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Logbuch Forum Lokaljournalismus, 28. Mai: "Raum der Erneuerung betreten" | Lokaljournalistenprogramm | bpb.de

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Logbuch Forum Lokaljournalismus, 28. Mai: "Raum der Erneuerung betreten"

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Fünf Praxisgespräche in kleinen Gruppen und Input-Veranstaltungen mit über einem Dutzend Menschen auf der Bühne bildeten heute das Herzstück des Forum Lokaljournalismus in Köln. Von Augmented Reality über demokratische Funktionen bis hin zu Rezepten für preisgekrönte Designs und Konzepte gab es eine Menge Denkanstöße. Doch daheim in der Redaktion warten nicht selten Zweifler. Impulse in der Redaktion und im Verlag umzusetzen ist ein Schritt auf einem mitunter steinigen Weg – und so begann der zweite Tag mit dem passenden Podium "Aus alt mach neu: So geht Wandel".

"Wir brauchen Geduld, wir brauchen Vertrauen in journalistische Fähigkeiten und es bringt gar nichts, wenn die Chefredakteure im Alleingang top-down Strukturen durchsetzen", sagte Michael Bröcker, Chefredakteur der Rheinischen Post. Damit brachte er den Konsens des Podiums gleich zu Beginn auf den Punkt: Wandel muss im Kopf stattfinden, ist aber auch ein sozialer und struktureller Prozess der Rücksicht nehmen muss, wenn er nachhaltig sein will. "Change-Management ist immer Konfliktmanagement. Es betrifft nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern den Verlag", sagte Ralf Freitag von der Lippische Landes-Zeitung. Die Zeitung und der Qualitätsjournalismus dürften bei allem Change nicht unter den Tisch fallen. Vor allem müsse aber Raum für gegenseitiges Verständnis und gewinnbringenden Symbiosen zwischen Print und Online geschaffen werden – Nicole Hanisch vom rheingold Salon unterstrich auch durch Nutzungstudien, wie gut sich beide Kanäle ergänzten. Bröcker schlug Reporter- und Digital Days vor, mit denen die Redaktion gemeinsam wachsen könne.

Raum zum Experimentieren sei wichtig – selbst wenn es schief gehen kann. Dr. Brigitte Schwinge, Gesellschafterin bei p4d / partnership for development, ist davon überzeugt, dass" Scheitern auch mal erlaubt sein muss", und gemischte Teams am besten voneinander lernen. Sie stellte ein vier-Räume-Modell auf dem Weg zur Erneuerung vor: An erster Stelle stehe die brückelnde "Selbstzufriedenheit". Dann die "Ablehnung" als Reaktion auf die hohen Anforderungen des Wandels. Anschließend kommt der Raum der "Verwirrung": Wir müssen reagieren, aber wo geht es mit uns hin? Und wenn diese Prozesse durchlaufen sind, sei die Gruppe bereit für die "Erneuerung". Eine zentrale Diskussion auf dem Podium war, wie viel Ablehnung erlaubt sein dürfe. Für Bröcker schien die Antwort klar: "Wer die neue Welt nicht anerkennt, muss gehen". Studien zur Mediennutzung zeigte jedoch Nicole Hanisch zufolge, dass die Beschaffenheit dieser neuen Welt alles andere als entschieden sei. Ein Nutzungstyp sei der "Local Hero", der an seiner Stadt und der lokalen Printzeitung hängt. Es gibt gebe aber auch einen Nutzungstypen, "für den local mehr social ist, der sich also eher mit einer Community, mit Pesonen identifiziert statt mit einer Stadt". Beide Gruppen können jedoch lokal bedient werden. Rp-online.de selbst ist ein gutes Beispiel dafür. Dass die Seite wächst, liege laut Bröcker daran, dass sie lokalen Unique Content biete, der tatsächlich geshared wird. "Identitätsthemen im Lokalen müssen sein", und "Lokalredakteure sollten im Mittelpunkt der Community stehen".

