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Neuwahl in Israel

Redaktion

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Israel wählt am 23. März zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren ein neues Parlament. Ministerpräsident Netanjahu will erneut sein Amt verteidigen. Bestimmendes Wahlkampfthema war der Umgang mit der Corona-Epidemie.

Zur Knesset-Wahl Wahl hat Israel 15.000 Stimmlokale eingerichtet. Wie hier in Schoham, einem Ort in der Nähe des Ben-Gurion-Flughafens, kann auch unter Corona-Bedingungen die Wahl sicher durchgeführt werden. (© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Nir Alon)

Die Knesset wurde am 23. Dezember aufgelöst , nachdem sich die Regierungskoalition der konservativen Likud-Partei und der liberalen Partei Kachol Lavan („Blau-Weiß“) nicht auf einen neuen Haushalt einigen konnte. In der Koalitionsvereinbarung, die erst am 20. April 2020 unterschrieben worden war, wurde festgelegt, dass Likud-Chef Benjamin Netanjahu die ersten 18 Monate als Ministerpräsident der Regierung vorstehen sollte. Danach, so der Plan, würde der Vorsitzende von Kachol Lavan, Benny Gantz, Ministerpräsident werden. Doch dazu kam es nicht mehr.

Die nun anstehende Wahl der Knesset ist die vierte binnen zwei Jahren. Das israelische Parteiensystem ist stark zersplittert, eine Regierungsbildung schwierig.

Wie wird gewählt?

Die 120 Abgeordneten der Knesset werden in einer landesweiten reinen Verhältniswahl bestimmt: Jede wahlberechtigte Person gibt eine Stimme für eine Partei und die von dieser Partei aufgestellte Kandidatenliste ab. Es gilt eine Sperrklausel , die das Parlament im Jahr 2014 von zwei auf 3,25 Prozent angehoben hat. Darüber hinaus gibt es in Israel auch Restmandatsbündnisse: Das bei der Sitzverteilung zur Anwendung kommende Hagenbach-Bischoff-Verfahren bevorzugt große Listen. Deswegen schließen sich normalerweise politisch nahestehende Parteien und Bündnisse zusammen, um diese Restmandate abschöpfen zu können.

Wahlberechtigt ist, wer die israelische Staatsbürgerschaft besitzt und das 18. Lebensjahr vollendet hat. Kandidieren dürfen alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Alter von mindestens 21 Jahren.

Wer tritt zur Wahl an?

In den zwölf Monaten seit der Wahl im März 2020 haben sich einige Veränderungen im israelischen Parteiensystem ergeben.

Im konservativen Spektrum ist weiterhin der Likud ("Vereinigung") von Ministerpräsident Netanjahu die wichtigste Kraft, in allen Umfragen liegt sie mit 29 Sitzen weit vor allen anderen Parteien, ist allerdings deutlich schwächer als bei der letzten Wahl. Der Likud umwirbt bei dieser Wahl speziell arabische Wähler, die darüber enttäuscht sind, dass sich ihre Lebenssituation trotz parlamentarischer Vertretung durch die Vereinigte Liste nicht verbessert hat.

Erstmalig tritt die Partei Tikwa Chadascha ("Neue Hoffnung") zur Wahl an. Sie ist eine Neugründung des ehemaligen Likud-Mitglieds Gideon Sa‘ar. Sie hat Chancen, zur dritt- oder viertstärksten politischen Kraft in Israel zu werden. Programmatisch hat die Partei sehr viel Ähnlichkeit mit dem regierenden Likud. Dennoch positioniert sich Sa’ar, der in der Vergangenheit immer wieder als scharfer Kritiker einer Zwei-Staaten-Lösung mit Palästina aufgetreten ist, als Gegner von Netanyahu. Sa’ar hatte schon als Likud-Politiker in den parteiinternen Vorwahlen gegen Netanjahu kandidiert, war dort aber unterlegen.

Mit Jamina ("Nach Rechts") steht ein Parteienbündnis zur Wahl, dessen erklärtes Ziel eine Ablösung von Ministerpräsident Netanjahu ist. Unklar ist allerdings mit welchen Parteien Jamina mit Naftali Bennett eine Mehrheit gegen den Likud und Netanjahu zustande bringen könnte. Der ehemalige Verteidigungsminister greift die Regierung aus der Opposition heraus an. Jamina liegt in Umfragen mit 11 Sitzen hinter dem Likud und der „Neuen Hoffnung“ auf dem dritten Platz.

Bei der letzten Wahl gehörte noch die Tkuma-Partei zu Jamina, sie tritt diesmal unter dem Namen "Religiöse Zionistische Partei" (HaTzionut HaDatit) eigenständig an. Die Partei liegt knapp über der 3,25-Prozent-Hürde und kann mit etwa 4 Sitzen rechnen.

Israel Beitenu "Unser Zuhause Israel" mit ihrem Vorsitzenden Avigdor Lieberman gehört in der Knesset der Opposition an. Die säkulare Partei hat angekündigt keine Netanjahu-Regierung zu unterstützen. Meinungsumfragen sehen sie bei 7 Sitzen.

