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Workshop 5: Der Schutz kritischer Infrastrukturen | 18. Bensberger Gespräche 2023 | bpb.de

18. Bensberger Gespräche 2023 Einführende Bemerkungen Eröffnungsvortrag: Gedanken zum Verständnis und zu den Auswirkungen des Ukrainekrieges Podiumsdiskussion: Von der Friedens- zur Konfliktordnung? Perspektiven für eine (neue) europäische Sicherheitsstruktur Vortrag und Bilder des (Foto-)Journalisten Till Mayer Workshop 1: Die europäische "Zeitenwende" aus der Sicht Ostmitteleuropas Workshop 2: NATO, EU und die transatlantische Perspektive Workshop 3: Verteidigungs- und Wertediskussion in Deutschland: Dienen wofür? Workshop 4: Audiovisuelle Materialien für die politische Bildung Workshop 5: Der Schutz kritischer Infrastrukturen Workshop 6: Die Sicht Russlands Die Rolle von Desinformation und "Fake News" Politische Bildung in der "Zeitenwende": Was kann politische Bildung in Zeiten des Krieges leisten?

Workshop 5: Der Schutz kritischer Infrastrukturen Dr. Wolfram Geier, Abteilungspräsident, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

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Dr. Wolfram Geier, Abteilungspräsident im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), informierte im Rahmen des Workshops über Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Bezug auf den Schutz Kritischer Infrastrukturen im Rahmen des Bevölkerungsschutzes.

Mit Hochdruck werde in Deutschland ein neues KRITIS-Dachgesetz erarbeitet, mit dem auch auf die aktuelle Sicherheitslage reagiert werde, so Dr. Wolfram Geier vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. (© Bundeswehr/Caldas Hofmann)

Das Thema habe in den vergangenen Monaten stark an Dynamik gewonnen, so Geier, insbesondere infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und die damit verbundene neue Sicherheitslage in Europa, aber auch durch die Sabotageakte auf Bahntrassen in Deutschland im Herbst 2022.

Zunächst definierte Geier die für ihn zentralen Begriffe Bevölkerungsschutz und Kritische Infrastrukturen (KRITIS). Bevölkerungsschutz umfasse "alle nichtpolizeilichen und nichtmilitärischen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen vor Katastrophen und anderen schweren Notlagen sowie vor den Auswirkungen von Kriegen und bewaffneten Konflikten" sowie "Maßnahmen zur Vermeidung, Begrenzung und Bewältigung der genannten Ereignisse". Als Kritische Infrastrukturen definiert das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) "Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden".

Die derzeitige Arbeitsgrundlage, die Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen von 2009, werde seit längerem überarbeitet. Es habe sich viel entwickelt, zum Beispiel sei 2023 die EU-Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen (CER-Richtlinie) in Kraft getreten. Mit Hochdruck werde nun in Deutschland ein neues KRITIS-Dachgesetz erarbeitet, mit dem auch auf die aktuelle Sicherheitslage reagiert werde, so Geier.

Seine Behörde arbeite mit einem umfassenden All-Gefahren-Ansatz, der den Bevölkerungsschutz sowohl bei schweren Naturereignissen als auch bei technischem bzw. menschlichem Versagen und bei Terrorismus, Kriminalität und Krieg umfasse. Große Herausforderungen stellten zum Beispiel Cyberangriffe auf Stadtwerke oder Angriffe auf die Infrastruktur im Rahmen einer modernen hybriden Kriegsführung dar. Dabei stünden physische Schutzvorkehrungen im Mittelpunkt, die das Überleben der Menschen sichern.

Gesetzliche Grundlagen für den Schutz der KRITIS sind die Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze, die die verschiedenen KRITIS-Sektoren abdecken: Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Wasser, Ernährung sowie Finanz- und Versicherungswesen. Leider seien vielen Mitarbeitenden in der öffentlichen Verwaltung diese Gesetze nicht bekannt, so Geier. Auf Länderebene gebe es Landeskatastrophenschutzgesetze, von denen einige infolge der Covid-19-Pandemie kürzlich überarbeitet wurden. Die oftmals privatwirtschaftlichen KRITIS-Betreiber werden dort verpflichtet, ihre Aufgaben im Krisenfall für einen gewissen Zeitraum aufrechtzuerhalten.

Das neue KRITIS-Dachgesetz auf Bundesebene soll verpflichtende Risikobewertungen, Mindeststandards für Betreiber und ein zentrales Störungs-Monitoring einführen. Dabei sei es besonders wichtig, so Geier, dass das Verhältnis von KRITIS zu anderen systemrelevanten Einrichtungen geklärt werde. Es müsse geregelt werden, ab welcher Schwelle physische Störungen an wen gemeldet werden und welche Regeln zum konkreten Schutz Betreiber vornehmen müssten. Auch die Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden müssten klar geregelt werden. Eine engere Vernetzung und Verschränkung von physischem Schutz und IT-Sicherung sei wichtig. Das Gesetzgebungsverfahren solle bis Herbst 2023 abgeschlossen sein.

Die Gesellschaft sei durch die große Abhängigkeit von infrastrukturellen Dienstleistungen sehr verletzlich geworden. Die hohen Interdependenzen zwischen den einzelnen Infrastruktursystemen könnten bei Störungen oder Ausfällen Domino- oder Kaskadeneffekte auslösen, die gesellschaftliche Teilbereiche zum Erliegen bringen könnten. Wichtig sei ein integriertes Risikomanagement als Verfahren der strukturierten Zusammenarbeit von staatlichen und kommunalen Stellen mit den Betreibern Kritischer Infrastrukturen.

Auf die Frage, welche Erkenntnisse das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aus der aktuellen Lage in der Ukraine ziehe, antwortete Geier, dass man mit dem ukrainischen Zivilschutz zusammenarbeite. Das Thema Notstromversorgung sei in den Kommunen angekommen, auch die Treibstoffversorgung werde verstärkt in den Blick genommen. Insgesamt sei es besser, die Energieversorgung stärker zu verteilen und mit Insellösungen zu arbeiten, anstatt zentral zu steuern. Autarkie sei im Katastrophenschutz von Vorteil.

Quellen / Literatur

Dokumentation: Katharina Reinhold

Fussnoten

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