Community, Heimat, ja, da sind sich alle einig, aber bitte zukunftsfähig, 4.0. Für Jürgen Roters, Oberbürgermeister der Stadt Köln, ist 4.0 eine zentrale Herausforderung gerade für die lokalen Medien, von denen in Zeiten der Digitalisierung eine "schnelle, gute Orientierung" erwartet wird. "Wer morgens die Zeitung aufschlägt, sollte sich und seine Heimat darin wiederkennnen", sagte Roters. Aber "ohne Schönfärberei, und mit kritischer Begleitung". Diese Begleitung erzeuge zwischen Politik und Medien schnell eine "Spannung, doch das ist auch gut so, für beide Seiten", meinte Roters. Kritisch reflektieren müssten sich die Redaktionen auch selbst. "Gerade wenn es darum geht, Leser an sich zu binden, ist Transparenz von besonderer Bedeutung. Das bringt einen Qualitäts- und Informationsvorsprung", sagte der Oberbürgermeister.

Transparenz und Austausch über die eigene Arbeit brachte vor allem das Format "Praxisgespräche", das dieses Jahr in die zweite Runde geht. In den fünf Gesprächsgruppen "Augmented Reality / Virtual Reality", "Paid Content ", "Lokales 4.0 – von der Tradition zur Innovation", "Inspiration im Newsroom" und "Lösungen für Smartphone, Tablet oder Web-App" sprach das lokaljournalistische Führungsperonal Deutschlands auf Augenhöhe und stelle ehrliche Fragen. Erfolgreich, wie der Diskurs im Netz nahelegt. "Wie Multimedia fürs Lokale funktionieren kann zeigt @tobikoepplinger eindrucksvoll! #top #folo2015", twitterte Jenniger Stötzel aus der Lokales 4.0 Gruppe, "so wahr: Zeitung müssen wir entschleunigen, Nachricht schneller online ausspielen. Andreas Ebel @OZlive #folo2015" lautet einer der Tweets von Annette Milz, Chefredakteurin des der Medium Magazins, aus der Newsroom-Gruppe. Anton Sahlender schickte Bilder von Philipp Ostrops Präsentation für die Mobil-Gruppe durchs Netz"#Geklaut7 von Ostrop (Ruhr-Nachrichten) #folo2015 Täglich 5 Uhr morgens BVB kompakt. Mind. 500 fb-likes tägl." Die Berichte aus den Praxisgruppen können Sie auf Externer Link: www.drehscheibe.org/weblog nachlesen.

Weniger technisch und mit einer großen Portion Idealismus ging es auf dem größten Podium des Forum Lokaljournalismus zu. Ganze sechs Politiker, Wissenschaftler und Journalisten plus ein Moderator teilten sich die Bühne, und diskutierten über Haltung und Mittel eines Journalismus, der noch Wächter und Erklärer im Lokalen sein kann. Die Themen rotierten, PR, Personalabbau, Pauschalurteile – und Pegida. Für Prof. Dr. Wiebke Möhring von der Uni Hannover war klar: Es gab ein Aufklärungsbedürfnis, das sich bei den Menschen aufgestaut hat, und dann von Pegida intrumentalisiert und gegen die Medien gewendet wurde. Uwe Vetterick ist Chefredakteur der Sächsischen Zeitung und hatte mit der Protestbewegung selbst alle Hände voll zu tun. Sein Rezept für den Umgang mit Pegida: Erstens, "klare Kante gegen die Macher". Zweitens, den Gründen für ihren Erfolg auf den Grund gehen, mutig sein und öffentlich auch schwierige Fragen stellen. Drittens, Haltung beziehen. "Es zahlt sich aus, standhaft zu bleiben und seine Arbeit zu machen." Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Sächsische Zeitung hatte in der Hochzeit der Pegida-Proteste tageweise die meisten Einzelverkäufe überhaupt.

Pegida war das erste P, das zweite war PR. Möhring zitierte ältere Studien und sagte, dass "unkritische Unternehmensberichterstattungen es früher im Lokalen vergleichsweise einfach hatten". Das ändere sich zurzeit, denn "der Ruf der Bürger nach Partizipation und Sichtbarkeit in der Zeitung sei lauter geworden". Hofberichterstatter oder Nicht-Hofberichterstatter, daran entzündete sich eine rege Diskussion. "Dieses Problem gibt es national genauso, doch das heißt nicht, dass es alle betrifft", sagt Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer von CORRECT!V. "Aber ich glaube, viele Menschen haben das Gefühl, dass Zeitungen Widersprüche nicht hart genug ansprechen und aufdecken."

