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Der Rock 'n' Roll und das Antikriegs-Engagement während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien von 1991-1995 | Reihen | bpb.de

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Der Rock 'n' Roll und das Antikriegs-Engagement während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien von 1991-1995

Nemanja Stokrp

/ 10 Minuten zu lesen

Ein Rockkonzert mit 80.000 Zuschauenden am 28. Juli 1991 markiert den Höhepunkt der Friedensbewegung, bevor in Jugoslawien der Krieg ausbricht.

Als musikalisches Genre und Teil der Jugendkultur war es der Rock 'n' Roll, der zu Zeiten des auseinanderfallenden Jugoslawiens die Ablehnung eines Teils der Bevölkerung gegen die Kriegspolitik vermittelte. Nicht alle Rockmusiker in diesen Breitengraden vertraten eine Antikriegshaltung – einige gaben unter dem Druck des Nationalismus auf, andere wanderten aus und hielten sich aus dem Konflikt heraus, indem sie ihre Karriere außerhalb Jugoslawiens fortsetzten, wieder andere hörten ganz auf, aktiv Musik zu machen. Diejenigen, die innerhalb der Grenzen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) blieben und sich gegen den Krieg engagierten, kooperierten mit Antikriegsorganisationen – unter anderem, indem sie Friedenskonzerte veranstalteten.

Zitat

Obwohl er den Krieg nicht stoppen konnte, blieb der Rock 'n' Roll ein Wiedererkennungszeichen und somit eine wichtige Kommunikationsform, trotz plötzlich neu gezogener Grenzen.

Bereits Ende der 1980er Jahre, als die Spannungen zwischen den jugoslawischen Republiken zunahmen, wiesen Rock-Autoren auf die politische Instabilität hin, deuteten die Möglichkeit eines Krieges an und warnten zugleich auch vor ihr. Nach den Demonstrationen der Opposition gegen Slobodan Milošević in Belgrad am 9. März 1991, also am Vorabend des Krieges, sangen die versammelten Studenten das Antikriegslied »Give Peace a Chance«. Zur gleichen Zeit sendete das engagierte Belgrader Radio B-92 politisch bewegten Punk und New Wave. Rock 'n' Roll war schon damals die musikalische Basis der Antikriegsbewegung.

Der Kriegsausbruch in Slowenien Ende Juni 1991 dann, gefolgt von der Eskalation lokaler serbisch-kroatischer Konflikte, verstärkte die Aktivitäten zahlreicher Antikriegsorganisationen und politischer Gruppen mit projugoslawischer Ausrichtung. Nach dem relativ kurzen sogenannten Zehn-Tage-Krieg in Slowenien war es das Ziel der Antikriegskundgebungen, den Konflikt in Kroatien zu beenden und ein Übergreifen des Konflikts auf Bosnien zu verhindern. Aus diesem Anlass fand am 28. Juli 1991 in Sarajevo das JUTEL-Konzert »Za mir« [»Für den Frieden«] statt, an dem mehrere zehntausend Menschen teilnahmen, die sich der Kriegspolitik widersetzten. Zentrales Ereignis war ein Konzert der bekanntesten Rockbands aus den damals vom Krieg nicht betroffenen Gegenden. Es war eine wahre Friedenskundgebung, bei der Appelle zur Beendigung des Krieges, Botschaften von Künstlern, Gewerkschaftsvertretern und Sportlern zu hören waren. Dieses Konzert vereinte Rockmusiker, Antikriegsorganisationen und unabhängige Medien in Antikriegsaktionen und legte das Muster für zukünftige ähnliche Konzerte.

Das nächste große Antikriegs-Rockkonzert, das am letzten Augusttag 1991 in der Nähe von Kragujevac stattfand, »Umetnici za mir« hieß [»Künstler für den Frieden«] und dem von JUTEL ähnelte, verband ebenfalls Rockbands und Künstler. Dort trat auch die Band Atomsko sklonište aus Pula auf, obwohl sich Kroatien bereits im Krieg befand. Parallel dazu fand in Zaječar die »Gitarijada« statt, eines der größten Rockfestivals der ehemaligen SFRJ, das in diesem Jahr ebenfalls Antikriegscharakter hatte. In der Zwischenzeit wurden Friedenskonzerte in der Arena von Pula, in Portorož und Zagreb abgehalten. Ähnliche Veranstaltungen setzten sich im Herbst fort: So fand im Oktober in Ljubljana ein Friedens-Rockfestival statt, bei dem Bands aus Kroatien und Slowenien auftraten.

