Die Fortbildungsreihe breit aufgestellt – Fortbildung zur Prävention von Ungleichwertigkeitsvorstellungen wurde in ihrem fünften Durchgang 2017 von mir evaluiert. Der folgende Beitrag benennt Ergebnisse der Evaluation und verdeutlicht Good Practices ebenso wie Dilemmata, Spannungsfelder und Herausforderungen eines rechtsextremismuspräventiven und intersektional-diskriminierungskritischen Fortbildungsprojekts. Ziel ist, Bildungsreferierenden und Förderinstitutionen zu sensibilisieren, konkrete Tipps für ähnliche Projekte an die Hand zu geben und den ein oder anderen Lifehack (Kniff) zu vermitteln.
Ansprüche der Reihe und Spannungsfelder
Anspruch der Fortbildung war es, Multiplikator:innen auf den Ebenen Theorie, Selbstreflexion und Praxis zu qualifizieren. Auf Grundlage der Konzepte Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) und Intersektionalität soll dies mit einem Fokus auf der gesellschaftlichen Mitte rechtsextremismuspräventiv wirken. Die Aufteilung der Module orientiert sich an einigen in GMF definierten Ideologieelementen wie bspw. Antiziganismus oder Sexismus, die intersektional verknüpft gedacht und vermittelt werden sollen. All das steht unter dem Fokus der Handlungsfähigkeit in häufig herausfordernden Situationen der je individuellen Lebens- und Arbeitsrealitäten. Die Fortbildungsreihe fächert dies auf in Praxisprojekte der Teilnehmenden, Netzwerkbildung, einen allgemeinen Praxistransfer und die Multiplikation des erworbenen Wissens und Könnens für sekundäre Zielgruppen.
Ein weiterer Fokus ist der der Heterogenität, die sich auf der Ebene der Lehrenden, der Lernenden und auf den Ebenen von Inhalten, Haltung und Methodik widerspiegeln soll.
Die Fortbildungsreihe macht demzufolge sehr große Spannungsfelder auf, deren hauptlimitierender Faktor Zeit ist.
Lernprozesse
Die Fortbildungsreihe qualifiziert auf einem sehr hohen Niveau und stärkt Kompetenzen. Die insgesamt sehr vielen positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache und verweisen darauf, dass es im Rahmen der Fortbildung gelungen ist, komplexe Themen nah an den konkreten Biografien der Teilnehmenden zu erschließen und dabei zielgruppenadäquat heterogene Zugänge zum Themenfeld einzubinden. Beobachtete und in Interviews mit Teilnehmenden herauskristallisierte Good-Practice-Beispiele der Teamenden waren u. a.:
Klare Anleitung
Wahrnehmen von Bedürfnissen und Stimmungen der Gruppe und einzelner Teilnehmender
Aktives Aufgreifen von Fragen
Lernen am Modell ermöglicht / eigene Lernwege transparent gemacht
Klärung persönlicher Ziele und Motivlagen der Teilnehmenden
Methodenvielfalt, u. a. Kleingruppenarbeit und Arbeit mit Videos
Ansprechen verschiedener Sinne, somatisches und emotionales Lernen
Vermittlung von Methodenkompetenz und Methodenauswertung nach Durchführung der Methode
Analyse subtiler diskriminierender Codes und vertiefende theoretische und historische Einordnung
Einrichtung eines Büchertischs und Vorstellung der relevanten Literatur
Abschließende Zusammenfassung des Fortbildungstags und ausreichend Zeit für Notizen im Lerntagebuch
Wissen – Haltung – Methodik
Den Teilnehmenden wird zu Beginn der Fortbildungsreihe der Dreiklang "Wissen/Theorie – Haltung/Selbstreflexion – Methodik/Praxis" transparent gemacht, um Klarheit über die Ebenen des Lernens zu schaffen und auch um die Notwendigkeit des Lernens auf allen drei Ebenen zu verdeutlichen. Es ist sinnvoll, dies auch in negativer Hinsicht zu tun. Es sollte also deutlich werden, welche Probleme eine wissensarme Praxis und Selbstreflexion mit sich bringt, was die Fallstricke einer Theoriearbeit ohne Selbstreflexion und praktische Umsetzung sind und warum Selbstreflexion ohne Theorie- und Praxisbezug den professionellen Anspruch an Maßnahmen politischer Bildung nicht erfüllt. Angesprochen werden sollte auch die Relevanz der Arbeits- und Rahmenbedingungen, die einen ganz maßgeblichen Einfluss auf Wissen, Haltung und Methodik haben.
