Einleitung: Antikommunismus als Teil der westdeutschen Mentalitätsgeschichte
Ein Rückblick auf die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren zeigt eine eigentümliche Verschränkung zwischen den Ansätzen einer demokratischen Bewusstseinsbildung und einer antitotalitären Grundhaltung, die sich weniger auf die NS-Diktatur bezieht, in der man eigene Verstrickungen nur zu gern unter dem Rubrum einer "Unschuldsgemeinschaft"
Diese Einsicht ist allerdings zu pauschal, um die Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik angemessen zu erfassen. Denn sie verdeckt, dass sich im Westen Deutschlands unterschiedliche Ausprägungen des Antikommunismus nachweisen lassen, die bei einer Analyse von Genese und Erscheinungsformen antikommunistischer Denk- und politischer Verhaltensmuster analytisch und systematisch differenziert werden müssen.
Grundlegend lassen sich propagandistischer und rationaler Antikommunismus unterscheiden. Während der als propagandistisch bezeichnete, appellativ und emotional aufgeladene Antikommunismus funktionalisiert wird, um das Demokratiekonzept ex negativo zu legitimieren, ist der rationale Antikommunismus dadurch gekennzeichnet, dass er sich mit Theorie und Praxis des Kommunismus substanziell (tatsachengestützt) und argumentativ auseinandersetzt. In einem Zwischenbereich lässt sich verorten, was als empirischer Antikommunismus bezeichnet werden kann und vor allem auf den Berichten von Zeitzeugen beruht, die ein breites Spektrum zwischen emotionaler Betroffenheit und nüchterner Erkenntnis aufweisen. Und schließlich ist bei der Analyse von Erscheinungsformen des Antikommunismus zu berücksichtigen, an welche Zielgruppen er gerichtet ist und welchen praktischen Zwecken er jeweils dient, etwa in der Auseinandersetzung mit innenpolitischen Konkurrenten, insbesondere im Kontext von Wahlkämpfen.
In diesem Beitrag steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit zwei wichtige Institutionen der politischen Bildung in der Bundesrepublik, die Bundeszentrale für Heimatdienst und das Ostkolleg, dem selbstgesetzten Auftrag einer wertorientierten und zugleich wissenschaftlich begründeten Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis des internationalen Kommunismus in ihrer Gründungsperiode gerecht geworden sind.
Gründungsgeschichte der Bundeszentrale für Heimatdienst
Auf der Kabinettssitzung vom 7. September 1951 zeigte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer besorgt darüber, dass sich die Bevölkerung "in steigendem Maße der Demokratie und der Politik der Bundesregierung entfremde".
Forschbach knüpfte im Hinblick auf den Namen der projektierten Institution an eine Organisation an, die als "Reichszentrale für Heimatdienst" im November 1919 etabliert worden war, wobei der antiquiert erscheinende "Heimatdienst"-Begriff auf eine problematische Vorgeschichte verweist, die noch in die Endphase des Ersten Weltkriegs zurückreicht. Denn die im März 1918 auf Wunsch der Obersten Heeresleitung gegründete "Zentralstelle für Heimatdienst" sollte die Widerstandskraft der Heimatbevölkerung ideologisch stärken – komplementär zur "Zentralstelle für Frontdienst", die "Vaterländischen Unterricht" für die Truppe anbot. Die Reichszentrale für Heimatdienst konzentrierte dann "staatsbürgerliche Aufklärung" auf die "Erziehung zum Staat", indem sie über die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie, aber auch über das konkrete Regierungshandeln informierte. Sie führte "Staatsbürgerliche Lehrgänge und Bildungstage" durch und publizierte auch Broschüren und Bücher in einem eigenen Verlag. Im August 1920 erschien die erste Ausgabe der Halbmonatsschrift
"Heimatdienst", die sich außenpolitisch auch mit deutlicher Kritik am Versailler Vertrag positionierte. Die Zentrale war dem Pressechef der Reichsregierung unterstellt, bevor sie 1927 in die Reichskanzlei eingegliedert wurde.
Dass die Zuordnung der projektierten Bundeszentrale zum Bundesinnenministerium erfolgte, hängt freilich nicht nur mit dem Aspekt des positiven Verfassungsschutzes zusammen, sondern ist auch durch die Personenkonstellation während des Entscheidungsprozesses bedingt. Adenauers wichtigste Beamte im Kanzleramt waren Otto Lenz – 1951–1953 Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes – und vor allem Hans Globke – seit 1949 Ministerialdirigent, 1950 Ministerialdirektor im Kanzleramt, seit 1953 Staatsekretär und Amtschef Adenauers bis 1963 –, der erheblich NS-vorbelastet war, sodass eine Verbindung mit demokratischer Bildungsarbeit im Rahmen des Kanzleramts schon aus diesem Grund nicht zweckmäßig erschienen wäre.
Der vorgesehene Gründungsdirektor der Bundeszentrale für Heimatdienst (BZH), Paul Franken, war seit 1935 ein enger Vertrauter Konrad Adenauers. Er hatte dem katholischen Widerstandskreis um Jakob Kaiser und Adam Stegerwald angehört und in dieser Zeit auch mit Robert Lehr in Verbindung gestanden. Wegen längerer "Schutzhaft" als "politisch Verfolgter" eingestuft, war Franken nach dem Krieg zunächst als Privatlehrer tätig, bevor er 1949 als Dozent und 1950 als Direktor an der Pädagogischen Hochschule Vechta wirkte.
Dass Franken, dem Adenauer zunächst die Funktion eines Regierungssprechers nahegelegt hatte, dem Projekt einer zentralen Einrichtung für politische Erziehung und Bildung Interesse und Sympathie entgegenbrachte, kann nicht verwundern, zumal auch der ihm zugeordnete Innenminister Lehr auf eine integre politische Vergangenheit zurückblicken konnte. Lehr hatte als langjähriger Oberbürgermeister von Düsseldorf wegen seiner oppositionellen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten im April 1933 sein Amt verloren und in den folgenden Jahren dem Widerstandskreis um Karl Arnold angehört.
Wenige Monate nach Forschbachs Darlegungen zur Institutionalisierung der politischen Bildung wurde Franken in den konkreten Planungsprozess eingebunden. Bei der BZH sollten – wie Franken auf einer Pressekonferenz am 8. Mai 1952 ausführte – "parteipolitische Tagesfragen" und "alle Fragen des deutschen Ostens" ausgeklammert sein. Bundesminister Lehr ergänzte, die BZH solle "eine ganz streng überparteiliche Stelle" sein, "die, soweit sie Material sammelt und an die Öffentlichkeit bringt, nur absolut einwandfreies, wissenschaftliches Material liefert". Sie sei "kein Propagandainstrument der Bundesregierung, (…) kein Organ des Ministeriums des Innern, und infolgedessen zusammengesetzt aus Vertretern aller fachlichen Richtungen."
