Mit einem intersektionalen Zugang verschiedene Ideologieelemente des Rechtsextremismus in ihrem Zusammenwirken zu erfassen, Multiplikator_innen unterschiedlicher Handlungsfelder zu qualifizieren und auf ausgrenzende Haltungen und Strukturen in der Mitte der Gesellschaft einzugehen, war im Jahr 2013 ein besonderer Ansatz. Der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben hat sich damals mit seinem Projekt "breit aufgestellt!" auf den Weg begeben und in acht einjährigen Fortbildungsdurchgängen umfangreiche Erfahrungen gemacht und das Konzept theoretisch und praktisch weiterentwickelt. Fast 200 Teilnehmende aus unterschiedlichen Handlungsfeldern – von der Kitaleitung bis zu Justizangestellten, Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung und Journalist_innen sowie Lehrer_innen oder politischen Bildner_innen – haben auf der Grundlage der 14 Module Praxisprojekte entwickelt und mit diesen in die Gesellschaft zurückgewirkt. Das Projekt wurde in 2020 mit einem aufgrund der Pandemie digitalisierten Fortbildungsdurchgang abgeschlossen. Im folgenden Beitrag sollen Ausgangslage, Rahmenbedingungen und Projektkonzept beschrieben, Ergebnisse aus verschiedenen Evaluationen betrachtet sowie Hürden und Potentiale eines solchen Zugangs analysiert werden.
Die Ausgangslage – Ausgrenzung in der und durch die Mitte der Gesellschaft
Vorstellungen sozialer Ungleichwertigkeit sind das verbindende Element extrem rechter Einstellungen. Diese prägen Strukturen, Handlungsmuster und Erscheinungsformen von Neonazis und Rechtspopulist_innen. Gleichzeitig finden sich dieselben ausgrenzenden Einstellungen und Argumentationsmuster in weiten Teilen der Dominanzgesellschaft und bilden damit den Nährboden für Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt. Rassistische Stereotype in der Kita, Kampagnen ausgrenzender Sexual- und Familienpolitik, nationalistische Standortpolitiken oder völkische Diskurse im Wahlkampf sind nur einige aktuelle Beispiele dieser Verbindung. Der sogenannte Rechtsextremismus radikalisiert und legitimiert Ausschlusspraxen, die in einer weniger verdichteten Form ihre Verankerungen in der Mitte der Gesellschaft haben. Seit Jahren weisen Studien regelmäßig auf ausgrenzende Einstellungen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der gesamten Gesellschaft hin. Dies hat schon immer auch seinen Ausdruck in diskriminierenden Strukturen und gewaltförmigen Handlungen gefunden.
Während es 2013 noch erklärungsbedürftig erschien, warum Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus nicht allein auf die Behandlung von Symbolen, Strukturen und Parolen von Neonazis bzw. der extremen Rechten fokussieren darf, ist es im Verlauf der acht Jahre, in denen das Projekt durchgeführt wurde, offenbar geworden, dass rechte und ausgrenzende Einstellungen, Diskriminierung und Gewalt ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen, dass der Versuch, diese Phänomene an einem extremistischen Rand zu verorten einen Abwehrreflex darstellt, der zumindest Veränderungsschritte behindert. Offenbar wurde es einerseits aufgrund einer Verschiebung des Sagbaren im politischen Diskurs (im Sinne einer Senkung der Hemmschwelle von diskriminierenden und hetzerischen Aussagen), der kontinuierlichen Präsenz einer rechtsextremen Partei in Bundestag und Länderparlamenten, der massiven rassistischen Gewaltwelle im Kontext der Fluchtbewegungen oder des verstärkt sichtbaren Antisemitismus, anderseits aber auch durch viele Einzelvorfälle, die sich in diesem Zeitraum ereigneten: In Escheburg bei Hamburg zündete ein Finanzbeamter eine Unterkunft für Geflüchtete an, um "etwas Gutes zu tun"; in Baden-Württemberg lief monatelang eine homophobe Kampagne gegen den Plan für "Akzeptanz und gleiche Rechte", dessen politisch und konzeptionell Verantwortliche werden massiv bedroht; ein Spiel des TuS Makkabi Berlin musste nach antisemitischen Gesängen und Angriffen auf Spieler abgebrochen werden; mitten in einem mecklenburgischen Dorf prangt ein völkisches Wandgemälde: ein blonder Mann mit Frau und Kindern unter der Überschrift "Dorfgemeinschaft" über der Parole "frei – sozial – national"; in München trat ein betrunkener Club-Besucher ohne Grund auf einen Obdachlosen ein, Rippenbrüche waren die Folge; in einer hessischen Geflüchtetenunterkunft hatten Unbekannte zwei Schweinekopfhälften und mehrere Schweineschwänze verteilt, an einer Wand fand sich der Schriftzug »Go home«; in Duisburger Lokalmedien war von "Problemhäusern" die Rede, waren diskriminierende Darstellungen von Sinti und Roma die Regel.
In den vergangenen Jahren wurde diese Bedrohung für Demokratie, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Menschenrechte in Deutschland noch offensichtlicher, die das Fortbildungsprojekt seit seinem Start in 2013 aufgreifen und zum Bezugspunkt für Lern- und Qualifizierungsprozesse machen wollte. Das Projekt hat in seiner Anlage und Schwerpunktsetzung auf gesellschaftliche Veränderungen stets im Detail reagiert.
Larissa Denk beschreibt als koordinierende Referentin aller Module die konzeptionellen Schritte so: "Zu Beginn sollte breit aufgestellt eine Lücke in der Rechtsextremismusprävention füllen, die der Tatsache Rechnung trug, dass eine sinnvolle Prävention nicht bei der organisierten extremen Rechten ansetzen kann. Andere Fortbildungskonzepte, die Strukturen, Codes, Erscheinungsformen der extremen Rechten in den Fokus nahmen, entsprachen der Idee, dass diskriminierende Einstellungen nur an den Rändern der Gesellschaft zu verorten seien, nicht jedoch in der dadurch kontrastierten Mitte. breit aufgestellt verfolgte jedoch das Ziel, im Sinne der Primärprävention genau diese sogenannte Mitte und ihre Ungleichwertigkeitseinstellungen und -strukturen zu beleuchten. Die Modulthemen entstanden in kritischer Anlehnung an die abgefragten Exklusionskategorien verschiedener Studien; sie wurden im Verlauf der Fortbildung weiter verändert. In den ersten Jahren war breit aufgestellt noch eine Fortbildung zur Rechtsextremismusprävention.
