Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Podiumsdiskussion: Außen-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Konsequenzen für Deutschland und Europa | 20. Bensberger Gespräche | bpb.de

20. Bensberger Gespräche Zusammenfassung Begrüßung und einführende Bemerkungen Eröffnungsvortrag Podiumsdiskussion: Aspekte internationaler Machtverschiebungen Vortrag: Wie ist eine echt-stabile liberale Weltordnung möglich? Vortrag und Diskussion: Verstöße und Sanktionsregime Workshop: Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen vor internationalen Gerichten Vortrag: Zukunft der internationalen Geldordnung Workshop: China im Spiegel Vortrag: Zuversicht, Zivilgesellschaft und die Zukunft Deutschlands Vortrag: Multilateralismus ohne Amerika? Vortrag: Krise des Völkerrechts und der internationalen Ordnung Aktuelle Stunde: Entwicklungen im Nahen Osten Vortrag und Diskussion: Der Indo-Pazifik Podiumsdiskussion: Außen-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Konsequenzen

Podiumsdiskussion: Außen-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Konsequenzen für Deutschland und Europa

Martin Bayer

/ 4 Minuten zu lesen

Die Podiumsdiskussion behandelte den Umgang Deutschlands und Europas mit dem Indo-Pazifik in seiner Komplexität aus Interessen und Herausforderungen und glich Handlungsoptionen mit Wahrnehmungen und Realitäten ab.

Teilnehmende der Podiumsdiskussion (v. l. n. r.): Dr. Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik; Prof. Dr. Doris Fischer der Universität Würzburg; Christian Echle von der Konrad-Adenauer-Stiftung; Moderation: Marion Sendker (© Bundeswehr/Caldas Hofmann)

Die abschließende Podiumsdiskussion „Außen-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Konsequenzen für Deutschland und Europa“ wurde von der Moderatorin, der Journalistin Marion Sendker, mit drei Fragen an alle Panellisten eingeleitet. Recht einig waren sich diese bei der Einschätzung der deutschen Strategie im Indo-Pazifik, die als unklar und ausbaufähig bezeichnet wurde. Ebenso weitgehend unisono wurde als größte Gefahr eine Eskalation der dortigen Konflikte, insbesondere im südchinesischen Meer, angesehen. Die Region wurde aufgrund der Abhängigkeit von Lieferketten und Produkten als wichtig für Deutschland erachtet, wobei Christian Echle, Leiter der Abteilung „Asien und Pazifik“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, darauf verwies, dass dort – anders als in Subsahara-Afrika – ein Engagement Deutschlands und Europas erwünscht sei.

Prof. Dr. Doris Fischer, seit 2012 Lehrstuhl-Inhaberin „China Business and Economics“ an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, erinnerte daran, dass der „erhobene Zeigefinger“ der deutschen wertebasierten Außenpolitik in China seit Jahrzehnten nicht geschätzt sei – aber auch nicht sonderlich ernst genommen werde: Der Eindruck habe sich durchgesetzt, dass wir gern unsere Werte hochhielten, doch wenn es ums Geschäft gehe, wären diese letztendlich zweitrangig. Die derzeit verstärkten Importe aus China hätten weniger mit unserer Außenpolitik als mit der chinesischen Wirtschaftsschwäche zu tun.

Dr. Felix Heiduk, Leiter der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, beschrieb das „Nabe-und-Speichen-System“ der USA (als Nabe) mit den „Speichen“ Australien, Japan, Philippinen, Südkorea und Thailand: Der Sowjetunion bzw. Russland habe es genauso wenig gefallen wie China, doch man habe es nie in Frage gestellt. Vom chinesischen Staatspräsident Xi werde dieses System jedoch als Relikt des Kalten Krieges angesehen; vielmehr arbeite man an einer Sicherheitsordnung „von Asiaten für Asiaten“ und damit ohne die USA. Dies gehe mit einer massiven chinesischen Aufrüstung und einer Militarisierung des südchinesischen Meeres einher; auf diese Weise seien auch die neuen chinesischen Verteidigungsbündnisse beispielsweise mit Kambodscha oder Thailand einzuordnen. Die Vertrauenswürdigkeit und Sicherheitsgarantien der USA würden in der Region nicht erst seit der ersten Trump-Administration, sondern seit dem Irakkrieg von 2003 in Frage gestellt: Selbst Australien und Japan kooperierten inzwischen mehr mit anderen US-Alliierten oder auch Drittstaaten wie Indien. Insgesamt habe die Gesamtregion eine relative Machtverschiebung hin zu China erlebt, die noch lange nicht abgeschlossen sei.

