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Ekel als moralische Entlastung | Volksgemeinschaft - Ausgrenzungsgemeinschaft | bpb.de

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Ekel als moralische Entlastung

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Emotionen spielen bei der Bildung von Gemeinschaften eine große Rolle. Daniel Wildmann zeigt, wie im Nationalsozialismus mit dem Mittel des Films Emotionen erzeugt und mit antisemitischen Wertvorstellungen verknüpft wurden.

Dr. Daniel Wildmann unterstrich die Bedeutung von Emotionen bei der Bildung von moralischen Urteilen. (© Mirko Tzotschew / Kooperative Berlin)

Wie kann man Juden ermorden und dennoch ruhig schlafen? Um diese Frage zu beantworten, widmet sich der Historiker und Filmwissenschaftler Interner Link: Dr. Daniel Wildmann in seinem Vortrag dem Zusammenhang von Antisemitismus, Emotionen und visueller Sprache.

Anhand der Analyse einer Szene aus dem antisemitischen Film "Jud Süß" von 1940 zeigt er, wie das Hervorrufen von Emotionen von den Filmschaffenden eingesetzt wurde, um bestimmte moralische Urteile nahezulegen. Die visuelle Konstellation der untersuchten Szene versuche, so Wildmann, beim Zuschauenden zunächst das Gefühl des Ekels hervorzurufen und durch das filmische Mittel der Überblendung auf den jüdischen Protagonisten Joseph Süß Oppenheimer zu übertragen.

Moralische Entlastung des Publikums

Die Emotion Ekel erlaube dem Zuschauenden, sich im Laufe des Films von der Hauptfigur zu distanzieren. Auf diese Weise werde das Publikum moralisch entlastet, wenn am Ende des Films Oppenheimer öffentlich hingerichtet wird und die Juden aus dem Stuttgart des 18. Jahrhunderts ausgewiesen werden.

Emotionen wurden eingesetzt, so Wildmanns Schlussfolgerung, um moralische Wertvorstellungen umzucodieren und Verhaltensweisen, die zuvor als falsch erachtet wurden, nun als richtig, gerecht und sogar angenehm zu deuten. Die Analyse von Gefühlen, die im Fallbeispiel antisemitische Werte nahelegen, sei somit geeignet, die Herausbildung von Antisemitismus innerhalb der deutschen Volksgemeinschaft im Dritten Reich zu erklären.

Filme als historische Quelle

Daniel Wildmann bezieht sich in seinen Ausführungen auf filmwissenschaftliche Ansätze, die naturwissenschaftliche und kulturalistische Erkenntnisse integrieren. Für den Historiker eigneten sich insbesondere Filme, um die Wirkungsweise von Emotionen zu untersuchen, weil sie Gefühle gezielt als Mittel einsetzten. Sein Fallbeispiel "Jud Süß" ist Teil eines breiter angelegten Forschungsprojekts, bei dem Filme bis in die Gegenwart (z.B. auch der "Tatort") einbezogen werden.

In der anschließenden Diskussion wurde die Rezeption des Films "Jud Süß" thematisiert und die Frage gestellt, ob die von den Filmschaffenden verfolgte Intention auch beim Publikum so angekommen sei. Wildmann betonte, dass er sich auf die Analyse des Films beschränke und die Rezeption offen lasse. Abgesehen von dem großen kommerziellen Erfolg lasse sich die Wirkung des Filmes aus quellentechnischen Gründen nur schwer beurteilen.

Ein Videointerview mit Daniel Wildmann finden Sie Interner Link: hier.

Fussnoten