"Die Medienpropaganda im letzten Jahrzehnt des Bestehens der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien" herunterladen als:
Die Medienpropaganda im letzten Jahrzehnt des Bestehens der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien
/ 12 Minuten zu lesen
Zum besseren Verständnis der Tatsache, wie es zu der Verbreitung von Propaganda und Hetze in den Medien der einzelnen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawiens in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts kommen konnte, möchte ich zu Beginn einen kurzen Einblick in die Funktionsweise der jugoslawischen Medien insgesamt geben – von der Gründung des sozialistischen Jugoslawiens bis zu seinem Zerfall. Die Entwicklung des jugoslawischen Informations- und Kommunikationssystems lässt sich in mehrere Zeitabschnitte aufteilen, genau wie sich das sozialistische Jugoslawien selbst in verschiedene Perioden gliedern lässt, von denen jede bestimmte Besonderheit aufweist.
Das jugoslawische Informations- und Kommunikationsmodell hat einige Phasen durchlaufen. Der frühere Redakteur und Journalist der Sarajevoer Tageszeitung Oslobođenje, Kemal Kurspahić (2003: 6-7), unterscheidet im Zusammenhang mit der Entwicklung der jugoslawischen Medien drei Etappen: Die erste dauerte von 1945 bis 1950, die zweite von 1951 bis 1974 und die dritte von 1974 bis 1980. Im Grunde beginnt die erste nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Gründung des neuen Staates und erstreckt sich bis zum Gesetz über die Selbstverwaltung, die zweite setzt mit diesem Gesetz ein und geht bis zur letzten jugoslawischen Verfassung 1974, und die dritte schließlich beginnt mit dieser Verfassung und dauert bis zum Tod von Josip Broz Tito, Jugoslawiens Präsident auf Lebenszeit.
Ich wage es, Kurspahićs Gliederung eine vierte Phase hinzuzufügen, nämlich den Zeitraum von 1980 bis 1991 – dem Jahr also, in dem die Kriege auf dem Gebiet Jugoslawiens beginnen und seinen endgültigen Zerfall einläuten. Für den vorliegenden Beitrag ist genau dieser Zeitraum am interessantesten, vor allem die zweite Hälfte der achtziger Jahre. Die streng kontrollierten Medien, schon immer Teil des Staatsapparates und der Aufrechterhaltung einer harten kommunistischen Linie sowie der Stärkung des sozialistischen Systems dienend, wurden in den achtziger Jahren zu regelrechten Propagandaorganen, die in jedem der anderen Völker Jugoslawiens eine Bedrohung für die Existenz der eigenen Nation sahen.
Der öffentliche Raum wurde sukzessive besetzt mit zahlreichen bis dahin unerwünschten Themen, die sich mit der Geschichte der jugoslawischen Völker, den Verbrechen im Zweiten Weltkrieg usw. befassten.
Die Phasen des jugoslawischen Informations- und Kommunikationssystems
Die erste Phase kann man als Phase des administrativen Sozialismus bezeichnen: In ihr kopierten die jugoslawischen Medien das sowjetische Modell. Dies beinhaltete eine harte parteiliche Kontrolle der Medien. In Belgrad befand sich der Sitz zweier zentraler Institutionen, die für die Beobachtung der Medienarbeit zuständig waren: das Informationsministerium und die Agitprop. Beide hatten die Aufgabe, der Parteipropaganda zu folgen, die Verbreitung kommunistischer Ideologie zu unterstützen und die Massen für den Nachkriegswiederaufbau zu mobilisieren, denn Jugoslawien hatte im Zweiten Weltkrieg furchtbare menschliche Opfer und immensen Sachschaden erlitten. Wie Kurspahić (2003) weiter anführt, waren beide Institutionen für die Kontrolle der Medien zuständig, sowohl in den Teilrepubliken als auch auf regionaler und lokaler Ebene. Was die Chefredakteure angeht, wurden diese von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (später umbenannt in „Bund der Kommunisten“) gestellt; sie folgten der kommunistischen Ideologie und waren für die Inhalte zuständig, die an die Öffentlichkeit gelangten. Die jugoslawische Presseagentur Tanjug besaß das absolute Monopol auf sämtliche Informationen. In dieser Zeit war die Form der Kontrolle über die Informationsmedien in Jugoslawien fast identisch mit jener, die in der Sowjetunion praktiziert wurde.
