„Was verbinden Sie spontan mit dem Begriff ‚Zivilgesellschaft‘? Welche zentralen Herausforderungen betrachten Sie als am drängendsten?“ Mit diesen Fragen und einem Brainstorming der Teilnehmenden begann der interaktiv gestaltete Vortrag von Dr. Christian Johann, Direktor der Europäischen Akademie Berlin. Dabei stellte sich heraus, dass eine einheitliche Begriffsdefinition von „Zivilgesellschaft“ herausfordernd ist. Johann schlug zunächst eine Abgrenzung vor und definierte Zivilgesellschaft als weitestgehend unabhängig von Staat und Markt. Darunter zählten aus seiner Perspektive Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Protestbewegungen aber auch einzelne Bürgerinnen und Bürger. Des Weiteren wies Johann darauf hin, dass rund 80 Prozent der deutschen NGOs im Bereich der internationalen Zusammenarbeit arbeiteten, ein weiterer Hinweis auf den Stellenwert der Zivilgesellschaft für Fragen rund um das Veranstaltungsthema „Liberale Weltordnung unter Druck“.
Die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Organisationen zeigte Johann auch mit Hilfe eines interaktiven Quiz auf, das im Vortrag regelmäßig eingebunden wurde und an dem die Zuhörenden teilnehmen konnten. Dabei wurden Fragen in Hinblick auf Mitgliederstärke deutscher NGOs, Einflussstärke, Jahresbudget et cetera gestellt und beeindruckende Antworten geliefert.
Daneben führte Johann unterschiedliche Erfolgsbeispiele zivilgesellschaftlicher Organisationen beziehungsweise zivilgesellschaftlichen Engagements auf, angefangen mit der Anti-Landminen-Kampagne und erfolgreicher zivil-militärischer Zusammenarbeit bei der Minenräumung durch NGOs wie der Mines Advisory Group mit Unterstützung der Bundeswehr. Weitere Beispiele folgten, wie die globale Jugendbewegung „Fridays for Future“, das Projekt „OBMIN“ (ukrainisch für Austausch), das die Stärkung zivilgesellschaftlicher ukrainischer Akteure zum Ziel hat, sowie die Deutsch-Taiwanische Dialogplattform (DTDP), die den Dialog zwischen Deutschland und Taiwan zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen fördert. All dies zeige laut Johann die Möglichkeiten zivilgesellschaftlichen Engagements und hebe weiterhin die Bedeutung der Zivilgesellschaft als zentralen Pfeiler der liberalen Weltordnung hervor. Die Beispiele verdeutlichten, dass zivilgesellschaftliche Akteure und Organisationen nicht nur nationale Demokratien stärken, sondern ebenfalls auf internationale Ordnungsstrukturen einwirken könnten.
Die Diskussionsbeiträge während und nach dem Vortrag wiesen allerdings auch auf Probleme zivilgesellschaftlicher Organisationen in einer herausfordernden politischen Weltlage hin. Die Zuversicht des Vortragenden beruhe darauf, dass zivilgesellschaftliche Akteure aktiv zur Stabilität und Resilienz von Demokratien beitragen könnten. Gleichwohl biete die Analyse zivilgesellschaftlichen Engagements und deren Wirkmöglichkeiten Hinweise für den Zustand der Demokratie: Denn dort, wo Zivilgesellschaft unter Druck gerate, so Johann, kämen auch Demokratien unter Druck.
Vortrag: Dr. Christian Johann, Europäische Akademie Berlin
Dokumentation: Jannis Albus