Mit zunehmender Etablierung der gesellschaftlichen Wahrnehmung vom Vorhandensein verschiedener -ismen in der Mitte der Gesellschaft, änderte sich der Titel vor drei Jahren [2018] in Fortbildung zur Prävention von Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Das entsprach auch viel mehr dem Inhalt und Anspruch der Fortbildung. Seit 2015/16 ist eine gesellschaftliche Zuspitzung von Diskriminierung und Exklusion festzustellen, die den Ton verschärft und die Grenzen des Sagbaren verschiebt. Unser Fokus auf die Exklusionspraxen der 'Mitte' der Gesellschaft wurde somit weiter bestätigt. Mittlerweile sind kaum noch Teilnehmende darüber überrascht, dass Ideologien, wie Rassismus, Sexismus und Nationalismus in der Mitte der Gesellschaft anzutreffen sind. Eine gestiegene Sensibilisierung für Ausschlussmechanismen im alltäglichen Handeln und/oder Erleben stieß einen Prozess an, die eigene Positioniertheit zu reflektieren, den eigenen Bezug zu Ausschlussprozessen und -strukturen zu hinterfragen und Themen von Powersharing und Empowerment aufzugreifen.
Seit einiger Zeit lässt sich wiederum feststellen, dass neben dem 'Extremismus der Mitte'
Der Rahmen – Qualifizierungsprojekt mit jährlichen Fortbildungsdurchgängen
Der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben hatte mit dem Fortbildungsprojekt breit aufgestellt die Herausforderungen angenommen, die die Prävention extrem rechter Einstellungen in ihrer Komplexität bereithält, und gleichzeitig versucht, die Erfahrungen und Kompetenzen der Profession zu bündeln. Sie war ein Element eines umfassenden Fortbildungskonzepts, das in Zusammenarbeit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit drei zentralen Trägern der politischen Bildung angeboten wird: Qualifiziert handeln! Übergreifendes Ziel war dabei die Befähigung zu Prävention und Intervention gegen ausgrenzende Politikentwürfe. Die einzelnen Fortbildungen waren als komplementär strukturierte und wirkende Bausteine angelegt.
Jeder Fortbildungsdurchgang von breit aufgestellt umfasste etwa 90 Präsenzstunden an fünf Wochenenden (14 eintägige Module) über einen Zeitraum von neun Monaten, wurde am Projektstandort Hamburg durchgeführt und schloss mit einer Zertifizierung zur Präventionskraft ab. Im Einzelnen sah der Aufbau der Module vor, dass nach einer einführenden Beschäftigung einerseits mit der Rolle der Pädagog_innen bzw. Multiplikator_innen sowie andererseits mit dem Verständnis von Rechtsextremismus bzw. (extrem) rechten Einstellungsmustern in der Mitte der Gesellschaft, einzelne ausgrenzende Ideologien aufgegriffen wurden: Sozialdarwinismus, Rassismus, Sexismus/Homophobie, Nationalismus, Antisemitismus und 'Antiziganismus'
Beteiligt waren an jedem Durchgang zwölf Referent_innen, die in doppelter Seminarleitung die jeweiligen fachlichen Schwerpunkte begleiteten und den roten Faden der Fortbildung gewährleisteten.
An dem Fortbildungsangebot nahmen über die Jahre hinweg insgesamt 183 Personen teil. Sie repräsentierten verschiedene professionelle Kontexte: im Schwerpunkt freiberufliche und hauptamtliche (Jugend-)Bildungsreferent_innen, Lehrer_innen und Sozialarbeiter_innen, aber auch Multiplikator_innen aus den Bereichen Beratung, Gewerkschaften, Sprachkurse, Netzwerkstellen, Kita, Verwaltung, Polizei, Medien, Hochschule. Sie kamen aus sämtlichen Bundesländern, regionale Schwerpunkte bildeten sich in Berlin und Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, aber auch Nordrhein-Westfalen und Hessen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei etwa 36 Jahren, im Schwerpunkt waren es Multiplikator_innen am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. Durchgehend gab es einen höheren Anteil von weiblichen Teilnehmenden, der Anteil von Teilnehmenden mit eigenen Rassismuserfahrungen lag bei etwa 20 %. Die Multiplikator_innen waren größtenteils durch die Ausschreibung des Trägers oder Erzählungen ehemaliger Teilnehmender auf das Angebot aufmerksam geworden und hatten sich mit einem Motivationsschreiben für die Teilnahme beworben.
Der pädagogische Ansatz – Intersektionale politische Bildung
Konzeptionell griff breit aufgestellt die verschiedenen Ideologieelemente des Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf und beschrieb sie in ihrem Zusammenwirken, knüpfte an den Erfahrungen und Ansätzen der politischen Bildungsarbeit in den entsprechenden Themenfeldern an und fasste diese gleichzeitig komprimiert zusammen. Ziel war es, die Multiplikator_innen dabei zu unterstützen, einen analytischen Blick und eine pädagogische Haltung in ihre Arbeit zu integrieren, die Vielfalt, Diskriminierung und verschiedene Identitätsaspekte einbezieht. Jedes einzelne Modul stellte ein konkretes Methodenset für das jeweilige Themenfeld bereit und gab umfassende Hinweise, mit welchen Materialien und Kooperationen in der eigenen Arbeit daran angeknüpft werden kann. Die einzelnen Module bezogen in ihrer Ausgestaltung Theorie, Selbstreflexion und pädagogische Praxis als drei gleichgewichtige Zugänge mit ein. Damit sollten die Teilnehmenden in ihrem Umfeld und in den Institutionen befähigt werden, präventiv gegen ausgrenzende und extrem rechte Einstellungen zu wirken bzw. bestehende Konfliktlagen pädagogisch anzugehen.
