Die russische Invasion in der Ukraine hat die Arbeit aller Diskussionsteilnehmenden stark beeinflusst. Joachim Bussiek berichtete, dass seit Februar 2022 die meisten Veranstaltungen seiner Akademie, der Akademie Schwerin e.V., auch mit Bundeswehrangehörigen, den Angriffskrieg, seine Ursachen und Auswirkungen zum Inhalt haben. Andere Themen seien weitgehend verschwunden. In Mecklenburg-Vorpommern seien weite Teile der Gesellschaft empfänglich für russische Narrative, und auch für andere Narrative, die den Staat und seine Kräfte delegitimierten. Es sei wichtig, dass man mit diesen Menschen in Dialog bleibe oder komme und sich positioniere. Er nehme eine verstärkte Polarisierung wahr: sehr schnell werde in Freund und Feind unterschieden, nach dem Motto: "Entweder bist du meiner Meinung oder du bist mein Gegner". Auch in Seminargruppen gebe es Verwerfungen und Konflikte. Es gebe Situationen, in denen einzelne Teilnehmende ihre zum Teil kruden Themen setzen und Unfrieden stiften wollten. Es sei in solchen Situationen wichtig, keine falschen Behauptungen stehen zu lassen, auf Fakten zu bestehen und wertegebunden zu agieren.
Oberstleutnant Dr. Andreas Wolfrum vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr sagte, dass auch die politische Bildung in Fortbildungslehrgängen der Bundeswehr sich nun vor allem um den Krieg, die Interessen und Positionen der Parteien und völkerrechtliche Grundlagen drehe. Seit 2021 bietet sein Mobiles Trainingsteam Ganztagesseminare zum Thema Desinformation an. Dieses wurde entwickelt als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung von Verschwörungserzählungen zu den Themen Corona und Impfen. Nun hätten sich dieselben Akteure den russischen Desinformationskampagnen zugewandt. Das Seminarkonzept arbeitet mit dem Online-Abstimmungstool Mentimeter und die Teilnehmenden können anonym über den Fortgang und die Vertiefung bestimmter Themen abstimmen sowie ihre Meinung äußern. Dies sei wichtig, weil dadurch alle Teilnehmenden unabhängig vom Dienstgrad die gleiche Stimme haben und weil so auch Dinge geäußert würden, die man in anderen Settings nicht sage.
Die Analystin Julia Smirnova vom Institute for Strategic Dialogue berichtete, dass der Peak russischer Desinformation bereits vor der Invasion begonnen hätte. Die russische Desinformation und Propaganda sei mit dem Krieg zunehmend aggressiver geworden und widme sich verstärkt europäischen und anderen Ländern. Man habe neue Strukturen aufgebaut, vermehrt tauchten auch andere, nicht-staatliche Akteure auf. Die Narrative hätten sich gewandelt. Wurde zunächst die "Spezialoperation" gerechtfertigt mit der nötigen "Entnazifizierung" der Ukraine, würden seit einigen Monaten zunehmend ukrainische Soldaten "als Satanisten, als Inbegriff des Bösen" dargestellt. Je länger der Krieg dauere, desto mehr würde er nicht als Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die NATO dargestellt, bei dem der russische Staat sich selbst verteidige. Das Bewusstsein in den Medien, bei Politik und Bevölkerung in Deutschland für die Desinformationskampagnen sei zwar 2022 geschärft worden. Es sei dennoch wichtig, Bildungsangebote in Schulen und für Erwachsene zu schaffen, zum Beispiel zu kritischer Medienkompetenz. Junge Menschen informierten sich nicht mehr primär über klassische Medien und könnten oft den Unterschied zwischen faktenbasiertem Qualitätsjournalismus und Social Media Beiträgen nicht einschätzen.