Workshop Erinnerungskultur und Geschichtspolitik (© bpb, Mareike Bier)
Workshop Erinnerungskultur und Geschichtspolitik (© bpb, Mareike Bier)
Erinnern und Vergessen sind zwei Seiten einer Medaille. Geschichtspolitik definiert sich laut Wolfrum als Entscheidung darüber, was erinnert und was nicht erinnert und somit vergessen werden soll. Aus Geschichte würde folglich ein politisches Handlungsfeld, das sowohl zu integrieren als auch auszugrenzen vermag, denn Erinnern sei immer fragmentarisch.
Gegenwärtig sei etwa die Erinnerungskultur von Auschwitz als Symbol für die unsagbaren Verbrechen des Nationalsozialismus überlagert und drohe aufgrund des dominanten Trauerimperatives den Lebensweltbezug von Jugendlichen zu verlieren. Da die junge Generation der historischen Erfahrung entbehrt, würde es immer schwieriger „nie wieder!“ als vermeintlich selbsterklärende Pathosformel tatsächlich in reflektiertes Handeln oder moralische Haltungen zu überführen. Um Bildung über den Holocaust auch zu einer Erziehung zu Menschenrechten zu machen, kann laut Wolfrum eine Überwindung nationaler Perspektiven zugunsten europäischer und globaler Narrativen hilfreich sein. Neben dieser Entwicklung in der heutigen Erinnerungskultur gäbe es allerdings auch Tendenzen zu Eventisierung, Ikonisierung und Virtualisierung der Geschichte, die im Hinblick auf den Lernprozess oft wenig konstruktiv sind. Zwar könnten Interessen dadurch gebündelt und Sachverhalte veranschaulicht werden, doch zu häufig sei eine nicht tragbare Entleerung und Reduktion der Ereignisse der Preis dafür.
"Geschichte ist konkret und komplex, und so ist sie auch zu vermitteln", unterstreicht daher Großbölting. In der Diskussion mit den Teilnehmenden wird deutlich, wie wichtig es ist, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, zwischen Erinnerungskultur (d.h. Präsentation und Inszenierung von Geschichte) und Geschichtswissenschaft zu unterscheiden. Gleichzeitig sollte Geschichtsunterricht weder zum "Reparaturbetrieb" für verkürzte Geschichtsbilder werden noch reines Mittel zum Zweck sein, um allgemeine Menschenrechtsfragen zu diskutieren. Das Fach sei als eigene Disziplin zu verstehen und habe als solche auch einen Eigenwert.