Finanzkrisen sind keine seltene und keine neue Erscheinung. Allein zwischen 1970 und 2007 wurden 124 Bankenkrisen, 326 Währungskrisen und 64 Staatsverschuldungskrisen auf nationaler Ebene gezählt. Historisch betrachtet hängt die Anfälligkeit für Krisen nicht vom Entwicklungsstand einer Ökonomie ab. Bezogen auf die Jahre seit 1945 gibt es kaum einen Staat, der nicht mindestens einmal von einer Bankenkrise betroffen war. Spätestens seit Ende der 1990er-Jahre steht das Verhindern von Finanzkrisen auf der Tagesordnung internationaler Institutionen.
Fakten
Finanzkrisen sind keine seltene Erscheinung. Bereits vor der letzten globalen Finanzkrise wurden in einer für den Internationalen Währungsfonds (IMF – International Monetary Fund) zusammengestellten Datenbank zwischen 1970 und 2007 124 Bankenkrisen, 326 Währungskrisen und 64 Staatsverschuldungskrisen auf nationaler Ebene gezählt. Die Auflösung des Bretton-Woods-Systems 1973 und die zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte haben dabei zu einer höheren Anfälligkeit der Weltwirtschaft für Finanzkrisen beigetragen. Die weitaus meisten Finanzkrisen in den 1970er- und 1980er-Jahren haben in den ökonomisch sich entwickelnden Staaten stattgefunden, oft als Währungskrisen, in deren Verlauf feste Wechselkurse zusammenbrachen und massive Kapitalabflüsse stattfanden. Aber auch in den ökonomisch entwickelten Staaten gab es bereits vor 2007 krisenhafte Ereignisse mit erheblichen Folgen, so etwa in den 1990er-Jahren in Schweden, Norwegen und Japan.
Nicht selten dehnt sich eine Krise regional aus – so zum Beispiel in Lateinamerika in den 1970er- und 1980er-Jahren oder bei der Asienkrise 1997/98. In den Jahren vor der letzten globalen Finanzkrise, also vor 2007, gab es vergleichsweise wenige Krisen. Eine Erklärung dafür ist, dass zahlreiche Mechanismen entwickelt wurden, um Krisen abzuwehren bzw. fehlerhafte Entwicklungen zu korrigieren. Die Umgehung der Regulierungsmechanismen und das übermäßige Vertrauen in die Funktionsweise der Finanzmärkte haben allerdings zu einer umso tieferen Krise geführt.
In längerer historischer Betrachtung zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit von Krisen nicht von dem Entwicklungsstand einer Ökonomie abhängt. Werden alle Bankenkrisen zwischen 1800 und 2010 berücksichtigt, dann zeigt sich, dass diese in Nordamerika und Europa insgesamt etwas häufiger auftraten als in den ökonomisch sich entwickelnden Staaten. Auf der anderen Seite dauerten die Krisen in den ökonomisch sich entwickelnden Staaten länger, die Anzahl der krisenbeeinflussten Jahre lag also höher. Werden nur die Jahre nach 1945 betrachtet, verringern sich die Unterschiede in Bezug auf die Anzahl der Bankenkrisen nochmals; in Afrika und Asien liegt die Anzahl krisenbeeinflusster Jahre lediglich leicht über dem Durchschnitt. Bezogen auf die Jahre seit 1945 gibt es kaum einen Staat, der nicht mindestens einmal von einer Bankenkrise betroffen war. Vor der letzten globalen Finanzkrise waren dies noch Portugal, Österreich, die Niederlande und Belgien. In historischer Betrachtung gab es lediglich in den 1950er- und 1960er-Jahren eine längere Phase, in der Finanzkrisen vergleichsweise selten aufgetreten sind.
