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Vortrag: Die aktuelle Krise des Völkerrechts und der internationalen Ordnung | 20. Bensberger Gespräche | bpb.de

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Vortrag: Die aktuelle Krise des Völkerrechts und der internationalen Ordnung

Martin Bayer

/ 3 Minuten zu lesen

Der Vortrag basierte auf der These, die derzeitige Weltordnung sei keine liberale, sondern eine universelle. Um das System kollektiver Sicherheit im Rahmen des Völkerrechts zu wahren, müssten institutionelle Anpassungen erfolgen, die dem Globalen Süden mehr Mitspracherecht geben.

Nach Prof. h. c. Dr. Beate Wagner, Institut für Politikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sei die fehlende machtpolitische Anpassung die Ursache jener die Universalität gefährdenden Krise. (© Bundeswehr/Caldas Hofmann)

Prof. h. c. Dr. Beate Wagner vom Institut für Politikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellte in ihrem Vortrag „Die aktuelle Krise des Völkerrechts und der internationalen Ordnung“ die These auf, dass die derzeitige Weltordnung keine liberale, sondern eine universelle sei. Es gebe keinen Werte-, sondern einen Regelkonsens; spätestens mit der Vollmitgliedschaft der lange neutralen Schweiz in den Vereinten Nationen (UN) existiere ein Universalitätsanspruch.

Wagner attestierte dem System kollektiver Sicherheit innerhalb der UN im aktuellen Jahrhundert eine deutliche Erosion: Während die USA im Jahr 2003 dem UN-Sicherheitsrat noch angebliche Beweise vorlegten, der Irak erstelle Massenvernichtungswaffen, um den Angriff zu rechtfertigen, zeigte sich der UN-Sicherheitsrat 2011 zu Syrien handlungsunfähig, genauso wie 2022 beim russischen Angriff auf die Ukraine oder 2023 bezüglich der Kriege im Sudan und im Gazastreifen.

Laut Wagner sei die Nichteinhaltung von Vereinbarungen und Regelwerken das zentrale Problem. 2015 wurden zwar von der UN-Generalversammlung nachhaltige Entwicklungsziele definiert und das Pariser Klimaabkommen abgeschlossen, doch seien dies vielmehr deklaratorische Erfolge, da sie auf reiner Freiwilligkeit beruhten, sich beispielsweise an Obergrenzen zu beteiligen. Gleichzeitig erodierten die Genfer Flüchtlingskonvention und der Internationale Strafgerichtshof, der selbst von Deutschland abnehmend ernst genommen würde. Generell sei ein Trend zu informellen Gremien außerhalb der UN festzustellen – nicht erst durch die G20-, sondern bereits durch die G7-Staaten.

Nach Wagner sei die fehlende machtpolitische Anpassung die Ursache jener die Universalität gefährdenden Krise: Weiterhin dominierten die Industriestaaten das Welthandels- und Finanzsystem; eine Machtbalance innerhalb der Vereinten Nationen könne somit nur hergestellt werden, indem der Globale Süden entsprechend eingebunden würde, allen voran die aufstrebenden BRICS-Staaten (ein Staatenbund aus zuerst Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, dem inzwischen fünf weitere Staaten beitraten).

Als Handlungsmöglichkeiten seien Völkerrecht und Völkervertragsrecht zu stärken sowie der UN-Sicherheitsrat, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds zu reformieren; Schwellen- und postkoloniale Länder seien als gleichwertig anzusehen, wobei subnationale Strukturen und die Zivilgesellschaft einbezogen werden sollten. In Verhandlungen sollten technische Aspekte in den Mittelpunkt gestellt werden, um die Metaebene möglichst einer großen politischen Kontroverse zu entziehen. Ein „angepasstes Souveränitätsverständnis“ müsste auf die Menschenrechte angepasst werden – und diese wiederum sollten nicht als liberales Konzept angesehen werden, um sie zu stärken.

In der kontroversen Diskussion mit den Teilnehmenden wurde das unterschiedliche Verständnis von Menschenrechten adressiert, auch wenn sie laut Wagner eindeutig definiert seien und beispielsweise die Frauenrechtskonvention als wichtige Basis eine der am meisten ratifizierten Konventionen sei. In der Diskussion wurde gleichwohl auf die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hingewiesen, betrachtet man die global schlechte Situation der Frauenrechte.

Laut Wagner entspräche ein deutscher oder japanischer Sitz im UN-Sicherheitsrat nicht der aktuellen Machtkonstellation; vielmehr müsse der Westen beziehungsweise Europa Macht in den Institutionen abgeben. Reale Macht, auf der die zukünftige Machtverteilung basieren solle, sei laut Wagner eine Mischung aus militärischer und wirtschaftlicher Macht sowie „Ausstrahlung“.

Vortrag: Prof. h.c. Dr. Beate Wagner, Institut für Politikwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Moderation: Dr. Jana Stehlíková, Europäische Akademie Otzenhausen

Fussnoten

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