Wir freuen uns sehr während des 14. Buko die Ausstellung „Die Macht der Gefühle. Deutschland 19 | 19“ zeigen zu können. Ute und Bettina Frevert zeigen mit einer emotionsgeschichtlichen Perspektive, wie Angst, Hoffnung, Liebe und Wut in den letzten 100 Jahren politisch und gesellschaftlich wirkten. Die Ausstellung wird am 07. März um 17:00 in der Kongresshalle von Bettina Frevert eröffnet. Im Vorfeld haben wir mit ihr gesprochen.
Liebe Frau Frevert, was war Ihre Motivation, das Thema Emotionen in Form einer Ausstellung aufzubereiten?
In erster Linie, dass es so etwas bisher noch nicht gab. Emotionsgeschichte ist ein neuer Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft. Diesen Ansatz in Form einer Ausstellung in die Öffentlichkeit zu bringen, hat mich begeistert. Die Zielgruppe ist divers und die Ausstellung hat eine weite Verbreitung: von Schulen über Stadtbibliotheken und Rathäusern, bis zu Goethe-Instituten und deutschen Botschaften in aller Welt. Das ist eine riesige Chance, die letzten 100 Jahre neu zu betrachten und von gängigen, geradlinigen Erzählungen wegzukommen. Wir hatten die Möglichkeit, Geschichte anders aufzuspannen, als man sie im Museum oder im Schulbuch präsentiert bekommt. Wir konnten neue Perspektiven eröffnen und andere Verknüpfungen herstellen. Das war eine Herausforderung, die mir großen Spaß gemacht hat. Außerdem: Emotionen hat jeder Mensch! Die Ausstellung stellt somit ein niedrigschwelliges Angebot dar, sich mit der jüngsten Geschichte auseinanderzusetzen.
Was wird in der Ausstellung präsentiert?
Die Ausstellung zeigt 20 Emotionen von A bis Z (Angst bis Zuneigung), anhand derer 100 Jahre deutsche Geschichte von 1919 bis 2019 erzählt wird. Die zentralen Texte pro Tafel beginnen als Einstieg jeweils mit einem Gegenwartsbezug und werfen dann einen Blick auf die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und auf das geteilte Deutschland nach 1945. Ergänzt wird der Text durch historische Fotografien und weitere Quellen. Sie zeigen, welche Funktionen Gefühle in Politik und Gesellschaft während der letzten 100 Jahre ausgeübt haben: wann sie Motor für Veränderungsprozesse waren, wann sie Konjunktur hatten, wann sie ihre Bedeutung änderten. Die Ausstellung zeigt auch, welchen Stellenwert Emotionen beim „Machen“ von Geschichte hatten und weiterhin haben.
Die Ausstellung will auch Veränderungen zeigen, die die Erscheinungsformen von Emotionen im historischen Verlauf durchlaufen. Welche Veränderung finden Sie persönlich am auffälligsten oder interessantesten?
Ein gutes Beispiel ist Ekel. Man denke an die NS-Propaganda, aber auch die frühe DDR: Menschen als Ungeziefer und Schädlinge zu bezeichnen, war Gang und Gebe. Auf Worte folgten auch Taten. In den 1970er Jahren nutzte Franz Josef Strauß das gleiche Vokabular – und löste damit großen Protest aus. Hier hat sich einiges verändert. Heute ist es – zum Glück – nicht mehr möglich, Menschen und Menschengruppen mit Ekel-Sprache öffentlich zu diffamieren. Dafür ist die individuelle Menschenwürde zu kostbar geworden und die Gesellschaft (im Großen und Ganzen) sensibilisiert. Heute spielt Ekel höchstens noch als „Ekelfaktor“ im Reality-TV eine Rolle, nicht mehr aber auf der politischen Bühne.
Eines ist mir aufgefallen: Ein emotionsgeschichtlicher Blick in unsere jüngste Vergangenheit kann uns zeigen, dass wir im politischen und gesellschaftlichen Diskurs mehr Gelassenheit brauchen. Denn wie die Ausstellung zeigt: Es gab schon immer „heiße“ Phasen der Wut, der Empörung, des gesellschaftlichen Auseinanderdriftens und der Sprachlosigkeit. Das soll nicht heißen, dass wir uns zurücklehnen können und sagen, alles wird gut. Aber vielleicht schafft es die Ausstellung zu zeigen, dass wir besonnener und mit mehr Ruhe handeln und diskutieren können und sollen.