Der Einsatz von Tablets und Apps spielt in der frühkindlichen Bildung zunehmend eine Rolle – auch weil Medienbildung im Primar- und Elementarbereich gesellschaftlich und politisch immer relevanter wird. Für uns als Erzieherinnen und Erzieher ist klar: Medienkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz.
Deswegen setzen meine Kolleginnen, Kollegen und ich bei unserer Arbeit im Kindergarten und Hort Tablets und Apps alltagsintegriert ein und gestalten mit ihnen Projekte zur gezielten Förderung verschiedenster Bildungsbereiche. So halten die Kinder zum Beispiel Entdeckungen im Garten (bspw. einen Regenwurm) bildlich mit der Tabletkamera fest und können ihren Eltern später beim Abholen zeigen, was sie gefunden haben. Sie erzählen dabei, was sie beobachtet und über den Austausch mit den Erzieherinnen und Erziehern Neues über den Regenwurm erfahren haben. Anschließend werden die Aufnahmen und Beobachtungen der Kinder als Erklärfilm für alle anderen zusammengefasst.
Nicht alle Erzieher müssen Medienexperten sein
Medienbildung sollte sich immer im Gesamtkonzept der Einrichtung widerspiegeln. Das heißt nicht, dass alle Kolleginnen und Kollegen Technik- oder Medienexpertinnen und -experten sein müssen. Auch sollen sie digitale Medien nicht immer und überall in ihre pädagogische Arbeit einbeziehen. Vielmehr bedeutet es, als Einrichtung eine innere Haltung zu besitzen, die den Sinn und den Nutzen digitaler Medien in der Elementarpädagogik versteht: Die Pädagoginnen und Pädagogen sollten erkennen,
wann es sinnvoll ist, das aktuelle Interesse der Kinder, ihre aktuellen Entwicklungsthemen und -bedürfnisse mit digitalen Medien aufzugreifen. Wenn Kinder beispielsweise Interesse an Zahlen oder Buchstaben zeigen, setzen die Kolleginnen und Kollegen Lern-Apps als Ergänzung zu anderen Methoden ein. Diese Kompetenz entwickelt sich bei vielen Kolleginnen und Kollegen erst in der Praxis. Leider wird in der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher der Bereich Medienpädagogik noch sehr vernachlässigt. Wünschenswert wäre es, wenn auch hier der Fokus stärker auf die Vermittlung von praxisorientierter Medienkompetenz gerichtet werden würde. Im Kita-Alltag sind Interesse am Thema Medien, der Mut etwas auszuprobieren und gemeinsame Projekte und Aktionen mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen förderliche Faktoren. Gute Praxisbeispiele aus dem Alltag, von Fortbildungen, aus Büchern oder von Onlineportalen tragen zur Motivation bei und bauen Ängste ab. Einige meiner Kolleginnen gewannen zum Beispiel viel Sicherheit im Umgang mit dem Tablet, als sie selbst einen Trickfilm mit Kindern umsetzten.
Frühkindliche Medienpädagogik – Spaß und Regeln
Medienpädagogisches Handeln orientiert sich immer am Kind. Es soll Mädchen und Jungen die Möglichkeit bieten, Spiel, Spaß und Kreativität zu erleben und sich dadurch weiterzuentwickeln. Im aktiven und gemeinsamen Umgang mit einem für viele Kinder schon bekannten Alltagsgegenstand wie dem Tablet erfahren sie oftmals einen anderen Zugang zu dem Gerät und entdecken neue Nutzungsmöglichkeiten. Tablets sollten im Kontext einer (frühkindlichen) Bildungseinrichtung immer gemeinsam und betreut durch eine erwachsene Person genutzt werden. So erfahren die Kinder den Umgang mit den Medien in kommunikativer, kooperativer und solidarischer Atmosphäre.
Meine Erfahrung in der medienpädagogischen Arbeit mit Kindergarten- und Hortkindern zeigt vor allem die Notwendigkeit, mit den Kindern zu besprechen, wie verschiedene (Spiele-)Apps sinnvoll und richtig genutzt werden können. Gerade jüngere Kinder und Kinder mit geringem Sprachverständnis tippen ohne Einführung bei Apps impulsiv und wahllos auf Punkte oder Zeichen auf dem Bildschirm. Sie erleben Selbstwirksamkeit, können jedoch dem Inhalt nicht folgen.
