schulische Leistungen erbrachten als ihre Altersgenossen. Ein ehemaliges Heimkind aus dem Kinderheim Biesen erinnert sich, warum die Schule zu kurz kam: "Dazu wurden wir oft verdonnert, Strassen oder Wege zu sanieren. Da waren die Hausaufgaben nicht mehr so wichtig!“
Durchgangsheim
Die Durchgangsheime sollten der Unterbringung der Kinder und Jugendlichen dienen, bis ein geeignetes Heim gefunden war. Viele Zeitzeugen berichten, dass die geltende Schulpflicht während des Aufenthaltes oft nicht eingehalten wurde. Eine ehemalige Insassin erinnert sich:
"Der Tagesablauf war immer der gleiche. Nachdem jeder die ihm zugewiesene Hausarbeit erledigt hatte und wir Essen bekamen, hieß es ab zur Arbeit. Im Hof war eine Baracke, die vergittert war. Dort stellten wir von Montag bis Samstag Lampenfassungen im Akkord her. Wurde unser Soll nicht geschafft, hieß es für alle, Sport oder Bestrafung durch Essensentzug".
Der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen in den Durchgangsheimen war rau und menschenunwürdig. Wer sich eines Vergehens schuldig machte – und als solches galt es unter anderem auch, wenn das Bett nach Ansicht des Pflegepersonals nicht ordentlich genug gemacht war oder während der Nachtruhe gesprochen wurde – musste Strafe stehen. Das bedeutete, dass der oder die zu Bestrafende über viele Stunden ohne Nahrung oder Getränke stillstehen musste. Norda Krauel erinnert sich an das Durchgangsheim Freienwalde:
"Das war eine Prozedur, die alle Jugendlichen im Durchgangsheim Bad Freienwalde erlebten. Man wollte uns brechen. Das war der oberste Grundsatz."
Spezialheim
Sogenannte schwer erziehbare Kinder und Jugendliche zwischen sechs (ab 1980 zehn) und sechzehn Jahren wurden hingegen in Spezialheime eingewiesen, die – mit Ausnahme des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau – direkt den Bezirken unterstellt waren. Laut dem 1984 erschienenen Heft "Umerziehung in den Spezialheimen der Jugendhilfe" war die Bedingung zur Umerziehung eine "stabile Erziehungssituation". Diese sei gegeben, wenn eine "positive Einstellung der Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen zu den Anforderungen des kollektiven Lebens" erreicht sei.
"in besonderem Maße zur Disziplinierung der Kinder und Jugendlichen aufgefordert […], um stabile Erziehungssituationen herzustellen. Stabile Erziehungssituationen werden aber nicht mit der individuellen, pädagogischen Stabilisierung der betroffenen Kinder verbunden, sondern mit einem äußerlich hergestellten strengen Regelrahmen."
Jugendwerkhof
Die Jugendwerkhöfe waren für "schwer erziehbare" Kinder und Jugendliche von 14 bis 20 Jahren bestimmt und ab 1965 den Spezialheimen zugeordnet. In den Jugendwerkhöfen herrschte ein militärischer Drill, der durch Bestrafung und Zwangssport geprägt wurde. Bei der Einlieferung wurde den Kindern und Jugendlichen das Haar geschoren und sie mussten sämtliche persönlichen Sachen abgeben. Es gab zum Teil sogenannte Paten, also bereits länger dort untergebrachte Jugendliche, die sich um die Neuankömmlinge kümmern sollten. "Die Paten" sagt eine ehemalige Insassin, "haben ihre Macht kräftig ausgenutzt. Einige waren schlimmer als die Erzieher, sie kuschten und schleimten sich [bei den Erziehern] ein."
"Das war eine quälende Arbeit im beißenden Gestank der Imprägniermittel und Spülbäder",
erinnert sich Ines F., eine ehemalige Insassin.