Das deutsche militärische Engagement in der Region, beispielsweise durch Fahrten deutscher Fregatten mit Hafenbesuchen oder die Beteiligung an Luftwaffenmanövern, wurde unterschiedlich betrachtet: Nach Heiduk werde eine größere Interoperabilität kaum mit ein bis zwei Hafenbesuchen oder Kurzmanövern erreicht; zudem gebe es keine ehrliche Kosten-Nutzen-Analyse, gerade in Zeiten einer erodierenden europäischen Sicherheitsordnung und großer Bedrohungen. Ebenso wunderte er sich über die nahezu gleichzeitige Entsendung europäischer Kräfte, anstatt diese über das Jahr besser zu verteilen. Fischer verwies darauf, dass sich ein möglicher Nutzen oft schlechter quantifizieren lasse als die Kosten. So ließen sich solche Truppenentsendungen angesichts des geringen Allgemeinwissens über die Region auch nutzen, um auf die deutsche Gesellschaft zu wirken. Laut Echle seien solche Maßnahmen wichtig für die Vertrauensbildung und würden als solche geschätzt. Generell wünsche man sich in der Region eine Stärkung der Resilienz (beispielsweise in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Cyberraum); dort könnte Deutschland aktiv(er) tätig sein.

Christian Echle, Leiter der Abteilung „Asien und Pazifik“ der Konrad-Adenauer-Stiftung betonte, dass ein Engagement Deutschlands und Europas von Staaten im Indo-Pazifik erwünscht sei. (© Bundeswehr/Caldas Hofmann)

Laut Fischer habe China eine klare Strategie, beim Ausbau von Häfen zu helfen; sie könne nicht beurteilen, ob man eine zu große militärische Rolle hineininterpretiere. Echle zeigte auf, dass China bezüglich der aktuellen Bundestagswahl mindestens ebenso aktiv wie Russland sei, was jedoch kaum wahrgenommen werden würde. Zukünftig sei es jedoch fraglich, ob die EU wieder ein verstärkter Akteur in der Region sein könne.

Zur Frage einer sich möglicherweise abzeichnenden strategischen Partnerschaft Chinas mit Russland meinte Heiduk, es handle sich vielmehr um eine Partnerschaft, die darauf abziele, die unipolare Weltordnung mit den USA als Hegemon aufzubrechen; hierzu passten BRICS und binationale Vereinbarungen gut. Jenem gemeinsamen Ziel stünden große Interessensunterschiede gegenüber. Fischer erinnerte an die engen Beziehungen zwischen China und der Ukraine; somit sehe sie weniger eine enge Partnerschaft zwischen China und Russland, sondern mehr eine derzeitige Zweckgemeinschaft gegen den Westen im Allgemeinen und die USA im Besonderen.

In der Diskussion unterstrich Fischer, dass China keinesfalls ein Gegner sei; mit dem Begriff „Wettbewerber“ sei aber alles an möglichen Beziehungen abgedeckt. Auch Echle widersprach einer Freund-Feind-Dichotomie; vielmehr handle es sich um Graubereiche, mit denen Deutschland aufgrund seiner wertebasierten Außenpolitik kaum sinnvoll umgehen könne. Laut Fischer habe Xi jedenfalls seine Position ausgebaut; ein Machtwechsel stehe in China vorerst nicht an. Das chinesische Projekt künstlicher Intelligenz (KI) DeepSeek sei ein gutes Beispiel, wie man mit geringeren Investitionen und Kreativität Erfolg haben könne – aber auch dafür, wie die chinesische Zensur funktioniere. Deutschland und Europa seien nicht schlecht in ihrer KI-Forschung, aber darin, diese anzuwenden.

Als Fazit unterstrich Heiduk die Notwendigkeit, relationaler (und über Deutschland hinaus) über Beziehungen zu Staaten in der Region nachzudenken, um zu realistischeren Sichtweisen zu kommen. Fischer betonte, wie wertvoll es sei, sich mit der Region zu befassen und von ihr zu lernen. Echle erinnerte daran, dass Europa trotz aller Kritik durchaus ernst genommen werde und viele Chancen habe, wenn diese auch genutzt würden.

Fussnoten

Weitere Inhalte