Der 25. November 1952 markiert den Beginn der staatlichen, überparteilichen politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Erlass des Bundesministers des Innern wurde die BZH, 1963 umbenannt in "Bundeszentrale für politische Bildung", als nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums aus der Taufe gehoben. Im Gründungserlass wurde der BZH die Aufgabe übertragen, "den demokratischen und europäischen Gedanken im deutschen Volke zu festigen und zu verbreiten".
Schon in den Anfangsjahren der BZH entwickelte sich ein lange Zeit vorherrschendes Arbeitsprofil: Öffentlich selbst in Erscheinung trat die BZH vor allem über ihre
Titelblatt des Gesamtverzeichnisses der Publikationen der Bundeszentrale für Heimatdienst und der Bundeszentrale für politische Bildung, herausgegeben zum 40-jährigen Bestehen der BpB (© BpB)
Titelblatt des Gesamtverzeichnisses der Publikationen der Bundeszentrale für Heimatdienst und der Bundeszentrale für politische Bildung, herausgegeben zum 40-jährigen Bestehen der BpB (© BpB)
Publikationen, eigene Aktivitäten wurden also in erster Linie mit auflagenstarken Printprodukten entfaltet, von denen die Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte", die Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", und die "Informationen zur politischen Bildung" mit ihrem hohen Verbreitungsgrad einen erheblichen meinungsbildenden Einfluss hatten und deshalb auch besonders deutlich erkennen lassen, auf welchem Niveau die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in dieser staatlichen politischen Bildungseinrichtung geführt wurde. Indirekt und mittelbar wurde sie in einem erheblichen Umfang durch die finanzielle Förderung unterschiedlichster "freier Träger" – unter denen sich auch militant antikommunistische Gruppierungen befanden – wirksam, ohne sich für deren Aktivitäten öffentlich in Verantwortung nehmen zu lassen.
Publikationen der Bundeszentrale für Heimatdienst
Es gibt zwar einige wenige Beiträge, die sich mit der Geschichte der Bundeszentrale beschäftigen
Karikatur aus dem Hamburger Echo in der Wochenzeitung "Das Parlament", 1950er-Jahre (© Das Parlament)
Karikatur aus dem Hamburger Echo in der Wochenzeitung "Das Parlament", 1950er-Jahre (© Das Parlament)
Mit der Gründung der BZH war die Übernahme der zuvor seit September 1950 kommerziell herausgegebenen Wochenzeitung "Das Parlament" verbunden.
Als Leitmedien der BZH, die sich mit einem deutlich differenzierten Anspruchsniveau einerseits an wissenschaftsorientierte bildungsqualifizierte Milieus, andererseits an eine breitere Öffentlichkeit, vorrangig aber an Adressaten in den Schulen wandte, sind die Wochenzeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" sowie die "Informationen zur politischen Bildung" von grundlegender Bedeutung. Dies gilt sowohl allgemein im Hinblick auf Konzepte und Inhalte einer demokratischen politischen Bildung als auch speziell für die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus.
"Aus Politik und Zeitgeschichte"
"Aus Politik und Zeitgeschichte" (APuZ), die Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", ist seit ihrer Gründung bis heute das anspruchsvollste publizistische Medium der Bundeszentrale. Die Zeitschrift erscheint seit Ende November 1953 regelmäßig (zuvor hatte es in der zweiten Hälfte desselben Jahres bereits acht Sonderbeilagen gegeben), sie wurde bis 1956 von Paul Franken persönlich mit nur einer Hilfsreferentin betreut.
Aus Politik und Zeitgeschichte, 23/1954 (© BpB)
Aus Politik und Zeitgeschichte, 23/1954 (© BpB)
Im Hinblick auf die kommunistische Ideologie fällt ein Beitrag von Helmut Gollwitzer über "Die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus als unsere Aufgabe"
Stärker ausgeprägt als bei Gollwitzer verbindet sich in einem zwei Jahre später erschienenen Beitrag von Wenzel Jaksch
Diese frühen Beispiele illustrieren einen Denkansatz in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, der Marx' Ideen kritisch gegen den totalitären Staatssozialismus der kommunistischen Parteiherrschaft in Anschlag bringt.
Dieser Sichtweise steht eine andere Richtung entgegen, die den Marxismus als eine Art Opium für die westliche Intelligenz betrachtet und daher die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus unter das Vorzeichen von Bedrohungsvorstellungen rückt. Ideologietheoretisch sind hier vor allem die Schriften von Joseph M. Bochenski und Gustav A. Wetter hervorzuheben.
Das Gutachten Joseph M. Bochenskis zum KPD-Verbotsprozess in der Ausgabe der Schriftenreihe der BZH (© BpB)
Das Gutachten Joseph M. Bochenskis zum KPD-Verbotsprozess in der Ausgabe der Schriftenreihe der BZH (© BpB)
Bochenskis Sichtweise wird zuerst im Februar 1956 unter dem Titel "Die kommunistische Ideologie und die Würde, Freiheit und Gleichheit der Menschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949" publiziert. Es ist der Wortlaut seines im Auftrag der Bundesregierung verfassten (dem Bundesverfassungsgericht am 3. März 1955 vorgelegten) Gutachtens für den KPD-Verbotsprozess, ohne dass auf diesen Sachverhalt verwiesen würde. Bochenski lässt für seine Analyse nur die sowjetische Marx-Interpretation gelten: "Jeder Versuch, die Ideologie des Kommunismus aus anderen Quellen herzuleiten, muß als unwissenschaftlich abgelehnt werden. Insbesondere ist es ganz verfehlt, das Verständnis dieser Ideologie aus eigener Deutung der Schriften Marx' oder auf Grund einer der zahlreichen nicht-kommunistischen Interpretationen desselben Verfassers gewinnen zu wollen."
Wetters Beitrag "Der dialektische Materialismus" bezieht sich im Wesentlichen auf die mentalen und sozialpsychologischen Wirkungen der sowjetkommunistischen Ideologie und die Risiken für die westlichen Gesellschaften: "Es ist nämlich dieser Lehre eigen, daß sie selbst ihre Gegner, selbst gegen ihren Willen und ohne daß sie es merken, bis zu einem gewissen Grade formt. (…) Was aber hier entscheidend ist, ist die Tatsache, daß hinter dieser Lehre ein totalitäres Machtsystem steht, welches seine gesamte politische Tätigkeit sowie das ganze kulturelle Leben des Landes nach dieser Lehre ausrichtet und jeder anderen die Möglichkeit entzieht, sich zu entfalten und auszubreiten." Wetter hebt die Funktion der kommunistischen Ideologie als "Religionsersatz" und als "Pseudoreligion" hervor und macht demgegenüber das Wertefundament des Westens aus Antike und Christentum geltend.
