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Das sind die Botschafterinnen und Botschafter 2020/2021 | Festakt zum Tag des Grundgesetzes | bpb.de

Festakt zum Tag des Grundgesetzes Botschafter/-innen Jury Rückblick

Das sind die Botschafterinnen und Botschafter 2020/2021

/ 7 Minuten zu lesen

Am 23. Mai 2021 wurden - pandemiebedingt digital - als BfDT-Botschafter/-innen für Demokratie und Toleranz Einzelpersonen ausgezeichnet, die sich in ganz besonderer herausragender Weise um Demokratie und Toleranz in Deutschland verdient gemacht haben. Auch 2020/2021 hatte das BfDT jeweils über 1.000 Institutionen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus dem gesamten Bundesgebiet um Vorschläge für ebendiese besonderen Personen oder Initiativen gebeten. Da 2020 der Festakt wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte, wurden Vorschläge aus den Jahren 2020 und 2021 ausgezeichnet. Insgesamt waren für 2021 124 Vorschläge eingegangen, 2020 waren es 122, zusammen 246 Vorschläge. Aus diesen wählte der Beirat des BfDT schließlich fünf Einzelpersonen aus. Der Festakt hatte rund 600 Zuschauende aus sechs Ländern.
Externer Link: Den Livestream können Sie hier anschauen. Auf dem Youtube-Kanal des BfDT finden Sie außerdem die Videoporträts der Botschafterinnen und Botschafter.

Lernen Sie hier die Botschafter und Botschafterinnen kennen:

Martina Angermann

Martina Angermann, Botschafterin 2021 (© bpb)

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Martina Angermann ist SPD-Politikerin und war von 2001 bis 2019 die Bürgermeisterin des sächsischen Ortes Arnsdorf. Da sie einen Angriff auf einen Flüchtling, der von einer selbsternannten Bürgerwehr organisiert wurde, öffentlich verurteilte, erhielt sie Drohungen. Sie trat in Folge dessen Ende 2019 von ihrem Amt zurück.

Martina Angermann hatte das Vorgehen dieser rechten Bürgerwehr wiederholt öffentlich verurteilt. Diese hatte 2016 einen Geflüchteten an einem Baum gefesselt, nachdem er in einem Supermarkt Unruhe verbreitet hatte. Sie griff ein, als sich viele andere nicht getraut haben. Da sie ihre Stimme gegen die Täter/-innen erhob, wurde sie zum neuen "Feindbild“ der Gruppe: Martina Angermann wurde verbal bedroht, attackiert und erhielt zahlreiche Hassmails.

Auch während des Wahlkampfes 2015 erlebte sie bereits Beleidigungen: Auf einer neu gegründeten Facebook-Seite wurde sie beschimpft. Es wurde von Armbrüsten gesprochen. Zudem wurden Bilder von Kampfhunden gepostet, die ihre Zähne fletschen, und eine Demonstration vor ihrem Haus angekündigt.

Nach Monaten der Angriffe und einem Zusammenbruch wurde Martina Angermann im Februar 2019 zunächst krankgeschrieben. Nach monatelanger Hetze hat die Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf, Martina Angermann (SPD), im November 2019 die vorzeitige Versetzung in ihren Ruhestand beantragt.

Die Reaktionen von damals: "Wenn sich Menschen aufgrund von Drohungen und Hetze aus ihrem gesellschaftlichen Engagement zurückziehen, gerät unsere Demokratie in Gefahr. Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). "Meine ganze Solidarität gilt der Arnsdorfer Bürgermeisterin und allen, die sich jeden Tag für unsere Gesellschaft einsetzen."

Die Bundesjustizministerin kündigte an, um die Spirale von Hass und Gewalt zu stoppen, würden Hetzer künftig härter verfolgt und bestraft. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität werde "unter Hochdruck" umgesetzt. Es diene auch dem besonderen Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern.

Das Gesetzespaket der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ist am 03. April 2021 in Kraft getreten.

Auch die sächsische SPD hat damals die Hetze gegen die Bürgermeisterin verurteilt. "Seit Monaten wird sie verbal attackiert, bedroht und es versucht, sie durch eine Anzeige einzuschüchtern. Sie soll schlicht 'fertiggemacht' werden", erklärte SPD-Landesgeneralsekretär Henning Homann am Donnerstag in Dresden: "Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Kampagnen unsere demokratischen Werte und den Zusammenhalt in Frage stellen. So etwas darf nicht passieren."

