Dr. Charalampos Karpouchtsis, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, startete den Workshop mit einem einführenden Vortrag über das Konzept der Strategischen Kultur, das seit den 1970er Jahren diskutiert wird. Strategische Kultur werde dabei als „weithin geteilte[n] gesellschaftliche[n] Werte, Normen und Überzeugungen verstanden, die Einfluss auf sicherheitspolitische Präferenzen und Entscheidungen nehmen“
Strategische Kultur in Deutschland
Während Strategische Kultur stark von den Eliten geprägt sei, müsse sie aber ebenfalls zur Realität der Bevölkerung passen bzw. es müsse darüber einen gesellschaftlichen Dialog geben. Hierfür brauche es positive Beispiele in der Geschichte (z. B. einen Kampf um Befreiung oder Widerstand), die in der Kommunikation nach innen (Gesellschaft) und nach außen (Staatengemeinschaft) sowie zwischen den Bevölkerungsgruppen bzw. zwischen Eliten und Bevölkerung erfasst werden. Dadurch werde eine Sicherheitsgemeinschaft zur Strategieerfüllung befähigt.
Im nächsten Teil des Workshops sollten die Teilnehmenden anhand eines Analyseschemas das Konzept der Strategischen Kultur in Bezug auf Deutschland selbst anwenden. Hierfür wurden drei Fragestellungen vorgegeben: Erstens, aus welchen Ereignissen mit Bezug zu Deutschland können wir positive Narrative ableiten bzw. fördern? Zweitens, wie lassen sich diese operationalisieren, kommunizieren, und in bestehende Narrativstrukturen integrieren? Drittens, wie hängen sie mit dem Ziel zusammen, die Dienstbereitschaft an der Gesellschaft zu erhöhen? Wichtig sei dabei, den historischen Kontext zu berücksichtigen sowie das konkrete Ereignis bzw. den Moment der Veränderung zu beschreiben. Im nächsten Schritt stelle sich die Frage, welche Narrative, aber auch Gegennarrative durch das bzw. über das Ereignis entstehen. Relevant sei dabei, ob sich die entstehenden Narrative und/oder Gegennarrative auf die Handlungsfähigkeit und Entscheidungswirkung auswirken.
Auf Basis dieses Analyseschemas und der Operationalisierung erarbeiteten sich die Teilnehmenden in Kleingruppen anhand von selbst ausgewählten Ereignissen mit Bezug zu Deutschland ein Beispiel Strategischer Kultur. Diskussionsergebnisse einer Gruppenarbeit seien hier beispielhaft vorgestellt: Bezüglich der historischen Ereignisse der Friedlichen Revolution und der Deutschen Wiedervereinigung 1989/90 sammelten die Teilnehmenden Narrative in der Gesellschaft, wie bspw. „Wir sind ein Volk“, „Es wächst zusammen, was zusammengehört“, „Demokratie setzt sich durch“, „ein friedlicher Weg war erfolgreich“. Als Gegennarrative benannten die Teilnehmenden Schlagwörter wie „Feindliche Übernahme“ oder „Ost-West-Differenzen“. Hieraus abgeleitete Zielformulierungen seien nach Diskussion der Teilnehmenden beispielsweise Einheit, Souveränität, eine Nation, gleiche Chancen und Entpolarisierung. Im letzten Schritt stellten die Teilnehmenden konkrete Ideen vor, um Strategische Kultur am Beispiel der Friedlichen Revolution bzw. der Deutschen Wiedervereinigung zu stärken: So könnte der Tag der Deutschen Einheit überall in Deutschland im Sinne von selbst organisierten, fest in der Gesellschaft verankerten Volksfesten gemeinsam gefeiert werden; der Prozess der Wiedervereinigung könnte im Schulalltag stärker durch Exkursionen und Veranstaltungen zu dieser Thematik verankert werden; die Erfahrungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen könnten stärker gesellschaftlich eingebunden und präsent gemacht werden.
An diese Gruppenarbeiten schloss sich eine Diskussion an, ob wir heute in einer Gesellschaft der Singularitäten leben und ob eine Aktivierung für das „Dienen“ für die Gesellschaft möglich sei.
Moderation: Dr. Charalampos Karpouchtsis, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg
Dokumentation: Ruth Malzkorn