Resümiert man die theoretischen Beiträge zum Kommunismus in "APuZ", dann zeigt sich, dass die beiden Grundansätze der geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die auch in den folgenden Jahrzehnten in Erscheinung treten, bereits in den 1950er-Jahren präformiert worden sind: Während die Richtung einer aufgeklärten Marxexegese die Gegensätze zwischen Karl Marx und dem Sowjetkommunismus hervorhebt, vertritt die antikommunistische Fundamentalkritik die These, dass es zwischen Marx, Lenin und Stalin einen inneren Zusammenhang gebe, sodass die Realität der sowjetkommunistischen Diktatur in dieser Perspektive als Konsequenz des Marxschen Denkens gedeutet wird.
Auch zum Ost-West-Konflikt erscheinen bereits in den ersten "APuZ"-Jahrgängen zahlreiche Beiträge. Dabei fällt auf, dass deutsche Sichtweisen zunächst fast vollständig fehlen, die meisten Beiträge stammen von renommierten amerikanischen Autoren, darunter auch prominente Politiker; es handelt sich meist um übersetzte Nachdrucke aus renommierten Fachzeitschriften wie "Foreign Affairs". Es finden sich Beiträge von Politikern wie Winston Churchill (B 42/54) und John Foster Dulles (B 42/54 und 51/54), vor allem aber von führenden Kommunismusexperten wie George F. Kennan, Henry A. Kissinger und Richard Löwenthal.
In den vier letzten Ausgaben des Jahres 1954 bringt "APuZ" Vorabdrucke aus Kennans weit ausgreifendem Buch "Das Amerikanisch-Russische Verhältnis". Es schließt mit der Erkenntnis: "(…) gerade weil diese Spannung so tief im Werdegang unserer Epoche verwurzelt ist, soll man anerkennen, daß sie nicht auf einmal, nicht mit irgendeinem einzelnen Handgriff und erst recht nicht mit den fatalen Mitteln aggressiver Gewalt zu lösen ist."
Ein Vierteljahr später begegnet uns der noch in London lebende Autor Richard Lowenthal (sic!) mit seinem Beitrag "Bedingungen für den Frieden".
Wenig später kommt auch Henry A. Kissinger mit seinem Beitrag "Die amerikanische Politik und der Präventivkrieg" in "APuZ" zu Wort. Ein Kernsatz lautet: "Die Forderung eines Präventivkrieges ist also von einer Aura der Irrealität umgeben."
Der nüchtern-abwägende Realismus, der in solchen Analysen zur Geltung kommt, konnte auf die öffentliche Urteilsbildung durchaus als Korrektiv gegenüber Bedrohungsvorstellungen wirken, die seinerzeit vor allem auf die Atomwaffen fokussiert waren. Paul A. Hoffman konstatierte im Herbst 1955 in "APuZ": "Eine Meinungsbefragung ergab kürzlich, daß 73% aller Amerikaner einen Krieg für unvermeidlich halten. Ich fand dies bestürzend und deprimierend: denn gäbe es Krieg, so würde vermutlich die ganze Welt zerstört werden."
Dass die weltpolitische Bedrohung durch die Sowjetunion ein wichtiges Argument für den europäischen Integrationsprozess darstellt, verdeutlicht der Beitrag des russischen Exil-Schriftstellers Michael Prawdin "Rußland, Sowjetrußland oder Europa?" exemplarisch und mit dramatischem Unterton. Prawdin konstatiert, "daß die russische Gefahr in der Form der Sowjetgefahr Europa gerettet hat, indem sie die europäischen Länder im 20. Jahrhundert zwang, ihre kleinlichen, widerstreitenden Interessen endlich zu vergessen und mit ihrer tausendjährigen Selbstzerfleischung aufzuhören, um sich zu einer kulturellen und administrativen Einheit zusammenzuschließen."
Als scharfer Kritiker der von Nikita S. Chruschtschow seit 1955 propagierten Politik der "friedlichen Koexistenz" erweist sich der demokratische amerikanische Präsidentschaftskandidat Averell Harriman 1956, der nachdrücklich und im alarmistischen Tonfall davor warnt, gegenüber der Sowjetunion in Illusionen zu verfallen: "Ihr Ziel ist die Zerstörung alles dessen, woran wir glauben, und die eventuelle Weltherrschaft des sowjetischen Kommunismus. (…) Die Männer des Kreml haben deutlich zu verstehen gegeben, daß es ihr Ziel ist, Feindschaft und Hader und selbst Krieg unter den anderen Nationen aufzurühren, den Nordatlantikpakt aufzubrechen und mittels wirtschaftlicher und politischer Manöver, Propaganda und vorsätzlicher Unruhestiftung die kommunistische Herrschaft über die ganze Welt auszudehnen."
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass in der Mitte der 1950er-Jahre in den Veröffentlichungen zum Ost-West-Konflikt wissenschaftlich fundierte Beiträge einer realistischen Schule, die auch heute noch durch ihre analytische Nüchternheit bestechen, im Vordergrund gegenüber propagandistisch aufgeladener Polemik stehen. Diese gewinnt jedoch nach dem Realitätsschock der sowjetischen Intervention gegen die ungarische Revolution und der von Chruschtschow seit Ende 1958 initiierten Berlin-Krise, die mit dem Mauerbau im August 1961 ihren desillusionierenden Abschluss findet, an Bedeutung.
Der Beitrag von Herman(n) F. Achminow über "Die Oberschicht in der Sowjetunion" kann als exemplarisch für die Art und Weise der Auseinandersetzung mit Problemen der Sowjetunion in "APuZ" gelten. Diese Ausgabe war - trotz der irritierenden Zählung (47/1953), die jener der Wochenzeitung "Das Parlament" folgte, als deren Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" bis heute erscheint - das erste "APuZ"-Heft überhaupt. (© BpB)
Der Beitrag von Herman(n) F. Achminow über "Die Oberschicht in der Sowjetunion" kann als exemplarisch für die Art und Weise der Auseinandersetzung mit Problemen der Sowjetunion in "APuZ" gelten. Diese Ausgabe war - trotz der irritierenden Zählung (47/1953), die jener der Wochenzeitung "Das Parlament" folgte, als deren Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" bis heute erscheint - das erste "APuZ"-Heft überhaupt. (© BpB)
Probleme der innenpolitischen Entwicklung in der Sowjetunion werden umfangreich bereits seit der ersten regulären Ausgabe von "APuZ" behandelt. Bis Anfang der 1960er-Jahre sind dazu etwa 80 Beiträge publiziert worden. Dabei spielen die Zäsur des XX. Parteitages der KPdSU 1956, Ausmaß und Folgen der "Entstalinisierung", Wandlungen der Sowjetgesellschaft, Ansätze von Wirtschaftsreformen neben den Repressionsmechanismen des Überwachungssystems eine besondere Rolle.
