"Gedenken braucht Wissen. Gedenken ohne Wissen ist Manipulation!" Das sind die Worte, mit denen Knigge dafür plädiert, die Förderung eines reflexiven Geschichtsbewusstseins als primäres Lernziel historisch-politischer Bildungsarbeit zu manifestieren. Hierbei sei Erinnerung eine wichtige historische Quelle, könne aber historisches Lernen nicht ersetzen. Gedenkstätten stellen laut Knigge "didaktische Unmöglichkeiten" und "pädagogische Monstren" dar, weil sie die Schülerinnen und Schüler sowohl affektiv als auch kognitiv (über)fordern. Der Lernprozess an Gedenkstätten beginne mit Fassungslosigkeit statt Begeisterung, dürfe sich aber in keinem Fall auf eine abschreckende Funktion stützen und beschränken.
Als vermeintlich authentische Orte werden Gedenkstätten in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings häufig auf einfache Lernformeln reduziert. Haug beschreibt anschaulich eine Divergenz zwischen den Erwartungen der Lehrkräfte und dem Selbstverständnis der Gedenkstätten, die in Form von Aushandlungsprozessen während dem Gedenkstättenbesuch zu beobachten ist. Dabei wird deutlich, dass moderne Gedenkstätten ihr pädagogisches Potential nicht in einer moralische Läuterung, sondern in der Bearbeitung von den Warum-Fragen sehen, die eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mit sich bringt: Warum entwickelte sich eine Gesellschaft zu einer Diktatur? Warum wurde aus Menschlichkeit Gegenmenschlichkeit? Warum wurden so wenige Haupttäter juristisch verfolgt?
Historisches Lernen in diesem Sinne ist ein komplexer Prozess und umfasst mehrere Stufen: Wissen, Verstehen, Begreifen und Beurteilen. Befasst man sich beispielsweise mit der Tätergeschichte, so gilt es, sich kritisch mit den Handlungsspielräumen, Tätermotiven und Entscheidungssituationen auseinanderzusetzen. Moralische Urteile über die Taten und die Täter können laut Knigge nur am Ende eines Lernprozesses stehen, nicht aber bereits am Anfang vorgegeben werden. Wissen erfülle also keinen Selbstzweck, sondern sei Voraussetzung dafür, Haltung gegenüber der Geschichte und in der Gegenwart einnehmen zu können.
Referenten und Teilnehmende waren sich einig, dass Lernen am historischen Ort unbedingt auch einen Gegenwartsbezug braucht, um an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen. Des Weiteren kann und muss ein reflexives Geschichtsbewusstsein im Unterricht evoziert werden. Die Gedenkorte bieten spezielle affektive Lernzugänge und Lernerfahrungen, die dieses Bewusstsein verankern und bestärken können. In der Diskussion wurde ebenfalls deutlich, dass sich der Besuch von Gedenkorten (v.a. lokaler Einrichtungen) von pathetischer Überhöhung frei machen und mehr zur schulischen Normalität werden sollte.