1947 wurde das internationale Bündnis kommunistischer Parteien gegründet – das Kominform, das im Juni 1948 dann die berüchtigte Resolution gegen die Kommunistische Partei Jugoslawiens beschloss, da diese sich weigerte, den Richtlinien der Sowjetunion zu folgen. Die Resolution wurde nach diversen Unstimmigkeiten zwischen Jugoslawien und der UdSSR verkündet. Ihr Hauptziel war es, Josip Broz Tito von der Parteispitze zu entfernen und eine neue Leitung einzusetzen, die gegenüber der Sowjetunion und Stalin loyal wäre. Dadurch sollte eine klare Hierarchie innerhalb der kommunistischen Bewegung etabliert werden. Nach dem Bruch mit der UdSSR war der Zeitraum von 1948 bis 1950 eine historisch verheerende Zeit in der Geschichte Jugoslawiens – in erster Linie wegen der Eröffnung des berüchtigten Umerziehungslagers auf der Gefängnisinsel Goli otok („Titos KZ“), vorgesehen für all jene, die als Anhänger der Resolution und Stalins gebrandmarkt waren. Nun galt es, die Treue zu Tito und zur Kommunistischen Partei unter Beweis zu stellen. Jedes falsch gedeutete Wort, jede Unterstellung oder Geschichte ohne Rückendeckung konnte zum Anlass genommen werden, all jene Kommunisten zu verhaften, die man verdächtigte, sich im Konflikt zwischen der UdSSR und Jugoslawien auf die Seite Stalins und der UdSSR gestellt zu haben. Die Medien spielten dabei eine zentrale Rolle. „Seit der Verabschiedung der Resolution des Kominform in Bukarest im Juni 1948 war es die Hauptaufgabe der Journalisten, unsere Innen- und Außenpolitik vor der Propaganda der Länder des Kominform gegen Jugoslawien zu verteidigen. Auf dem ersten Kongress des Journalistenverbandes 1949 in Skopje wurde die Kominform-Kampagne gegen unser Land verurteilt, und auf der Plenarsitzung im selben Jahr die Entscheidung getroffen, dass der Journalistenverband zum Zeichen des Protests aus der Internationalen Journalistenorganisation austritt, deren Sitz in Prag ist.“ (Bjelica, 1983: 204) 1950 trat das sogenannte Selbstverwaltungsgesetz in Kraft, durch das der Staat zum Gesellschaftseigentum erklärt wurde und Arbeiterräte gegründet wurden. Durch dieses Gesetz wurde in Jugoslawien ein völlig anderes sozialistisches Modell etabliert – das der sozialistischen Selbstverwaltung. Dadurch ging das Staatseigentum formal in die Hände der Arbeiter über. In der Zeit seit seiner Verabschiedung bis zur Verkündung der letzten jugoslawischen Verfassung 1974 waren Journalisten bei ihrer Arbeit höchst vorsichtig – eine Folge der vorangegangen Ereignisse, aber auch der Tatsache, dass jede Art der „Untergrabung“ des sozialistischen Systems – und sei es durch argumentative Kritik – mit einer Strafe bewehrt war. Man muss hier betonen, dass es in Jugoslawien den berüchtigten Paragraphen 133 des Strafgesetzes gab, umgangssprachlich auch Verbaldelikt genannt. Dieser Paragraph war die Richtlinie für Journalisten bei ihrer Arbeit, was die Selbstzensur verstärkte. In ihm waren Gefängnisstrafen für all jene vorgesehen, die mit ihren Kommunikationsaktivitäten auf irgendeine Weise das Selbstverwaltungssystem Jugoslawiens untergruben; dafür drohten sechs Monate bis zu zehn Jahren Haft, abhängig von der Schwere der Straftat. Der Paragraph bestand aus vier Absätzen, von denen der erste die längste Strafe vorsah – ein bis zehn Jahre Haftstrafe.