In diesem Zusammenhang sind auch verschiedene Erlebnisberichte über die sowjetischen Straflager hervorzuheben, die eine erfahrungsgeschichtliche Dimension, eingangs als empirischer Antikommunismus charakterisiert, einbringen. Neben Beiträgen von Wolfgang Leonhard, Joseph Scholmer,
Besonders bemerkenswert war die Publikation des Erfahrungsberichtes der ehemaligen Kommunistin Margarete Buber-Neumann in "APuZ", 22/1958. (© BpB)
Besonders bemerkenswert war die Publikation des Erfahrungsberichtes der ehemaligen Kommunistin Margarete Buber-Neumann in "APuZ", 22/1958. (© BpB)
Margarete Buber-Neumann und Albertine Hönig
Die Situation in den anderen kommunistisch regierten Ländern in Europa, den als "Satellitenstaaten" charakterisierten Regimes, und im kommunistischen China findet dagegen erst nach 1956 Aufmerksamkeit. Dafür liefern die Entwicklungen in Polen
Ein Sonderfall in der Publikationspraxis von "APuZ" ist mit dem von Joseph M. Bochenski und Gerhart Niemeyer herausgegebenen "Handbuch des Weltkommunismus" (1958) verbunden: Der Titel des Werkes ist irreführend, handelt es sich doch um eine Darstellung, die fast ausnahmslos auf die Sowjetunion fokussiert ist. Das Buch, dessen Textteil 640 Druckseiten umfasst, wird in insgesamt zehn Ausgaben von "APuZ" mit geringfügigen Kürzungen nahezu vollständig vorabgedruckt.
Grundlegend für die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der Volksrepublik China war der Beitrag von Karl F. Wittfogel in "ApuZ", 19/1958. (© BpB)
Grundlegend für die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der Volksrepublik China war der Beitrag von Karl F. Wittfogel in "ApuZ", 19/1958. (© BpB)
Das kommunistisch regierte China
Auffällig ist, dass "APuZ" die SBZ/DDR in den ersten beiden Jahren ausblendet. Dies fiel in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (BMG), das diesbezüglich mit Nachdruck eigene Zuständigkeit reklamierte
Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 29. August 1956 zum Ausgang des KPD-Verbotsprozesses (© Das Parlament)
Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 29. August 1956 zum Ausgang des KPD-Verbotsprozesses (© Das Parlament)
Nach dem KPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht vom 17. August 1956, das vom "Parlament" in einer Themenausgabe (35/1956) dokumentiert wird, rückt die Abwehr von kommunistischer Infiltration, Bedrohung und Propaganda kurzzeitig in den Fokus von "APuZ", durch offensichtlich vom BMI veranlasste anonyme Beiträge.
"Informationen zur politischen Bildung"
Die "Informationen zur politischen Bildung" wurden bereits im Startmonat der Bundeszentrale für Heimatdienst (November 1952) noch unter fremder Regie verlegt. Vom Staatsbürgerlichen Aufklärungsdienst Wiesbaden herausgegeben, wurden die ersten beiden Folgen als bloße Übernahmen deklariert. Ab Folge 3 ("Europa, was es ist und werden kann", Januar 1953) erschienen die zunächst nur jeweils vier Seiten umfassenden Informationsblätter, die für Schulen und Betriebe bestimmt waren, "im Einvernehmen mit der Bundeszentrale", ab Folge 12 (September/Oktober 1953) zeichnete die BZH selbst als Herausgeberin verantwortlich, ab Folge 20 wurde der Umfang sukzessive erweitert. In der Folge 4 wurde zum ersten Mal der Titel "Informationen zur politischen Bildung" verwendet.
Im Folgenden wird ein Überblick über Themen und Darstellungsweise der "Informationen" gegeben, die sich in den 1950er-Jahren im weiteren Sinn mit dem Kommunismus auseinandergesetzt haben. Auflagenhöhe und Adressatengruppen lassen es reizvoll erscheinen, einen Vergleich mit dem Programm von "APuZ" zu ziehen. Summarisch betrachtet wirken die Texte der "Informationen" eher
Im Februar 1962 publizierte "APuZ" ein Rundtischgespräch des NRD "mit einem kommunistischen Journalisten". (© BpB)
Im Februar 1962 publizierte "APuZ" ein Rundtischgespräch des NRD "mit einem kommunistischen Journalisten". (© BpB)
volkspädagogisch, zeichnen sich jedoch ganz überwiegend durch sachliche Informationsvermittlung aus, auch wenn sie qualitativ nicht mit dem anspruchsvollen Angebot von "APuZ" konkurrieren können.
Die "Informationen" haben bis 1963 zwei separate Adressatengruppen. In textgleichen Ausgaben sind die "Informationen zur politischen Bildung" (zunächst vorrangig für die "Hand des Lehrers" als Vermittlungsangebot gedacht) für die Schulen bestimmt, während sich die "Staatsbürgerlichen Informationen" in erster Linie an Betriebe (über Redakteure von Werkzeitungen etc.) richten.
