Den Weg zu einer neuen Kultur der Kooperation abstecken sollte die abschließende Podiumsdiskussion der 15. Bensberger Gespräche. Schon im ersten Statement des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei wurde deutlich, dass der vernetzte Ansatz dabei nicht immer der Königsweg sein muss. Vernetzung setze kompatible Ziele voraus, für humanitäre Organisationen sei es aber oft besser, die Zusammenarbeit mit dem Militär zu meiden, um das Vertrauen der Bevölkerung zu bewahren.
Ähnlich argumentierte Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe. Bei allem Respekt für die Leistungen der Bundeswehr müsse gesehen werden, dass Nichtregierungsorganisationen andere Aufgaben als das Militär hätten. In vielen fragilen Staaten werde Militär zudem häufig als staatliche Organisation angesehen und folglich abgelehnt. Die Hilfsorganisationen müssten selbst definieren, welcher Ansatz für das jeweilige Land sinnvoll sei und könnten sich das nicht vom Kanzleramt vorschreiben lassen.
Verständnis für Komplementarität
Wie sich die Bundeszentrale für politische Bildung mit ihren internationalen Netzwerken in diese Prozesse einbringen könne, thematisierte die Fachabteilungsleiterin Dr. Caroline Hornstein Tomic. Aus eigener Erfahrung mit zivil-militärischer Zusammenarbeit in Bosnien-Herzegowina kenne sie den enormen Koordinationsbedarf zwischen den Akteuren. Entscheidend sei, sich über unterschiedliche Sichtweisen und Partner klarzuwerden und ein Verständnis von Komplementarität zu entwickeln und zu pflegen. Auch Dr. Stephan Klingebiel vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik betonte, dass der vernetzte Ansatz kein Selbstzweck sein könne. Das Anreizsystem für lokale Stakeholder, aber auch für Partner aus dem Privatsektor müsse stimmen, um komplexe Akteurskonstellationen funktional zu machen. Dafür brauche es auch moderne Dialog- und Analyseapparate, um Konfliktanalysen in einer für die Akteure attraktiven Weise ausführen zu können.
Transparenz und Konfliktkultur
Auf der politischen Ebene konstatierte Nachtwei Fortschritte wie die Einrichtung eines ressortübergreifenden parlamentarischen Forums, "Common Effort"-Planspiele zum ressortgemeinsamen Handeln oder das jüngste Weißbuch. Insgesamt aber brauche die Debatte mehr Klarheit und Offenheit, um auch für den "normalen" Parlamentarier relevant zu werden.
Hornstein Tomic ergänzte dies mit ihrer Forderung nach einer Kultur des Konflikts, die auch das Feststellen unterschiedlicher Interessen ermögliche. Das beinhalte ein ehrliches Benennen des Mehrwerts vernetzten Handelns für alle Akteure und trage zur Glaubwürdigkeit bei den Partnern vor Ort bei.
Genderspezifische Aspekte des vernetzten Ansatzes
In diesem Kontext nahm das Podium auch die Gender-Frage in den Blick. Vernetztes Handeln sei, so Dieckmann, in den oft von Frauen dominierten Ökonomien fragiler Staaten auch ein Frauenthema und sollte sich daher in der Aufstellung der Einsatzkräfte niederschlagen. Hornstein Tomic verwies auf genderspezifische Formen der Vernetzung und der Kommunikation und plädierte ebenfalls für mehr weibliche Kräfte als Vertreterinnen der Bundeswehr im Einsatzgebiet.
Ausblicke
Flexibilität und Bewertung des vernetzten Ansatzes spielten in der Diskussion im Plenum eine große Rolle. Thematisiert wurde dabei die Problematik von Mandaten, die auf politischer Ebene und ohne eine lageabhängige Möglichkeit der Operationalisierung konzipiert werden. Der Prozess der Strategiebildung stecke noch in den Anfängen, Überlegungen zur Relevanz bestimmter Regionen für die globale Sicherheit oder die Chancen einer europäischen Arbeitsteilung bedürften weiterer Analysen und Forschungen. Von einem "Weckruf, der uns aufgibt, das, was wir tun, noch ernster zu nehmen", sprach dann auch Hornstein Tomic in ihrem Schlusswort. Alle Akteure und auch die politische Bildung müssten sich darüber klar werden, worin die politische Bedeutung ihrer Arbeit liege.
Dokumentation: Christiane Toyka-Seid