Referentinnen und Referenten der
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Waltraud Meints-Stender, Hochschule Niederrhein
Prof. Dr. Reinhold Hedtke, Universität Bielefeld
Prof. em. Dr. Sibylle Reinhardt, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Moderation: Ulrich Krüger, Landesvorsitzender der DVPB NRW e.V
"Der Schüler (die Schülerin) muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen", so lautet der dritte Leitsatz des
Der Dritte Satz am Ende... vernachlässigt?
Eine zentrale Frage der Sektion war, ob dieser dritte Satz in der Praxis zu sehr vernachlässigt wird. Unter anderem Reinhold Hedtke problematisierte dies, begründet mit der These, dass sich das politische Subjekt erst durch Handeln herausbilde. Während Schüler/-innen in der Schule nicht politisch denken und handeln dürften und Politiker/-innen fern gehalten würden, werde den Interessen der Wirtschaft Tür und Tor geöffnet. Ein Widerspruch, der Schüler/-innen eher entpolitisiere als politisiere, so der Tenor der insgesamt zehn Thesen, die Hedtke zur Diskussion stellte.
Waltraud Meints-Stender schloss sich der grundsätzlichen Kritik an. Sie stellte Phänomene der Macht sowie Kriterien ihres Wandels und Zerfalls in das Zentrum der Politikdidaktik, die gar nicht anders könne, als politisch zu sein, selbst wenn manche sich dagegen wehrten. Es ginge letztlich nicht um eine politische oder unpolitische Politikdidaktik, sondern um unterschiedliche Politikverständnisse.
Aus der Beobachterposition der außerschulischen politischen Bildung argumentierend stellte auch Klaus-Peter Hufer fest, die Profession befände sich in einer Phase der eigenen "Entpolitisierung". Während der Beutelsbacher Konsens fast zu einem "Katechismus" geworden sei, konzentriere man sich auf Outputorientierung und reduziere Forschung und Praxis auf vermeintlich Messbares. Wo sei da noch der Unterschied zur "Botanik", so Hufer zuspitzend.
Sibylle Reinhard hingegen stimmte den benannten Herausforderungen zwar zu, konnte aber keinen fundamentalen Widerspruch zu den drei Leitsätzen des Konsenses feststellen. Sie plädierte vielmehr dafür, den Beutelsbacher Konsens als hervorragendes Reflexionsinstrument nicht lächerlich zu machen. Sie definierte Konflikt und Konsens als zentrale Kategorien des Politischen, die in der "Konfliktfähigkeit" als didaktische Kernkompetenz aufgegriffen würden. "Scheu vor Positionen und Konflikten", so folgerte Reinhardt, "ist keine angemessene Antwort, denn Unterricht muss politisch sein".
Unterschiedliche Felder, verschiedene Anbaubedingungen?
Betritt man das Feld der außerschulischen politischen Bildung, so scheint das Gewicht des Beutelsbacher Konsenses zu schwinden. Klaus-Peter Hufer betonte, Horst Siebert zitierend, dass Erwachsene als eigenständige Subjekte lernen würden, aber nicht belehrbar seien. Ihnen sei damit eine grundsätzliche Widerständigkeit gegen Versuche der Indoktrination zu eigen. Entsprechend gering sei daher die Relevanz des Beutelsbacher Konsenses in der politischen Erwachsenenbildung. Zum Zuge komme dieser allerdings als "defensives Instrument", mit dessen Hilfe Versuche der Politik abgewehrt werden könnten, in die Institutionen politischer Bildung steuernd einzugreifen.
In der Debatte wurde allerdings eine komplexere Lage sichtbar: Die weltanschauliche Vielfalt der Träger bietet zwar die Möglichkeit, sich unterschiedliche politische Positionierungen auszusuchen. Ob dies allerdings in der Praxis der Bildungsstätten noch ausreichend gegeben ist und von den Teilnehmenden weiterhin gewollt werde, wurde in Frage gestellt. Denn zum einen ließe sich beobachten, dass der Beutelsacher Konsens in der außerschulischen politischen Bildung mehr Akzeptanz gefunden habe. Zum anderen forderten die Teilnehmenden zunehmend selbst von einer Bildungsstätte Kontroversität ein.
Es mag der immer zu kurzen Zeit geschuldet sein. Letztlich wurde nicht ganz klar, ob und wenn ja wo belastbare Unterschiede in den Positionen liegen. Geht es um die bildungspolitische Funktion des Beutelsbacher Konsenses, der als machtvoll gehaltene Burg erscheint, die gestürmt werden muss? Oder war die Debatte Teil einer andauernden Interpretationsarbeit, die ohne eine wissenschaftliche und allgemein professionelle Weiterentwicklung kaum denkbar ist? Vermutlich handelte es sich um beides, angereichert mit weiteren Aspekten, die hier unterschlagen werden mussten. Ohne einen scharfen Zuschnitt erwarten zu wollen, zukünftig wäre die Klärung der unterschiedlichen Debattenebenen hilfreich. Unpolitisch war die Sektion jedenfalls nicht.
von Peter Zorn