Das erste Heft der "Informationen zur politischen Bildung", das sich der deutschen Teilung widmet, wird im Mai 1953 (Folge 7) zum Thema "Berlin – Vorposten der Freiheit" publiziert. Knapp werden die Geschichte der politischen Spaltung Berlins wie auch die Berlin-Blockade referiert, ebenso der Rechtsstatus "Westberlins", bevor dieses als "Leuchtturm der Freiheit" und als "Sammelpunkt des Flüchtlingsstroms aus der Sowjetzone" mit statistischen Angaben für das Jahr 1952 gewürdigt wird, in dem Walter Ulbricht auf der 2. Parteikonferenz der SED den "Aufbau des Sozialismus" in der DDR angekündigt hatte, "d. h. die völlige Angleichung an die Verhältnisse in der Sowjet-Union". Seitdem flüchteten "mehr und mehr Menschen, denen es unerträglich geworden ist, sich weiterhin dem bis in die letzte private Sphäre hineinreichenden Terror zu beugen: Es sind (…) all jene, die sich bedroht fühlen, weil sie aus politischen oder religiösen Gründen nicht mitmachen können und wollen." (4)
Deutschlandkarte der Bundeszentrale für Heimatdienst aus den 1950er-Jahren (© BArch, Plak 005-048-011 )
Deutschlandkarte der Bundeszentrale für Heimatdienst aus den 1950er-Jahren (© BArch, Plak 005-048-011 )
Es fällt auf, dass die "Informationen" frühzeitig einen Themenschwerpunkt setzen, der in "APuZ" bis 1958 ausgeblendet bleibt. Im September 1953 erscheint eine Ausgabe über "Die Gebiete jenseits der Oder und Neisse" (Folge 11), die nach einem kurzen historischen Überblick über die Geschichte des deutschen Ostens auf die Vertreibungen eingeht: "Der Versuch einer totalen Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Mitteleuropa, der sich im Schicksalsjahr 1945 abgespielt hat, ist nächst dem Dreißigjährigen Krieg vielleicht das tragischste Ereignis der deutschen Volksgeschichte." (2) Ausführungen über das kommunistische Regime in Polen werden nicht gemacht, vielmehr wird der Verlust der Oder-Neiße-Gebiete aus den territorialen Ansprüchen Stalins in Ostpolen erklärt. Die Lösung des Problems sei eine "Frage der Weltpolitik geworden, die nach menschlichem Ermessen durch internationale Regelungen entschieden werden wird". Hervorgehoben durch Sperrdruck ist der Satz: "Die Entfesselung eines dritten Weltkrieges zur Wiedergewinnung des deutschen Ostens wird vom deutschen Volk eindeutig abgelehnt." (6) Um diese Haltung zu unterstreichen, wird ausdrücklich auf die Charta der Heimatvertriebenen vom 5. Augst 1950 verwiesen, die "einer Politik der Rache und Vergeltung in feierlicher Form entsagt" (6). Mitte 1956 erscheinen zwei weitere Ausgaben über "Die deutschen Ostgebiete" (Folgen 42/43 und 44/45), die im ersten Teil "Geschichte und kulturelle Leistung", im zweiten Teil "Die wirtschaftliche Bedeutung" behandeln. Bezeichnend ist, dass ganz überwiegend auf die lange Historie eingegangen wird, während jeweils nur ein kurzer Schlussabschnitt die Zeit nach 1945 thematisiert. Die Resümees lauten: "Kein Deutscher wird einen Verzicht auf diesen Ostraum, die Heimat vieler Millionen Vertriebener, aussprechen. Nur eine aus freien Wahlen hervorgegangene gesamtdeutsche Regierung wird – entsprechend dem Völkerrecht – in einem kommenden Friedensvertrage zu bindenden Abmachungen über die Ostgebiete kommen können." (I, 8) Im Sinne der europapolitischen Orientierung der Bundesrepublik wird eine gemeinsame Interessenlage und Verantwortung auch im Hinblick auf den Verlust der deutschen Ostgebiete betont: "Durch die Sowjetisierung des ostdeutschen Wirtschaftsgebiets ist ein seit achthundert Jahren deutscher Kultur- und Wirtschaftsraum nicht nur dem deutschen Volke, sondern auch den Völkern Westeuropas entzogen worden. Vor der Tatsache, daß in die ostdeutschen Gebiete ein Wirtschaftssystem eingedrungen ist, das das Leben der freien Völker bedroht, darf die Welt die Augen nicht verschließen." (Folge II, 8) Im Herbst 1958 schließt sich eine weitere Ausgabe unter dem völkerrechtlich akzentuierten Titel "Die Ostgebiete des Deutschen Reiches unter fremder Verwaltung seit 1945" (Folge 70/71) an, die sich kritisch mit den Verhältnissen im kommunistischen Polen beschäftigt und unter Beifügung entsprechender Karten deutsche Ansprüche auf diese Gebiete unterstreicht, wobei der Friedensvertragsvorbehalt "für die territorialen und politischen Fragen der Oder-Neisse-Gebiete" im gleichen Sinne wie 1956 wiederholt wird.
Informationen für politische Bildung, Folge 19 zum 1. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR (© BpB)
Informationen für politische Bildung, Folge 19 zum 1. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR (© BpB)
Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 16. Juni 1954 zum 1. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR (© Das Parlament)
Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 16. Juni 1954 zum 1. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR (© Das Parlament)
Eine Ausgabe zum "Volksaufstand des 17. Juni 1953" (Folge 19) erscheint im Mai/Juni 1954. Dem von einem knappen Vorwort eingeleiteten Text, der den Zwangscharakter des SED-Regimes hervorhebt und den Aufstand als Ausdruck des Freiheitswillens der Bevölkerung deutet, folgt eine Schilderung des konkreten Verlaufs der Aufstandsbewegung, die auch in den Zusammenhang der Gesamtentwicklung in Osteuropa gestellt wird: "(…) seit dem Tode Stalins, im März des Jahres 1953, ging ein unterirdisches Grollen und Beben durch den gesamten Herrschaftsbereich des Bolschewismus (…) Aber niemand dachte daran, daß es gerade Deutschland sein würde, wo der Funke überspringen, die seelische Erregung entzünden und zum Ausbruch bringen würde." (2)
Im Herbst 1954 erscheint eine 20 Seiten umfassende Doppelausgabe (Folge 22/23) über "Die Ost-West-Spannung in der Weltpolitik". Ausgehend von einer Darstellung der weltpolitischen Situation am Ende des Zweiten Weltkrieges wird die "Bolschewisierung Osteuropas" und die "Bildung des Ostblocks" unter sowjetischer Vorherrschaft thematisiert, die zentralen Ost-West-Konflikte, fokussiert um die Berlin-Blockade und den Korea-Krieg, werden dargestellt, schließlich wird die Gründung und Entwicklung der NATO behandelt und ein Überblick über gescheiterte Bemühungen um eine Konfliktbeilegung auf den Außenministerkonferenzen 1954 gegeben.
Im März 1956 beschäftigt sich – der vorherrschenden kultur- und wirtschaftshistorischen Ausrichtung folgend – eine Ausgabe der "Informationen" mit "Mitteldeutschland" (Folge 40/41), welche bezeichnenderweise die beiden Stifterfiguren des Naumburger Domes, Ekkehard und Uta, auf der Titelseite zeigt. Im Vorwort heißt es denn auch: "DEUTSCHLAND als Lebensraum unseres Volkes und seiner Kultur ist jedoch mehr als ein gegenwärtiger politischer oder wirtschaftlicher Zustand." Es gelte sich bewusst zu machen, dass ein Gesamtdeutschland, das durch die "politischen Hilfsbegriffe West-, Mittel- und Ostdeutschland" bestimmt werde, "nicht nur um uns, sondern auch in uns lebt und damit weitgehend unabhängig von zeitbedingten Territorialregelungen ist." Immerhin legt der Text das Schwergewicht auf die "Entwicklung Mitteldeutschlands nach 1945".
