Referentinnen und Referenten der
Jens Berger, Journalist und Autor
Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo, FU Berlin
Dr. Friederike Habermann, Wirtschaftswissenschaftlerin, Historikerin und Politikwissenschaftlerin
Prof. Dr. Hartmut Elsenhans, Universität Leipzig
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Thomas Piketty, französischer Ökonom, in seinem viel diskutierten Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" ausgedrückt, dass schon seit Längerem die Renditen das Volkseinkommen übersteigen und damit die Ungleichheit in der Vermögensverteilung wächst. 85 Personen auf der Welt halten mittlerweile das gleiche Vermögen wie die untere Hälfte der Menschheit. Für Deutschland wird geschätzt – offizielle Zahlen gibt es nicht –, dass die obersten zehn Prozent über mindestens zwei Drittel des Gesamtvermögens verfügen. Dass diese Entwicklung, aber auch die Finanzkrisen seit 2007/2008 auf eine Krise des Kapitalismus deuten, darin waren sich alle ReferentInnen einig, über Ursachen und Lösungen gingen die Meinungen auseinander.
Strukturelles Problem des Kapitalismus?
Der Publizist Jens Berger, unter anderem Redakteur der NachDenkSeiten, präsentierte Zahlen zur steigenden Ungleichheit und der Abkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft. Für ihn handelt es sich bei diesen Tendenzen nicht um ein systemimmanentes Problem des Kapitalismus, sondern um Folgen politischer Entscheidungen. Er verwies auf die Nachkriegszeit in den USA und Europa, als die Verteilung ausgeglichener war. Die Staaten hätten in dieser Hinsicht ihr Korrektiv aufgeben, beispielsweise durch Senkung des Spitzensteuersatzes oder Abschaffung der Vermögenssteuer. Als Rezept empfiehlt er, durch eine verstärkte Besteuerung, unter anderem durch Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einer Millionärsteuer, die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen.
Friederike Habermann, Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin, sieht das Problem hingegen als ein strukturelles an, das dem kapitalistischen System zu eigen sei. Alternativen seien möglich, auch wenn sich, wie in der Diskussion geäußert wurde, kaum einer vorstellen kann, wie auf das marktwirtschaftliche Prinzip zu verzichten sei. Die Menschen vergangener Epochen hätten ihr System des Wirtschaftens auch für alternativlos gehalten, und es ist doch anders gekommen. Habermann wirft hoffnungsvolle Blicke auf Formen des kollaborativen Wirtschaftens, auf die Commons-Bewegung und die Null-Grenzkosten-Gesellschaft, wie sie Jeremy Rifkin beschrieben hat. Besitzen wird unwichtiger, die Menschen tragen bei, statt zu tauschen. Solche neuen Mechanismen werden sich Habermanns Meinung nach in einer Mischung aus Evolution und Revolution durchsetzen.
Arbeit und Aktienmarkt
Hartmut Elsenhans, "Keynesianer mit Respekt für Marx", vertritt die These, dass Arbeit sich gegenüber dem Kapital durchsetzen muss, damit Kapitalismus funktioniert. Abhängigkeit und Unterentwicklung entstünden, wenn dieser Kampf keinen Erfolg hat. Niedrige Löhne und Massenarbeitslosigkeit verursachten eine "unterkonsumptive" Krise: Wer soll die Produkte noch konsumieren, die bei steigender Produktivität hergestellt werden? Die Ursache für die Schwäche der Arbeit liegt für ihn in der Globalisierung und dem politischen Fehlschluss, durch niedrige Löhne könne die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Die Abwertung der Währungen im globalen Süden ist für Elsenhans das eigentliche Problem. Kollaborative Formen des Wirtschaftens hält er für unattraktiv, da der Grundsatz des egalitären Tausches, eine Errungenschaft bürgerlicher Revolutionen, entfallen würde.