Der 25. Jahrestag der "Gründung" einer "Treuhand-Stelle" durch die Modrow-Regierung Mitte Februar 2015 hatte das sperrige Thema wieder einmal auf die journalistische Agenda gehievt. An meist negativ getönten Superlativen herrschte dabei kein Mangel: Der Spiegel veröffentlichte einen Artikel über "die Hass-Behörde" und konzentrierte sich vor allem auf die Auseinandersetzungen um die "Kali-Kumpel in Bischofferode", deren medial intensiv begleiteter Hungerstreik im Sommer 1993 erhebliche Auseinandersetzungen in der deutschen Öffentlichkeit zwischen Ost und West befeuert hatte.
Ganz anders hingegen die Stimmung auf einem prominent besetzten Treffen im Erfurter Landtag Ende März 2015, auf dem der einstige Thüringer CDU-Wirtschaftsminister Franz Schuster sein neues Buch zum Wirtschaftsumbau vorstellte,
Ein deutscher Sonderweg? – Zeit für eine Neu-Kontextualisierung
Mit Blick auf die mittlerweile überschaubare Debattenlandschaft ließe sich auch nach 25 Jahren festhalten, dass es im Osten wie im Westen beim Thema Treuhandanstalt nichts beziehungsweise wenig Neues zu vermelden gibt: Vornehmlich ostdeutsche wie linke Kritiker arbeiten sich mit Vehemenz an der Organisation ab; bevorzugt westdeutsche und konservative Verteidiger werden hingegen nicht müde, auf deren historisch einmalige Leistungen und Errungenschaften zu verweisen. Doch böte nicht gerade die mittlerweile ein Vierteljahrhundert umfassende Distanz einen hinreichenden Anlass, endlich neue Fragen an die Geschichte dieser eigentümlichen Organisation zwischen Plan und Markt sowie Ost und West zu stellen, um diese von einem (erinnerungs-)politischen Streitobjekt in ein zeithistorisches Forschungsproblem zu verwandeln? In seiner zeithistorischen Überblicks- und Pionierstudie hat jüngst Philipp Ther überzeugend dafür geworben, die gängigen (Vor-)Urteile der beteiligten wie betroffenen Zeitgenossen und der begleiteten Transformationsforschung nicht beständig fortzuschreiben, sondern das postsozialistische Umbruchsgeschehen in Europa nach 1989/90 nunmehr auch in größere transnationale wie historische Zusammenhänge einzuordnen.
Spielräume für zeithistorische Neuvermessungen
Stellt man die auch nach über zwei Jahrzehnten fortbestehende Stagnation der nationalen beziehungsweise ost-westlichen Binnenperspektiven auf die Treuhand in Rechnung, ergeben sich durchaus einige Spielräume für zeit- beziehungsweise medienhistorische Neuvermessungen. Im Folgenden soll daher der Leitfrage nach inter- oder transnationalen Referenzen und Bezugnahmen im Kontext der deutsch-deutschen Wirtschaftstransformation nachgegangen werden: Wie berichtete und auf welche Weise reflektierte die westliche, in diesem Falle US-amerikanische und die britische (Fach-)Öffentlichkeit in den frühen 1990er-Jahren über den von der Treuhandanstalt verantworteten Wirtschaftsumbau im soeben vereinten Deutschland? Welche Deutungen und Motive prägten diese Außenreflexionen? Welche Aufmerksamkeitskonjunkturen zeichneten sich ab? Beschritt die Treuhandanstalt im Blick der transatlantischen Öffentlichkeit tatsächlich einen deutsch-deutschen "Sonderweg" vom Plan zum Markt?
Auf Grundlage einiger, exemplarisch ausgewählter (und gleichermaßen nicht repräsentativer) Medienberichte, die allesamt in den frühen 1990er-Jahren in führenden US-amerikanischen und britischen Wirtschaftsmagazinen wie dem britischen Economist oder der US-amerikanischen Business Week veröffentlicht wurden, die als Leitmedien der Wirtschaftspresse gelten können, wird zunächst die früh einsetzende Deutung des deutsch-deutschen Wirtschaftsumbaus im Modus des Superlativs erörtert. Der zweite Abschnitt widmet sich sodann den im Zusammenhang mit der Treuhandanstalt im westlichen Ausland aufmerksam verfolgten, nach 1991 aufbrechenden Konflikten zwischen Ost- und Westdeutschen sowie den hiermit verbundenen volkswirtschaftlichen Umstellungskrisen zwischen Plan und Markt. Schließlich wird drittens auf das Beziehungsgeflecht zwischen Treuhandanstalt und dem (westlichen) Ausland beziehungsweise dortigen Unternehmern und Investoren eingegangen.
