Ob lange geplant oder spontan gewährt, Solidarität und Hilfeleistungen während des Nationalsozialismus in Osteuropa entsprangen aus situativen Prozessen, die in bestimmten historischen und politischen Kontexten entstanden, so die These von Beate Kosmala. Die konkrete Situation der jüdischen Bevölkerung, der Charakter des Besatzungsregimes, die Kriegssituation und andere Rahmenbedingungen hätten bestimmt, welche Handlungsspielräume für Helfer entstanden und ob sie genutzt wurden.
So blieb die Solidarität mit den Verfolgten in der Slowakei, wo durch das mit dem Dritten Reich verbündete Regime bis Herbst 1942 zwei Drittel der Juden deportiert worden waren, bis zum Nationalaufstand im Sommer 1944 auf Einzelfälle beschränkt. Auch für Länder wie Litauen und Ungarn trifft nach Kosmala das Zitat des Politologen Istvan Bibó zu: Beispiele von Rettung "waren nur ein Tropfen im Meer, und zwar nicht in einem Meer von Feindseligkeit, sondern [...] in einem Meer von Befremdung, Zögern und Zaudern."
Hilfeleistungen für Juden in Polen dagegen bezeichnete Kosmala als ein weit verbreitetes Phänomen, aber durchaus auch ein komplexes Thema. Polen habe in Osteuropa eine besondere Rolle eingenommen, sowohl in Hinblick auf die mit 3,5 Millionen Menschen größte jüdische Bevölkerung, als auch durch die frühe Besatzung im September 1939.
Trotz drohender Todesstrafe riskierten tausende von Polen ihr Leben, um Juden und andere Verfolgte zu retten. Die Motive seien oft weniger altruistischer, als vielmehr kommerzieller Natur gewesen. So sei die Hilfe gegen Bezahlung für viele Helfer ein normales Verhalten im kriegszerrütteten Polen gewesen. Das barg besonders für sichtlich erkennbare Juden, für die das Untertauchen in Verstecken die einzige Überlebensmöglichkeit war, ein hohes Risiko, so Kosmala. "Damit begaben sie sich in totale Abhängigkeit von ihren Helfern."
Kosmala betonte darüber hinaus die wichtige humanitäre und politische Rolle des geheimen "Hilfsrats für Juden", einer von der polnischen Exilregierung in London finanzierten Organisation, die über die Verfolgung der polnischen Juden informierte und versuchte, ihnen konkret zu helfen. Entscheidend seien aber letztlich die individuellen Akte von Solidarität durch Polen gewesen, die dem Großteil der 40.000-60.000 überlebenden polnischen Juden das Leben retteten.