Emiliano Chaimite

Emiliano Chaimite, Botschafter 2021 (© bpb)

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Emiliano Chaimite kam 1986 als Vertragsarbeiter in die DDR, um in einer Magdeburger Gießerei eine Ausbildung zu absolvieren. Seit 1991 lebt er in Dresden, wo er eine Ausbildung zum Krankenpfleger erfolgreich abschloss und arbeitet seitdem im Städtischen Klinikum. Von Anfang an engagiert er sich für Menschen mit Migrationsgeschichte sowie gewerkschaftlich für die Kolleg/-innen. Er organisierte Fußballturniere und Theaterprojekte mit Migrant/-innen, engagierte sich im Personalrat des Krankenhauses und ist persönlicher Ansprechpartner und Unterstützer für Asylsuchende und Opfer rassistischer Gewalt.

Chaimite gründete 1994 den Palhota e.V., einen Verein, der sich für die Integration der ehemaligen mosambikanischen Arbeiter/-innen in der DDR einsetzte. 2003 gründete er dann Afropa e.V., einen Verein zur Förderung der afrikanisch-europäischen Verständigung und ist noch heute dessen Vorsitzender. Afropa e.V. hat aktuell die soziale Flüchtlingsarbeit im Dresdner Norden übernommen, betreibt den "Weltclub" und hat Projekte wie "Powerful Women* of Colour“ initiiert. Weiterhin engagiert sich Chaimite im Ausländerrat Dresden e.V.,berät die Stadt Dresden und ist Vorsitzender des Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen e.V..

Seit einigen Jahren ist Chaimite auch kommunalpolitisch aktiv: Er kandidierte 2019 für den Stadtrat in Dresden. Mit seiner Kandidatur wollte er der Dresdner Neustadt, dem Norden und dem Schönfelder Hochland eine Stimme geben, die Mut macht. Denn Dresden kann seiner Ansicht nach mehr als populistisch, ängstlich oder ausgrenzend zu sein.

Sein Engagement gegen Rassismus brachte ihn bereits oft in die regionalen Medien und Öffentlichkeit. Im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung 2020 organisierte er mit anderen Unterstützer/-innen die Demonstration in Dresden.

Ajla Kurtović

Ajla Kurtović, Botschafterin 2021 (© bpb)

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Ajla Kurtović ist die Schwester von Hamza Kurtović . Hamza Kurtović ist am 19. Februar 2020 als einer von neun Menschen mit Migrationshintergrund beim rassistischen Anschlag von Hanau ums Leben gekommen.

Auf der zentralen Trauerfeier für die Opfer des Terroranschlags sagte sie in einer bewegenden Ansprache: "Ich wurde gefragt, ob ich Hass spüre. Nein, ich empfinde keinen Hass. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat. Damit liegen Hass und Rassismus sehr nah beieinander. Ich will, dass wir alle uns von Hass abgrenzen. (...) Sorgen Sie, sehr geehrte Politiker, dafür, dass die Umstände dieses schrecklichen Verbrechens restlos aufgeklärt und die entsprechenden Lehren daraus gezogen werden, damit sich so eine schreckliche Tat nicht wiederholen kann. Helfen Sie, dass wir den Hass und das Gift namens Rassismus aus unserer Gesellschaft restlos verbannen und wir alle, auch wenn wir verschiedenen Glaubensrichtungen angehören, friedlich und glücklich in unserem Land gemeinsam leben können. Dies sind wir den Ermordeten schuldig und das ist das Mindeste, was wir tun können."

In den Medien wurde Frau Kurtović nicht nur mit ihrem Ruf nach Aufklärung der Tat, sondern auch mit ihrem Einsatz gegen Hass und Rassismus wahrgenommen. Kurtović kämpft gemeinsam mit weiteren Angehörigen für eine lückenlose Aufklärung der Tat und engagiert sich als Hinterbliebene gemeinsam mit vielen anderen engagierten Bürgerinnen und Bürgern bei der Initiative 19. Februar Hanau.