"Wir schufteten in drei Schichten und waren immer nur müde. […] außerdem bekamen wir auf Arbeit nichts zu essen, nur im Jugendwerkhof. Mir hat der Magen manchmal so weh getan, dass mir die Tränen gelaufen sind"
War in den Jugendwerkhöfen anfangs noch eine breite handwerkliche Berufsausbildung möglich, reduzierte diese sich schnell auf zwei Berufe pro Jugendwerkhof. Meist war die Ausbildung an Industrie und Produktionsanlagen gebunden. Mitte der 1950er Jahre rückte die sogenannte Arbeitserziehung mit dem Ziel der Refinanzierung auf Kosten der Ausbildung in den Mittelpunkt. Die wöchentliche Schulzeit wurde auf 14 Stunden begrenzt. Ab 1956 erfolgte dann in den Jugendwerkhöfen keine vollwertige Berufsausbildung mehr, die Insassen arbeiteten als Lehrlinge. In den 1970er und 1980er Jahren war ihnen der Abschluss eines Teilfacharbeiters möglich. Dieser – nach der Deutschen Einheit nicht anerkannte – Abschluss hatte für ihre weitere Karriere dramatische Folgen. Das Lehrlingsgeld, das die Insassen erhielten, richtete sich nicht nur nach der Leistung, sondern auch nach politischem Wohlverhalten. 45 bis 80 Pfennige pro Stunde verdiente ein Jugendlicher im Jugendwerkhof, zehn Prozent davon musste er an die Sozialversicherung abgeben. Den Höchstsatz konnte er frühestens nach sechs Monaten und nur, wenn er eine einem Erwachsenen entsprechende Arbeitsleistung erbrachte, erhalten.
Torgau
Die Steigerung zu den Werkhöfen stellte der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau dar, der als "Disziplinareinrichtung im System der Spezialheime" eingerichtet wurde. Über die erschreckenden Zustände und Methoden in Torgau, der "Endstation" für alle, die sich in Heim und Jugendwerkhof nicht gefügig machen ließen, ist bereits vieles bekannt. Heike F. erinnert sich:
"Torgau schwebte immer als unausgesprochene Drohung über allem. Ich habe die Einlieferung in diesen Knast zweimal erlebt. Beim zweiten Mal habe ich mir die Pulsadern aufgeschnitten – das Ergebnis war, dass ich in Einzelarrest kam und mit Handschellen auf dem Rücken die Nächte verbringen musste."
Dort ging es nur und ausschließlich darum, die Jugendlichen zu brechen. Ein mehrtägiger Einzelarrest bei der Ankunft sowie schwere körperliche Züchtigung wie das Bewerfen mit einem schweren Schlüsselbund, Tritte und Schläge gehörten zum normalen Umgang. Mit militärischem Drill und grausamen Strafen wurde die absolute Unterordnung erzwungen. Strafen wie das Einsperren im „Fuchsbau“ dienten dazu, Jugendliche zu einem psychisch- wie physischen Zusammenbruch zu führen und ihren Willen endgültig zu brechen. Dabei handelte es sich um einen feuchten, kalten und fensterlosen Kellerraum, der so klein war, dass man dort nicht aufrecht stehen konnte, in dem die Jugendlichen ohne Decke und nur mit einem Eimer für ihre Notdurft zum Teil tagelang festgehalten wurden. Heidemarie Puls wurde nach einem Selbstmordversuch mit Reinigungsmitteln in der 1,30 mal 1,30 Meter großen Zelle eingesperrt: "Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen“,
Systematische Zerstörung sozialer Bindungen
Die Erziehung im Heim wie im Werkhof erfolgte auch durch das Kollektiv der Jugendlichen. Das bedeutet zum einen, dass es eine Gruppe von Kindern beziehungsweise Jugendlichen gab, die, mit Privilegien ausgestattet, die Erzieher unterstützen sollte und die Organisation der alltäglichen Abläufe übernahm. Und zum anderen, dass das Kollektiv als durch gemeinsames Erledigen der einzelnen Aufgaben beziehungsweise durch gemeinsame Bestrafung der gesamten Gruppe, mit in die Erziehung einbezogen wurde. Das führte mitunter zu Selbstjustiz und verhinderte, dass sich die Kinder und Jugendlichen untereinander eng befreundeten. Die Erinnerung einer damals 16-Jährigen aus Torgau beschreibt dies:
"Eigentlich sollte jede einmal an der Reihe sein. Aber hier galt eben: Nix soli, alle haben sich gegenseitig verpetzt, um Punkte auf der Bestentafel zu bekommen. Du konntest niemandem vertrauen. In der Hierarchie, in der Hackordnung untereinander, sollte die Erziehung der Gefangenen durch sie selbst erfolgen. Alles geschah im Kollektiv."