Röper sieht das anders. Es gebe sehr wohl einen entscheidenden Unterschied zwischen nationalem und lokalem Journalismus. Letzterer habe weniger Geld. Redaktionen seien teils zu schwach besetzt, um kritisch zu berichten. "Die Frage ist: akzeptieren wir es als Gesellschaft, dass die Ressourcen für den Lokaljournalismus geringer sind?"Auch Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, stellte die Finanzierungsfrage und schielte auf Steuern und das Gemeinwesen. "Warum nicht mehr zusammenarbeiten, um Vielfalt zu berichten.Wir finanzieren schließlich auch Goethe-Institute, damit sie die deutsche Kultur in die Welt bringen." Weitere Themen waren der Zugang zu Daten, zu Informationen, und eigenes Datenmonitoring, und generell der Wandel der Zeit. Es kommen enorme Herausforderungen auf uns zu – beispielsweise mit der Energiewende“, sagt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, „gleichzeitig wird die Seite der Verlegerschaft weniger. Dabei wäre gerade jetzt wichtig ein Kommunikationskonzept zu erarbeiten, das zwischen Bürgern und Politik vermittelt.“ Genau dafür ist der Lokaljournalismus doch prädestiniert.

Wer vermitteln will, muss verstanden werden. Eine tolle Optik hilft dabei. Norbert Küpper, Zeitungsdesigner, brachte ein "Best of European Newspapers" mit. Und fing erstmal deutsch an. Praktisch finde der das Lokalfenster der Thüringer Allgemeinen. Lokale Aufmacher und Coverstories in magaziniger Optik erwartet er. "Wertigkeit erzielt man unter anderem durch Weißraum. Das teste ich immer an den Speisekarten von Restaurants", sagte Küpper. Die internationale Trends sprechen derweil eine klare Sprache. "Die ganzen Zeitungen in Europa sind auf Tabloid gegangen, weil sie dann dicker wirken", sagte er. Mit Dutzenden Layoutern werden Doppelseiten großräumig genutzt für riesige Fotos, Fotoreportagen, Grafiken und liebevoll arrangierten Objekten und Texten; die besten Beispiele fänden sich in Skandinavien. "Ab Flensburg aufwärts geht's gestalterisch bergauf."Infografiken mit geschickten Zooms und Zerlegungen von Bauwerken erklären das ein oder andere politische Projekt in einer Sekunde. Umsetzen ließe sich das alles ganz einfach, mit Schulungen, Kreativität, freieren Redaktionssystemen und wenn man dann noch Geld übrig hat, einem Illustratoren im Team.

Diese Designs sind preisverdächtig, und nicht selten preisgekürt. Der wohl begehrteste Preis im Lokaljournalismus ist jedoch der Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.Wie bekommt man den? Diese Frage besprach Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, zusammen mit Dr. Dieter Golombek und Heike Groll, die Juryleitungen. Zu dem Anlass sprach auch Jürgen Haar von der Sindelfinger/Böblinger Zeitung, die mit ihrer Externer Link: Print- und Webreportage zu Geothermieschäden dieses Jahr den Preis abräumten.

Für Groll "ist recherchieren die Basis von allem". Sowie erstens verständlich, und zweitens elegant zu schreiben. Wer wirklich einen Preis gewinnen möchte, müsste aber "ein Stadtgespräch anstoßen, das auch eines bleibt". "Lokaljournalismus muss Themen setzen und neue Techniken entwickeln, um herauszufinden, was ihre Leser interessiert", sagte hingegen Golombek, der auch Gründer des Lokaljournalistenprogramms der bpb ist. "Wichtig ist es, konzeptionell zu denken und organisiert zu arbeiten. Qualitätsfragen sind auch Organisationsfragen". Dabei sei Quantität nicht gleich Qualität. Von einer Zeitung mit mehreren zu befüllenden Seiten und nur zwei Mitarbeitern "Qualität zu erwarten ist eigentlich nicht möglich, außer es ist ein extremer Fall von Selbstausbeutung", sagte er. Anerkennendes Gemurmel aus dem Plenum. Die Einsendungen für den Preis würden aber weiter zunehmen, die Konzepte an Qualität gewinnen. An echter Qualität, die weniger Bescheidenheit, und mehr professionelles Eigenmarketing verdiene, betonte Golombek. "Es hilft, was diese Jury tut, der Preis hat einen bewusstseinschaffenden Aspekt in der Redaktion und in der Leserschaft", sagte ein preiserfahrener Teilnehmer dazu.

Bewusstseinsbildende Impulse gab es an diesem Tag in der Tat eine Menge – die bei einem entspannten Abendprogramm im Kölner Karnevalsmuseum ideal verarbeitet werden können.

Fussnoten

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