Als Reaktion auf den Kriegsausbruch in Bosnien im April 1992 und den anschließenden Beschuss von Sarajevo wurde in Belgrad das Friedenskonzert »Ne računajte na nas« [»Zählt nicht auf uns«] organisiert. Dort sang auch die für ihr Antikriegsengagement bekannte Band Rimtutituki . Dieses Konzert war der Auftakt zahlreicher Antikriegsveranstaltungen, die in den folgenden Monaten in Belgrad stattfanden. In Sarajevo gründeten Rockmusiker die »Rokenrol asocijacija« und nahmen das Antikriegslied »Help Bosnia Now« auf, für das ein Musikvideo in der abgebrannten Zetra-Halle produziert wurde, in der noch vor wenigen Monaten das Friedenskonzert von JUTEL stattgefunden hatte.

Während des Krieges waren gemeinsame Auftritte von Rock 'n' Roll-Bands aus der ehemaligen SFRJ nur im Ausland oder – nach dessen Unabhängigkeit – in Slowenien möglich. Die Belgrader Band Partibrejkers tourte 1992 durch Slowenien und trat mit KUD Idi(j)oti aus Pula auf. Zuvor hatte der montenegrinische Rockmusiker Rambo Amadeus in Slowenien getourt und dort kroatische Musiker getroffen, die dort aufgetreten waren. Momčilo Bajagić Bajaga trat auch in Slowenien auf und sagte, dass er auch in Kroatien spielen möchte. Die größte Aufmerksamkeit jedoch erregte das Konzert des Singer-Songwriters Đorđe Balašević in Ljubljana Mitte November 1994. Zu Beginn des Krieges war Balašević aus seiner Heimatstadt Novi Sad geflüchtet, um der Mobilisierung zu entgehen , und hatte in der Zwischenzeit das nationalistische Regime von Slobodan Milošević und den Krieg kritisiert, ohne seine Trauer über den Zusammenbruch des Staates zu verhehlen. Mazedonien war auch Treffpunkt zahlreicher Rockmusiker aus dem ehemaligen Jugoslawien. Slowenien und Mazedonien waren eigentlich eine Art neutraler Boden, und allein die Tatsache, dass Bands aus Republiken, die sich im Krieg miteinander befanden, dort zusammen auftraten, vermittelte bereits eine Antikriegsbotschaft.

Mit der Zunahme der Emigration aus dem (post-)jugoslawischen Raum fanden vor allem ab Mitte 1993 auch im Ausland Antikriegsdemonstrationen statt. Eine solche Veranstaltung war etwa »Music, War & Radio«, die im Juli 1993 in Amsterdam stattfand, als niederländische Bands engagierte Lieder jugoslawischer Bands aufführten, mit dem Ziel, unabhängigen Medien auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawien zu helfen. Im selben Monat fand in Manchester unter der Schirmherrschaft von UNICEF eine Live-Aid-Aktion statt, um Sarajevo zu helfen. Die bereits erwähnte Band Rimtutituki trat im Sommer 1992 zweimal in Wien auf, um vor 70.000 Menschen für ihre Friedensinitiative zu werben , und im September 1993 gaben sie Konzerte in Prag und Berlin. Die Initiative für das Konzert mit dem Titel »Ko to tamo pjeva?« [»Wer singt denn da?«] entstand aus der Kooperation mit der Kulturbrauerei. Ziel der Konzerte war es, zu zeigen, dass Musiker aus Kroatien, Bosnien und Serbien vereint gegen den Krieg sind. Die Tourneen beschränkten sich nicht nur auf Auftritte; die Musiker waren auch zu Gast bei Radiosendern und verbreiteten Friedensbotschaften.

