Mit dem Format der Tiny Concerts & Talks stellen die eingeladenen Bands in der intimen Atmosphäre der bpb-Medienzentren in Bonn und Berlin ihre Musik vor. Den Auftakt machte am 30. März 2023 der serbische Rapper
Dem bekannten Autor, Performer, Radiomoderator und vor allem einem der wichtigsten Kenner der (post-)jugoslawischen Musikszene in Deutschland, Danko Rabrenović, standen die Künstlerinnen und Künstler zudem Rede und Antwort über ihre Arbeit, die gesellschaftliche Bedeutung von Musik in (Post-)Jugoslawien und ihre persönliche Beziehung zu Politik. Von Rabrenović stammt auch das Motto der Konzertreihe über Musik und Widerstand in (Post-)Jugoslawien: RegionALLE.
Was ist RegionALLE?
Der postjugoslawische Raum wird von den Ländern, die aus dem zerfallenen Jugoslawien hervorgegangen sind, üblicherweise "Regija" (Region) benannt. Oft wird der Begriff sogar großgeschrieben, als würde es sich um einen Eigennamen handeln. Und tatsächlich gibt es auf den ersten Blick Argumente, die dafürsprechen, diese Länder mit ihren 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern als Region zu betrachten. So gibt es nicht nur mannigfaltige politische und ökonomische Austauschbeziehungen. Auch die (pop-)kulturellen Öffentlichkeiten der postjugoslawischen Gesellschaften überlappen sich vielfach. Der Journalist Tim Judah hat dieses Phänomen in seinem 2009 erschienen Artikel für den britischen Economist als "Jugosphäre" bezeichnet. Dabei trägt natürlich auch die gemeinsame Sprache, die in Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro gesprochen und von vielen Menschen in Slowenien, Kosovo und Nordmazedonien verstanden wird, zur gemeinsamen Identität bei.
Paradoxerweise gehören zu den geteilten Merkmalen der betreffenden Länder aktuell auch wieder Strömungen, welche das friedliche Zusammenleben in der Jugosphäre aufs Spiel setzen: nationalistischen Eliten gelingt es zunehmend autoritäre Denkmuster und Ideologien zu verbreiten. Die Aufbruchsstimmung, welche Anfang des Jahrtausends durch die Perspektive auf einen EU Beitritt beflügelt wurde, erhielt durch die schwache Wirtschaft einen Dämpfer und die Eingrenzung oppositioneller Bewegungen verlagert den kritischen Diskurs der aktuellen politischen Verhältnisse ins Private. Die Konzertreihe RegionALLE widmet sich den historischen, gesellschaftlichen und politischen Besonderheiten dieses geografischen Raums und betrachtet dabei auch die Musik als Sprache, die ALLE – auch über die Grenzen der Jugosphäre hinaus – verstehen.
Aufgrund des gemeinsamen Sprachraums sind Musiker:innen und Bands oft über die Landesgrenzen hinweg bekannt. In vielen Fällen sind die Texte für die Fans wichtiger als die Melodien selbst und werden als Ausdruck und Kritik eines nach wie vor wachsamen Teils der Gesellschaft verstanden. Mit welchen Themen sich die aktuellen "Propheten" der Musikszene in den jugoslawischen Nachfolgestaaten auseinandersetzen, was wir aus der Vergangenheit nicht verlernen dürfen und welche länderübergreifende politische Kraft Musik tragen kann: darum geht es bei "RegionALLE".
Musik als Spiegel der gesellschaftlichen Stimmung – damals & heute
Auch im (post-)jugoslawischen Raum spiegeln sich die komplexen Beziehungen zwischen politischer Macht, Gesellschaft und Kultur in der Musik wieder. Im Spätsozialismus der 1980er Jahre agierte die regionale Rockszene oft als progressive Kraft und konnte überwiegend zwischen systemfeindlichen und antijugoslawischen Positionen unterscheiden. Ihre Stimme gegen die aufkommende Gewalt, den Nationalismus und den Krieg war 1991, kurz vor dem Ausbruch des Krieges, am lautesten. Am 28. Juli 1991 spielten die wichtigsten Musiker*innen Jugoslawiens auf der Bühne der Zetra-Halle in Sarajevo ein gemeinsames Konzert. Das politische Klima in Jugoslawien war zu dieser Zeit schon vergiftet, in Kroatien gab es erste Kämpfe. 30.000 tanzten in der Halle, 50.000 davor. Das Konzert wurde im Fernsehen übertragen. Musiker*innen, Redner*innen, Besucher*innen - alle waren überzeugt: Dieser Abend bringt den Frieden zurück. Der Krieg konnte nicht gestoppt werden, die Musik blieb aber auch nicht stumm, bis heute.
- Interner Link: Wie der Jazz und der Rock Jugoslawien veränderten
- Interner Link: Musik als Protest
- Interner Link: Der Rock‘n’Roll und das Antikriegs-Engagement während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien von 1991 – 1995
- Interner Link: Musik und/oder Politik
- Interner Link: Die Medienpropaganda im letzten Jahrzehnt des Bestehens der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien
- Interner Link: Die letzte jugoslawische Generation
Aufgrund des gemeinsamen Sprachraums sind Musiker:innen und Bands oft über die Landesgrenzen hinweg bekannt. In vielen Fällen sind die Texte für die Fans wichtiger als die Melodien selbst und werden als Ausdruck und Kritik eines nach wie vor wachsamen Teils der Gesellschaft verstanden. Mit welchen Themen sich die aktuellen "Propheten" der Musikszene in den jugoslawischen Nachfolgestaaten auseinandersetzen, was wir aus der Vergangenheit nicht verlernen dürfen und welche länderübergreifende politische Kraft Musik tragen kann: darum geht es bei "RegionALLE".