Cemile Giousouf, Fachabteilungsleiterin der Bundeszentrale für politische Bildung
Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sei der Diskurs um Außen- und Sicherheitspolitik und auch um das Militär wieder in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt, sagte die Fachabteilungsleiterin und Vizepräsidentin der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb Cemile Giousouf in ihrem Grußwort zur Eröffnung der 18. Bensberger Gespräche. Der Übergang von der alten kooperativ-integrativen Ordnung zur neuen Konfliktordnung bedeute eine dauerhafte Veränderung, die die europäische Ordnung für Jahrzehnte prägen werde.
Die politische Bildung müsse sich mit der Zäsur des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und mit den damit verbundenen Themen und Fragestellungen befassen und ihr Angebot entsprechend neu justieren. Dazu gehöre etwa die Frage, inwiefern staatliches militärisches Engagement unterstützt werde und nach der individuellen Bereitschaft, als Soldatin oder Soldat zu dienen.
Die bpb hat seit Februar 2022 bereits einige Materialien für den Einsatz in der Bildungsarbeit herausgegeben, die dabei unterstützen sollen, die politischen Geschehnisse einzuordnen. Zudem wurde am Standort Berlin eine neue Projektgruppe "Mittel-, Ost- und Südosteuropa" eingerichtet, die über transnationale Verflechtungen in Politik, politischer Bildung, Gesellschaft und Kultur in der Region informieren und Angebote der politischen, kulturellen und politisch-bildnerischen Arbeit realisieren werde, so Giousouf.
Dabei sei klar, dass Russlands Angriff einen Bruch des Völkerrechts darstelle und den Werten des Grundgesetzes fundamental widerspreche, so Giousouf. Es sei mit der Wertebasis der politischen Bildung nicht vereinbar, ein bejahendes Verständnis von Russlands Vorgehen als Lernziel zu verfolgen. Eine Relativierung der völkerrechtswidrigen Taten Russlands dürfe es seitens demokratischer politischer Bildnerinnen und Bildner nicht geben.
Eine Reflexion in Formaten der politischen Bildung und ein analytischer Blick auf die Ereignisse hingegen könne Erkenntnisse vermitteln, welche Handlungsoptionen eine demokratische Politik habe. Es könne zum Beispiel unterschiedliche, gar kontroverse Einschätzungen dazu geben, welche Rolle Deutschland und die NATO nun einnehmen sollten und welche Möglichkeiten es für ein Ende des Krieges gebe. Politische Bildung habe die Aufgabe, die unterschiedlichen Perspektiven aufzuzeigen und Kontroversen darzustellen. Demokratie brauche einen offenen und freien Meinungsaustausch, Mündigkeit bedeute auch Befähigung zur Teilhabe am demokratischen Streit. Die Bensberger Gespräche böten Raum für den Dialog über die pädagogische, politisch-bildnerische Bearbeitung des Krieges, um Fragen zu diskutieren und erste Antworten zu finden, so Cemile Giousouf.