Eine andere Art des Antikriegsengagements von Rockmusikern bezog sich eher auf Einzelinitiativen. Rockmusiker widersetzten sich der Mobilisierung, schrieben Antikriegslieder oder Lieder über den Krieg, die explizit Antikriegscharakter hatten. Für eine Vielzahl von Bands war der Krieg Thema ihrer Songs oder ganzer Alben. Das Album der Belgrader Band Električni orgazam aus dem Jahr 1992 etwa hieß »Seks, droga, nasilje i strah / Balkan horor rok« [»Sex, Drogen, Gewalt und Angst / Balkan Horror Rock«]. 1994 veröffentlichte die stets engagierte slowenische Band Laibach das Album NATO, das Coverversionen weltberühmter Kriegslieder enthielt.

Zahlreiche Rockmusiker sprachen sich in den Medien offen gegen den Krieg aus. Einige nutzten den medialen Raum des nationalen Fernsehens wie etwa Milan Mladenović, der Frontmann von Ekatarina Velika, während des Festivals »Beogradsko proleće 92« [»Belgrader Frühling 92«], als er in einer Livesendung um eine Schweigeminute für die Opfer des Krieges bat , oder Rambo Amadeus, der das Programm einer der Darstellerinnen auf demselben Festival performativ unterbrach und dann das Regime verfluchte, weil es den Wählern Unterhaltung biete, »während Bomben auf Dubrovnik und Tuzla fallen.« Aufgrund der Belagerung der Stadt beschränkte sich das Antikriegsengagement von Künstlern in Sarajevo mehr auf persönliche Initiativen und enthielt weniger organisierte Antikriegsaktionen. Gegenseitige Kontakte, der Besuch von Konzerten der alternativen Szene trotz ständiger Lebensgefahr und das bloße Musizieren bildeten die eigentliche Essenz der Antikriegsaktivitäten der Musiker Sarajevos. Für viele junge Einwohner von Sarajevo war das denkwürdigste Rock 'n' Roll-Ereignis während des Krieges Bruce Dickinsons Auftritt im Bosnischen Kulturzentrum im Dezember 1994, unter organisatorischer Hilfe von UNPROFOR und unterstützt durch Vorbands aus Sarajevo. Joan Baez, die legendäre amerikanische Sängerin, seit den 1960er Jahren bekannt für ihren Antikriegs-Aktivismus, trat im April 1993 ebenfalls in Sarajevo auf.

Die Antikriegsaktivitäten bestimmter Rockmusiker stießen bei den nationalistischen Regimes nicht auf Sympathie. Die Behörden in Belgrad und die staatlichen Medien blickten keineswegs freundlich auf die Antikriegsbewegung, die mit Oppositionsparteien, unabhängigen Medien und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeitete. Bekannt ist der Fall einer Redakteurin von Radio Belgrad, Anica Nonveja, die entlassen wurde, nachdem sie das umstrittene Lied »E, moj druže beogradski« des kroatischen Autors Jura Stublić gespielt und es vor allem explizit als Antikriegsbotschaft gedeutet hatte. Es sind Fälle bekannt, in denen „ethnisch reine“ („etnički čiste“) Musiksammlungen ohne Autoren aus Kroatien oder Bosnien erstellt wurden, sogar bei lokalen Radiosendern. Auch Radio Zid aus Sarajevo verspürte den Druck der Behörden – insbesondere, als die Regierung Mitte 1994 allen Radiosendern die Ausstrahlung von Musik aus »Aggressorländern« untersagte, was Radio Zid ignorierte, woraufhin einigen Redakteuren die Arbeitserlaubnis entzogen wurde.