Als theoretische Klammer für die zusammenhängende Bearbeitung der verschiedenen Themen wurde der analytische Zugriff der Intersektionalität gewählt, um die verschiedenen Kategorien miteinander zu verbinden und einen umfassenden und übergreifenden Zugang für die pädagogische Arbeit gegen Rechts zu entwickeln. Intersektionalität (intersection = Schnittpunkt) meint dabei, dass alle relevanten sozialen Kategorien beim Verständnis und der Bekämpfung von Diskriminierung und Unterdrückung einbezogen werden – und dies nicht isoliert voneinander, sondern in ihren Wechselwirkungen. Der Intersektionalitätsbegriff und die theoretische Ausarbeitung gehen auf die Arbeiten Schwarzer Feministinnen in den USA zurück und sindt als Ausdruck einer politischen Bewegung zu verstehen
In der Fortbildung wurde Intersektionalität in zwei Modulen explizit thematisiert – eingangs als Analyseperspektive und zusammenfassend eher am Ende als Ansatz intersektional informierter Didaktik und Methodik. Friederike Jonah Reher formuliert dazu den Ansatz: "In Anlehnung an bell hooks liegt für eine intersektionalitätssensible Didaktik und Methodik der Schwerpunkt auf zwei Grundpfeilern: Erstens wird die Aufwertung von rationalem Wissen bei gleichzeitiger Abwertung emotionalen und körperlichen Wissens kritisch reflektiert. Zweitens wird thematisiert, dass sich die diskursiven Zuschreibungen, die privilegierte Menschen genießen (wie rational, objektiv, höherwertig, etabliert etc.), in der Auswahl der Methoden und Didaktik selbst wiederfinden können. Beispielsweise kann dies geschehen, wenn ausschließlich frontal Wissen vermittelt wird, nur wissenschaftlich renommierte Quellen herangezogen oder Methoden, die ausschließlich intellektuelle Analyseprozesse anregen, verwendet werden. Darauf aufbauend erarbeiten sich die Teilnehmenden der Weiterbildung eine reflexive, professionelle Haltung, die sie didaktisch in die Lage versetzt, intersektionalitätssensible Arbeitsmaterialien und Methoden zu konzipieren, auszuwählen und einzusetzen. Diese setzen auf eine Verbindung von kognitiver, emotionaler und körperlicher Wissensaneignung und -schilderung (bspw. neben kognitiven Arbeitsweisen durch Rückgriff auf Erfahrungswissen und körperorientierte Methoden im Raum)."
Über die verschiedenen Durchgänge hinweg wurden verschiedene Wege erprobt, intersektionale Perspektiven im Fortbildungsablauf fest zu etablieren: Intersektionale Verweisstrukturen über die einzelnen Module hinweg, inhaltlich wiederkehrende Bezugsthemen, die in ihren intersektionalen Dimensionen aufgegriffen wurden (beispielsweise die Bedeutung von Sprache oder des Handlungsfelds Arbeit), die kontinuierliche fragengestützte Reflexion mit Hilfe eines Lerntagebuchs, die Rolle der Referent_innen , die als roter Faden die verschiedenen Module begleiteten.
Zum grundsätzlichen Potential einer intersektional angelegten Fortbildung führt Andreas Hechler als Teil der Evaluation des Projekts aus: "Intersektionale Ansätze werden nach wie vor selten in der politischen Bildung angewandt, obwohl sie elementar sind, um Diskriminierung und auch aktuelle politische Debatten zu verstehen. Wer beispielsweise die rechten Debatten zum Schutz von deutschen Frauen vor geflüchteten und muslimischen Männern verstehen möchte oder einen Diskurs wie den der kinderlosen Akademikerinnen, kann dies nur, wenn verschiedene Diskriminierungsverhältnisse wie Geschlecht, Race, Nation und Klasse verschränkt gedacht werden. Ein intersektionaler Ansatz ermöglicht, Diskursfelder und politische Bewegungen zu analysieren, die Vereinseitigungen vornehmen, indem einzelne Herrschaftsverhältnisse gegeneinander ausgespielt werden und bestimmte Diskriminierungsverhältnisse vor anderen priorisiert werden. Im Kern geht es darum, Diskriminierung konsequent zu bekämpfen und dabei keine neuen Diskriminierungen zu produzieren. Eine erkenntnisgenerierende Frage ist diesbezüglich: Was passiert, wenn man nicht intersektional arbeitet? Intersektionalität ist ein hoher Anspruch, da es kompliziert ist, all das Zusammenzudenken."
Das Projekt als laufende Methodenwerkstatt
Die Laufzeit des Projektes über mehrere Jahre sowie die enge Einbindung der freiberuflichen Referent_innen eröffneten die Möglichkeit, im Rahmen der Fortentwicklung der inhaltlichen Module verschiedene neue Methoden zur Erschließung und Bearbeitung der Themenstränge zu gestalten: "Bin ich Albert Einstein?" kontrastiert beispielsweise im Nationalismus-Modul die Biographie Einsteins (Selbst-/ Ausbürgerung im NS, seine kritische Reflexion von Patriotismus und Staatsangehörigkeiten) mit seiner Einbeziehung in die Kampagne "Du bist Deutschland", um damit eine Auseinandersetzung mit nationalen Narrativen und Kampagnen zu initiieren.