Es empfiehlt sich, im Verlauf einer Reihe immer wieder den Bezug zwischen diesen drei Qualifizierungsebenen und den verschiedenen Lerneinheiten herzustellen und dadurch das eigene Vorgehen transparent zu machen.
Handlungsfähigkeit
Beim Lehren und Lernen zu Diskriminierung steht m. E. Handlungsfähigkeit im Vordergrund; diese steht gewissermaßen als Metabegriff über dem zuvor angerissenen Dreiklang. Zentral ist die Frage, wie Menschen trotz hoher Ansprüche, gesellschaftlicher Komplexität, Widersprüchlichkeit und Momenten des Scheiterns handlungsfähig werden. Diskriminierungskritische Fortbildungen sollen dadurch Alternativen zu zwei gesellschaftlich nahegelegten Auswegen schaffen:
Nichtstun oder Vermeidung schwieriger Themen aus Angst vor Fehlern.
Persönliche Schuldzuschreibungen in der Sehnsucht nach allgemeingültigen Rezepten.
Letzteres kann in der Folge dazu führen, dass Kritik gegenüber möglichen politischen Verbündeten am Schärfsten geäußert wird, da diese am besten erreichbar und von daher am ehesten zur Zielscheibe werden. Diese Selbstzerfleischung mit potenziellen Mitstreiter:innen verschärft indes durch Spaltung und Verletzung das Problem, das eigentlich angegangen werden soll.
Stattdessen sollte nach Möglichkeiten individuellen und kollektiven Handelns in komplexen Situationen gesucht werden. Widersprüchliche Verhältnissen bedingen dabei fast zwangsläufig Fehler – oft liegen diese nicht an individueller Inkompetenz oder der Bösartigkeit der jeweiligen Akteur:innen. Diesbezüglich ist in Anlehnung an die Kritische Psychologie hilfreich und entspannend zu wissen, dass Momente des Scheiterns überaus produktiv für Lernprozesse sein können und Fehlerfreundlichkeit mit sich selbst und anderen vieles erleichtert. Aus dieser Erkenntnis leitet sich zugleich die Notwendigkeit ab, stets zu lernen und Verantwortung zu übernehmen. Diese beiden Aspekte – Scheitern und Fehler auf der einen Seite, lebenslanges Lernen und Verantwortungsübernahme auf der anderen – sind Balanceakte, die auch als solche begriffen und nicht nach einer Seite hin aufgelöst werden sollten.
Wenn man dieses Modell auf die evaluierte Fortbildungsreihe anlegt, finden sich diverse Optionen, um Handlungsfähigkeit zu stärken. Räume bereit- und herzustellen, in denen das eigene Handeln reflektiert werden kann und in denen Wege für Handlungsfähigkeit ausgelotet werden, stärkt gegen Erfahrungen von Ohnmacht, Vereinzelung und Überforderung. Insbesondere Vernetzung ist von großer Bedeutung, da Menschen, die sich isoliert kritisch mit Diskriminierung beschäftigen, nach Fortbildungen in ihren familiären, peer- und arbeitsbezogenen Kontexten den "Seminar-Blues" und Gefühle von Einsamkeit, Isolation, Befremdung und Frustration entwickeln können, wenn ihre Umfelder ignorant gegenüber Diskriminierung auftreten oder diskriminierungskritische Interventionen sanktionieren. Von daher ist es zentral, Teilnehmende dabei zu unterstützen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Es kann sinnvoll sein, Peergroups oder Co-Coaching-Paare relativ zu Beginn der Fortbildungsreihe zu initiieren mit dem Ziel, dass diese sich nachhaltig über das Ende der Reihe hinaus unterstützen.
