Till Mayer hält seit vielen Jahren die Langzeitfolgen von Konflikten und Kriegen in Fotos und Reportagen fest. Er bereist die Ukraine seit 2006 regelmäßig. Seit 2017 dokumentiert er den Krieg in der Ostukraine mit seiner Kamera. Auch nach der groß angelegten Invasion durch russische Truppen am 24. Februar 2022 ist Mayer immer wieder in verschiedenen Regionen der Ukraine unterwegs. Am Abend des ersten Tages der Bensberger Gespräche 2023 zeigte er Fotos aus dem Jahr 2022 und berichtete von seinen Erlebnissen.
Die Bilder zeigen Menschen in ihrem Alltag und auch Soldaten an der Front. Mayer stellt dabei die menschlichen Schicksale und die konkreten Situationen in den Vordergrund. Einige der abgebildeten Menschen kennt er seit Jahren persönlich. Dies ermöglicht es ihm, tiefe Einblicke in ihren Alltag, in ihre Sorgen und Ängste zu erhalten. Mayer berichtete eindringlich davon, wie es ist, mit Soldaten an der Front zu sein, in Stellungen und Schützengräben, und wie er nicht nur einmal brenzligen Situationen entkommen ist.
Er selbst habe Ende 2021/Anfang 2022 gewusst, dass da "etwas kommen würde", aber mit einem flächendeckenden Einmarsch russischer Truppen habe er nicht gerechnet, so Mayer. Anfangs habe Russland vor allem militärische Ziele angegriffen, doch dies habe sich gewandelt. Inzwischen handle es sich um gezielten Terror auf die ukrainische Zivilbevölkerung, so Mayer.
Besonders bewegt ist der Fotograf, als er ein Bild aus einem Schullandheim in Ternopil zeigt, auf dem Kinder zu sehen sind. Diese seien aus der Region Kiew dorthin gebracht worden. In der Unterkunft sei es totenstill gewesen, kein fröhlicher Kinderlärm sei zu hören gewesen. "Es gibt Millionen von Kindern, deren Leben für immer eine Beschädigung hat. Das werden sie nie vergessen", sagte Mayer.
Mit seinem ukrainischen Kollegen Oles war Mayer auch in Butscha und Irpin. Dort dokumentierte er die Zerstörung, die russische Truppen hinterlassen. "Wo Russen einmarschieren, gibt es viel Gewalt und Tote. Den Menschen werden dort grundlegende Rechte genommen", so Mayer. Er beschrieb das ungute Gefühl, sich in Gegenden zu bewegen, wo alles vermint ist.
"Die alten Menschen trifft dieser Krieg mit voller Wucht", so Mayer. Junge Leute und Familien hätten die frontnahen Städte verlassen, doch die Alten wollten häufig ihre Häuser und ihre Heimatorte nicht verlassen.
Auch über das Leben in den Großstädten wie Charkiw und Kiew sprach Mayer. Seine Bilder zeigen Helden wie Feuerwehrleute, die nach Raketenbeschuss sofort unter Lebensgefahr Feuer löschen, oder Helferinnen, die sich um Alte und Kranke kümmern. Man sieht Menschen, die in Metrostationen Schutz suchen, das Leben in ständiger Alarmbereitschaft.
Mayer berichtete, dass er in Gesprächen viele Menschen nach ihrem größten Wunsch frage. Nicht selten höre er dann: "Frieden, aber nicht um jeden Preis".
Im Herbst 2022 begleitete Mayer Soldaten der Internationalen Legion bei einem Kampfeinsatz. Ihm sei bewusst, dass er als Fotograf für die Soldaten ein Ballast sei, denn er müsse ja betreut und geschützt werden. Doch die Truppen hätten erkannt, dass es wichtig sei, dass über ihre Einsätze berichtet wird. Beeindruckt zeigte er sich von der Findigkeit der Soldaten, die häufig mit Drohnen und Video-Liveschaltungen arbeiteten. Dabei könnten die Soldaten vor Ort in gewissem Maße eigene Entscheidungen treffen. "Ich empfinde es als eine Ehre, dass die Soldaten mir erlauben, dass ich sie fotografiere", so Mayer. Er fotografiere jedoch keine Leichen, das verbiete sich aus Respekt.
Der Fotograf ist beeindruckt vom Mut und vom Zusammenhalt der Menschen in der Ukraine. Er schließt seinen Vortrag mit dem Appell, die Ukraine mit der Lieferung von Kampfpanzern zu unterstützen, denn die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigten ihre Freiheit und ihr Land. "Sie können das schaffen, brauchen aber Material." Es ist ihm wichtig, über den Krieg zu berichten und die Menschen so in ihrem Kampf zu unterstützen.