Seit seiner Entstehung ist das Kino sowohl Mikroskop als auch Teleskop, durch welche der Blick auf soziale Realität stattfindet. Im Gegensatz zu traditionellen Formen der Kunst wie Literatur, Malerei und sogar Fotografie erlaubte das Kino die präziseste Darstellung der Massen, der industriellen Produktion, neuer Modelle der Kriegsführung und der Veränderungen von Zeit und Raum. Erst die Technik des Kinos hat es möglich gemacht, die Geschichte als zeitlich gestreckten Prozess sichtbar zu machen. Die Geschichte des Kinos selbst ist eine Geschichte der Metamorphosen und Brüche, der Dauer und Übergänge.
Das Filmprogramm FALLENDER HORIZONT lädt dazu ein, die Geschichte der ukrainischen Kultur als eine Reihe historischer Brüche zu erleben, die das Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft neugestalten und die persönliche und kollektive Erfahrung in ein „Davor“ und ein „Danach“ unterteilen.
Ob es sich um die Geschichte der Modernisierung Kyjiws in den späten 1920er Jahren, die Besatzung durch die Nazis Mitte der 1940er Jahre oder die apokalyptischen Vorstellungen als Folge der Chornobyl-Katastrophe handelt: wir werden mit ungewisser Vergangenheit und gespenstischer Zukunft konfrontiert.
Die Filme werden in Originalsprache mit deutschen Untertiteln gezeigt. Die Kulturwissenschaftlerin Irine Beridze wird eine kurze Einführung zu den Filmen geben.
Filme der Reihe
Details zu den Vorführungen und eine Buchungsoption finden Sie in den Ankündigungen, zu denen Sie per Klick auf den jeweiligen Filmtitel gelangen.
2.11.2024, 10:00–14:00 Uhr
1929, UkrSSR, VUFKU, 79 Min., Regie: Mikhail Kaufman
Der Film „Im Frühling“ ist ein Meisterwerk des ukrainischen Avantgarde-Kinos unter der Regie von Mikhail Kaufman. Kaufmans Kamera fängt das Erwachen der Stadt aus dem Winter ein und stellt Szenen des städtischen Lebens und des Wiedererwachens der Natur sozialen Veränderungen gegenüber.
1945, UkrSSR, Kyjiwer Filmstudio, 1 Std. 22 Min., Regie: Mark Donskoi
Eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Boris Horbatov, der den heroischen Kampf einer Stadt im Donbas unter deutscher Besatzung schildert. Der Film wurde bei den VII. Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt und erfreute sich eines breiten internationalen Vertriebs.
3.11.2024, 11:30–13:30 Uhr
1964, UkrSSR, Kyjiw Oleksandr Dovzhenko Film Studio, 1 Std. 37 Min., Regie: Sergei Paradschanow
Die Huzulen sind ein Bergvolk in den Karpaten, die sich heute zumeist als Ukrainer/-innen betrachten. „Schatten vergessener Ahnen“ erzählt die Geschichte zweier huzulischer Familien, die in eine erbitterte Feindschaft verwickelt sind. Dieser Film gilt als das bedeutendste ukrainische Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
9.11.2024, 11:30–13:30 Uhr
1971, UkrSSR, Odesa Film Studio, 1 Std. 37 Min., Regie: Kira Muratova
„Der lange Abschied“ erzählt die scheinbar banale Geschichte einer eifersüchtigen, besitzergreifenden Mutter und ihres unnahbaren, distanzierten Sohnes. Da der Film als dissidentisch, konterrevolutionär und antisowjetisch eingestuft wurde, konnte er erst 1987 mit großem internationalem Erfolg neu aufgelegt werden.
10.11.2024, 11:30–13:30 Uhr.
1990, UkrSSR, Kyjiw Oleksandr Dovzhenko Film Studio, 1 Std. 43 Min., Regie: Mykhailo Bielikov
Am Vorabend der Chornobyl-Katastrophe 1986 kehrt der Journalist Oleksandr Zhuravliov zu seiner Familie nach Kyjiw zurück. Am nächsten Tag ändert sich alles. „Zerfall“ entstand in der Zeit von Glasnost und Perestroika und war der erste Spielfilm über das epochale Unglück.
Die Vorführungen der Filme finden im Kino Metropol Gera statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Um Buchung des 0-Euro-Tickets wird gebeten.