Die letzte Verfassung Jugoslawiens trat, wie schon erwähnt, 1974 in Kraft. Die Medien wurden nun vom Kommunistenverband der jeweiligen Teilrepublik kontrolliert, was im Einklang mit der Politik des Kommunistenbundes der SFRJ stand. Die Verfassung legte fest, dass der einzige Maßstab für die Information der Öffentlichkeit Objektivität sein solle, damit die Bürger demokratische Maßstäbe entwickeln könnten, um Informationen als valide und objektiv zu bewerten. Man muss hier betonen, dass all dies auf dem Papier sehr gut aussah, sich in der Praxis aber eine etwas andere Situation bot. Die letzte jugoslawische Verfassung stärkte auch die Führungsrolle der Teilrepubliken, da sie dezentral angelegt war. Dies bedeutete, dass Jugoslawien faktisch nunmehr ein Verbund von Republiken und Provinzen war. Die bis dahin synchronisierten Medien, die der Richtung der selbstverwaltenden jugoslawischen Gesellschaft gefolgt waren, begannen nun damit, unterschiedliche Informationen zu veröffentlichen – wenn nicht sogar unterschiedliche Interpretationen dieser Informationen, was in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts dann schließlich zu bestimmten Folgen führte.
Veränderungen in den jugoslawischen Medien während der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts
Am 4. Mai 1980 trat ein, was viele lange befürchtet hatten: der Tod von Josip Broz Tito, Präsident der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien auf Lebenszeit. Nach seinem Tod verkomplizierte sich die ohnehin schon schwierige politische Situation. Die brennenden Probleme zu Beginn der achtziger Jahre standen vor allem im Zusammenhang mit der nie gelösten politischen Situation in der Provinz Kosovo und der steigenden Wirtschaftskrise in Jugoslawien. Die Demonstrationen im Kosovo im Frühling 1981 hatten bleibende Folgen für die jugoslawische Gesellschaft. Die Demonstrationen waren mononational (albanisch). Die Albaner verlangten einen gleichberechtigten Status gegenüber den anderen Völkern Jugoslawiens – sie verlangten, als konstituierendes Volk der SFRJ anerkannt zu werden. Davon, wie sehr sich die Medien bis dahin gesperrt hatten, über die Demonstrationen zu berichten, da in multinationalen Gegenden besonders auf die Art der Berichterstattung über empfindliche interethnische Themen geachtet wurde, zeugt ein Fall, der bis heute als beispielhaft angeführt wird, wenn von Medienzensur die Rede ist. Verschiedene Informationsquellen (Buljubašić 2016), von medialen bis zu wissenschaftlichen Texten, behaupten, es sei von einer wahren Begebenheit die Rede; die einen schreiben die Anekdote serbischen Kadern zu, die anderen Xhavid Nimani, dem damaligen Vorsitzenden des Präsidiums der Sozialistischen Autonomen Provinz Kosovo. Auf die Bemerkung, das Informationsembargo bezüglich des Kosovo müsse aufgehoben werden, da auch bei Reuters längst über die Geschehnisse berichtet werde, rief Nimani angeblich aus: „Stoppt Reuters!“
Schon zu dieser Zeit war klar, dass die Medien nicht mehr, wie bis dahin, streng von der Partei kontrolliert werden konnten. Unumkehrbare Veränderungen hatten bereits in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre eingesetzt. Hier muss hervorgehoben werden, dass sich die Veränderungen nicht in allen Teilrepubliken auf gleiche Weise vollzogen. Einige Journalisten nutzten die geschwächte Macht der kommunistischen Führung für eine echte Demokratisierung der Medien und eine offene Berichterstattung über gesellschaftlich wichtige Themen, etwa Kritik an kommunistischen Kadern, Vertuschung von Affären, Amtsmissbrauch oder Kritik am wachsenden Nationalismus. In Kroatien begann die Macht der Kommunisten zu schwinden, und die Medien befanden sich nun in einem Demokratisierungsprozess, der bis zum Amtsantritt von Franjo Tuđman als Präsident Kroatiens andauerte.
