Europa-Haus am Askanischen Platz in Berlin, 1937: Im Hintergrund leuchtet das Reklameschild vom Mundwasser-Hersteller Odol in der Dunkelheit. In der Presse wirbt das Unternehmen mit Slogans wie: "Das Gefühl vollkommener Sicherheit – Spannkraft und frische Lebensfreude empfinden – dieses Gefühl des Wohlbehagens verleiht Odol.“ Was die Werbung im Dritten Reich versprach, blieb der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zu dieser Zeit schon verwehrt. In vielen Firmen des Landes waren Juden bereits vollkommen ausgegrenzt. Hans Dieter Schäfer von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Leipzig zeigt in seinem Vortrag anhand von beispielhaften Bildmotiven, wie sich Volksgemeinschaft in der kulturellen Praxis im Dritten Reich ausdrückte.
Alles so schön bunt
Die Modernisierung – nicht nur in der Technik, sondern auch in Wissenschaft, Medien und Kultur – wurde im Dritten Reich massiv vorangetrieben. Durch den Konjunkturaufschwung und die neu gewonnene Wirtschaftsstärke konnte die Diktatur die Volksgemeinschaft beeindrucken: mit Aufstiegschancen für die Arbeiterschaft und eine attraktive Konsumgüterindustrie für die Mittelschicht. Das schlug sich auch in der Kultur nieder. "Der moderne Film und bunte Wohlfühl-Reklame standen im starken Gegensatz zur Blut- und Bodenpropaganda der Zeit“, erläutert Schäfer und zeigt ein Bild von "Original-Teddy" Werbung über einer Ankündigung für eine Luftschutzübung an einer Litfaßsäule.
Popularität des Krieges
Dass zu Beginn des Zweiten Weltkrieges der Kriegseintritt des Deutschen Reiches allgemein als populär galt, lag laut Schäfer unter anderem an folgenden Gründen: Das "ideologiefreie Militär“ schuf eine breite Identifikationsfläche für die Ziele des Regimes und es sei eine "Kämpfer-Denke“ im Volk verbreitet gewesen. Anhand von Auszügen aus Aufzeichnungen von Helmut Schmidt und Heinrich Böll erläutert Schäfer beispielhaft, wie populär die Kriegsstimmung zuzeiten des Zweiten Weltkrieges allgemein war. Gleichzeitig habe eine gleichgültige Stimmung gegenüber der jüdischen Bevölkerung geherrscht – auch wenn Teile der Gesellschaft unmittelbar mitbekommen hätten, dass die Menschen deportiert wurden.
Diskussion: "Sie verharmlosen mir zu stark"
Im anschließenden Gespräch zu seinem Vortrag sagte Schäfer: "Man wusste sehr viel; man wusste, das etwas Unmenschliches geschah, aber man wollte es gar nicht wissen.” Diese Position löste Kritik im Plenum aus: "Sie verharmlosen mir zu stark“, so eine Stimme aus dem Publikum. Sein Vortrag habe nur von der Vergemeinschaftung gesprochen; viel zu kurz gekommen sei die Darstellung der Ausgrenzungsmechanismen. Es ginge doch auch um Fakten – so die Meinung aus dem Publikum. Schäfer wies den Vorwurf der Bagatellisierung entschieden zurück und bekam dafür Unterstützung aus dem Publikum, ein Zuhörer dankte ihm für den anthropologischen Ansatz.
Ein Videointerview mit Hans Dieter Schäfer finden Sie