"The biggest corporate turnaround ever": die Treuhand als historischer Superlativ
Am 3. Dezember 1990 veröffentlichte das New Yorker Wirtschaftsmagazin Business Week ein ganzseitiges Porträt über einen deutschen Spitzenmanager, der mittig auf einer markigen Ganzkörperaufnahme im weißen Business-Hemd posierte, die Ärmel demonstrativ aufgekrempelt und die Brille in der rechten Hand. Seine Mission beschrieb das Magazin als "biggest corporate turnaround ever"; er und seine Mitstreiter trügen die Verantwortung für die zügige Privatisierung einer kompletten Zentralplanwirtschaft mit 8.000 hochdefizitären Industriebetrieben, deren vier Millionen Beschäftigte mit undurchsichtigen Betriebsstrukturen, maroden Anlagen, unverkäuflichen Produkten und massiver Unterbeschäftigung zu kämpfen hatten – und all dies unter ungebremsten Wettbewerbsbedingungen auf globalen Märkten. Allein 23 Milliarden US-Dollar an Krediten seien in den letzten Monaten kurzfristig mobilisiert worden, um die notleidenden Betriebe über Wasser zu halten. Der auf den eilig in die DDR gerufenen, westdeutschen Industrie-Managern lastende Zeit-, Problem- und Handlungsdruck sei exorbitant. Bei einem Erfolg ihrer Anstrengungen, so die Prognose des Magazins, würde die von ihnen orchestrierte Überführung der Betriebslandschaft vom Plan zum Markt nicht nur einen Boom in der ganzen Region forcieren, sondern auch die Umbaukosten aus den erzielten Verkaufserlösen decken. Apokalyptisch erschienen hingegen die Aussichten im Falle ihres Misserfolgs, bei dem ein ganzes Land zu einem "intractable poorhouse" zu verkommen drohe. Heldenhafter Glanz und abgründiges Scheitern schienen aus dieser Sicht Ende 1990 dicht beieinander zu liegen. Die Überschrift ermahnte die US-amerikanische Leserschaft ironisch: "You think your Job is tough, try turning East Germany around."
Der als heroischer Umbruchsmanager auf abenteuerlicher wie hochriskanter Mission Porträtierte war Detlev Karsten Rohwedder, der zweite Präsident der Treuhandanstalt. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte Rohwedder für die heikle Aufgabe ausgesucht, weil dieser sich in den 1970er Jahren als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unter Karl Schiller und in den 1980er Jahren als Vorstandschef des Dortmunder Stahlkonzerns Hoesch einen veritablen Ruf als zupackender Krisenmanager und Unternehmenssanierer erworben hatte. Und auch die Business Week sympathisierte merklich mit dem Treuhand-Chef: Rohwedder liebe die "huge, risky challenge", wie ein Vertrauter zitiert wurde, und verbinde zugleich "a disarming American directness and flexibility with Teutonic toughness and determination". Auch die aufbrandende öffentliche Kritik an Rohwedders Treuhandanstalt, die mit großen Massendemonstrationen in ganz Ostdeutschland im Frühjahr 1991 ihren dramatischen Höhepunkt erst noch erreichen sollte, fand Erwähnung: Während Gewerkschaftsvertreter und linke Oppositionspolitiker ein langsameres Tempo zum behutsameren Wirtschaftsumbau einforderten, ging es vielen Investoren, (markt-)liberalen Ökonomen und konservativen Regierungspolitikern nicht schnell und konsequent genug bei der Etablierung der Marktwirtschaft. Ein bundesdeutscher Unternehmensvorstand zweifelte insbesondere an Eignung und Willen des Treuhand-Personals: "You can’t mix the old guard with a few volunteers and properly run 8,000 companies." Die Business Week resümierte: Der passionierte Hobbyhistoriker Rohwedder werde zwar in Zukunft kaum Zeit zur Lektüre der von ihm hochgeschätzten Barockliteratur finden, "but in tackling the world’s largest collection of sick companies, he’s making a little history of his own".