In Serbien allerdings wurden die Medien von Slobodan Milošević instrumentalisiert, dem damaligen Präsidenten des Zentralkomitees des SK Serbien. Er säuberte nicht nur den medialen, sondern auch den politischen Raum von praktisch allen Andersdenkenden. Die so geregelten Medien gingen auf Konfrontationskurs und erklärten jeden, der Miloševićs Vision von Jugoslawien und seiner politischen Ausrichtung nicht teilte, zum „inneren Feind“, was stets mit dem Kampf um das Überleben Jugoslawiens begründet wurde. Eine besondere Rolle dabei spielten die Journalisten von RTV Belgrad (später: RTV Serbien) und der einflussreichsten, ältesten Tageszeitung Politika. Diese Medien begannen zunächst damit, äußerst negative Inhalte über Kosovo-Albaner zu veröffentlichen, dann auch über Kroaten und Slowenen.
Der Nationalismus der serbischen Medien überraschte die bosnischen Journalisten. Sie glaubten, so negative und nationalistische Stimmen, wie sie nun aus Serbien zu vernehmen waren, könnten negative Auswirkungen auf das gemeinsame Leben in Bosnien und Herzegowina haben und als Parteiergreifung für eine Seite bezeichnet werden. Doch statt offen Kritik zu üben, beschlossen die meisten Mainstreammedien damals, zu schweigen. Ihre Kritik richtete sich vor allem gegen die slowenische Führung und die slowenische Jugend, die sich der Wehrpflicht widersetzte, insbesondere während der sogenannten Plakataffäre von 1987, als sich herausstellte, dass es sich bei der grafischen Gestaltung eines Plakats zum Jugendtag um ein überarbeitetes Naziplakat von Richard Klein von 1943 handelte.
Zwei große Affären prägten das Ende der achtziger Jahre in Bosnien und Herzegowina: die Agrokomerc-Affäre und die Neum-Affäre. Bei der einen handelte es sich um Wirtschaftsbetrug, bei der anderen um Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem Bau von Ferienhäusern für Funktionäre. All dies schwächte die kommunistische Führung, die in beide Angelegenheiten verwickelt war.
In dieser Zeit begannen in Bosnien und Herzegowina, befreit von Parteizwängen, Journalisten der Jugendpresse (konkret: der Zeitschriften Naši dani und Valter) damit, ernsthafte Ermittlungsarbeit zu leisten. Während sich die führenden Medien, vor allem TV Sarajevo und die Tageszeitung Oslobođenje, nur langsam von ihrer früheren Gewohnheit befreiten, strikt zu kontrollieren, was an die Öffentlichkeit gelangte, wiesen die Journalisten der Jugendpresse offen und kompromisslos auf sämtliche Anomalien und Verwerfungen des damaligen Systems hin.
Mit der Machtergreifung der HDZ dann (Kroatische Demokratische Union) und Franjo Tuđman wurden die Medien in Kroatien in fast gleicher Weise instrumentalisiert wie die in Serbien. Einst hochwertige und professionelle Blätter wie die Tageszeitung Vjesnik entwickelten sich bald zu Propagandazeitungen, die negative Inhalte über andere Nationen verbreiteten, und wurden zu Sprachrohren der regierenden Partei.
Die Medien in Bosnien und Herzegowina setzten den Balanceakt fort – auch, als die Kriege auf dem ehemaligen Territorium der SFRJ begannen.
Die Absichten der Redakteure und Journalisten waren ehrenwert, denn die nationale Struktur Bosnien und Herzegowinas war höchst heterogen; keines seiner Völker verfügte über eine absolute Mehrheit. Sie dachten, dass ein solcher Ansatz eine Spaltung zwischen den Völkern Bosnien und Herzegowinas verhindern würde; allerdings war die Öffentlichkeit Bosnien-Herzegowinas bereits 1990 gespalten.