Kachol Lavan, ein liberales Parteienbündnis aus Chosen LeJisra’el ("Widerstandskraft für Israel") von Benny Gantz und Jesch Atid ("Es gibt eine Zukunft") von Jair Lapid, das bei der Wahl von 2020 noch zweitstärkste Kraft mit 26,6 Prozent der Stimmen wurde, ist mittlerweile zerfallen. Zur Spaltung der Knessetfraktion kam es bereits Ende März 2020, als die Absicht von Benny Gantz bekannt wurde, eine Regierung unter anfänglicher Führung von Benjamin Netanjahu zu unterstützen. Dieser Kurs wurde von Jair Lapid nicht mitgetragen.

Bei der kommenden Wahl tritt die sozialliberale Partei Jesch Atid des früheren TV-Journalisten Jair Lapid wieder mit einer eigenständigen Liste an. Umfragen zufolge könnte Jesch Atid mit etwa 20 Sitzen zur zweitstärksten Kraft werden.

Chosen Le Jisra’el, die Partei von Benny Gantz, tritt weiterhin unter dem Namen Kachol Lavan an. Es ist jedoch nicht klar, ob es Gantz – der vor einem Jahr noch als kommender Regierungschef galt – überhaupt gelingt, mit seiner Partei die 3,25-Prozent-Hürde zu überwinden. Die meisten Umfragen sehen Kachol Lavan nur knapp im Parlament.

Auch die linke Partei Meretz ("Tatkraft") kämpft um den erneuten Einzug ins Parlament. Einige der israelischen Wahlumfragen sehen die Partei unterhalb der 3,25-Prozent-Hürde. Die sozialdemokratische Partei Awoda ("Arbeit") dürfte hingegen sicher den Einzug schaffen. Sie liegt in den Umfragen bei etwa 7 Sitzen.

Von der "Gemeinsamen Liste" der arabischen Parteien hat sich die "Vereinigte Arabische Liste" abgespalten, sie ist in Israel besser unter dem Namen Ra’am bekannt. Unklar ist, ob Ra’am unter dem Vorsitzenden Mansour Abbas das Netanjahu-Lager oder die Opposition unterstützen wird. Ob Ra’am allerdings überhaupt in der Knesset vertreten sein wird, ist unsicher. Meinungsumfragen sehen die Partei an der 3,25-Prozent-Hürde. Die anderen arabischen Parteien treten weiter als "Gemeinsame Liste" an. Der Liste wird ein sicherer Einzug in das Parlament vorausgesagt, Meinungsumfragen zufolge kommt sie auf 8 oder 9 Sitze. Sie gehört dem Anti-Netanjahu-Lager an.

Auch die Religiösen Parteien Shas (Kurzform von Shomrei-Torah Sfaradim – für "Sephardische Tora-Wächter") und "Vereinigtes Thora-Judentum" (Jahadut HaTorah HaMeukhedet) treten zur Wahl an. Die Umfragen sehen beide Parteien sicher in der Knesset mit 8 (Shas) beziehungsweise 7 Sitzen (Vereinigtes Thora-Judentum). Beide Perteien waren Teil des Regierungsbündnisses.

Welche Themen spielen im Wahlkampf eine Rolle?

Seit Mai 2020 steht mit Netanjahu erstmals ein amtierender Ministerpräsident wegen des Verdachts auf Untreue und Korruption vor Gericht. Das Verfahren wird allerdings erst nach den Wahlen mit ersten Zeugenaussagen fortgeführt. Der Ministerpräsident bezeichnet den Prozess als politisch motiviert. Unterdessen gehen im Land die Proteste gegen den Politiker weiter. Auf zahlreichen Demonstrationen wird der Rücktritt des Regierungschefs gefordert.

Größere Schlagzeilen macht die Corona-Politik. Israel hat dank einer Kooperation mit dem US-amerikanischen Pharmakonzern Pfizer eine der weltweit erfolgreichsten und schnellsten Impfkampagnen gegen das Coronavirus durchgeführt. Bis Mitte März wurden bereits 60 Prozent der Bevölkerung geimpft. Ministerpräsident Netanjahus Partei, der Likud, schreibt sich diesen Erfolg zu. Er verwendete den Slogan der Impfkampagne, "Zurück zum Leben", auch als Wahlkampfmotto. Dafür wurde der Likud weithin kritisiert und musste sich sogar vor dem zentralen Wahlkomitee erklären.

Wer könnte nach der Wahl regieren?

Ähnlich wie schon bei den drei vorangegangenen Wahlen in den vergangenen zwei Jahren droht eine Patt-Situation. Weder Netanjahu und die ihm nahestehenden Parteien noch dessen Gegner dürften Umfragen zufolge die nötige Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset erreichen. Eine entscheidende Rolle dürfte auch spielen, wie hoch die Wahlbeteiligung sein wird und welche Parteien am Ende an der Sperrklausel scheitern.

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