Hervorzuheben für die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Teilnehmenden sind zudem Praxisprojekte, die zum Abbau von Ohnmachtsgefühlen führen und das Selbstwirksamkeitserleben fördern können. Zugleich kann mithilfe der Praxisprojekte ganz konkret das Erlernte in die jeweiligen Arbeitskontexte transferiert und ausprobiert werden. Die Erfahrungen können mit der Gesamtgruppe im Nachhinein reflektiert werden. Good Practices werden so durch einen kollektiven Prozess entwickelt. Dies setzt voraus, dass die Praxisprojekte frühzeitig beginnen und eng begleitet werden; Coachingangebote können dabei eine wichtige Ressource darstellen.
Primäre und sekundäre Zielgruppen
Multiplikator:innenfortbildungen haben zwei Zielgruppen: die Teilnehmenden mit ihren Lernbedarfen in puncto Wissen, Haltung und Methodik/Didaktik (primäre Zielgruppe) und die Zielgruppen, die die Teilnehmenden als Multiplikator:innen erreichen wollen (sekundäre Zielgruppen).
Wenn diese sekundären Zielgruppen nicht explizit Thema im Rahmen der Fortbildung sind, können die Teilnehmenden nur bei den Fortbildner:innen abgucken und müssen eigenständig Transfers für ihre Arbeit herstellen. Das funktioniert aber für verschiedene Zielgruppen nicht, u. a. weil diese möglicherweise nicht so motiviert und diszipliniert sind wie die Fortbildungsgruppen bei breit aufgestellt oder weil es sich um Arbeitskontexte jenseits von Seminaren handelt. Von daher sollte im Fortbildungskontext deutlich sein, ob die Teilnehmenden gerade primär selbst Lernende sind oder ob es um die Vermittlung von Wissen und Methoden für ihre eigenen Zielgruppen geht. Diese verschiedenen Rollen sollten systematisch reflektiert werden und es sollte eine entsprechende Ansprache erfolgen – hierfür ist Zeit eine notwendige Ressource.
Es ist anzuraten, von Beginn der Fortbildungsreihe an Methodenkompetenz und die Reflexion über die Gestaltung von Lernprozessen als Querschnittsthemen zu integrieren, im Idealfall auch ganz konkret mit Beispielen. Im Intersektionalitätsmodul hat beispielsweise die referierende Person vom eigenen Scheitern mit der Durchführung einer Methode berichtet, was viele Teilnehmende überaus gewinnbringend für ihre eigene Praxis empfanden.
Lernen zu Diskriminierung
Die Fortbildungsreihe möchte eine möglichst heterogene Zielgruppe ansprechen und Lernen über Diskriminierungsverhältnisse auch anhand der eigenen gesellschaftlichen Positionierung ermöglichen. Lernen zu Diskriminierung bringt bei privilegierten wie diskriminierten Teilnehmenden häufig bestimmte Dynamiken mit sich. Bei Ersteren treten häufig Abwehr, Scham- und Schuldgefühle auf, bei Letzteren häufig Wut, Trauer und Verletzung. Beide Gruppen erleben häufig Angst und Unsicherheit, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Beide Gruppen sind in aller Regel alles andere als trennscharf, die meisten Menschen erleben beide Seiten.
Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, wie in heterogenen Gruppen Lernprozesse zu Diskriminierung gestaltet werden können. Wie können Lernprozesse für alle Teilnehmenden ermöglicht werden, wenn diese unterschiedlich viel Vorerfahrung mitbringen und gesellschaftlich unterschiedlich positioniert sind? Können alle angstfrei da sein und sich tatsächlich aufs Lernen konzentrieren? Wie kann ein Lernen auf Kosten Diskriminierter verhindert werden, wie sehen Empowermentprozesse in solchen heterogenen Settings aus? Wer sind die Teilnehmenden, wer die Teamenden und wem wird was von wem angeboten? Wer fehlt? Wie können die angesprochenen Gefühle und entsprechenden Dynamiken in Handlungsfähigkeit transformiert werden? Gelingt es, die Verknüpfung von individuellem Handeln mit gesellschaftlichen Strukturen und Herrschaft zu vermitteln und keine der beiden Seiten aus dem Blick zu verlieren? Und schlussendlich: Wie sieht dann der Übertrag für die sekundären Zielgruppen der Multiplikator:innen aus, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch heterogen zusammengesetzt sind und sich meist deutlich in ihren Erfahrungen und Lernbedarfen von den Fortbildungsgruppen unterscheiden?