Seit Ende 1956 erscheinen bis 1961 insgesamt zehn Ausgaben, die sich mit Entwicklungen in verschiedenen osteuropäischen Ländern beschäftigen. Am Beginn stehen zwei Doppelhefte über die russische Revolution von 1917. Ihr Autor ist Hans Koch, Direktor des Osteuropa-Instituts München, der auch in die frühe Gründungsgeschichte des Ostkollegs seinerzeit prominent involviert war. Die beiden Folgen (48/49 und 50/51) sind faktenreich, ohne polemische Akzente in den Vordergrund zu rücken. Sie werden durchaus dem Anspruch substanzieller Information gerecht, der seit Mitte der 1950er-Jahre generell die Darstellung der "Informationen zur politischen Bildung" bestimmt.
Folge 54/55 der "Staatsbürgerlichen Informationen" über die Sowjetunion (© BpB)
Folge 54/55 der "Staatsbürgerlichen Informationen" über die Sowjetunion (© BpB)
Noch deutlicher tritt diese Akzentsetzung in zwei Ausgaben hervor, die jeweils "12 Karten mit Erläuterungen zur Geschichte Rußlands und der Sowjetunion" (Folge 54/55 Mai/Juni 1957) und genau zwei Jahre später "12 Karten und Textbeiträge zur Landes- und Wirtschaftskunde der Sowjetunion" (Folge 78/79) zum Inhalt haben. Es sind dies die ersten Ausgaben der "Informationen zur politischen Bildung" mit einem umfangreichen Kartenteil, später ein Markenzeichen von besonderem Gewicht in dieser Publikationsreihe. Anfang 1961 erscheint eine Ausgabe "Das Herrschaftssystem der Sowjetunion" (Folge 91).
Sachlichkeit zeichnet das Anfang 1960 publizierte Heft aus, das "Die Entwicklung in Polen seit 1945" zum Thema hat.
Über ein Jahr verteilt, sind drei Ausgaben seit März 1960 Südosteuropa gewidmet. Mit historischer Fundierung wird die Entwicklung im jugoslawischen Vielvölkerstaat unter Marschall Tito mit seinem eigenen "jugoslawischen Weg" dargestellt (Folge 86), ein weiteres Heft informiert über Rumänien, Bulgarien und Albanien (88), die dritte Folge betrifft Ungarn (Folge 92). Hier ist unter dem Eindruck der Niederschlagung der Revolution vom Oktober 1956 am bilanzierenden Schluss ein pessimistischer Grundton zu vernehmen: "Das madjarische Volk erträgt die nach dem Scheitern seines Freiheitskampfes wieder errichtete kommunistische Diktatur in stummer Ergebenheit. Vom Westen enttäuscht, der es nach seiner Meinung im Stich ließ, von seinem Schicksal erbittert, versucht es sein Dasein nach den gegebenen, unabänderlichen Umständen einzurichten. Aber es hat innerlich auf die Freiheit trotzdem nicht verzichtet, und es wird darauf auch nie verzichten!" (16)
Etwa ein Drittel der "Informationen", die im ersten Jahrzehnt (bis Ende 1962) erscheinen, sind Themen gewidmet, die sich mit dem Kommunismus beschäftigen.
Vorgeschichte einer Neugründung: Die Entstehung des Ostkollegs
Seit Oktober 1955 wird im Bundesinnenministerium verstärkt über die Einbeziehung der Bundeszentrale für Heimatdienst in die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nachgedacht. Am 20. Oktober findet eine "Besprechung zur Frage der Intensivierung des geistigen Impulses gegen den Kommunismus" statt, an der Vertreter des BMI, des BMG und BZH-Direktor Paul Franken teilnehmen. Staatssekretär Hans Ritter von Lex verweist dabei ausdrücklich auf die psychologischen Folgen des Moskau-Besuchs Konrad Adenauers: "Der Glaube an eine friedliche Koexistenz sei im Vordringen." Ein Unterabteilungsleiter des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen mahnt an, "dass durch die Auswahl zuverlässiger Mitarbeiter und entsprechender Kontrolle der Arbeit nicht etwa einzelne Ergebnisse der Forschung in falsch verstandener Objektivität kommunistischen Thesen entsprächen".
1956 scheint es, dass sich die ideologietheoretische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus im widerspruchsvollen politischen Kontext des im August (fast fünf Jahre nach der Antragstellung durch die Bundesregierung im November 1951) vom Bundesverfassungsgericht verfügten KPD-Verbots
Das Cover von Werner Maibaums Studie über das Ostkolleg zeigt dessen Gebäude am Kölner Stadtwaldgürtel. (© BpB)
Das Cover von Werner Maibaums Studie über das Ostkolleg zeigt dessen Gebäude am Kölner Stadtwaldgürtel. (© BpB)
Die Gründungsgeschichte des Ostkollegs (OK) ist – soweit es die Aktenlage noch ermöglicht – von Werner Maibaum rekonstruiert worden. Nicht hinreichend deutlich wird aus den Akten, die Maibaum im Bundesarchiv gesichtet hat
Nur zwei Monate nach Vorlage des Gutachtens beim BVerfG schreibt Bochenski (am 11. Mai 1955) an Ritter von Lex einen ausführlichen Brief, in dem er erklärt, dass er "über die allgemeine Lage auf der Front des geistigen Kampfes sehr ernst besorgt" sei, und folgert: "Es besteht also meines Erachtens die dringliche Notwendigkeit, einerseits die Abwehr – und möglicherweise sogar den Angriff – auf geistiger Ebene bedeutend zu intensivieren." Dieses Schreiben hat Lex (am 10. Oktober 1955) mehreren Abteilungen im BMI zugeleitet und geäußert, man könne "an eine vom Bund zu errichtende Akademie denken, als deren Leiter sich kaum eine bessere Kraft finden ließe, als Professor Bochenski".
Während Maibaum Bochenskis zentrale Bedeutung für die "Etablierung des Ostkollegs" hervorhebt, zeigt eine eingehendere Betrachtung der Vorgeschichte, dass sich Bochenskis nachdrücklicher Impuls mit verschiedenen Aktivitäten einflussreicher antikommunistischer Intellektueller (die sich im "Witsch-Kreis" des Kölner Verlegers Joseph Caspar Witsch zusammengefunden hatten) überschnitt, die unter Initiative des BMI und mit engagierter Beteiligung des
Der Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz Günther Nollau publizierte auch in "APuZ", u.a. über den "Internationale(n) Kommunismus – heute", 13/1961. (© BpB)
Der Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz Günther Nollau publizierte auch in "APuZ", u.a. über den "Internationale(n) Kommunismus – heute", 13/1961. (© BpB)
Oberregierungsrats im Bundesamt für Verfassungsschutz, Günther Nollau, die BZH als Finanzier und Organisator für verschiedene Versuchstagungen in Anspruch nahmen.
