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Vortrag: Wie ist eine echt-stabile liberale Weltordnung möglich? | 20. Bensberger Gespräche | bpb.de

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Vortrag: Wie ist eine echt-stabile liberale Weltordnung möglich?

Martin Bayer

/ 3 Minuten zu lesen

Prof. Dr. Thomas Pogge definierte in seinem Vortrag Weltordnungen und deren maßgebliche Faktoren, um sich der Frage zu nähern, wie eine auf Werten basierende Weltordnung gestaltet sein müsste.

Prof. Dr. Thomas Pogge, Leitner Professor of Philosophy and International Affairs an der Yale University (New Haven, USA), erläuterte dem Publikum unterschiedliche Weltordnungssysteme und sprach sich für eine internationale Ordnung aus, die von moralischen Wertvorstellungen getragen werde. (© Bundeswehr/Caldas Hofmann)

Seinen Vortrag „Wie ist eine echt-stabile liberale Weltordnung möglich?“ leitete Prof. Dr. Thomas Pogge, Leitner Professor of Philosophy and International Affairs an der Yale University (New Haven, USA), mit der Definition möglicher Weltzustände ein: So gebe es einerseits eine Welt ohne Regeln und andererseits eine regelbasierte internationale Ordnung, die entweder von – nicht unbedingt voll geteilten – moralischen Wertvorstellungen getragen werde (commitments) oder von Klugheit (modus vivendi). Nach letzterem Ansatz könne man sich darauf verlassen, dass Staaten die Regeln einhielten, da diese gut für sie seien. Während die regellose Welt einen „Dschungel“ darstelle, sei die eigentliche Unterscheidung zwischen den beiden Ansätzen zur regelbasierten Ordnung.

In dem „Modus Vivendi“-System hingen die Klugheitsgründe von Interessen und Macht (und damit dem Drohpotenzial sowie eigenen und anderen Verwundbarkeiten) ab. Ein solches System könne trotz Veränderungen aufgrund von Neuaushandlungen Bestand haben: Stärker werdende Akteure drängen hierbei auf bessere Bedingungen, schwächer werdende fügen sich hingegen, um das System zu erhalten. Letztendlich handle es sich um einen schrankenlosen Kampf um Macht, bei dem man vor keinem Ausgang sicher sei. Entsprechend müsse jeder Akteur sein eigenes Überleben und die nationale Sicherheit (und somit die Macht) über alles stellen. Moralische Akteure müssten (auch im Inland) bisweilen die eigenen tiefsten Werte verletzen, um exakt jenen Werten Einfluss und ihr langfristiges Überleben zu sichern. Anders ausgedrückt könnten es sich Staaten nicht leisten, ihre Werte zu achten, sondern müssten sich rein auf ihre Macht konzentrieren, um ihr Überleben und idealiter ihre Dominanz (und somit auch die ihrer Werte) zu sichern. Dementsprechend gebe es keinerlei Vertrauen und ebenso wenig zuverlässige Vereinbarungen.

Doch warum seien wir im „Modus Vivendi“ gefangen? Hierzu beschrieb Pogge die drei Machtfaktoren Militär, Wirtschaft und Soft Power. Die Stellung in der Welt werde für einen Staat durch das Verhältnis der Verteilung jener drei Aspekte zur Gesamtsituation bestimmt: Für Deutschland (mit viel Wirtschaftsmacht, weniger Soft Power und noch weniger militärischer Macht) sei eine friedlichere Welt von Vorteil, da in dieser die Machtressourcen Deutschlands am besten zum Tragen kämen; für die USA mit ihrem Schwerpunkt auf das Militär sei hingegen eine konfliktreichere Welt von Nutzen, da in dieser militärische Macht am meisten zählte. Generell ließen sich Konflikte weitaus leichter schaffen und aufrechterhalten als sie zu beenden oder gleich ganz zu vermeiden. Dementsprechend gebe es keinen stabilen „ewigen“ Frieden. Dies sei natürlich in einer Welt mit Massenvernichtungswaffen, Künstlicher Intelligenz, ökologischen Notlagen und Pandemien überaus gefährlich.

Eine moralische Weltordnung sah Pogge durchaus als Möglichkeit an: Eine solche Ordnung werde bereits von den fortschrittlichsten Staaten im Inland durchgeführt. Zentral sei es dabei, die eigenen Interessen nicht nur durch vorgeschobene Werte zu verbrämen. Vielmehr müsste es sich um tief verankerte und geteilte Werte handeln, deren Verletzung selbst von jenen verurteilt werde, die von ihr profitieren würden. Als Beispiel nannte Pogge den Umgang im Sport: Fans würden unbedingt wollen, dass ihr Verein gewinnt – und doch seien sie nicht zu unfairen Maßnahmen bereit. Auch sei es in allen Epochen für Gesellschaften von Vorteil gewesen, wenn sie einen Anspruch auf Unparteilichkeit in öffentlichen Rollen integrierten und die Parteilichkeit auf private Rollen beschränkten. Wenn Menschen ihre Familie als engste soziale Beziehung allgemeinen Werten unterordnen könnten, sei dies auch von Staaten erwartbar und möglich. Pogge empfahl eine langsame Implementierung mit einfachen, leicht zu überwachenden Schritten, die von geringer Bedeutung für den Machtwettbewerb seien, die jedoch gleichsam als (intrinsisch oder instrumentell) moralisch wichtig akzeptiert würden. Somit ließe sich Vertrauen in (gegebenenfalls auch divergierende) Werte anderer schaffen.

In der anschließenden Diskussion verwies Pogge darauf, dass jeder moralisch denkende Mensch letztendlich universalistisch agieren müsse. US-Präsident Trump handle überaus erfolgreich moralisierend, jedoch ohne Werte, sondern rein machtbasiert. Die Menschenrechte seien eine gute Basis für einen Ansatz allgemeiner globaler Werte, beispielsweise der Kampf gegen den Hunger in der Welt. Eigene Vorstellungen von Moral und Werten müsse man eben mit den anderen internationalen Akteuren aushandeln – und nötigenfalls durchsetzen.  

Fussnoten

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