Das Porträt über Detlev Rohwedder von Dezember 1990 setzte damit einen Grundton, der die veröffentlichten Medienberichte in transatlantischen Medien in den folgenden Jahren in unterschiedlichen Variationen begleiten sollte: Bis zum Ende der Treuhandanstalt 1994 beschrieben US-amerikanische wie britische Auslandskorrespondenten und Journalisten den in Ostdeutschland stattfindenden Wirtschaftsumbau als "Sale of the century".
"The shock of unity": die Treuhand als Krisen- und Konfliktzone zwischen Ost und West
Die Titelseite des britischen Magazins The Economist vom 23. Mai 1992 zierte eine Szenerie, die an ein romantisches Kinderbuch des 19. Jahrhunderts erinnerte: Links eine alte, auf zwei Krücken gestützte Frau mit Buckel und Hakennase vor ihrer abgelegenen Waldhütte, rechts ein kleiner Junge mit einem noch jüngerem Mädchen an der Hand, das sich ängstlich im Hintergrund hielt. Über den Kindern prangte der Titel des Hefts: "Not as Grimm as it looks." Die britischen Journalisten hatten das in der angelsächsischen Welt wohlbekannte Märchen-Motiv der Gebrüder Grimm von Hänsel und Gretel nebst Hexe als Rahmen gewählt, um sich intensiv mit dem "shock of unity" zu beschäftigen, der das wiedervereinte Land in der Mitte Europas gerade intensiv umzutreiben schien: Der schwierige Alltag des wiedervereinten Deutschlands habe sich für die Deutschen in Ost und West als ein "thunderous shock" entpuppt, wie man in London urteilte: "Unification is harder, more complex, more time-consuming and more expensive than almost anyone realized." Die Vereinigung beschrieb das Wochenmagazin wie ein unverhofftes Wiederzusammentreffen einer lange getrennt lebenden Großfamilie auf dem Lande, wobei beide Familienteile sich nicht nur entfremdet hätten, sondern nun der deutlich ärmere Teil des Klans in das Haus des reicheren Familienflügels umzusiedeln gedachte. Neben den dabei auftretenden innerfamiliären Konflikten werde die deutsch-deutsche Großfamilie auch noch von außen bedroht: Wie in Märchen üblich, präsentierten die Autoren eine Reihe von einschlägigen Bösewichtern, die den ohnehin mit sich selbst beschäftigten Deutschen zusätzliche Befürchtungen einjagten und damit die „German Angst" weiter befeuerten: "Monsters (the huge financial cost of unity), goblins (xenophobia and right-wing extremism), witches in gingerbread houses (the European Community), strangers from dark woods (lands to Germany’s east), and ugly stepsisters (Germany’s western Allies, ever fussing for it to take more responsibility and then sulking when it does.)."
Auf den folgenden Seiten durchwanderte der Economist dieses wundersame deutsch-deutsche Märchenland in der Selbstfindungskrise, in dem sich das vermeintliche Happy End des Herbstes 1989 im Laufe des Jahres 1990 in ein regelrechtes Schauermärchen verwandelt hatte. Neben parteipolitischen Verwerfungen, ausländerfeindlichen Ausschreitungen und außenpolitischen Irritationen um die Rolle des vereinten Deutschlands in Europa und der Welt stand vor allem die unerwartet tiefe Wirtschaftskrise beim Umbau der einstigen Planwirtschaft im Mittelpunkt: "The severity of the economic collapse in the New Länder after unity was a shock even to the pessimists", für welchen die Autoren vor allem die sofortige Währungsunion, die geringe Qualität ostdeutscher Produkte sowie den kompletten Zusammenbruch der Ostmärkte des zerfallenden Raums des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) verantwortlich machten. Insbesondere rückte dabei die Treuhandanstalt ins Blickfeld, die – untergebracht "in Hermann Goering’s old Luftwaffe building" – im "centre of the operation" agiere: Mit ihren mehr als 3.000 Mitarbeitern arbeite die hochumstrittene Organisation an einer zutiefst widersprüchlichen Aufgabe: "A bureaucracy bringing capitalism to eastern Germany sounds a contradiction in terms." Allein die Lobby der Treuhandanstalt erschien den britischen Journalisten bei einem Ortsbesuch im einstigen Reichsluftfahrtministerium als eine "telling marriage of new and old"; hierfür verknüpften die Autoren in der britischen Öffentlichkeit traditionell bekannte Nazi- und Preußen-Stereotype mit Motiven des postsozialistischen Aufbruchs zu neuer Modernität: "Smiling receptionists at computer screens, and a clock without hands." Die "long white corridors" im riesigen Gebäudekomplex betrachteten die Besucher zwar als geeignet für "monastic scribes or Prussian clerks", aber nicht für aufstrebende Unternehmer und Manager.