Die Tierfabel von Äsop wird in der Methode "Der Grashüpfer und die Ameisen" aufgegriffen, um anhand der Disney-Version und einer veränderten Fassung in der Muppetshow über Anknüpfungspunkte antiziganistischer Sinnstrukturen an Werte der Gesellschaft nachzudenken: Mit welchen Merkmalen und Eigenschaften werden Grashüpfer und Ameisen dargestellt? Was ist die "Moral von der Geschicht"? Welche gesellschaftlichen Normen und Dichotomien können abgeleitet werden? Was hat das mit Antiziganismus zu tun? Wie prägen diese Werte auch uns? Die Wunschpronomenrunde verbindet eine Vorstellungs-/Namensrunde mit einem Sensibilisierungsprozess für selbstbestimmte Geschlechteridentitäten und signalisiert Trans*-/Inter*-Offenheit. Auf Spurensuche begaben sich die Teilnehmenden im Rahmen des Sozialdarwinismus-Moduls bei der Methode "Das Leben des Norbert Plath": Die Geschichte des von Neonazis zu Tode geprügelten Obdachlosen fokussiert einerseits exemplarisch auf die Opferperspektive und ermöglicht andererseits die Thematisierung von Abwertung, Hass und Gewalt gegenüber Obdachlosen als ein Ausdruck von Sozialdarwinismus, der in unterschiedlicher Gestalt bis in die Mitte der Gesellschaft hineinwirkt.
Von der Theorie zur Praxis: Aha-Effekte durch Umsetzungsschritte in Praxisprojekten
Ein zentrales Element der Fortbildung war die Umsetzung theoretischer, selbstreflexiver und methodischer Erkenntnisse aus den Modulen durch die Planung, Durchführung und Evaluation von Praxisprojekten im eigenen professionellen Handlungsfeld. Die Teilnehmenden wurden zu Beginn der Fortbildung auf dieses Element vorbereitet und über die Monate hinweg in ihrer Auswahl und konzeptionellen Ausgestaltung durch verschiedene, kontinuierliche Coaching-Angebote der Referent_innen unterstützt. Abgeschlossen wurde der Prozess durch auswertende Einheiten kollegialer Beratung in der Fortbildungsgruppe.
In den verschiedenen Durchgängen entstanden etwa 120 sehr unterschiedliche Projekte: Projekttage zum NSU, ein intersektionales Blogprojekt "lernengegenrechts.de" oder ein Präventionsprojekt gegen rechte Ideologien an der Grundschule "früh aufgestellt", GMF-Workshops an Berufsschulen, Seminarangebote für Jugendverbände zu Nationalismus oder "Wer disst verliert" – eine Interviewintervention zu diskriminierungsfreier Sprache im Kontext eines Festivals, "Eine Seite Leben" - ein Foto- und Graphic Novel-Projekt mit geflüchteten Jugendlichen, ein Theaterprojekt zu Nation mit Schüler_innen oder "Free you Hijab" – ein Empowermentworkshop für Musliminnen; Rassismuskritisches Stadtteilmapping, eine Stadtrundfahrt zum Kolonialen Erbe sowie "Spurensuche Todesopfer rechter Gewalt – eine Fahrradrundfahrt". Es gab eine Checkliste für diskriminierungssensible Bildungsarbeit, einen Aktionstag an einer Universität: "Extreme Rechte und die Mitte" oder "Das hat doch nichts mit Fußball zu tun", einen Antisexismus-Workshop mit einem Fanclub. Umgesetzt wurde die Entwicklung eines Stadtteilleitbilds im Netzwerk, ein Workshop für Medienschaffende mit dem Themendreieck "Blicke – Macht – Repräsentation". Gestaltet wurde ein Intersektionales Klo-Zine und ein Interaktiver Infostand bei einem Musikfestival. Es fand ein Workshop für Polizist_innen statt: "Stigmatisierungen erkennen", es wurde ein Lernspiel GMF entwickelt, ein Leitbild einer Kindertagesstätte überarbeitet oder eine Einrichtung unterstützt: "Beratung und Begleitung beim rassismuskritischen Mainstreaming".
Die Praxisprojekte waren intersektional angelegt, allerdings mit Schwerpunkten vor allem im Feld Rassismus. Weitere Schwerpunkte lagen bei Sexismus, Nationalismus und Sozialdarwinismus, aber auch alle anderen Modulthemen wurden aufgegriffen. Mit Abstand am häufigsten wurde das Format Workshop/Seminar gewählt, aber auch Lernspiele, Stadtrundgänge, Veröffentlichungen, Leitbilder, Blogs oder Befragungen – auch in Abhängigkeiten von den Möglichkeiten, Bedarfen und Vorbedingungen in den Handlungsfeldern bzw. mit den Zielgruppen der jeweiligen Multiplikator_innen. Auch der Aufwand, den die Teilnehmenden in Bezug auf die Konzipierung und Umsetzung ihres jeweiligen Praxisprojektes betrieben bzw. betreiben konnten, variierte stark von 40 Stunden bis zu einem halben Jahr kontinuierlicher Arbeit.
Exemplarisch lässt sich die Übertragbarkeit der Fortbildungsinhalte auf Themen des Arbeitsalltages an den Erfahrungen von Damaris Batram aufzeigen, die in einem frühen Durchgang von breit aufgestellt ein eintägiges Diversity-Sensibilisierungstraining entwickelt hatte, das sich an Auszubildende im Einzelhandel richtete und mit Kauffrauen/männern im Textilbereich aus dem zweiten Lehrjahr eines großen Berliner Kaufhauses durchgeführt wurde.