Es ist sinnvoll, Lernwege zu (Anti-)Diskriminierung in heterogenen Gruppen in der Fortbildungsreihe explizit zum Thema zu machen und über Handlungsfähigkeit in komplexen Verhältnissen zu sprechen. Von Teilnehmenden wurde diesbezüglich u. a. Verunsicherung, Angst, Lähmung, Handlungsunfähigkeit, Scham, Selbsthass, Wut, Erschöpfung und Konkurrenzdynamiken beschrieben. Klassisch ist weiterhin die Vermeidung, "typisch" zu handeln: werden Privilegierte mit ihrer Verstrickung in Ungleichheitsverhältnisse konfrontiert, sind diese häufig darum bemüht, nicht so "männlich", "weiß" etc. zu handeln. Häufige Reaktionsmuster von Menschen mit Diskriminierungswiderfahrnissen sind analog dazu Praxen, die nicht den stereotypen Bildern über sie entsprechen. All diese Gefühle, Verhaltensweisen und Zustände sind "normal" und ein Problem zugleich.
Verunsicherung ist als erster Zwischenschritt produktiv und kaum vermeidbar, da die Selbstverständlichkeiten, die Herrschaftsverhältnisse festschreiben, in Frage gestellt werden. Zugleich sollte die Auseinandersetzung dort nicht stehenbleiben und den Teilnehmenden sollte Einordnungswissen zu ihren Erfahrungen und Gefühlen angeboten werden. Es handelt sich um starke Gefühle, die Handeln verunmöglichen können. Mehrere im Rahmen der Evaluation befragte Teilnehmende beschrieben, dass sie die Auseinandersetzung um diese Themen ausgelagert haben in Selbststudium, zufällige Gespräche mit Bekannten etc. Dies sollte nicht nötig sein; Fortbildungsangebote sollten Raum und Zeit vorsehen, diese Auseinandersetzung explizit zum Teil des Lernprozesses zu machen.
Im Rahmen einer kritischen Selbstbefragung sollte immer wieder überlegt werden, wie ein Raum hergestellt werden kann, in dem sich Teilnehmende trauen, Zusammenhänge und individuelle Verstrickungen anzusprechen, die schambesetzt sind. Hierfür gilt es, eine niedrigschwellige Ansprechbarkeit herzustellen (z. B. Kummerkasten, Wünschebox, explizite Einladung, sich bei Problemen und offenen Fragen zu melden, anonyme Befragungen). Ebenso sollten verschiedene Formen von Gruppentrennung in Form von Kleingruppenarbeit etabliert werden, nicht nur, aber auch nach Ungleichheitsverhältnissen, wenn dies prozessual und bezogen auf Thema und Gruppe Sinn macht und nicht die Gefahr erneuter Ausgrenzungserfahrungen besteht. Wenn Empowerment angestrebt bzw. versprochen wird, muss es auch eingelöst werden (können). Wenn methodisch auf einer persönlichen Ebene zu Diskriminierung gearbeitet wird, sollte genügend Zeit eingeplant und an einem möglichst achtsamen Raum gearbeitet werden (z. B. gruppendynamische Prozesse im Blick behalten, Ausstiegsoptionen anbieten, klare Moderation, etablierte Umgangsregeln).