Dabei ließ sich anfangs nicht klar erkennen, wie das Verhältnis zwischen einer zentralisierten Kommunismusforschung und einer – wie es hieß – "Elitebildung" zur Immunisierung gegen kommunistische Propaganda aussehen sollte. Eine Initiative des Direktors des Münchner Osteuropa-Instituts Hans Koch (der Adenauer 1955 als Experte nach Moskau begleitet hatte) versandete schließlich ebenso wie der Versuch, eine Einrichtung zur Elitebildung mit einem (aus der NS-Zeit erheblich vorbelasteten) Leiter/Geschäftsführer Gerhard von Mende zu installieren (wobei der Umstand eines Herzinfarkts von Mendes diesen Plan und seine Einflussmöglichkeit auf die folgende Entwicklung seit Herbst 1956 faktisch außer Kraft setzten).
Man kann es in diesem experimentellen Wirrwarr einen glücklichen Zufall nennen, dass Hans-Joachim Lieber, bei Eduard Spranger an der Freien Universität Berlin habilitierter Professor für Philosophie und Soziologie, im Mai 1956 in die Sondierungsphase als Referent einer der Versuchstagungen in Niederbreisig – nun schon unter der Tagungsregie der BZH – involviert wird, dort großen Eindruck hinterlässt und sich animiert fühlt, im Sommer 1957 in den Explorationsprozess mit einem "Memorandum über den Aufbau des Instituts für ostpolitische Studien in Köln" substanziell einzugreifen.
Die frühe Arbeitsphase des Ostkollegs
Eröffnung des Ostkollegs: Bundesinnenminister Gerhard Schröder im Gespräch mit seinem Staatssekretär Georg Anders und dem BZH-Direktor Paul Franken (v.l.), Foto aus "Das Parlament", 47/1957. (© Das Parlament)
Eröffnung des Ostkollegs: Bundesinnenminister Gerhard Schröder im Gespräch mit seinem Staatssekretär Georg Anders und dem BZH-Direktor Paul Franken (v.l.), Foto aus "Das Parlament", 47/1957. (© Das Parlament)
Referenten des Ostkollegs bei dessen Eröffnung: Joseph M. Bochenski, Werner Philipp und Hans Raupach (v.l.); mit dem Rücken zum Fotografen: Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer. Foto aus "Das Parlament", 47/1957. (© Das Parlament)
Referenten des Ostkollegs bei dessen Eröffnung: Joseph M. Bochenski, Werner Philipp und Hans Raupach (v.l.); mit dem Rücken zum Fotografen: Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer. Foto aus "Das Parlament", 47/1957. (© Das Parlament)
Das "Ostkolleg der Bundeszentrale für Heimatdienst" wird am 22. November 1957 durch Innenminister Gerhard Schröder (CDU) eröffnet.
In beiden Texten wird nichts über die Konzeption des OK ausgeführt, stattdessen wird die wissenschaftliche Eigenverantwortung des Direktoriums, das zunächst aus zehn Mitgliedern besteht
Das Spektrum war so pluralistisch, wie es die beiden Protagonisten Bochenski und Lieber signalisieren: der eine als Ratgeber der Bundesregierung im KPD-Prozess, der andere als Herausgeber einer bundesdeutschen Marx-Ausgabe, die seit 1960 erscheint. Lieber wird der erste geschäftsführende Direktor des Hauses (diese Funktion wechselt im Jahresturnus und wird durch Wahl innerhalb des Gremiums bestimmt). Erster hauptamtlich beschäftigter, für die konkrete Programmplanung und die Einladungsaktivitäten zuständiger Studienleiter wird der vom BMI ernannte Rudolf Wildenmann
Obwohl im Hinblick auf den Marxismus von konträren Positionen ausgehend, vertreten Lieber und Bochenski, der ihm 1959 nach Günther Stökl als dritter geschäftsführender Direktor nachfolgt, für das Ostkolleg gemeinsam eine Konzeption, die als Ziel die Immunisierung der intellektuellen und politischen Eliten der Bundesrepublik gegen die kommunistischen Ideen durch aufklärende Information verfolgt und diese auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen trachtet. So erklärt sich auch der institutionelle Rahmen des Ostkollegs mit der starken Stellung eines wissenschaftlichen Direktoriums, dem in der Frühzeit mit Gerhard von Mende
Die Programme des Ostkollegs hatten thematische Kerne (Geschichte, Ideologie, Herrschaftssystem, Wirtschaft, Außenpolitik der Sowjetunion), die in vier bis fünf Einheiten umfassenden "Grundvorlesungen" behandelt wurden. Diese wurden durch variable Themenaspekte ergänzt, zusätzlich wurden Beiträge zur geistigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in die Tagungsprogramme einbezogen. Eine Auswertung der Programme für die zehn ersten Tagungen im Ostkolleg
Über die Aktivitäten des Ostkollegs in den ersten vier Jahren gibt ein Bericht Aufschluss, den Karl-Heinz Ruffmann, der zu diesem Zeitpunkt seine Funktion als Studienleiter des Ostkollegs aufgab, um den neu gegründeten Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte an der Universität Erlangen zu übernehmen, Ende 1961 vorlegte.
Unter den 4.444 Teilnehmern stellte der höhere Verwaltungsdienst mit etwa einem Sechstel den höchsten Anteil, je ein Zehntel waren Lehrer an höheren Schulen, Offiziere oder Teilnehmer aus dem Bereich der Wirtschaft, acht Prozent Studenten, drei Prozent waren Hochschullehrer und wissenschaftliche Assistenten, Angehörige der Justiz waren mit sechs Prozent, Journalisten und Gewerkschaftler mit je vier Prozent vertreten, zu geistlichen und anderen kirchlichen Berufen gehörten drei Prozent. 155 Teilnehmer (3,5%) kamen aus dem Ausland, vornehmlich aus der Schweiz und aus Österreich. Insgesamt 120 "wissenschaftlich ausgewiesene Sachkenner" waren im Zeitraum von November 1957 bis Ende 1961 als Referenten im OK tätig, darunter 26 "führende ausländische Sowjetologen". Die Grundvorlesungen wurden weitgehend von den Mitgliedern des Direktoriums des Ostkollegs gehalten.