Die in der Fortbildung erworbenen Erkenntnisse und Kompetenzen, vor allem im Bereich einer Bildungsarbeit zu intersektional verbundenen Machtverhältnissen und ausgrenzenden Einstellungen, konnten konzeptionell eingebunden werden, bei dem Ansatz diskriminierende Perspektiven auf Kund_innen zu reflektieren und abzubauen. Auszubildende im Einzelhandel lernen häufig, die Kund_innen in Gruppen einzuteilen und entsprechend zu beraten. Die Gruppeneinteilung erfolgt anhand scheinbarer ethnischer oder nationaler Zugehörigkeiten und damit unterstellten Vorlieben. Die Auszubildenden lernen beispielsweise, dass Menschen aus Region XY Pelz und Gold bevorzugen würden, während Menschen aus einer anderen Region angeblich Wert darauflegen, dass der Markenname gut sichtbar und möglichst groß auf dem Kleidungsstück oder der Tasche zu sehen ist. Auch stereotypisierende geschlechtliche Zuordnungen finden bei dieser Praxis Anwendung. Dieses Verfahren erscheint anschlussfähig für ausgrenzende Einstellungen und diskriminierende Praktiken zu sein. Daher entstand durch diese Schilderungen die Idee, ein Diversity-Sensibilisierungstraining für Auszubildende zu konzipieren und durchzuführen mit dem Ziel, dass die Teilnehmenden ihr Wissen über Vielfalt erweitern, rechtliche Grundlagen der Nicht-Diskriminierung kennenlernen (AGG) und darin unterstützt werden diversitykompetent zu handeln, ausgrenzenden Stereotypen auf der Ebene individuellen und gesellschaftlichen Verhaltens im Handlungsfeld Einzelhandel etwas entgegenzusetzen.
In ihrem Reflexionsbeitrag "Von 'Die sind so!' zu 'So habe ich das noch gar nicht gesehen …' – Diversity-Sensibilisierungstraining" beschreibt Damaris Batram ihre Motivation und Vorgehensweise dabei so: "Mein Interesse an Fortbildung und Praxisprojekt lag vor allem an der intersektionalen Ausrichtung. Durch bisherige Interessen und Tätigkeiten habe ich zwar die Verquickung von rechts und homophob, "Stammtischparolen" und Sexismus, neoliberalen Aussagen und die Abwertung von Menschen ohne Obdach wahrgenommen, ich wusste aber nicht wie ich kompetent darauf reagieren kann, ohne mich nur auf eine Ausgrenzung/Abwertung zu konzentrieren. Ich habe mich also gefragt, wie ich lntersektionalität konsequent in meiner Arbeit umsetzen kann – sozusagen als "Haltung", um entsprechend auf die Verwobenheiten und die daraus resultierenden Dynamiken gut reagieren zu können. Mit dem Ziel die Auszubildenden für Normierungsprozesse und damit einhergehende Ausgrenzungsmechanismen zu sensibilisieren, habe ich Methoden zu folgenden Themen ausgewählt: normative Vorstellungen über Geschlecht, Sexualität und Körper, (Un)Sichtbarkeit von Weiß-Sein, Gesund-Sein und Reichtum, Globale Verteilung von Gütern und Zugängen zu Bildung sowie zu Gesetzen die Ungleichheit verschärfen und solchen die Gleichbehandlung fördern."
Bei den Praxisprojekten von breit aufgestellt ging es darum, den Theorieinput, die Selbstreflexion und das Methodentraining aus den Modulen in die Praxis zu "übersetzen". Die Auswertung zeigt, dass so die Schwelle von den erarbeiteten Fortbildungsinhalten zur Umsetzung – verschiedentlich mit Skepsis und Bedenken verknüpft – gemeinsam überwunden werden konnte. Dies zeigen auch die Rückmeldungen der Teilnehmenden ("Ich hätte nie ohne den Impuls dieser Fortbildung auch nur daran gedacht, ein derartiges Projekt anzugehen." / "Am Anfang fühlte ich mich überfordert, aber durch meine tolle Gruppe, Coaching und die Zeit, die ich mir nehmen konnte, konnte ich so Wissen, Methoden etc. enorm vertiefen und habe noch mal so viel mehr gelernt" / "Habe bei der Selbstdurchführung bzw. -planung viel gelernt. Das Coaching durch Gruppe und Teamer_innen war hilfreich, einige Probleme konnten dennoch nicht gelöst werden." / "Das Praxisprojekt war wichtig für eine verbindliche Auseinandersetzung mit dem analytischen Zugriff.").
Teilweise wurden bislang angewandte Methoden noch einmal überarbeitet, offene Fragen in der Praxis weiterverfolgt und die Wirkungen der Konzepte in der Praxis evaluiert. Als bedeutsam stellte sich auch heraus, auf diesem Wege die eigenen Zielsetzungen und das Rollenverständnis noch einmal intensiv zu reflektieren (sei es in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionierungen der Beteiligten, sei es in der Konfrontation unterschiedlicher Professionsverständnisse, z. B. Lehrer_innen und Jugendarbeiter_innen). Auch die Feinkonzipierung und Anwendung gemeinsam entwickelter Methoden in der Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen bot die Möglichkeit zu Diskussion und Weiterentwicklung. Eine wiederkehrende Herausforderung zeigte sich bei der Auswertung der Praxisprojekte bei der Frage, ob und wie intensiv sich intersektionale Zugänge auch jenseits der additiven Integration von zwei oder mehr Themenfeldern umsetzen lassen. Hier entstand häufig deutlicher Änderungsbedarf gegenüber den bislang den Teilnehmenden in ihrer Praxis vertrauten Themenzuschnitten, Abläufen, Methoden oder Zusammenarbeitsformaten.
Auswertungen aus Teilnehmendenperspektiven – vom "Nach- und Neudenken" und "Durchblick für viele Mechanismen"
An der Fortbildung haben Multiplikator_innen aus vielen Handlungsfeldern, mit verschiedenen Zugängen, Interessen und Vorerfahrungen teilgenommen. Ihre Rückmeldungen wurden kontinuierlich mit unterschiedlichen Verfahren und Instrumenten erhoben (Fragebögen, Einzel- und Gruppeninterviews, methodenbasierte Verfahren in den Fortbildungseinheiten, Feedbackrunden, Lerntagebuch).