Rechtsextremismusprävention
breit aufgestellt hat einen primärpräventiven Anspruch. Die Wurzel des Problems wird in Ideologien und Strukturen gesellschaftlicher Ungleichheit ausgemacht, die sich in der gesamten Gesellschaft wiederfinden und die Grundvoraussetzung sind, extrem rechte Denk- und Handlungsangebote plausibel bzw. attraktiv zu finden. Die Anlehnung an GMF erweist sich dabei als Gewinn, da traditionellerweise im Feld der Rechtsextremismusprävention beispielsweise Sozialdarwinismus, Antiziganismus und Sexismus selten thematisiert werden.
Wechselverhältnisse
Der Blick sollte ebenso auf Diskriminierung und Mikroprozesse der Ausgrenzung wie auf staatliches und institutionelles Handeln gerichtet und all das in ein wechselseitiges Verhältnis zu extrem rechter Politik gesetzt werden. Dies geschieht in Bildungs- (ebenso in medialen und politischen) Kontexten selten – meist wird mindestens eine der Ebenen ausgeblendet. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich gelagert: Diskriminierendes staatliches und institutionelles Handeln wird häufig nicht thematisiert, da oft finanzielle Abhängigkeiten und andere Machtungleichgewichte bestehen. Extrem rechte Akteur:innen und Diskurse bleiben häufig unterbeleuchtet, wenn tatsächlich
Diskriminierung gesamtgesellschaftlich behandelt wird, obwohl diese eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse im Allgemeinen und für diskriminierte Gruppen im Besonderen haben.
Anders herum kann der Fokus auf die extreme Rechte dazu führen, die sog. "Mitte" und die von ihr bereitgestellten Grundlagen für diskriminierendes Denken und Handeln außer Acht zu lassen.
Es braucht von daher nicht nur einen systematischen Blick, sondern auch genügend Zeit, um die Schnittstellen und Differenzen zwischen gesellschaftlichem Mainstream, staatlichen Akteur:innen und extremer Rechter herausarbeiten zu können.
Subjektive Funktionalität
Teil einer kritischen Auseinandersetzung mit Diskriminierung ist auch die Frage, was diskriminierende Menschen subjektiv davon haben, wenn sie diskriminieren. Mit der Analyse von Bedürfnissen, die hinter diskriminierenden/rechten Äußerungen und Handlungen stehen, ist es möglich, sich gemeinsam einer Antwort auf die Frage zu nähern, welche nicht-diskriminierenden Alternativen angeboten werden können. Der kritisch-psychologische Ansatz der subjektiven Funktionalität ist vor diesem Hintergrund wichtig für rechtsextremismuspräventives, antidiskriminierendes Handeln und sollte Querschnittsthema diskriminierungskritischer Multiplikator:innen-Fortbildungen sein, ohne dabei zu individualisieren und gesellschaftliche Strukturen, mediale Diskurse etc. zu vernachlässigen.
Im Anschluss an die Interner Link: obigen Ausführungen liefert eine solche Betrachtung auch Ansatzpunkte, um Ressourcen und Handlungsoptionen herauszuarbeiten sowie Gründe für Lernbarrieren jenseits der Frage guter und schlechter Intentionen. Gruppendynamische Prozesse und der Umgang mit Unsicherheit, Heraus- und Überforderungen auf Seiten von Teilnehmenden wie Referent:innen können analysiert und mit ihren je spezifischen Handlungskontexten abgeglichen werden.
Intersektionalität
Wer sich gegen Diskriminierung engagiert, wird schnell feststellen, dass er:sie gelegentlich Fürsprecher:innen bekommt, die die eine Diskriminierung verdammen und dabei eine andere in Kauf nehmen oder gar befördern. Dies war schon immer das Problem von Ein-Punkt-Politiken und single issues.