Dotschy Reinhardt

Dotschy Reinhardt, Botschafterin 2021 (© bpb)

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Dotschy Reinhardt ist Sängerin und Musikerin, Autorin sowie Bildungsreferentin im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende des Landesrates der Sinti-Roma Berlin-Brandenburg und aktives Gründungsmitglied des Netzwerks Sinti-Roma-Kirchen. Letzteres stärkt die gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma in Gesellschaft und Kirche und kämpft gegen Antiziganismus.

Als erklärte Verteidigerin von Demokratie und Menschenrechten setzt sie sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ein, als Sinteza insbesondere gegen Antiziganismus. In Berlin kämpft sie gegen das Vergessen der rassistischen Verbrechen gegen Sinti und Roma. Als Vorsitzende des Landesrates sagte sie zu ihren Zielen: „Wir möchten eine Versachlichung und Deethnisierung des bisherigen Diskurses, eine konstruktive und differenzierte Auseinandersetzung mit Entscheidungsträgern und mit der Gesellschaft. Wir wollen die Vorteile und den Mehrwert eines gedeihlichen Zusammenlebens mit gleichberechtigtem Dialog zwischen Minderheit und Mehrheit herausstreichen. Menschen mit Romno-Hintergrund sind oft heimatverbunden und haben in ihren angestammten Ländern wesentlich zur gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung beigetragen. Es gibt eine starke, meist unsichtbare Mittelschicht. Wir haben Wissenschaftler, Anwälte, Journalisten, Kaufleute, Künstler und Polizisten in unseren Reihen. Trotzdem werden sie von der Mehrheitsgesellschaft oft nicht als gleichberechtigte Bürger wahrgenommen – vor allem dann nicht, wenn sie sich zu ihrer Herkunft bekennen.“

Als Buchautorin hat sie zudem die Geschichte ihrer Familie aufgeschrieben und zahlreiche weitere Veröffentlichungen herausgebracht. Mit ihrem politischen Engagement tritt sie insbesondere für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen jede Art von Rassismus ein.

Düzen Tekkal

Düzen Tekkal, Botschafterin 2021 (© bpb)

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Düzen Tekkal ist eine jesidisch-deutsche Journalistin, Filmemacherin, Kriegsberichterstattern, Autorin und Publizistin, die sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Kampf gegen Extremismus und Gewalt einsetzt.

Mit der von ihr im Jahr 2019 gegründeten Initiative "GermanDream“ soll jüngeren Generationen die Werte des Grundgesetzes und die Möglichkeiten und Chancen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermittelt werden. Tekkal gelang es, eine Debatte anzustoßen, die über die Erfolgsgeschichten von Menschen mit Migrationshintergrund hinausging. Tausende von jungen Menschen konnten im gesamten Bundesgebiet für demokratische Werte begeistert werden.

Mit ihrem Verein HAWAR.help g.e.v., den sie im September 2015 gründete, unterstützt Frau Tekkal zudem Jesid/-innen im Irak und Syrien. Darüber hinaus unterstützt der Verein deutschlandweit junge Frauen und fördert den Dialog über Toleranz. Durch das Projekt "School Talks“ wird bundesweit an Schulen über die Situation von Jesid/-innen gesprochen und über die Verfolgung und den Genozid an jesidischen Menschen aufgeklärt. Das Bildungsprojekt vermittelt Schüler/-innen zudem Werte wie Toleranz und Demokratiebewusstsein, fördert interkulturelle Kontakte und deckt erkennbaren Rassismus und Antisemitismus auf.

Als Journalistin reiste Tekkal mehrfach unter Lebensgefahr in Krisengebiete, um auf Menschenrechtsverletzungen und den Völkermord an der jesidischen Bevölkerung aufmerksam zu machen. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis "Frauen Europas 2018“ der Europäischen Bewegung Deutschlands, den AJC-RAMER-Preis 2017 für ihren Einsatz zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten und den Courage-Preis für aktuelle Berichterstattung des Journalistinnenbunds 2016. Tekkal veröffentlichte zwei Bücher: 2016 den Titel "Deutschland ist bedroht: Warum wir unsere Werte jetzt verteidigen müssen“ und 2020 "#GermanDream – Wie wir ein besseres Deutschland schaffen“.

Fussnoten

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