Die Auswertung der Teilnehmenden-Rückmeldungen weist darauf hin, dass der theoretisch-empirische Zugang (Intersektionalität/Rechte Einstellungen in der Mitte) das Feld erschließen konnte. Der inhaltliche Zugang durch die Intersektionalitätsperspektive sowie die Auswahl der Modulthemen wurde von 97% der Teilnehmenden als überzeugend beschrieben. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass "darin zum einen alle 'Bausteine', Machtebenen, Kategorien welche in einem rechtsextremen Weltbild eine Rolle spielen aufgegriffen werden und die Komplexität der Wirkungsweisen sehr deutlich wurde." Hervorgehoben wurde auch GMF als "Verbindungslinie verschiedener -ismen sowie die Struktur, die letztlich hinter den -ismen steht." Teilnehmende beschreiben den Erkenntnisgewinn durch das "zuvor nicht geläufige Analyseinstrument" der Intersektionalität als "Durchblick für viele Mechanismen" und weisen auf die alltägliche Relevanz der "in der Fortbildung behandelten Komplexe" hin. Der Ansatz sei sinnvoll, "damit man nicht evtl. 'betriebsblind' wird" und "damit gut verschiedene Ebenen von möglichen Betroffenheiten sehen könne."
Geschätzt wurde von den Teilnehmenden das Nebeneinander verschiedener Ebenen: Biographische Methoden, Selbstreflexionseinheiten, theoretische Inputs, Textarbeiten, Bild- und Filmanalysen – in jedem Modul wurden vielfältige Wege gewählt, um das Thema zu vermitteln und auf die unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissensstände der Teilnehmenden einzugehen und daran anzuschließen. Entsprechend den individuellen Ansätzen und Zugängen der Referent_innen sowie den Bezügen zum jeweiligen Themenbereich variierte dabei die Schwerpunktsetzung das jeweilige Verhältnis.
Vor allem in Bezug auf die eingesetzten Referent_innen gab es ein sehr gutes Feedback. In einem Durchgang hieß es beispielsweise in den Fragebögen: "Mich haben nicht alle Teamer_innen beeindruckt, aber die absolute Mehrheit. Insgesamt bin ich ein großer Fan von wechselnden Referent_innen und/oder Trainer_innen und sehe diese Vielfalt auch in von mir gestalteten Programmen kontinuierlich vor." "Ich habe die unterschiedliche Positioniertheit und "Schwerpunktsetzung"/ Akzentuierung als gut empfunden. Ebenso keinen Zweifel an fachlicher Kompetenz bzw. teilweise war es ermutigend zu sehen, wie unterschiedliche Vermittlungsmethoden und -ansätze zu ganz diversen Dynamiken/ Diskussionen geführt haben." "Sehr viel Expertise!" "Ich empfand die inhaltliche/ didaktische Aufbereitung und den geschaffenen Lernort der Referent*innen [überwiegend] sehr gelungen und interessant, die unterschiedliche Positioniertheit und persönliche Reflexion der Referent*innen fand ich besonders spannend." "Dank der fachlichen, aber auch der methodischen Kompetenz habe ich viele Impulse mitgenommen. Dass die Referent_innen positioniert sind, ist meines Erachtens wichtig und gehört unbedingt zu diesem Programm dazu."
Der größte Teil der Teilnehmenden gab an, die Fortbildungsinhalte mit ihrer beruflichen Praxis (90%) oder auch darüber hinaus (95%) verbinden zu können. "Sowohl für die Konzeption von Seminaren als auch für die konkrete Umsetzung von Methoden habe ich viel für die bildungsarbeiterische Praxis gelernt. Das Ergebnis ist jetzt im Job sehr hilfreich, habe neue Aspekte erfahren und wurde viel zu Nach- und Neudenken angeregt." "Wenn ich in Gruppen in Seminaren irgendwelche Diskriminierungsformen finde, zu denen ich dann gerne etwas machen möchte. Dazu habe ich jetzt einfach nochmal mehr Input. Ich kann das total gut ummünzen oder auch gleich in ähnlicher Weise anwenden."
Hürden und Potentiale der Fortbildung: der Komplexität gerecht werden
Das analytische Instrument der Intersektionalität erfasst zunächst Komplexitäten gesellschaftlicher Realitäten und macht damit konzeptionelles Arbeiten auf den ersten Blick nicht einfacher. Der mit ihm verbundene Erkenntnis- und Qualitätsgewinn stellt sich verschiedentlich erst in der Anwendung heraus, lässt dann aber zu, mit Verschränkungen oder auch Widersprüchlichkeiten von Ausgrenzungsmechanismen umzugehen (Beispiele sind dazu rechtes "Engagement" für Frauen/Homosexuelle im Kontext Geflüchtete oder das Verhältnis von Klassismus und Nationalismus im Kontext von rechten Bewegungen).
Die Verbindung der einzelnen Module/Modulthemen zur "ausgrenzenden Mitte" einerseits und zur extremen Rechten andererseits stellte sich als Herausforderung dar. Es gibt Module, in denen die Verbindung zur extremen Rechten vermeintlich auf der Hand lag: so in der Rückmeldung der Teilnehmenden beispielsweise die Module Rassismus und Antisemitismus. Diese mussten dann eher die Hürde nehmen, die Bedeutung in der Mitte der Gesellschaft zu verdeutlichen. In anderen Modulen war eine dezidiertere Beschäftigung mit der allgemeinen gesellschaftlichen Bedeutung von ungleichwertigkeitsgenerierenden Kategorien (bspw. der Kategorie Geschlecht) und der Verbindung zu der extrem rechten Zuspitzung von ausgrenzenden Vorstellungen notwendig. Diese konkreten Unterschiede in den Modulverläufen hängen sicher auch mit den Erfahrungen, Wissensbeständen und Normalitätsvorstellungen der Teilnehmenden zusammen und können deshalb nicht als gegeben gesetzt werden. Vielmehr stehen die Referent_innen vor der Herausforderung, flexibel und prozessorientiert auf die Erfahrungshintergründe, Interessen, Widerstände und Dynamiken der jeweiligen Gruppe einzugehen. Der "doppelte Blick" auf ausgrenzende Einstellungen, Handlungen und Strukturen in der gesellschaftlichen Mitte und der extremen Rechten musste daher systematisch in den Aufbau der einzelnen Module integriert werden.
