Zur Person:
Prof. Wolfgang Sander
Professor für „Didaktik der Sozialwissenschaften“ an der Justus-Liebig-Universität in Gießen
Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt vor allem in der Geschichte, Theorie und Didaktik der politischen Bildung in Schule und Erwachsenenbildung sowie aktuell in der Bildungstheorie. Sander ist seit 2016 Mitglied der Jury für die Vergabe des Forschungspreises des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung und war von 2002 bis 2010 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundezentrale für politische Bildung. Er ist Mitherausgeber der „zeitschrift für didaktik der gesellschaftswissenschaften (zdg).
Thesenpapier zum Vortrag
Das KMK-Papier zur „digitalen Bildung“ befasst sich mit den Bildungsherausforderungen durch die Digitalisierung in einer euphemistischen Sprache und mit einer einseitig technikorientierten Ausrichtung. Demgegenüber sind für politische Bildung vor allem die drängenden gesellschaftlichen Probleme in Folge der Digitalisierung und die mit ihnen verbundenen politischen Risiken und Herausforderungen von Interesse:
für die Demokratie: Fragmentierung der Öffentlichkeit, Förderung von Populismus, illiberalen Demokratievorstellungen und Extremismus
für Sicherheit: Cyberwar und Cybercrime
für die Infrastruktur: privat und gesamtgesellschaftlich (Versorgungs- und Verkehrsnetze, Gesundheitssystem) durch eine unausgereifte und angreifbare Technologie
für die Marktwirtschaft: Machtkonzentration bei Internetkonzernen
für Freiheit und Selbstbestimmung: Überwachung, Entprivatisierung und Verhaltenssteuerung („Technologischer Totalitarismus“, Schirrmacher 2015)
für zivilisatorische Standards: Enttabuisierung und Vernetzung antisozialer, gewaltaffiner Milieus
für Bildung: drohender Verlust des kulturellen Gedächtnisses, Verminderung der Lesefähigkeit
für die Wissenschaftsfreiheit: open access und Einschränkung der Publikationsfreiheit.
Für politische Bildung ergeben sich in Schule und Wissenschaft neue Aufgaben:
im schulischen Unterricht: Konzentration auf die politischen Herausforderungen in Folge der Digitalisierung und Förderung von „deep reading“ im Umgang mit der politischen und sozialwissenschaftlichen Publizistik
in Forschung und Universität: Forschung zu Effekten digitaler Medien auf politische Interessen und Weltverstehen von Jugendlichen, eine kritische Debatte über „open access“ sowie „print first“ in der Anschaffungspolitik von Bibliotheken.