Lokaljournalismus hat einen gesellschaftlichen Auftrag – den haben aber auch Unternehmen. Oder etwa nicht? Beim Eröffnungspodium mit Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, im Gespräch mit Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke, Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender RheinEnergie und Robert Heusinger, Vorstand der Mediengruppe M. DuMont wurde heiß diskutiert. Über Pegida, TTIP, Flüchtlinge, gerechte Löhne, Entlassungen, technische Innovationen und bürgerliches Engegament. „Wir sind gezwungen zu mehr Ehrlichkeit. Wenn wir unter Generalverdacht stehen, nicht ordentlich zu arbeiten, müssen wir eben ordentlicher arbeiten", sagte von Heusinger zum Vorwurf der Lügenpresse. Rechenschaft abzulegen, sich verteidigen zu müssen, Shitstorms auszuhalten sei gerade heute im Netz ganz normal – und "würde dem Journalismus gut tun". Auch Unternehmen stünden in der Verantwortung, den Bürgern die Grundlagen unserer Marktwirtschaft immer wieder zu erklären.Und andere Bereiche? Sowohl der Ford- als auch der RheinEnergie-Vertreter machten klar: "Wir sind keine Sozialeinrichtung. Wir stellen keine Betten für Flüchtlinge auf", die großen politischen Diskussionen überlassen sie der nationalen und europäischen Politik. Dennoch gestalten sie den lokalen Raum als große Arbeitgeber mit, sind an der Infrastruktur beteiligt und verändern ganze Regionen. Transparenz ist daher gefragt, gerade gegenüber den Medien, damit diese ihrem gesellschaftlichen Wächteramt nachkommen können. "Jeder sollte seinen Auftrag ausfüllen. Komm! Ins Offene, Freund!", beendete bpb-Präsident Thomas Krüger das Podium mit einem Zitat von Friedrich Hölderlin. Und so wurde der Appell für das Landleben zum Appell für die Öffnung und Ehrlichkeit von Unternehmen, und gleichsam an Medien, ihre Unabhängigkeit zu bewahren.
Der Frage, in welchen Formaten dieser Qualitätsjournalismus erfolgreich sein kann, ging Christoph Keese nach. Der Executive Vice President der Axel Springer SE, dessen Buch "Silicon Valley" hohe Wellen schlug, gab Einblicke in journalistische Best-Practice aus aller Welt. Er beschäftigte sich mit "disruptivem Wandel", Veränderungen, die alles Dagewesene in Frage stellen. Diese Veränderungen haben ganz simple Grundideen und würden anfangs häufig belächelt, doch später den ganzen Markt umkrempeln und die "Unternehmen zu Geiseln der Kunden" machen. Das gebe es auch im Journalismus, erklärte Keese und führte Dutzende Beispielen für innovative Strategien im Journalismus an: Die amerikanische Lokalzeitung Politico, die mehr als nur eine Website, sondern auch eine Pro Version und zugespitzte Formate wie das "Playbook" anbiete. Die Idee hinter dem Playbook sei, dass es "süchtig machen muss, die Leute das Gefühl haben es als erstes nach dem Aufstehen lesen zu müssen." Politico Pro sei "zwölf mal so teuer als die durchschnittliche Lokalzeitung, zehn Mal so viele Leute arbeiten an einem Thema". Dennoch habe sie "die journalistische Führerschaft in Washington übernommen" und "50.000.000 Pageviews" im Monat. Mit Print werden nur noch 17% des Umsatzes bestritten. Weitere Beispiele: Vox.com, mit nur einem Artikel pro Thema, einer top mobilen Optimierung und vielen Karten. Forbes, das sehr auf Blogger aufbaut und somit viel mehr Autoren hat, die aber auch angemessen bezahlt würden. "Kombi-Modelle mit Journalisten und Bloggern sind in Zukunft am erfolgreichsten", sagte Keese.
Das Wichtigste für die politische Bildung: Eine hohe journalistische Qualität und Tiefe habe Zukunft. Es gebe eine Gegenbewegung zum schnellen, boulevardesken Journalismus, wie qz.com und ozy.com zeigten. "Long- form Journalism at its best", sagte Keese zu letzterem. Ozy.com könne mit mehreren Millionen Views nach weniger als zwei Jahren glänzen. Auch "das Erlebnis von Abgeschlossenheit" beim Lesen wie in der App "Kompakt" mit einer vorgegebenen Anzahl von Beiträgen sei für die Leser wichtiger geworden. Profil und Identifizierung zählen, und davon könne gerade der Lokaljournalismus profitieren, denn dieser biete exklusive Berichterstattung. Lokalredaktionen empfiehlt er, sich zu überlegen, "welcher Journalismus, welche Leistungen ihrer Meinung nach zehn Euro im Monat wert sind – und dann genau das zu liefern."