Ähnliche Herausforderungen gelten für das Verhältnis von Breite (verschiedene Diskriminierungsformen aufzuzeigen) und Tiefe (jedes einzelne Thema theoretisch zu durchdringen, selbstreflexiv zu bearbeiten und für die pädagogische Praxis aufzubereiten). Hier ist bei der Betrachtung der Fortbildung festzustellen, dass eine Vielzahl von Impulsen gesetzt werden konnte, sich neue Perspektiven auf Zusammenhänge bei den Teilnehmenden auftaten, gleichzeitig das Angebot nur komplementär zu anderen, stärker punktuell in die Tiefe gehenden Angeboten eine umfassende Wirkung für die Teilnehmenden erzielen kann. Eng damit verbunden ist die Herausforderung, gleichzeitig die jeweiligen Ungleichheitsverhältnisse zu bearbeiten und intersektionale Verknüpfungen herzustellen. "Entweder kommt die Eigendynamik des je einzelnen Ungleichheitsverhältnisses zu kurz und damit auch das Wissen über wirksame Interventionen und die je unterschiedlichen subjektiven und gesellschaftlichen Funktionalitäten oder aber die Herstellung der Verknüpfungen gelingt nur rudimentär und das Thema Intersektionalität bleibt abstrakt und für die Teilnehmenden nicht operationalisierbar."
In seiner Evaluation beschreibt und belegt Andreas Hechler ausführlich Lerneffekte der Fortbildung: Viele Teilnehmende beschreiben eine stärkere Sensibilisierung für Diskriminierung und Ungleichheitsverhältnisse; viele haben auch mehr Klarheit und Sicherheit bekommen; ebenso gab es einen Zuwachs an Wissen; und auch eine veränderte Haltung; viele Teilnehmende beschreiben eine gesteigerte Motivation und dass sie auf vielfältige Art und Weise inspiriert und angeregt wurden; bei einigen hat dies zu einer veränderten Methodik in eigenen Fortbildungskontexten geführt, bei anderen zu einer Veränderung des Arbeitskontexts und -verhaltens bis hin zum Jobwechsel und bei einigen auch zu politischen Aktivitäten. Hechler merkt aber Leerstellen an: "Kritisch anzumerken ist, dass große Teile der Fortbildung kognitiv ausgerichtet sind. Es gibt wenige Möglichkeiten, auf anderen – somatischen, emotionalen, etc. – Ebenen zu lernen. Es könnten auch mehr Wups oder Spiele eingesetzt werden."
In allen Durchgängen der Fortbildung spielte das Verhältnis von Lern- und Schutzraum im Seminar, innerhalb der Teilnehmendengruppe und als Aspekt in der Praxisentwicklung eine größere Rolle. Nach den ersten Erfahrungen wurde das Thema direkt in das erste Modul integriert und anschließend als Perspektive immer wieder explizit zum Thema gemacht. Hechler führt dazu aus: "Lernen zu Diskriminierung bringt bei privilegierten und diskriminierten Gruppen oft bestimmte Dynamiken mit sich. Bei den ersteren treten häufig Abwehr, Selbstlähmung, Scham- und Schuldgefühle auf, ebenso Konkurrenz, bei den letzteren häufig Wut, Trauer und Verletzung. Bei beiden häufig Angst und Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, wie ein Lernen zu Diskriminierung in heterogenen Gruppen stattfinden kann. Wie können Lernprozesse für alle Teilnehmenden ermöglicht werden, wenn diese unterschiedlich viel Vorerfahrung mitbringen und gesellschaftlich unterschiedlich positioniert sind? Wie kann ein Lernen auf Kosten Diskriminierter verhindert werden und wie sehen Empowermentprozesse in solchen heterogenen Settings aus?"
Im letzten Durchgang von breit aufgestellt ist vor diesem Hintergrund ein zusätzliches Modul "Lernen zu Diskriminierung" in die Fortbildung integriert worden Katharina Debus hat in diesem Kontext verschiedene Aspekte als Querschnittsperspektiven aufgegriffen: Funktionalität von Diskriminierung, Drei Standbeine der Prävention und Intervention gegen Diskriminierung, Subjektive Funktionalität und die Erweiterung von Handlungsfähigkeit in der Pädagogik, Intention versus Effekt, Lerndimensionen: Wissen – Haltung – Handlung – Rahmenbedingungen, Krisenerfahrungen im Lernen zu Diskriminierung, Pädagogische Begleitung von Krisenerfahrungen.
Ein Anspruch des Projektes, Heterogenität in der Zusammensetzung von Referent_innen-Team als auch in der Zusammensetzung der Teilnehmenden-Gruppe zu erreichen, konnte bis zum Schluss nur teilweise eingelöst werden. Beide Gruppen waren über den Projektzeitraum hinweg mehrheitlich weiß dominiert. Mindestens genauso deutlich war die vorherrschende Präsenz akademischer Biographien und Zugänge.
In Bezug auf die Frage der Nachhaltigkeit der Projektimpulse ist festzustellen, dass neben den beschriebenen individuellen Wirkungen in den Bereichen Haltung, konzeptioneller Arbeit oder institutionellem Handeln auch nicht wenige Praxisprojekte eine Verstetigung erfahren haben, sich kleine regionale und überregionale Netzwerke gebildet haben und Begegnung mit ehemaligen Teilnehmenden in ganz unterschiedlichen Bereichen und Funktionen nach Abschluss der Fortbildung stattfanden, die von anhaltenden Einflüssen der Projektinhalte auf ihr professionelles Handeln berichteten.
Digitalisierung und Online-Arbeit – ein ganz anderer Durchgang zum Schluss des Projekts
Der achte und letzte Durchgang des Fortbildungsprojekts breit aufgestellt war entscheidend vom Beginn der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen und Herausforderungen geprägt. Zwei Wochen vor dem geplanten Start der Fortbildungsmodule setzte die erste Lockdown-Phase ein, wurden Hotel-Aufenthalte eingeschränkt und Präsenzveranstaltungen im Bildungsbereich durch Verordnungen ausgeschlossen.