Drei Faktoren trugen hierzu am meisten bei:
Der Einfluss der serbischen Medien auf die Bürger Bosniens und der Herzegowina. Mit ihrer aggressiven Propaganda verbreiteten sie Angst und Schrecken auf dem Territorium Bosniens und Herzegowinas, da sie hier sehr aufmerksam verfolgt wurden. Vor allem negative Bewertungen anderer Völker und Nationalitäten in der SFRJ und Ansprüche auf die Gebiete anderer Republiken, in denen Serben lebten, trugen zu dieser Angst bei;
Die kroatischen Medien gerieten unter die Kontrolle von Tuđman, wodurch in den Redaktionen unter den Redakteuren und Journalisten, die nicht der kroatischen Nationalität angehörten, Säuberungen in Gang gesetzt wurden. Die kroatischen Medien mit ihrer Propaganda prägten maßgeblich auch die Meinungsbildung der Bürger von Bosnien und Herzegowina;
Die Medien Bosniens und Herzegowinas reagierten mit Schweigen – das heißt, sie mischten sich nicht in die Beziehungen zwischen den beiden Republiken und in den beginnenden Nationalismus in ihnen ein. Statt inhaltlich zu reagieren, öffneten sie einen Raum zur Übermittlung von Nachrichten aus beiden Republiken, mit dem sie die uneinheitliche Berichterstattung in ihnen und die Absurdität der neu geschaffenen politischen Situation aufzeigen wollten. Auch diese Haltung trug zur Spaltung der bosnisch-herzegowinischen Öffentlichkeit bei, da sich die Bürger unter dem Ansturm der nationalistischen Propaganda nach ihrer nationalen Zugehörigkeit gruppierten.
Professionell berichtende Medien
Es muss betont werden, dass nicht alle Medien unter nationalistischen Einfluss gerieten und sich nicht alle Journalisten an der Hetze gegen Angehörige anderer Nationen beteiligten. Während etwa RТV Beograd und die Zeitung Politika, zusammen mit der Politika Ekspres und später auch dem Wochenmagazin NIN, propagandistische Inhalte publizierten, widersetzte sich die älteste jugoslawische Tageszeitung Borba (gegründet 1922) Milošević offen. Die Weigerung, ihn zu unterstützen, kostete das Blatt eine Vielzahl seiner Abonnenten. Diese redaktionelle Haltung behielt Borba auch Anfang der neunziger Jahre bei, als sie darauf bestand, über das politische Geschehen in Jugoslawien unparteiisch zu berichten. Vor allem legte man Wert darauf, immer auch „die andere Seite der Geschichte zu hören“ (mehr dazu in Thompson 1995). Diese Zeitung wurde bald darauf eingestellt. Außerdem gab es zwei Belgrader Fernsehsender mit professioneller Berichterstattung: Studio B und Radio B92.
Was Kroatien angeht, möchte ich betonen, dass die Journalisten der Tageszeitung Vjesnik sehr professionell waren, was sich erst änderte, als die HDZ an die Macht gelangte und Franjo Tuđman Präsident des Landes wurde. Alle einflussreichen kroatischen Medien wie Vjesnik, Večernji list, Slobodna Dalmacija oder Hrvatska radiotelevizija gerieten nun unter die Kontrolle der Wahlsiegerpartei. Man muss hier auf jeden Fall noch eines der hervorragenden Medien auf dem Gebiet Kroatiens erwähnen – das Wochenmagazin Danas, das sowohl professionell als auch inhaltlich analytische und investigative Ansätze verfolgte und auf diese Weise versuchte, die Situation zu beruhigen. Das Blatt wurde 1992 eingestellt. Was Widerstand angeht, nimmt das Magazin Feral Tribune aus Split eine besondere Rolle ein. Es erschien zunächst als Beilage der Slobodna Dalmacija, um dann später, als die HDZ diese Tageszeitung übernommen hatte, eine selbstständige Zeitung zu werden.