Nach der Herausbildung einer einzigartigen Mainstream-Musikproduktion in Kroatien entstand auch eine große Anzahl patriotischer Pop- und Rocksongs, die patriotisches und humanitäres Engagement vereinten. Dies galt insbesondere für »Stop the War in Croatia«, einen Anti-Kriegs-Track im typischen Band-Aid-Pop-Rock-Format, und für den Song »Moja domovina« [»Meine Heimat«] der kroatischen Band Aid. Mit anderen Worten: Das patriotische Antikriegsengagement befürwortete zwar einen Waffenstillstand, aber unter der Bedingung der Unabhängigkeit Kroatiens. Andererseits gab es Bedenken hinsichtlich der „Reinheit“ der Musiksendungen, sodass keine Zusammenarbeit mit Musikern aus einem Land möglich war, mit dem sich Kroatien im Krieg befand, selbst wenn es sich um Bands handelte, die an Antikriegsaktivitäten beteiligt waren, wie etwa Rimtutituki, die aus serbischen Musikern bestand. Öffentlicher Druck und Verurteilung hinderten Bands wie KUD Idi(j)oti aus Pula jedoch nicht daran, für Toleranz einzutreten und das Tuđman-Regime zu kritisieren oder Let 3 aus Rijeka daran, in Mazedonien aufzutreten, wo auch serbische Bands spielten.

Darko Rundek, am besten bekannt als Kopf der ehemaligen Zagreber New-Wave-Band Haustor, verbrachte während des Krieges einige Zeit bei Radio Brod, einem Medienprojekt jugoslawischer Journalisten-Emigranten und französischer humanitärer Organisationen, dessen Ziel es war, objektive Informationen bereitzustellen und einen Beitrag zur Herstellung des Friedens zu leisten. Branimir Johnny Štulić, der Frontmann der Kult-New-Wave-Band Azra aus Zagreb, der während des Krieges in Holland lebte, wo er sich noch heute aufhält, sprach sich am Vorabend des Krieges ebenfalls gegen den Nationalismus aus und lehnte später mehrfach das Angebot einer hohen Gage für einen Comeback-Auftritt ab, indem er erklärte, er wolle kein »Geld, das möglicherweise blutig ist.«

Antikriegsaktivitäten im Rock 'n' Roll reichten jedoch viel weiter als „nur“ die Veröffentlichung von Musik; sie beinhalteten auch die Zusammenarbeit mit Antikriegsorganisationen und die Achtung religiöser, nationaler und anderer Unterschiede, indem sie die „ewige Opposition“ der Rock-Subkultur gegenüber der offiziellen Politik betonten. Dabei korrelierte das Antikriegsengagement von Rockmusikern oft zeitlich direkt mit den Kriegsereignissen. Die ersten beiden Kriegsjahre waren vor allem geprägt von Aktivitäten auf jugoslawischem Gebiet, insbesondere 1992, als der Konflikt in Bosnien eskalierte. Seit 1993 dann waren verstärkt Antikriegskampagnen unter Beteiligung von Rockmusikern im Ausland zu beobachten. Diese wiederum standen im Zusammenhang mit dem Handeln der internationalen Gemeinschaft, das schließlich zur Beendigung der Konflikte in Kroatien und Bosnien 1995 beitrug.

Aus dem Kroatischen von Elvira Veselinović.

Quellen / Literatur

Quellen:

Zeitschriften Feral Tribune, TV Novosti (kyrillisch), Vreme.

Musikmagazine: Novi RITAM , Vreme zabave, YU rock magazin.

Audiovisuelle Quellen: »Beogradsko proleće 92«, JUTEL-Konzert »Za mir«, Konzert »Umetnici za mir«, Auftritt von John Baez in Sarajevo am 14. April 1993.

Dokumentarfilme: Scream for me Sarajevo (2016), Regie: Tarik Hodžić.

Mündliche Überlieferung: Interview mit Petar Janjatović, 09.02.2021.

Bibliographie:

Baker, Catherine, Zvuci granice: popularna muzika, rat i nacionalizam u Hrvatskoj posle 1991, [Original: Sounds of the Borderland Popular Music, War and Nationalism in Croatia since 1991; Routledge] Belgrad 2011.

Ivačković, Ivan, Kako smo propevali: Jugoslavija i njena muzika, Belgrad 2013.

Perković, Ante, Sedma republika: pop kultura u Yu raspadu, Belgrad-Zagreb 2011.

Ramet, Sabrina Petra, »Shake, Rattle, and Self-Management: Making the Scene in Yugoslavia«, in: Rocking the State: Rock Music and Politics in Eastern Europe and Russia, (Hrsg. Sabrina Petra Ramet), New York 1994, S. 103–131.