Jenseits dieser atmosphärischen Impressionen aus der Mitte Berlins entwarfen die britischen Journalisten ein differenziertes Bild des laufenden Wirtschaftsumbaus in Ostdeutschland aus makroökonomischer Perspektive. Die von der Treuhand forcierte Privatisierung beziehungsweise Stilllegung der einstigen Staatsbetriebe komme zwar zügig voran, erweise sich aber als ein massives Zuschussgeschäft und sei obendrein mit beträchtlichen gesellschaftlichen Konsequenzen wie insbesondere der Massenarbeitslosigkeit verbunden, die die Konflikte zwischen Ost- und Westdeutschen erheblich verschärften: Während die Ostdeutschen sich enteignet, entwertet und überrumpelt fühlten, erregten sich die Westdeutschen über steigende Transferzahlungen und wachsende sozialpolitische Kosten, wie der Economist berichtete. Bis Mitte des Jahres 1992 hatte man im westlichen Ausland mit Verwunderung das registriert, was in Deutschland zeitgenössisch als "Vereinigungskrise"
"There’s little room for foreign investors": die Treuhand als Rätsel für Ausländer
Ein solches, ambivalent gedeutetes "New Germany of Angst and Opportunity", wie es das Wall Street Journal im Juli 1991 nannte,
Birgit Breuel, seit 1991 Präsidentin der Treuhandanstalt, am 10. Juli 1991 in Berlin (© picture-alliance / ZB)
Birgit Breuel, seit 1991 Präsidentin der Treuhandanstalt, am 10. Juli 1991 in Berlin (© picture-alliance / ZB)
Die in New York Times und The Economist sehr kritisch beschriebene beziehungsweise begründete Zurückhaltung ausländischer Investoren stand dabei einer bereits von Detlev Rohwedder im September 1990 vor der DDR-Volkskammer angekündigten "Internationalisierung" des ostdeutschen Wirtschaftsumbaus massiv entgegen, der anfangs bewusst internationale Wettbewerber ins Geschäft bringen wollte, um so eine monopolartige Aufteilung der ostdeutschen Märkte durch führende westdeutsche Unternehmen zu verhindern, sich jedoch zunächst auf den Um- und Ausbau der Treuhandanstalt selbst konzentrierte. Spätestens ab dem Sommer 1991 versuchte die neue Treuhand-Spitze um Birgit Breuel, den im niedrigen einstelligen Bereich stagnierenden Anteil ausländischer Übernahmen durch gezieltes Marketing noch zu steigern: Innerhalb der Treuhand wurden eigene Direktorate oder Fachbereiche für "Internationales" geschaffen, repräsentative Kontaktbüros in New York und Tokio eingerichtet, breite Anzeigenkampagnen in der westlichen Wirtschaftspresse geschaltet sowie internationale Investmentbanken als Vermittler eingeschaltet. Insbesondere mehrere Auslandstouren der Präsidentin erregten dabei einige mediale Aufmerksamkeit – so reiste Breuel im November 1991 über eine Woche quer durch die USA, um dort mit zahlreichen Ansprachen, Treffen und Medienauftritten für ein stärkeres US-Investment in der DDR zu werben.
