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Mainstream – Wie einseitig ist die Berichterstattung heute?

Nino Löffler

/ 4 Minuten zu lesen

Vorwürfe wie jener der "Mainstream-Medien" oder gar der "Lügenpresse" erfahren immer stärkere Beliebtheit. Dr. Uwe Krüger sieht den Auslöser dieser Vertrauenskrise insbesondere in der Ukraine-Krise und analysierte in seinem Vortrag Hintergründe sowie Auswege.

"Mainstream – Wie einseitig ist Berichterstattung heute?" war der Titel des Vortrags von Dr. Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Journalistik an der Universität Leipzig.

Bei vielen Menschen nehme das Gefühl zu, in den Redaktionen gebe es in Bezug auf die Berichterstattung erheblichen Konformitätsdruck. Bei den Zeitungen, so ein verbreitetes Gefühl, ließen sich immer seltener unterschiedliche Sichtweisen finden, sodass der Tenor der Berichterstattung als tendenziell einheitlich empfunden werde.

Untermauern konnte Krüger diese Einschätzung zunächst mit zwei repräsentativen Umfragen, die im Jahr 2015 veröffentlicht wurden. So zeige eine Allensbach-Studie im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dass 39% der Befragten fänden, dass an der von „Pegida“ titulierten Begrifflichkeit der "Lügenpresse" etwas dran sei. Nur 36% der Befragten widersprächen dieser Aussage. In einer Umfrage des WDR vom Oktober 2015 gäben 37% der Befragten an, ihr Vertrauen gegenüber den Medien sei gesunken, nur 6% der Befragten berichteten von einem Anstieg des Vertrauens. Bemerkenswert sei zudem, dass 42% der in dieser Studie befragten Personen glauben würden, dass es bei der Berichterstattung Vorgaben der Politik gäbe.

Ukraine-Krise als Ausgangspunkt des Vertrauensverlustes

Insbesondere die Ukraine-Krise sei nach Krüger ursächlich für die in den Umfragen erkennbare Entwicklung: Die öffentlich-rechtlichen Nachrichten hätten vor allem über pro-westlichen Akteure berichtet. Interviews mit Vitali Klitschko erweckten den Eindruck, er sei der herausragende Oppositionspolitiker, der künftig eine wichtige Rolle in der Ukraine einnehmen werde. Die rechtsextremen Kräfte (Swoboda) hätten in der Berichterstattung kaum eine Rolle gespielt. Die Entmachtung des gewählten Präsidenten Janukowitsch sei als demokratische Revolution dargestellt worden, obwohl es sich rein formal um einen Bruch der ukrainischen Verfassung gehandelt hätte. Gut und Böse seien im Ukraine-Konflikt klar geteilt gewesen, die deutschen Medien hätten die pro-westlichen Akteure in den Vordergrund gestellt, ohne den gesamten Konflikt zu analysieren.

In der Berichterstattung seien dann diverse Ungenauigkeiten hinzugekommen: Scharfschützen, die auf Maidan-Demonstrierende schossen, wurden dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, dessen Rückzug vom EU-Assoziierungsabkommen die Proteste auslöste, angelastet. Spätere Recherchen ergaben jedoch, dass die meisten Schüsse von Gebäuden aus abgegeben wurden, die vom rechtsextremen Lager kontrolliert wurden. Die geopolitische Dimension, die der Ukraine-Konflikt mit sich brachte, sei durch die Medien zu wenig hinterfragt worden.

Krüger erörterte anschließend die möglichen Ursachen jener Parteilichkeit: Erstens gebe es bei Journalisten eine gewisse PR-Abhängigkeit. Vitali Klitschko sei zum Beispiel entsprechend der Arbeitsaufteilung in der Opposition und gemäß ihrer PR-Strategie als deutsch sprechender Akteur eine oftmals zu Rate gezogene Quelle gewesen. Zweitens betonte Krüger das sogenannte "Indexing", bei dem eine Orientierung an Deutungsmustern und Meinungsspannen innerhalb der eigenen Eliten stattfinde und die Nachrichten dementsprechend selektiert würden. Beim Ukraine-Konflikt hätte auch im Bundestag ein breiter Konsens hinsichtlich der Unterstützung der pro-westlichen Akteure vorgelegen, sodass dieser sich eventuell in den Medien niedergeschlagen habe. Drittens seien auch Journalisten von unterschwelliger Parteilichkeit geprägt, die sich vor allem durch die westliche Sozialisation begründe. Das Agieren einiger Journalisten in verschiedenen transatlantischen Netzwerken deute auf eine solche Parteilichkeit hin.

Unausgewogene Berichterstattung bei der Griechenland-Krise

Die negative Berichterstattung gegenüber Syriza ab Januar 2015 führte Krüger als weiteres Beispiel einer unausgewogenen Berichterstattung an: Die linke Partei sei sehr häufig in den deutschen Medien als Bedrohung für die EU-Stabilität angesehen worden, wobei negative Ausdrücke wie "Amateure" oder "Spieler" ebenso verwendet worden seien wie Stereotype, etwa dass der "gierige Grieche" Reformen verweigere und so die EU als Institution bedrohe. Auch in diesem Beispiel wären Gut und Böse erneut klar zugeordnet worden. Es hätte den Journalistinnen und Journalisten an Neutralität gefehlt, zudem wurde vieles aus der Brüssel/Berlin-Perspektive gesehen, ohne die einzelnen Hintergründe zu betrachten.

Medientenor auch bei der Flüchtlingskrise im September 2015

Als drittes Beispiel einer problematischen Medienberichterstattung erörterte Krüger die sogenannte Flüchtlingskrise, die im September 2015 mit der vorläufigen Öffnung der Grenzen ihren Höhepunkt erreichte. Der Medientenor sei dabei übergreifend positiv gewesen, selbst die Bild-Zeitung zeigte mit einer "Wir helfen"-Kampagne Verständnis für die Lage der Geflüchteten. In den Medien seien sehr häufig Bilder von Frauen, Kindern und Familien zu sehen gewesen. Dem gegenüber hätte die BBC junge Männer gezeigt, die versuchten mit dem Wurf von Steinen Grenzen niederzureißen. Dieses Beispiel zeige, dass sich in Medien verschiedener Länder der jeweilige Elitenkonsens niederschlagen könne.

Ansatzpunkte für einen Ausweg aus der medialen Einseitigkeit

Auswege aus den durch die drei Beispiele dargestellten Dilemmata sah Krüger insbesondere darin, dass eine Milieu-Vielfalt in den Redaktionen verstärkt werden müsse und somit andere Sichtweisen Eingang fänden. Zudem müssten Journalistinnen und Journalisten der Bevölkerung auf Augenhöhe begegnen und eine pädagogisch-paternalistische Haltung verlassen, um wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung zu erhalten. Meinungsvielfalt und Multiperspektivität seien geboten, ebenso wie Unvoreingenommenheit bei der Recherche. Zudem stellte Krüger als finalen Aspekt dar, dass die Fixierung auf die eigenen politischen Eliten gelockert werden müsste und Sichtweisen wie "Wir sind die Guten" und "das Regierungshandeln wird das Richtige sein", nicht förderlich seien für eine ausgewogene Berichterstattung.

Fussnoten

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