Auswahl von Referenten in einer Broschüre des Ostkollegs von 1963 (© Privatarchiv Rüdiger Thomas)
Auswahl von Referenten in einer Broschüre des Ostkollegs von 1963 (© Privatarchiv Rüdiger Thomas)
Eine Broschüre des OK, die Ende 1963 auch in drei Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch) gedruckt wurde, enthält neben einem Musterprogramm auch exemplarisch Leitfragen, die im Rahmen der Seminare erörtert werden sollten. Dort heißt es beispielsweise: "Was hat sich in der Sowjetunion seit Stalins Tod verändert? Ist es wahr, dass das kommunistische Russland die USA in der Wirtschaft überholen wird? Warum hat Chruschtschow Veränderungen in der sowjetischen Wirtschafts- und der Parteiorganisation betrieben? Wieweit ist die Ideologie ein bestimmender Faktor der sowjetischen Innen- und Außenpolitik? Gibt es Anzeichen, dass sich die Sowjetunion in ein bürgerliches System verändert? Welche politische Bedeutung hat das Nationalgefühl der nichtrussischen Völker? Ist die friedliche Koexistenz eine konkrete Hoffnung oder eine vorsätzliche Irreführung? Streben die politischen Führer der SU weiter nach der Weltrevolution oder wollen sie allein die Macht des Sowjetstaates erhalten? Was können wir tun, um der konstanten Bedrohung des Kommunismus in der Welt zu widerstehen?"
Das Direktorium verstand das OK als weltweit einzige Bildungsinstitution, die für qualifizierte Bevölkerungsschichten eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus auf wissenschaftlicher Grundlage etabliert hatte. Dies wurde 1964 durch zwei Sonderveranstaltungen unterstrichen: Im Mai fand ein Erfahrungsaustausch über "Vorurteile und Klischees bei der Behandlung von Ostfragen" statt, an dem insgesamt 38 namhafte Journalisten und Direktoriumsmitglieder teilnahmen. Im Dezember 1964 war es endlich gelungen, eine bereits seit September 1962 vom Direktorium angeregte supranationale Veranstaltung zu realisieren, die unter dem Arbeitstitel "NATO-Tagung" stand. An dem "Internationalen Colloquium" zum Rahmenthema "Ostforschung und politische Bildung" (in der Planungsverantwortung des neuen, aus der Bundeszentrale Anfang 1964 als Studienleiter übergewechselten Werner Maibaum) nahmen 50 Personen, Ostforscher, Botschaftsvertreter sowie Repräsentanten von Bildungseinrichtungen zur Auseinandersetzung mit dem Kommunismus aus den NATO-Mitgliedsstaaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und den USA sowie aus Schweden, der Schweiz und die Mitglieder des OK-Direktoriums teil.
Während Karl-Heinz Ruffmann in einem Beitrag "Entstehung und Stellung des Ostkollegs im Rahmen der politischen Bildung" vorstellte, sollten zwei Grundsatzreferate, die unterschiedliche Akzente setzten, als Debattenimpulse dienen. Joseph M. Bochenski referierte "Zur geistigen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie"
Bochenski betrachtete in seinem Eingangsbeitrag die "Intensivierung der geistigen Auseinandersetzung" als "die bedeutendste Aufgabe, die der politischen Bildung im Bereich der Analyse kommunistischer Wirklichkeit gestellt ist". Er lehnte die Ausarbeitung einer "Gegenideologie" strikt ab, "weil die Grundwerte unserer westlichen Lebensordnung nicht in dogmatischer Weise bestimmbar sind". Stattdessen müsse sich die politische Bildung darauf konzentrieren, "die gemeinsamen Elemente der Grundwerte bewußt zu machen." Diese Fokussierung auf die Ideologie wurde in der Diskussion erheblich relativiert. "Von besonderer Bedeutung sind dabei die wirtschaftliche Entwicklung, Wandlungen der politischen Struktur und eine zunehmend deutlicher werdende Differenzierung der monolithischen Ideologie innerhalb der kommunistischen Welt."
Liebers Referat
Fazit: Rationaler Antikommunismus als wissenschaftliche Aufklärung
Eine eingehende Analyse der Bundeszentrale für Heimatdienst und des Ostkollegs in der Gründerzeit der Bundesrepublik führt zu einem Ergebnis, das mit vordergründigen Pauschalurteilen, wie sie noch 50 Jahre nach Gründung der Bundeszentrale zu vernehmen waren, keineswegs übereinstimmt. "In den 50er Jahren wirkte sie (…) an der antikommunistischen Restauration mit, war ein Auffangbecken diverser Naziideologen und verstand sich als deutsche Antwort auf die Re-Education der Westalliierten" – so leitet Felix Klopotek ein Interview mit Gudrun Hentges ein
Dass auch die Tätigkeit des Ostkollegs in der Verantwortung eines weitgehend politisch unabhängigen Direktoriums mit Referentenauswahl und Tagungskonzepten den Prinzipien wissenschaftlicher Aufklärung weitgehend gefolgt ist, konnte hier zumindest exemplarisch sichtbar werden.
Die Wirksamkeit einer Bildungsarbeit, die an dem Gebot einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit dem Kommunismus ausgerichtet war, demonstriert indirekt eine Einschätzung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, die in ihrer absurden Polemik verdeutlicht, wie sich ein ideologischer Anti-Antikommunismus als Gegenmodell irregeleiteter Formen der Auseinandersetzung ausnimmt: "Die Bundeszentrale für Heimatdienst ist die offizielle Propagandazentrale der Bonner Regierung. Ihre Haupttätigkeit besteht in Hetze gegen das sozialistische Lager, besonders gegen die Sowjetunion und die DDR; Förderung des Revanchismus durch Propagierung der Bonner Revanchepolitik; Bekämpfung fortschrittlicher Bestrebungen in Westdeutschland mit den Mitteln der Publizistik; politische ideologische Beeinflussung der westdeutschen Bevölkerung mit dem Ziel, sie durch Vermittlung einer sogenannten staatsbürgerlichen Bildung für den westdeutschen Staat zu gewinnen und auf die Linie der Adenauer-Politik festzulegen; Rechtfertigung des nationalen Verrats der westdeutschen Imperialisten mit Hilfe der Propagierung der NATO und der Idee der sogenannten europäischen Integration."
Die vorliegende Studie ist aus einem Vortrag hervorgegangen, gehalten am 4.11.2011 auf der Tagung "Antikommunismus in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Zur politischen Kultur im Kalten Krieg" in Königswinter, veranstaltet vom Institut für Zeitgeschichte, vom Lehrstuhl für Neuere Geschichte I des Historischen Instituts der Universität Potsdam, von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem "Deutschland Archiv".