Doch letztlich ließ sich auch damit die Reserve des (westlichen) Auslandes gegenüber einer eigenen Beteiligung am durch die Treuhandanstalt betriebenen Wirtschaftsumbau nur bedingt überwinden: Während das Marketing zur Internationalisierung des Privatisierungsgeschäfts auf Hochtouren lief, trübten die ab 1992 in gehäufter Zahl ans Licht der Öffentlichkeit dringenden Skandalfälle wie um die Niederlassung in Halle, die heftigen industriepolitischen Debatten um ein stärkeres Eingreifen des Staates sowie auch ausländerfeindliche Ausschreitungen in Ostdeutschland auf der anderen Seite die Perspektiven für ausländische Interessenten ein.
"Really no alternative to this curious colossus?" Faszination, Verwunderung, Reserve
Der häufiger in den ausländischen Medienberichten anzutreffende Verweis auf die "headquarters for World War II Luftwaffe chieftain Hermann Goering"
Es waren, wie gezeigt, insbesondere drei motivische Schwerpunkte, die die medialen Außenblicke auf das wirtschaftliche Transformationsgeschehen bestimmten: Zunächst einmal schien die Treuhandanstalt als zentrale, ja gigantische Industrie-Holding die westlichen Auslandskorrespondenten einigermaßen zu faszinieren – ihre Größe, ihr Auftrag und ihr Zuschnitt suchten für die professionellen Beobachter in New York oder London zumindest in der westlichen Welt ihresgleichen.
Zweitens waren es gerade die sich an der Treuhandanstalt entzündenden, heftigen Konflikte zwischen "Wessis" und "Ossis", die man im Ausland mit merklicher Verwunderung sorgfältig registrierte und intensiv analysierte: Die (vermeintliche) ethnische Homogenität der wiedervereinten Nation ließ diese kulturellen Auseinandersetzungen innerhalb des 1989/90 noch in großer Euphorie wiedervereinten Deutschlands aus der Außensicht einigermaßen schwer verständlich erscheinen.
Drittens bestimmte hingegen eine merkliche Reserve oder Distanz die Urteile, wenn es darum ging, selbst Teilnehmer dieser schwer nachvollziehbaren innerdeutschen Verwicklungen zu werden. Wenn die internationale Wirtschaftspresse deutlich Kritik an der Treuhandanstalt übte, dann deshalb, weil ihre forcierte Privatisierungspraxis auf ausländische Unternehmen und Investoren als undurchschaubare Bürokratie von Deutschen für Deutsche abschreckend wirkte, woran auch massive internationale Marketing-Bemühungen letztlich nur bedingt etwas ändern konnten.
Die damit in groben Strichen skizzierten, US-amerikanischen und britischen Wahrnehmungen und Deutungen des ostdeutschen Wirtschaftsumbaus im Allgemeinen wie der Treuhandanstalt im Besonderen deuten die Potenziale einer transnationalen Perspektivverschiebung mit Blick auf die Transformationszeit nach 1990 an. Im scharfen Kontrast zu der polarisierten und bis in die Gegenwart wenig versöhnlichen innerdeutschen Kontroverse zwischen Gegnern und Verteidigern der Treuhandanstalt, pflegte die westliche Fachöffentlichkeit einen differenzierten Außenblick auf das Geschehen im wiedervereinten Deutschland. Weder sah man dort, gerade auch im Kontrast mit den anderen osteuropäischen Transformationsländern, eingedenk der massiven sozialpolitischen Stützungsmaßnahmen einen ungebremsten "Kapitalismus" am Werk, noch erklärte man das deutsch-deutsche Modell eines schlagartigen wie forcierten Wirtschaftsumbaus im Modus der Privatisierung durch eine zentrale Organisation für alternativlos. Im September 1991 fragte der Economist, ob es "really no better alternative to this curious colossus" Treuhandanstalt gebe, deren eigentümliche Rolle als "a mix of investment banker, buffer between state and business, and general economic nanny" außergewöhnlich erschien.
Zitierweise: Marcus Böick, "Not as Grimm as it looks"? Transatlantische Medienperspektiven auf die Treuhandanstalt und den deutschen Wirtschaftsumbau nach 1990, in: Deutschland Archiv, 8.7.2015, Link: www.bpb.de/209190