Auch für fehlende körperliche Leistung eines Einzelnen wurden alle bestraft. So musste die gesamte Gruppe Strafrunden drehen, weil ein Mädchen zu langsam gelaufen war. Abends folgte die Rache des Kollektivs:
"Nachts hatten die anderen die Kleine, Kindliche, wehrlos unter ihrer Decke gefangen gehalten und verprügelt. Das alles, weil sie der Erzieherin Bernecker zu langsam lief. Ich habe ihr nicht geholfen. Weder in der vergangenen noch in einer anderen Nacht . Nachdem sie endlich von ihr abgelassen hatten, wimmerte das Mädchen und schluchzte wie ein Kleinkind, allein und geprügelt lag sie in der Schwärze des Zischelns, der Seufzer, des Stöhnens."
Solche "Kollektiverziehung" fand aber auch im normalen Kinderheim statt, so schreibt Ursula Burkowski über den freitäglichen Appell im Kinderheim Königsheide:
"Gab es Mängel, zum Beispiel Staub unter einem Bett, hieß es: 'In einer halben Stunde kommen wir wieder, bis dahin ist der Dreck weg!' Die Schuldige hatte nichts zu lachen, ein Schwall von Beschimpfungen brach über sie herein. Anschließend redete keine mehr ein Wort mit ihr. […] Bis die Gruppe 'abgenommen' wurde, durfte kein Mädchen in den Ausgang, also nach Hause fahren. Wir verrichteten die Aufgaben ziemlich gründlich, niemand wollte an den Verboten Schuld haben. Lag die Verschiebung des Wochenendausgangs an einem unordentlichen Schrank, leerte ihn der Pionier vom Dienst mit einer Armbewegung aus. Obwohl die 'Schuldige' ihn wieder in Ordnung brachte, begann die Strafe nach dem zweiten Durchgang. Die Sachen wurden immer wieder ausgeräumt, bis das Mädchen weinend zusammenbrach. In ihrer Verzweiflung fand sie weder Schutz noch Trost bei den anderen."
Das Leben nach dem Heim
Die Hürden für ehemalige Heimkinder, nach ihren Aufenthalten in den Heimen der DDR-Jugendhilfe ein normales Leben zu führen, waren und sind hoch.
"Als ich endlich einen Tag vor meinem 18. Geburtstag entlassen wurde, hatte ich Angst. […] Mein ganzes Leben bis dahin hatte ich ständig Druck bekommen, konnte nie selbst entscheiden, hatte überhaupt kein Selbstbewusstsein. […] Anfänglich hatte ich den Drill des Jugendwerkhofs quasi noch intus, konnte überhaupt nicht entspannen, war immer in Anspannung. Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich arbeitete und arbeitete – das war das einzige, was ich aus meiner Sicht gut konnte.“
Jahre später folgt dann der Zusammenbruch, Therapien, die lange qualvolle Phase der Aufarbeitung. Heute lebt die erwerbsunfähige Heike F. von ihrer Rente und einer kleinen SED-Opferrente.
Nicht nur, dass viele der ehemaligen Heimkinder schwere traumatische Erfahrungen machen mussten, sie wurden auch aller vertrauensbildender Bindungen beraubt. Allem voran fehlt ihnen Vertrauen in sich selbst und Vertrauen in andere, positive und gute Erfahrungen mit anderen Menschen. Mit diesen sozialen Defiziten zu leben ist schwer. Außerdem fehlen vielen von ihnen eine vernünftige Schulbildung sowie eine solide Ausbildung. Oft wurden ihnen Zeugnisse und Ähnliches vorenthalten. Soweit sie einen Beruf erlernt hatten, handelte es sich dabei nur im Ausnahmefall um ihren Wunschberuf, sondern meist um sehr einfache Berufe. Im Falle der im Jugendwerkhof zum Teilfacharbeiter ausgebildeten Jugendlichen erfolgte im vereinten Deutschland die Degradierung zum ungelernten Arbeiter, da die Ausbildung nicht anerkannt wurde. Die Chance auf einen Studienplatz und damit den Zugang zu höherwertigen Berufen und Verdienstmöglichkeiten erhielten sie nicht oder nur in den seltensten Fällen.
