Worte reichen nicht aus, um das Leiden der Opfer zu beschreiben, sagte Thomas de Maizière. Doch man solle nicht schweigen, weder aus Scham, Angst oder Furcht. Daher auch die Bedeutung des heutigen Gedenktages. Lange Zeit lag der Fokus der Helferforschung auf prominenten Rettern und Geretteten. In den letzten Jahren wurde das Bild differenzierter, wie auch die Untersuchung der Motive: So überraschend es klingen mag, Helfer, das sind nicht zwingend altruistische Persönlichkeiten, vielmehr, so de Maizière, "ganz normale" Menschen.
Trotz der wichtigen wissenschaftlichen Aufarbeitung werde der Massenmord immer "unfassbar, unbegreifbar und einmalig" bleiben. Voreilige Vergleiche sollten schon allein aus Respekt für die Opfer vermieden werden.
Helfer und Retter des Nationalsozialismus bildeten eine heterogene Minderheit, unterschiedlich hinsichtlich Zeit und Ort, Motiven und Formen des Handelns. "Weder formale Bildung noch [..] Erziehung" waren ausschlaggebend. Es waren Menschen, die autonom handelnd ihrem Gewissen folgten, sich "nicht in die schweigende Mehrheit einordneten". Trotz moralischem Dilemma entschieden sie sich zu helfen. Warum? "Anstand, Humanität, Barmherzigkeit und Mut" waren laut de Maizière prägende Eigenschaften der Helfer.
Eigenverantwortliches Handeln bewertet de Maizière auch in einer Demokratie als unerlässlich. Ein Impuls für demokratisches Engagement sei beispielsweise das Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe". Der Kerngedanke: Prävention vor dem Abdriften junger Menschen in extreme Ideologien. Staatliches Handeln sei jedoch begrenzt. Wichtige Werte wie Toleranz und Zivilcourage würden vor allem im Alltag vermittelt, ohne sie hätte es auch im Dritten Reich weder Hilfeleistungen noch Widerstand gegeben, so der Minister. Aber die Bedeutung von Bildungsinstitutionen bei der Wertevermittlung hob er hervor. "Als Vater dreier Kinder" so de Maizière, kenne er die Herausforderungen, mit denen Lehrer konfrontiert seien.
Das didaktische Ziel der "ernsthaften Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit" sei besonders bei bildungsfernen Jugendlichen durch Gesprächsangebote zu initiieren. So könne man ihrer Suche nach "Anerkennung, Stärke, Zusammengehörigkeitsgefühl" nachkommen.
Eine lebhafte Erinnerungskultur umfasse auch die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Überzeugungen und Handlungsspielräumen, sagte de Maizière. Der heutige Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus sei Teil dieser Auseinandersetzung, sollte sich jedoch nicht auf ihn beschränken: "Hoffentlich nicht nur heute gedenken wir der Opfer des Nationalsozialismus."