Rechtsextremismusprävention und GMF kommen aus einem anderen theoretischen Hintergrund als Intersektionalität, die ihre Wurzeln im Schwarzen Feminismus hat und Ungleichheitsverhältnisse nicht additiv, sondern als verschränkt miteinander denkt. Intersektionale Ansätze werden nach wie vor selten in der politischen Bildung angewandt, obwohl sie elementar sind, um Diskriminierung und auch aktuelle politische Debatten zu verstehen. Ein intersektionaler Ansatz vermeidet Vereinseitigungen, etwa wenn bestimmte Diskriminierungsverhältnisse vor anderen priorisiert und Herrschaftsverhältnisse gegeneinander ausgespielt werden. Im Kern geht es mit einem intersektionalen Ansatz darum, adäquat gesellschaftliche Verhältnisse zu analysieren, Diskriminierung konsequent zu bekämpfen und dabei keine neuen Diskriminierungen zu produzieren. Intersektionalität ist ein hoher Anspruch und Momente des Scheiterns an diesem Anspruch sind wahrscheinlich. Die zentrale Herausforderung eines Fortbildungsprojekts ist, sowohl zu den einzelnen Ungleichheitsverhältnissen Grundlagenwissen zu vermitteln als auch die intersektionale Verknüpfung herzustellen. Dies ist eine zeitliche und auch didaktische Herausforderung. Bei zu knapp bemessenen Zeitressourcen kommt entweder ein Lernen über das je einzelne Ungleichheitsverhältnis zu kurz, über seine Geschichte, Funktionsweisen, Artikulationen, Dynamiken und daran geknüpfte Haltungs- und Praxisfragen oder aber die Herstellung der Verknüpfung gelingt nur rudimentär und das Thema Intersektionalität bleibt abstrakt und für Teilnehmende nicht operationalisierbar.
Rahmenbedingungen und Zusammenfassung
Schlussendlich soll bezüglich der Rahmenbedingungen angemerkt werden, dass aus fachlicher Sicht gute Lernprozesse mit 20 Teilnehmenden kaum möglich sind. Eine kleinere Gruppengröße, anzudenken sind hier maximal 16 Teilnehmende, ermöglicht bessere Lernprozesse und minimiert die Zeitnot. Im Rahmen der Evaluation ist zudem deutlich geworden, dass eine Reihe von Bedürfnissen der Teilnehmenden nicht erfüllt werden konnten und dass die Referierenden unter großem Druck stehen, all das vermitteln zu können, was aus fachlicher Sicht geboten ist und gruppendynamisch Sinn macht. Vor diesem Hintergrund sollte darauf geachtet werden, Fortbildungsreihen mit ausreichend Fortbildungstagen zu konzipieren.
Ganz allgemein lässt sich sagen, dass bei den Teilnehmenden eine überaus positive Einschätzung der Qualität der Fortbildungsreihe dominiert, der sich die Evaluation anschließt. Die Reihe legt fundierte Grundlagen für die Fortbildung von Multiplikator:innen im Kontext verschiedener Ungleichheitsverhältnisse. Alle Referent:innen verfügen über fundiertes theoretisches und praktisches Fachwissen und sind unbestrittene Expert:innen in ihrem jeweiligen Themenfeld. Die interviewten Teilnehmenden beschreiben ein breites Spektrum an Effekten, die mit Lernprozessen in der Fortbildung zusammenhängen: Wissenszuwachs; Sensibilisierung für Diskriminierung und Ungleichheitsverhältnisse; produktive Verwirrung; mehr Klarheit und Sicherheit; Selbstreflexion und Haltungsänderung; Selbst-Empowerment; politische Aktivitäten; gesteigerte Inspiration und Motivation; Weiterentwicklung von Haltung, professionellem Selbstverständnis, Methodik, Arbeitsverhalten und Arbeitskontexten bis hin zum Jobwechsel. Die beschriebenen Effekte auf Handeln und Selbstverständnis zeigen, dass politische Bildung Teil einer emanzipatorischen, die Persönlichkeit entwickelnden Erwachsenenbildung sein kann. Teilnehmende begreifen, welche Mechanismen in der Gesellschaft wirken und sie werden befähigt, eine eigene Haltung zu entwickeln, ihr erworbenes Wissen weiterzutragen, die eigene berufliche Rolle zu reflektieren und als aktive Bürger:innen eine lebendige Demokratie und Zivilgesellschaft mit zu entwickeln.