Präventionsarbeit hat keinen klar definierten Rahmen, sondern verbindet eine Vielzahl an Begriffen und Ansatzpunkten, die sich je nach Situation unterschiedlich auslegen lassen. Verbindliche Standards werden hier also dringend gebraucht. Dr. Harald Weilnböck von cultures interactive e.V. und Milena Uhlmann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge präsentierten erste Gedanken zu einem entsprechenden Regelkanon. In ihrem Thesenpapier formulierten sie "20 Prinzipien guter Praxis" mit handlungsleitendem Charakter. Diese bezogen sich zur Hälfte auf die Präventions-, Distanzierungs- und Deradikalisierungsarbeit und zur anderen Hälfte auf Politik- und Programmgestaltung. In Kurzform lässt sich sagen, dass sich Weilnböck und Uhlmann gegen eine auf Argumentation begrenzte Präventionsarbeit wandten und stattdessen für Verfahren plädierten, die eine Vertrauensbildung und emotional-soziales Lernen voraussetzen und mit Mitteln gewaltfreier Kommunikation arbeiten. Ebenso kritisch wurde die Fokussierung der Präventionsverfahren auf jeweils spezifische Formen des Extremismus gesehen. Vielversprechender sei ein allgemeines, aber auf einzelne Phänomene justierbares Beratungsangebot.
Das Thesenpapier wurde anschließend von Dr. Michael Kiefer der Universität Osnabrück kommentiert. Er kritisierte, dass Prävention immer mehr als Feuerwehrarbeit verstanden werde: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Präventions- und Deradikalisierungsprojekten würden immer häufiger punktuell an Schulen geholt, um akute Probleme in der Schülerschaft zu lösen. Dabei würden die regulären Akteure in der Ausstiegs- und Beratungsarbeit vernachlässigt, wie zum Beispiel Träger der Jugendhilfe und vor allem die Schulsozialarbeit. Dies und der starke Anstieg an Präventions- und Beratungsangeboten trage dazu bei, dass verbindliche Qualitätsmerkale verwässern, wenn sie denn überhaupt zur Geltung kommen. Denn immer mehr Beraterinnen und Berater ohne die erforderliche Ausbildung seien in der Präventionsarbeit tätig. Für Kiefer ein ausreichender Grund, ein klares Plädoyer abzugeben: Die Schulsozialarbeit müsse ausgebaut werden und auf der Sozialraumebene müssten sich Akteure gezielt vernetzen und für eine gegenseitige Qualifizierung und Sensibilisierung sorgen. Die Einbindung religiöser Akteure in die Präventionsarbeit sah Kiefer mit Vorsicht, da die deradikalisierende Wirkung hier wissenschaftlich nicht erwiesen sei. Eine zu freie, narrative Herangehensweise wurde auch von manchen Teilnehmenden in der anschließenden Diskussion kritisch gesehen. Weilnböck betonte in diesem Zusammenhang, dass narrative Herangehensweisen nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren, die routinierte Beraterinnen und Berater herbeiführen können. Weiterhin wurde aus dem Plenum der Wunsch geäußert, die Bedeutung von Berufsgruppen in der Präventionsarbeit zu stärken. Zudem war einhellig, dass jede Beratung sowohl kognitiv, als auch emotional ansetzen müsse, um die Individuen als vollständige Personen wahrzunehmen.
Interner Link: Thesenpapier: 20 Prinzipien guter Praxis.