"Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor", sagte Olaf Scholz in seiner Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2022, drei Tage nach dem großangelegten Angriff Russlands auf die Ukraine. Scholz kündigte an, 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Diese Rede mit ihrer prägnanten Botschaft sei wichtig und gut gewesen, so Tauber, denn sie war die Grundlage dafür, ein neues Bewusstsein zu schaffen. Allerdings kritisierte Tauber die mangelhafte Kommunikation des Kanzlers im weiteren Verlauf des Krieges.
Es sei zentral, dass die gesamte Gesellschaft begreife, dass die Zeitenwende nicht nur Sache der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums sei, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und dass es dabei nicht mit Geld für die Bundeswehr getan sei. Jetzt müssten sich Freiheit und Demokratie beweisen. "Wir lassen uns das nicht nehmen: Frieden und Freiheit in Europa", so Tauber.
Als große Herausforderung stelle sich die Ausstattung der Bundeswehr dar sowie ihr Beschaffungswesen und die langwierigen Prozesse. Es sei notwendig, die Beschaffungswege schneller und effizienter zu machen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. "Man muss den Mut haben, etwas zu verändern. Es kann nicht so weitergehen", sagte Tauber.
Die Aufstellung der Division 25 für die NATO stelle eine zusätzliche Herausforderung für die Bundeswehr dar, denn dafür würden Truppen und Material umgewidmet. Für einen großen Teil der Bundeswehr bedeute dies, dass die Situation in Bezug auf Personal und Ausstattung eher schlechter werde.
Auch die Nachwuchsfrage sei eine wichtige Herausforderung für die Bundeswehr. Dies betreffe vor allem fachliche Bereiche wie die IT. Fachkräfte könnten hier in der Wirtschaft viel mehr Geld verdienen. Man müsse überlegen, wie man sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren könne, eine Anhebung des Soldes reiche nicht aus. Eine Öffnung der Streitkräfte für Bewerber aus dem EU-Ausland sieht Tauber jedoch skeptisch, denn damit mache man sich bei den europäischen Nachbarstaaten keine Freunde. Die Demographie in Deutschland sei ein grundlegendes Problem für die Nachwuchsgewinnung. Man müsse über andere Formen der Reserve nachdenken, die ja derzeit auf Freiwilligkeit und dem Einverständnis der Arbeitgeber beruhe. Hier müsse über gesetzliche Verpflichtungen diskutiert werden.
In der Bundeswehr selbst seien die Reaktionen auf die neue Sicherheitslage in Europa geteilt. Die Landes- und Bündnisverteidigung gerieten nun wieder in den Fokus. Tauber zitiert einen Brigadegeneral, der gesagt habe: "In der Bundeswehr gibt es wie immer zwei Welten. Die eine Hälfte sagt: Jetzt machen wir das, warum wir Soldaten geworden sind. Die andere Hälfte hat sich wieder hingelegt." Es sei relevant, Fragen von Führung und Selbstbild als Soldat verstärkt in den Fokus zu nehmen. Dabei betont er den Aspekt der inneren Selbstführung. Es gehe nicht darum, nur auf die anderen zu achten, sondern auch auf sich selbst und die eigene Einstellung und Einsatzbereitschaft. Das gelte auch für alle Bürgerinnen und Bürger und ihre Beziehung zur Bundeswehr und zum Willen, die Demokratie zu verteidigen. Es reiche nicht, dass jeder nur an sich selbst denke.
Tauber spricht sich für die Einführung einer allgemeinen einjährigen Dienstpflicht für junge Erwachsene aus, bei der man zwischen Wehrdienst und sozialen Diensten wählen kann. Dies könne ein wichtiger Beitrag sowohl zur Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen sein als auch für den Zusammenhalt und die Solidarität in der Gesellschaft.
Für die Politik sieht Tauber die Aufgabe, dass die Ressorts noch besser zusammenarbeiten und über ihre Befindlichkeiten hinweggehen. Die Außenministerin mache einen "ziemlich guten Job", und die Ideen einer nationalen Sicherheitsstrategie oder eines nationalen Sicherheitsrates seien gut. Es sei wichtig darauf zu achten, wie man Debatten führe, denn es komme auch darauf an, wie man nach außen wirke. In Politik und den Medien in Deutschland fänden derzeit Debatten statt, die man sich eigentlich in Zeiten eines Krieges in Europa nicht leisten könne.
Tauber betonte mehrfach, wie wesentlich es sei, dass auch die Bundeswehr an ihrem Bild in der Öffentlichkeit arbeite. Es gebe viel mediale Diskussion über den schlechten Zustand der Ausstattung und über Rechtsextremismus in der Truppe. Dies werde jedoch den meisten Soldatinnen und Soldaten nicht gerecht. Es gebe "so viele tolle und beeindruckende Menschen" in der Bundeswehr, diesen müsse mehr Sichtbarkeit gegeben werden. Es gehe nun darum, junge Menschen zu präsentieren, die Verantwortung übernehmen und tolle Arbeit machten. So hätten etwa viele Menschen in der Bundeswehr eine sogenannte Migrationsgeschichte, man sei in Teilen beim Thema Integration schon viel weiter als die Gesellschaft. Auch die Invictus Games im Sommer 2023 in Deutschland könnten einen Beitrag dazu leisten, ein positives Bild von Soldatinnen und Soldaten in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Die Bundeswehr müsse insgesamt viel mehr deutlich, verständlich und klar in der Öffentlichkeit kommunizieren – zum Beispiel auch darüber, was Landes- und Bündnisverteidigung konkret bedeute. Sie sei schließlich auf den Rückhalt in der Gesellschaft angewiesen, so Tauber.