Das Projektteam hat darauf – trotz aller Herausforderungen und Belastungen, die die Zeit bereithielt – schnell und umfassend reagiert und die Fortbildungsreihe komplett auf ein Online-Format umgestellt. Das betraf verschiedene Aspekte der einzelnen Module: den zeitlichen Umfang und Ablauf der Tage, die Veränderung der Pausenstruktur und die Integration von Selbstlerneinheiten, die Implementierung von verbindlichen digitalen Kommunikationsstrukturen zwischen den Wochenenden sowie die Schaffung digitaler Lernumgebungen für die Module. Die Referent_innen mussten Methoden und Lernmaterialien umgestalten, die technischen Grundlagen und Tools mussten ausgewählt und bereitgestellt werden.
Die Fortbildung breit aufgestellt ist vor diesem Hintergrund im Durchgang 2020 mit dem verkürzten, aber intensivierten Umfang und dem Format als Online-Learning-Veranstaltung anders ausgefallen als in den bisherigen Durchgängen. Alle Beteiligten sind von der Situation überrascht worden und mussten teilweise komplett neue Wege entwickeln und gehen. Mit einem hohen Maß an Engagement konnte dennoch erreicht werden, dass die Ansprüche und Standards des bisherigen Fortbildungsangebots weitgehend bewahrt werden konnten. Zentrale Säulen des Projekts, die sich stets in einem Entwicklungsprozess verstanden, wurden auch unter diesen Bedingungen weitergeführt: Neu konzipiert wurde ein Modul im Format eines ausführlichen, umfangreich vorbereiteten Q&A (Questions and Answers). Praxisprojekte dieses Durchgangs bezogen sich auf die aktuelle Situation, z. B. die Konzeptentwicklung "Demokratisch heißt solidarisch! Gemeinsam Denken & Handeln gegen Antisemitismus und rechte Ideologie im Corona-Alltag".
Abschließend bewerteten 71 % der Teilnehmer_innen die Digitalisierung der Fortbildung und Durchführung im Online-Format als erfolgreich. Sie führten aus: "Sehr großes Lob an die Hauptverantwortlichen; Trotz der herausfordernden Zeiten schnell ein digitales und im Wesentlichen funktionierendes Format geschaffen; Insgesamt würde ich immer eine Präsenzfortbildung vorziehen, aber für die Umstände schon ziemlich gut gelungen; Tolle Orgaleistung der Teamer*innen, tolle Materialien, aber für mich an vielen Punkten zu wenig Zeit zum Nachdenken, auch der Raum inhaltlichen und sozialen Begegnungen fehlte mir doch sehr;".
Signifikant mehr Teilnehmende als in den Vorjahren äußerten sich unzufrieden mit ihrem eigenen Engagement in der Fortbildung, nämlich 41 %. Dazu wurde ausgeführt: "Generell empfinde ich die Hürde zu partizipieren online als sehr viel höher, auch weil wir uns als Gruppe vorher gar nicht kannten; Dadurch dass es online war, war ich nicht zu Hundertprozent präsent, sondern mein Alltag viel mehr mit dabei; Mir fiel es in diesem Format sehr schwer mich einzubringen, da ich online keinen besonders guten Draht zur Gruppe aufbauen konnte."
Bei der Möglichkeit, im Fragebogen, noch weitere und allgemeine Rückmeldungen zu geben, gab es sehr freundliche Kommentare: "Vielen lieben Dank, auch für die Durchführung der Fortbildung unter diesen Umständen. Große Klasse!; Waren schwierige Voraussetzungen ein offline Format auf online zu übertragen und dafür war ich sehr dankbar, dass es stattfinden konnte. Eine fantastische Fortbildung!"
Bundesarbeitskreis Arbeit und LebenPraxisprojekte
Praxisprojekte, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Rahmen der Fortbildung selbst konzipiert werden, sind ein wesentlicher Bestandteil der Angebote des Bundesarbeitskreises Arbeit und Leben. Damit Sie sich ein Bild von den Inhalten und möglichen Ergebnissen der Fortbildungen machen können, finden Sie hier beispielhaft einige Praxisprojekte aus den vergangenen Jahrgängen:
Aus der Zusammenarbeit der Referent_innen und den Erfahrungen bei der Umkonzipierung der Fortbildungsmodule dieses letzten Durchgangs entstand die Handreichung "Didaktisch-konzeptionelle Empfehlungen für Online-Workshops in der Erwachsenenbildung".
Kooperationen als Element von Qualitätssicherung und -entwicklung
Der Erfolg von breit aufgestellt liegt vor allem auch in Kooperationen begründet. Im Rahmen des Fortbildungskonzepts "Qualifiziert handeln!" gab es die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Fachbereich Extremismus der Bundeszentrale für politische Bildung sowie im wissenschaftlichen Beirat mit der Fachhochschule Düsseldorf, der Hochschule Koblenz, der Universität Jena sowie der Universität Bochum, die einen intensiven und produktiven Austausch ermöglicht. Hierbei ging es um das Einspeisen von Inhalten aus den jeweiligen Forschungsbereichen genauso wie um Hinweise auf entsprechende Literatur oder Expert_innen, es wurde von Seiten der Wissenschaft aus Gremien und Landesprogrammen berichtet sowie Stellung zu öffentlichen Diskussionen oder bildungspolitischen Forderungen bezogen. All dies war inhaltlich interessant und in der Aufbereitung so gestaltet, dass es niedrigschwellig Eingang in die konzeptionelle Arbeit des Projekts finden konnte. Die fachliche Verzahnung der Angebote der beteiligten Träger untereinander sowie die Diskussion und Weiterentwicklung der theoretischen Zugänge mit Unterstützung der Wissenschaft sind dabei als von der bpb initiierte Grundlage für die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden an der einzelnen Fortbildung zu betrachten.