Die oft über Jahre fehlende Zuwendung, gepaart mit der strengen Behandlung und dem ihnen eingebläuten Bewusstsein, "nichts wert zu sein", stellte für die meisten Heimkinder eine unüberwindbare Hürde bei der Bewältigung eines normalen Alltages dar. Viele von ihnen können bis heute nicht mit Autoritätspersonen umgehen, wie ein ehemaliges Heimkind auf dem 13. Heimkindertreffen in Torgau erzählt. Er habe es kaum aushalten können, erzählt der Mann, eine Anzeige bei der Polizei zu machen, als er ausgeraubt worden war. Viele Zeitzeugen berichten ähnliches und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstellen für den Heimkinderfonds bestätigen diese Erfahrung. Viele der ehemaligen Heimkinder sind in Therapie, leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen wie Schlaflosigkeit oder Angstzuständen. So wie der 48-jährige Andreas Freund, der im Jugendwerkhof Torgau war, oder Elke Schmidt, die frühverrentet ist und seit vielen Jahren in psychologischer und stationärer psychiatrischer Behandlung war.
"Wenn ich Bus fahre, denke ich, dass sie mich wieder wegbringen. Wenn ich außer Sichtweite meines Hauses spazieren gehe, habe ich Angst, dass sie mich einfangen."
Diese Beispiele zeigen, wie nachhaltig das Leben der ehemaligen Heimkinder zerstört wurde und wie weit sie auch jetzt – Jahrzehnte nach dem Erlebten – von einem normalen Leben entfernt sind. Zu sehr wird die Vergangenheit als Makel empfunden und zu groß ist die Angst vor erneuter Demütigung. Mit fatalen Folgen.
Entschädigung und Aufarbeitung
An dieser Stelle sind Gesellschaft und Politik gleichermaßen gefragt: Nur, wenn deutlich wird, dass Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen der sogenannten Jugendfürsorge der DDR systematisch Unrecht widerfahren ist, lässt sich die Grundlage schaffen, auf der sich die Opfer auf sich selbst besinnen und mit ihrer Vergangenheit offen umgehen können. Diese Grundlage zu schaffen ist unsere Pflicht. Sie kann das Leid nicht mindern, aber doch zumindest einen Beitrag leisten, dass die Betroffenen mit ihrer Gegenwart und Zukunft besser leben können. Ein erster und wichtiger Schritt hierbei war die Einrichtung des Heimkinderfonds. Berechtigte können nach erfolgreicher Antragstellung Rentenersatzleistungen und bis zu 10.000 Euro an Sachleistungen für sich in Anspruch nehmen. Die Intention des Fonds ist dabei, ergänzend zu anderen sozialrechtlichen Versorgungssystemen zu wirken. Es handelt sich um freiwillig vom Bund und den ostdeutschen Ländern gestellte Leistungen. Für alle, die zwischen 1949 und 1990 im Alter von 14 bis 18 Jahren Arbeitsleistungen in einem Heim erbringen mussten, erhalten Rentenersatzleistungen, wenn keine Beiträge in die Sozialversicherung eingezahlt oder die Beiträge durch die Rentenversicherung nicht anerkannt wurden. Die Sachhilfe wird in einem individuellen Gespräch ermittelt. Entscheidend sind die Erfahrungen, die Folgeschäden und der akute Bedarf des Einzelnen.
Angelika Censebrunn-Benz, Geraubte Kindheit – Jugendhilfe in der DDR, in: Deutschland Archiv, 30.6.2017, Link: www.bpb.de/251286