Anhand des folgenden Projektes möchte ich einen exemplarischen Praxiseinblick geben, wie der Einsatz von Tablet, Apps und Kamera-App in der Kita umgesetzt werden kann.
Projektanleitung: Sprachprojekt "Gegensätze"
Projektinformationen: Das Projekt fand im Rahmen von Vorkurs Deutsch 240
Ziele:
Sprachlich: z. B. Erweiterung und Festigung
Kognitiv: z. B. Wahrnehmen und zuordnen
Sozial: z. B. mit anderen zusammenarbeiten und sprachlich kooperieren
Motorik: z. B. Halten des Tablets und Auslöser drücken
Medienkompetenz: z. B. kreative Weiterarbeit mit einem Spiel, Fachwörter der Fotografie kennenlernen und aktiv nutzen
Ablauf: Jede Einheit begann mit dem Mitmachlied "Das ist gerade und das ist schief" (Simone Sommerland, Karsten Glück und die Kita-Frösche).
"Das ist gerade und das ist schief
Das ist hoch und das ist tief
Das ist dunkel das ist hell
Das ist langsam und das ist schnell"
Das Lied wurde jeweils mit den entsprechenden Bewegungen begleitet. Nach dem ersten Durchlauf wurde besprochen, was das Besondere an den Wörtern aus dem Mitmachlied ist und welche Gegensatzpaare die Kinder sonst noch kennen oder im Raum wahrnehmen. Anschließend spielten immer drei Kinder zusammen an einem Tablet die kostenpflichtige App "Cricket Kids: Gegensätze"
Das Spiel besteht aus mehreren Situationen, die aus der kindlichen Lebenswelt stammen. In jeder Situation müssen die Kinder spielerisch eine passende Interaktion finden, um von einem Zustand zum anderen zu gelangen bzw. einen Gegensatz zu erzeugen. Das kann etwa sein: Am Geburtstagskuchen brennen mehrere Kerzen, hierzu wird das Wort "angezündet" gesagt. Durch selbstständiges Pusten der Kinder werden die Kerzen ausgeblasen und das Wort "ausgelöscht" gesagt. Durch Tippen auf die Kerzen können diese wieder angezündet werden. Die Erzieherin begleitete die Kinder hierbei unterstützend: Sie beobachtete kindliche Reaktionen (etwa das Staunen darüber, wie in der App durch Pusten Kerzen erlöschen), ging darauf ein, leitete die Kinder zur Wiederholung der Wörter an, beispielsweise "angezündet" – "ausgelöscht", und wiederholte auch selber die Wörter in betonter Aussprache. Sie ermutigte die Kinder zur Reflexion des eigenen Spielverhaltens, zum Beispiel indem sie die Kinder fragte, was ihnen gerade besonders Spaß machte dabei. Und sie bereitete die Kinder auf das Beenden des Spielens vor.
Nach etwa zehn Minuten aktiven Spiels wurden nun von den Kindern selbst Gegensätze im Raum gesammelt und mit der (den Kindern oftmals bekannten) Kamera-App des Tablets fotografiert. Herausfordernd ist für die Jungen und Mädchen hierbei vor allem das eigenständige Halten und Bedienen der Kamera. Hilfreich ist es, wenn ein Kind das Tablet hält und das Objekt fokussiert und ein anderes Kind den Auslöser betätigt. Einige Kinder brauchen hier Unterstützung beim Halten oder Auslösen. Die Pädagogin gab in dieser Phase Hinweise zu verschiedenen Perspektiven (Frosch- und Vogelperspektive, Frontale etc.) und ermunterte die Kinder zum Testen der verschiedenen Blickwinkel. Anschließend wurden die entstandenen Fotos gemeinsam angeschaut und ggf. aussortiert und gelöscht.
Mit den gespeicherten Bildern wurde im nächsten Schritt mithilfe einer Fotocollagen-App ein Memo-Spiel erstellt. Wir verwenden hier die App "Pic Collage"
Im letzten Schritt wurden die ausgedruckten Vorlagen laminiert und zurechtgeschnitten. So entstand ein Memo-Spiel, das jedes Kind mit nach Hause nehmen konnte und mit der Familie spielen kann. Alle aus der Projektgruppe waren sehr stolz, "ihr" Memo-Spiel den anderen Kindern und Pädagoginnen zu zeigen, zu erklären und es gemeinsam zu spielen.