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Sektion 12 – Neuere Entwicklung des Kapitalismus - Krise des Kapitalismus? | 13. Bundeskongress Politische Bildung – Ungleichheiten in der Demokratie | bpb.de

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Sektion 12 – Neuere Entwicklung des Kapitalismus - Krise des Kapitalismus?

/ 3 Minuten zu lesen

Das kapitalistische System steckt in einer Krise – hierzu herrschte Einigkeit in dieser zwölften Sektion. Wie die wachsende Ungleichheit in der Vermögensverteilung bekämpft werden kann, ob es sich um ein strukturelles Problem handelt und ob es Alternativen zum marktwirtschaftlichen Prinzip gibt – darüber gingen die Meinungen auseinander.

Referentinnen und Referenten der Interner Link: Sektion 12:
Jens Berger, Journalist und Autor

Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo, FU Berlin

Dr. Friederike Habermann, Wirtschaftswissenschaftlerin, Historikerin und Politikwissenschaftlerin

Prof. Dr. Hartmut Elsenhans, Universität Leipzig

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Jens Berger, Giacomo Corneo und Andreas Kolbe während Sektion 12 - Krise des Kapitalismus? (© bpb/Smilla Dankert)

Thomas Piketty, französischer Ökonom, in seinem viel diskutierten Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" ausgedrückt, dass schon seit Längerem die Renditen das Volkseinkommen übersteigen und damit die Ungleichheit in der Vermögensverteilung wächst. 85 Personen auf der Welt halten mittlerweile das gleiche Vermögen wie die untere Hälfte der Menschheit. Für Deutschland wird geschätzt – offizielle Zahlen gibt es nicht –, dass die obersten zehn Prozent über mindestens zwei Drittel des Gesamtvermögens verfügen. Dass diese Entwicklung, aber auch die Finanzkrisen seit 2007/2008 auf eine Krise des Kapitalismus deuten, darin waren sich alle ReferentInnen einig, über Ursachen und Lösungen gingen die Meinungen auseinander.

Strukturelles Problem des Kapitalismus?

Der Publizist Jens Berger, unter anderem Redakteur der NachDenkSeiten, präsentierte Zahlen zur steigenden Ungleichheit und der Abkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft. Für ihn handelt es sich bei diesen Tendenzen nicht um ein systemimmanentes Problem des Kapitalismus, sondern um Folgen politischer Entscheidungen. Er verwies auf die Nachkriegszeit in den USA und Europa, als die Verteilung ausgeglichener war. Die Staaten hätten in dieser Hinsicht ihr Korrektiv aufgeben, beispielsweise durch Senkung des Spitzensteuersatzes oder Abschaffung der Vermögenssteuer. Als Rezept empfiehlt er, durch eine verstärkte Besteuerung, unter anderem durch Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einer Millionärsteuer, die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen.

Friederike Habermann, Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin, sieht das Problem hingegen als ein strukturelles an, das dem kapitalistischen System zu eigen sei. Alternativen seien möglich, auch wenn sich, wie in der Diskussion geäußert wurde, kaum einer vorstellen kann, wie auf das marktwirtschaftliche Prinzip zu verzichten sei. Die Menschen vergangener Epochen hätten ihr System des Wirtschaftens auch für alternativlos gehalten, und es ist doch anders gekommen. Habermann wirft hoffnungsvolle Blicke auf Formen des kollaborativen Wirtschaftens, auf die Commons-Bewegung und die Null-Grenzkosten-Gesellschaft, wie sie Jeremy Rifkin beschrieben hat. Besitzen wird unwichtiger, die Menschen tragen bei, statt zu tauschen. Solche neuen Mechanismen werden sich Habermanns Meinung nach in einer Mischung aus Evolution und Revolution durchsetzen.

Arbeit und Aktienmarkt

Hartmut Elsenhans, "Keynesianer mit Respekt für Marx", vertritt die These, dass Arbeit sich gegenüber dem Kapital durchsetzen muss, damit Kapitalismus funktioniert. Abhängigkeit und Unterentwicklung entstünden, wenn dieser Kampf keinen Erfolg hat. Niedrige Löhne und Massenarbeitslosigkeit verursachten eine "unterkonsumptive" Krise: Wer soll die Produkte noch konsumieren, die bei steigender Produktivität hergestellt werden? Die Ursache für die Schwäche der Arbeit liegt für ihn in der Globalisierung und dem politischen Fehlschluss, durch niedrige Löhne könne die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Die Abwertung der Währungen im globalen Süden ist für Elsenhans das eigentliche Problem. Kollaborative Formen des Wirtschaftens hält er für unattraktiv, da der Grundsatz des egalitären Tausches, eine Errungenschaft bürgerlicher Revolutionen, entfallen würde.

Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo im Interview

Giacomo Corneo vom Lehrstuhl für öffentliche Finanzen an der FU Berlin, verdeutlichte, wohin die von Piketty beschriebene Entwicklung führen könnte: zu einer Plutokratie, zu einer Rentiergesellschaft wie im 19. Jahrhundert. Die für den Ausgleich der fortschreitenden Verteilungsungleichheit notwendigen Steuersätze seien aber zu hoch und würden Investitionen und Initiative verhindern. Corneo präsentierte ein Modell, das auf andere Weise zum gewünschten Ziel führt: Die Umverteilung müsse auf der Ebene der Primäreinkommen aus Kapital einsetzen, ein Kapitalstock im öffentlichen Eigentum gebildet werden, um daraus eine soziale Dividende an die Bevölkerung auszuzahlen. Dafür schlägt er vor, einen staatlichen Investitionsfonds, orientiert am norwegischen Modell, einzurichten sowie einem Bundesaktionär die Kontrolle über große, börsennotierte Unternehmen zu ermöglichen. Letzteres könne über die konstante Mehrheit beim Aktienbesitz erfolgen. Der Rest läge weiterhin in privater Hand und würde auf dem Aktienmarkt gehandelt.

Corneo beschloss die Diskussion der Sektion, indem er festhielt: Was im Leben wirklich wichtig ist, hat keinen Preis, ist nicht käuflich – auch wenn die Kapitalisten das gerne so hätten.

von Anne Seibring

Fussnoten