Spätestens seit Ende der 1990er-Jahre steht das Verhindern von Finanzkrisen auf der Tagesordnung internationaler Institutionen. So wurde in dem 2007 in Kraft getretenen Regelwerk Basel II – letztlich erfolglos – versucht, die Risikoübernahme von Banken systematisch zu beschränken. Aufgrund der globalen Finanzkrise, die 2007 in den USA begann, wurde über die Erhöhung der Eigenkapitalausstattung von Finanzunternehmen, die Beschränkung des Eigenhandels der Banken und das Verbot des außerbörslichen Derivatehandels diskutiert.
Auf der einen Seite erhielten Organisation wie zum Beispiel der Finanzstabilitätsrat (FSB – Financial Stability Board) ein erweitertes Mandat und auch der Mitgliederkreis hat sich erweitert. Der Rat koordiniert auf internationaler Ebene die Arbeit der nationalen Finanzaufsichtsbehörden sowie der Institutionen, die internationale Regulierungsstandards für das Finanzwesen setzen.
Auf der anderen Seite wurde das Regelwerk zur internationalen Bankenaufsicht weiter angepasst: Durch Basel III müssen Banken deutlich mehr Eigenkapital vorhalten und einen zusätzlichen Kapitalpuffer anlegen, um etwaige Verluste selbst auffangen zu können. Zudem haben sich auch die Anforderungen an das Eigenkapital erhöht.
Schließlich wurden beim Derivatehandel regulatorische Maßnahmen ergriffen: In den USA (Dodd-Frank-Act) und in Europa (EMIR – European Market Infrastructure Regulation) wurde ein verpflichtendes zentrales Clearing für den standardisierten Derivatehandel eingeführt und zudem werden von Banken für nicht zentral abgewickelte Kontrakte höhere Kapitalanforderungen verlangt. Durch diese Regelungen ging der Handel mit außerbörslich gehandelten Derivaten zwischen 2013 und 2016 von 710 auf 483 Billionen US-Dollar zurück.
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP ist gegenwärtig das wichtigste gesamtwirtschaftliche Produktionsmaß. Das reale BIP ist unabhängig von Preisveränderungen, da es zu den Preisen eines Basisjahres, also in konstanten Preisen, berechnet wird.
Finanzkrisen sind Störungen des Finanzsektors, die mit schweren Problemen bei der Versorgung mit Geld und Krediten verbunden sind. Sie können durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden: Schocks an den Wertpapiermärkten, politische Verknappung von Krediten, Druck auf Wechselkurse und Währungen, technologische Entwicklungen (durch Veränderungen der Produktions- und Investitionsstruktur), politische Ereignisse und anderes mehr. In den meisten Fällen geht den Krisen ein Boom voraus, in dem die Geld- und Kreditmenge stark steigt und die Risiken auch durch spekulative Finanzanlagen zunehmen. Wenn die Spekulationsblase platzt, kommt es zu massiven Zusammenbrüchen und/oder zu plötzlichen Kapitalabflüssen. Von deren Folgen sind auch nicht-spekulative Investoren, das ökonomische Wachstum, die Beschäftigung und der Wohlstand großer Bevölkerungsteile betroffen.
Für die Berechnung der in der Grafik dargestellten Wachstumsverluste wurde hier zunächst die Entwicklung des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Jahren vor der Krise als Trend extrapoliert (Trend-BIP). Danach wurde die Differenz zwischen den extrapolierten Werten und dem tatsächlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Jahr der Krise und den drei Folgejahren ins Verhältnis zum Trend-BIP gesetzt (jeweils reales BIP). Schließlich wurden die sich hieraus ergebenden Prozentwerte summiert. Die jeweilige Summe entspricht dem Wachstumsverlust in den einzelnen Staaten.
Das Bretton-Woods-System geht auf die Verträge der Konferenz in Bretton Woods/USA im Jahr 1944 zurück. Das wesentliche Ergebnis der Konferenz war die Schaffung eines Systems fester Wechselkurse, das nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Kraft trat.
Informationen zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 finden Sie