Stanimirović, Ivan, Jugosloven K.: hronika odustajanja 1990-1992, Belgrad 2020.

Šušak, Bojana, »Alternativa ratu«, u: Srpska strana rata: trauma i katarza u istorijskom pamćenju (Hrsg. N. Popov), Belgrad 1996, S. 531–557.

Žikić, Aleksandar, Mesto u mećavi: Priča o Milanu Mladenoviću, Belgrad 2014.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vielleicht populärste jugoslawische Rockband Bijelo Dugme hatte auf ihrem Album von 1988 eine Zeile »Wenn morgen der Krieg ausbricht« und warnte vor dem wachsenden Nationalismus der Serben und Kroaten, vgl. Ivan Ivačković, Kako smo propevali: Jugoslavija i njena muzika, Belgrad 2013, S. 386 f.

  2. Milan Milošević, Njihova lekcija [»Ihre Lektion«], Vreme, Nr. 21, 18.03.1991, S. 6.

  3. Dragan Ambrozić, »B-92 uzvraća udarac!« [»B-92 schlägt zurück«], Novi RITAM, Nr. 6/7/8 , März/April/Mai 1991, S. 21.

  4. JUTEL (YUTEL) war eine von 1990 bis 1992 von TV Sarajevo ausgestrahlte Informationssendung, die das Ziel hatte, objektiv über aktuelle Ereignisse zu berichten und die Einheit der SFRJ zu bewahren.

  5. Slobodanka Ast, »Dajmo šansu miru« [»Geben wir dem Frieden eine Chance«], Vreme, Heft 41, 05.08.1991, S. 33-35.

  6. Es traten auf: Ekatarina Velika, Momčilo Bajagić mit Žika Milenković (Belgrad); Crvena jabuka, Plavi orkestar, Merlin, Indexi, Dr. Nele Karajlić als Frontmann von Zabranjeno pušenje (Sarajevo) und Goran Bregović, Band-Leader der damals schon ehemaligen Band Bijelo Dugme (Weißer Knopf), mit Haris Džinović und andere.

  7. Aufzeichnung des JUTEL-Konzerts »Za mir«, URL: Externer Link: https://youtu.be/WE33hLdG_RI, zuletzt abgerufen am 20.03.2023.

  8. Aufzeichnung des »Umetnici za mir«-Konzerts, URL: Externer Link: https://www.youtube.com/user/ScenaDOO/videos, zuletzt abgerufen am 20.03.2021.

  9. Sabrina Petra Ramet, „Shake, Rattle, and Self-Management: Making the Scene in Yugoslavia“, in: Rocking the State: Rock Music and Politics in Eastern Europe and Russia (Hrsg. Sabrina Petra Ramet), New York 1994, S. 125.

  10. »Ne računajte na nas«, Vreme, Heft 79, 27.04.1992, S. 18 f.

  11. Rimututituki war eine Supergroup, die sich aus Mitgliedern dreier Belgrader New-Wave-Bands zusammensetzte: Električni Orgazm, Ekatarina Velika und Partibrejkers. Die Band war vor allem für ihre Antimobilisierungs-Single »Slušaj ’vamo« [»Hör mal her«] bekannt, die dadurch beworben wurde, dass die Musiker auf einem LKW spielten, der durch die zentralen Straßen von Belgrad fuhr: P. L. »Ispod šlema mozga nema« [»Kein Hirn unterm Helm«], Vreme, Nr. 73, 16,03.1992, S. 60.

  12. Bojana Šušak, »Alternativa ratu«, in: Srpska strana rata: trauma i katarza u istorijskom pamćenju [Serbische Seite des Krieges: Trauma und Katharsis im historischen Gedächtnis] (Hrsg. N. Popov), Belgrad 1996, S. 546-548.