Erwähnt werden muss hier auch noch der Fernsehsender YUTEL, der den Versuch darstellte, einen professionellen Fernsehjournalismus zu etablieren; sein Chefredakteur war Goran Milić. Das Programm wurde aus Sarajevo gesendet, da der Versuch, eine der Frequenzen der Jugoslawischen Volksarmee zu bekommen, scheiterte. YUTEL war schon 1990 gegründet worden, unmittelbar vor den ersten demokratischen Wahlen in Bosnien und Herzegowina. Der Fernsehsender wurde von der Bundesregierung finanziert. Der Plan war, dass er über ein Studio und alle benötigten Kapazitäten in jedem Fernsehzentrum verfügte. In Belgrad wurde zu diesem Zweck ein Raum im Museum der Revolution gefunden, doch in den serbischen Medien häuften sich die Anschuldigungen, YUTEL würde durch den Einzug in dieses Gebäude das kulturelle Erbe Jugoslawiens schädigen, weshalb der Plan schließlich verworfen wurde. Die JNA (Jugoslawische Volksarmee) verfügte über insgesamt zwölf TV-Sendeanlagen und blickte zu Beginn positiv auf die Gründung von YUTEL. Da sie jedoch immer weniger jugoslawisch war, scheiterten schon bald alle Verhandlungen. YUTEL wurde nur in zwei Städten willkommen geheißen: Sarajevo und Skopje. Da TV Sarajevo weiter entwickelt war als Skopje, wurde YUTEL im Gebäude von RTV Sarajevo untergebracht. Ziel dieses Fernsehsenders war eine objektive und professionelle Berichterstattung statt einer einseitigen und parteiischen, um der Öffentlichkeit die Wahrheit nahezubringen. YUTEL war als gesamtjugoslawisches Medium gedacht, scheiterte aber nichtsdestotrotz. Die Öffentlichkeit in den Teilrepubliken war bereits viel zu gespalten: Schon bald gingen Kommentare ein, dieses Fernsehen richte sich gegen eines der Völker. Kurz darauf wurde es in fast allen Teilrepubliken und Provinzen eingestellt. YUTEL erhielt auch keine Unterstützung unter den nationalen Gruppierungen in Bosnien und Herzegowina, weshalb jeder Versuch einer unparteiischen Berichterstattung oder einer Darstellung verschiedener Sichtweisen einer Geschichte von den Führungsspitzen der nationalen Parteien als Angriff auf „ihr“ Volk gedeutet wurde. Der Fernsehsender beendete seine Tätigkeit schließlich im Mai 1992, als der Krieg in Bosnien und Herzegowina vollends aufflammte.
Leider waren alle Bemühungen professioneller Journalisten, ihre Arbeit korrekt und objektiv zu erledigen, nicht ausreichend, um der nationalistischen Maschinerie wirksam entgegenzutreten. Diese Medien und Inhalte wurden an den Rand gedrängt, hatten eine begrenzte Reichweite und waren machtlos gegenüber den weitaus mächtigeren Mainstream-Medien, die dazu beitrugen, andere nationale Gruppen aufzuhetzen. Es ist auch erwähnenswert, dass während des Krieges nur wenige Journalisten ihre Arbeit wirklich objektiv verrichteten. Ihre Namen und ihre Arbeit werden nach wie vor als ehrenvolle Beispiele für den Journalismus angesehen.
Aus dem Bosnischen von Dr. Elvira Veselinović
Lektorat und Korrekturlesen: Jonas-Philipp Dallmann.
Weitere Inhalte
Dr. Belma Buljubašić ist außerordentliche Professorin am Fachbereich Kommunikation/Journalismus an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Sarajevo.
Ihre Meinung zählt: Wie nutzen und beurteilen Sie die Angebote der bpb? Das Marktforschungsinstitut Info GmbH führt im Auftrag der bpb eine Umfrage zur Qualität unserer Produkte durch – natürlich vollkommen anonym (Befragungsdauer ca. 20-25 Minuten).
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!