  13. Scream for me Sarajevo (2016), Regie: Tarik Hodžić.

  14. Zoran Kostić, »Bonovi sa petokrakom«, Vreme, Heft Nr. 109, 23.11.1992, S. 72 f.

  15. Rambo Amadeus, »Rambo u Sloveniji«, Vreme, Heft Nr. 76, 06.04.1992, S. 32 f.

  16. Vreme, Nr. 89, 06.07.1992, S. 39.

  17. Svetlana Slapšak, »Prelomna tačka« [»Wendepunkt«], Vreme zabave, Nr. 13, Dezember 1994, S. 62 f.

  18. Vreme, Heft 57, 25.11.1991, S. 38.

  19. Catherine Baker, Zvuci granice: popularna muzika, rat i nacionalizam u Hrvatskoj posle 1991, Belgrad 2011, S. 125.

  20. Interview mit Petar Janjatović, Belgrad, 09.02.2021.

  21. Petar Luković, »Politički rock'n'roll«, Vreme zabave, Heft 13, 19.07.1993, S. 27.

  22. Nada Čalovska, »Bitka za Sarajevo«, Vreme, Heft 144, 26.07.1993, S. 52 f.

  23. Aleksandar Žikić, Mesto u mećavi: priča o Milanu Mladenoviću, Belgrad 2014, S. 224-226.

  24. Petar Janjatović, »Ko to tamo pjeva?«, Vreme, Heft 150, 13.09.1993, S. 58-59.

  25. Das NATO-Album enthielt Tracks wie »War« (The Temptations), »In the Army Now« (Status Quo), »The Dogs of War« (Pink Floyd) oder »Final Countdown« (Europe).

  26. Aufzeichnung des Konzerts »Beogradsko proleće 92«, URL: Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=04vf3d00ZUc&ab_channel=EXYUARHIV, zuletzt abgerufen am 21.03.2021.

  27. Zorica Konić, »Ajd da se branimo dobrotom« [»Verteidigen wir uns doch mit Güte«], TV Novosti, Nr. 1433, 10.06.1992, S. 8.

  28. Scream for me Sarajevo (2016), Regie: Hodžić.

  29. Auftritt von John Baez in Sarajevo am 14.04.1993, URL: Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=fxKRQR5m3tY&ab_channel=BozenaLoncaric, zuletzt abgerufen am 02.04.2023.

  30. Es handelt sich um ein Lied, das einerseits pazifistisch interpretiert werden könnte, da der Autor die vom Krieg zerstörte kroatisch-serbische Freundschaft bedauert, andererseits war der Rest von Stublićs Material (u. a. deutlich ausgeprägte patriotische Symbole) sowie der Liedtext, in dem der Kroate schließlich den Serben tötet, äußerst problematisch für die nationalistisch orientierten Strukturen in Belgrad.

  31. »Nalaz«, Vreme, Nr. 96, 24.08.1992, S. 21.

  32. Ivan Stanimirović, Jugosloven K.: Chronika odustajanja 1990-1992 [Der Jugoslawe K., Chronik des Aufgebens 1990-1992«], Belgrad 2020, S. 181 f.

  33. M. Vasić, »Glavom u Radio Zid« [»Mit dem Kopf durch Radio Zid (‘Wand’)«], Vreme, Nr. 222, 23.01.1995, S. 23.

  34. Ante Perković, Sedma republika: pop kultura u Yu raspadu, Belgrad-Zagreb, 2011, S. 66.

  35. Bejker, Zvuci granice, S. 27-31.

  36. Ebd., S. 121-123.

  37. Ivačković, Kako smo propevali, S. 416.

  38. Petar Janjatović, »Jači od kerozina« [»Stärker als Kerosin«], Vreme zabave, Nr. 8, Juli 1994, S. 60-63.

  39. Milivoj Đilas, »Domoljublje je lopovluk« [»Patriotismus ist Diebstahl«], Feral Tribune, Nr. 529, 06.11.1995, S. 26 f.

  40. »Do kraja stoljeća neće biti ni Hrvata ni Srba« [»Bis zum Ende des Jahrhunderts wird es weder Kroaten noch Serben geben«], YU rock magazin, Nr. 24-25, Mai 1995, S. 8 f.

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Nemanja Stokrp – ist Historiker aus Pula, Kroatien und befasst sich zumeist mit Sozial- und Kulturgeschichte, vor allem mit Popkultur und Rock ’n’ Roll.