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Konservierung statt Rekonstruktion | Lernort Landshut | bpb.de

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Konservierung statt Rekonstruktion Warum die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ nicht wieder aussehen wird wie im Jahr 1977

/ 3 Minuten zu lesen

Seit der Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2017 steht die „Landshut“ in einer Halle am Flughafen Friedrichshafen. Im Sommer 2024 wird sie an ihren zukünftigen und dauerhaften Standort, ebenfalls in Friedrichshafen, umziehen. In welchem Zustand sich die Maschine heute befindet und wie sie in Zukunft aufbewahrt werden sollte, konnte die bpb mit Hilfe eines unabhängigen restauratorischen Gutachtens klären.

Die ehemalige Lufthansa-Maschine "Landshut" in einer Lagerhalle in Friedrichshafen (© bpb)

Jedes Objekt ist auch eine dreidimensionale historische Quelle. Jeder Gebrauch eines Objekts hinterlässt Spuren und damit Informationen. Diese können sichtbar bleiben, aber auch überdeckt werden oder komplett verloren gehen. Angewendet auf die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ bedeutet dies konkret: Bereits wenige Wochen nach der Entführung und Befreiung im Oktober 1977 wurde das Flugzeug wieder im Linienbetrieb eingesetzt. Im September 1985 verkaufte Lufthansa die Maschine. Bis zum Jahr 2008 wechselte sie danach noch acht Mal den Besitzer, war in Europa, Asien und Südamerika als Passagier- und Frachtflugzeug im Einsatz.

Schild mit Identifizierungsangaben, u.a. Mitte rechts Baunummer 20254 (© Büro für Restaurierungsberatung 20.3.2024)

Von 2008 bis 2017 stand das Flugzeug dann im Freien, am Rande des Rollfelds des Flughafen Fortaleza (Brasilien), ungeschützt im feuchten Tropenklima. All diese Stationen hinterließen kleine und große Spuren innen und außen. Die Ereignisse von 1977 sind heute dagegen nicht mehr erkennbar. Außer dem Flugzeug selbst ist von damals nichts mehr erhalten.

Schon 2020 wurden an der Außenhülle der Maschine sogenannte Freilegungsproben angelegt, um zu überprüfen, welche Farbschichten heute noch vorhanden sind. Unter Verschmutzungen und einer unregelmäßigen weißen Farbschicht kam die blau-rote Lackierung der brasilianischen Fluggesellschaft TAF und ein gelb-grüner Zinkchromat-Anstrich zu Tage, bei dem es sich wahrscheinlich um Korrosionsschutz handelt. Beide Schichten sind nicht auf dem gesamten Flugzeug nachweisbar. Unter dieser Lackierung sind keine weiteren Farbschichten vorhanden, sondern nur noch die blanke Außenhaut. Lackierungen vorheriger Fluggesellschaften, wie zum Beispiel der Lufthansa, existieren nicht mehr.

Freilegungsprobe mit blau-roter TAF-Lackierung (© Foto: Büro für Restaurierungsberatung 20.3.2024)

Eine Rekonstruktion der Boeing 737-200 als „Landshut“ würde eine Neu-Lackierung des gesamten Flugzeugs und somit die vollständige Entfernung der vorhandenen Lackierung erfordern. Alle heute vorhandenen Spuren wären hierdurch verloren und es würde der Eindruck entstehen, dass die Geschichte des Flugzeugs 1977 geendet hätte. Dies widerspräche dem Ziel der bpb, das Flugzeug im Zustand von 2017 zu konservieren und dauerhaft zu erhalten. Eine Konservierung unterstützt darin, entscheidende Fragen mit den zukünftigen Besucherinnen und Besuchern zu diskutieren: Was passierte mit den ehemaligen Geiseln und dem Flugzeug nach 1977? Warum hat man 2017 entschieden, die „Landshut“ zurückzuholen? Ein solches Aussehen ermöglicht es außerdem, das Flugzeug und die Ereignisse 1977 als Ausgangspunkt zu nehmen, um offener über heutige und künftige Herausforderungen einer demokratischen Gesellschaft zu sprechen.

Wie jedes Flugzeug, wurde auch die „Landshut“ im Laufe ihrer insgesamt 38-jährigen Nutzungsdauer regelmäßig gewartet. Die Flugzeugtechniker, die die Maschine 2017 nach Deutschland holten, und die Gutachter gehen davon aus, dass es mehrere Grundüberholungen gab, bei der alle beweglichen Teile demontiert und im Laufe der Zeit durch jeweils neue Teile ausgetauscht wurden.

Sitzreihe aus den 1980er Jahren, die mit dem Flugzeug 2017 nach Deutschland kam (© bpb)

In der Folge stammen u.a. alle Instrumente im Cockpit, aber auch die aus Brasilien mitgebrachten Passagiersitze nicht aus den 1970er Jahren, sondern sind jüngeren Datums. Gesichert ist zudem, dass das Techniker-Team im Jahr 2017 in Fortaleza auch Lücken im Cockpit mit anderen gefundenen Instrumenten füllte.
Der jahrelange Einfall von Tageslicht zersetzte die Kunststoffteile im Cockpit. Um diesen Prozess zu verlangsamen, empfiehlt das restauratorische Gutachten einen UV-Schutz am künftigen Standort des Flugzeugs. Eine weitere Empfehlung sind stabilisierende Konservierungsmaßnahmen, zu denen u.a. auch die Entfernung von Schmutz auf und in der Maschine gehört.

Seit 2017 lagert das Flugzeug sachgerecht, in Einzelteile zerlegt und vor der Witterung geschützt in Friedrichshafen. Ziel ist es, am künftigen Lernort ein als Flugzeug erkennbares Objekt zu präsentieren. Aus diesem Grund erfolgt nach dem Umzug an den neuen Standort die Montage der dafür notwendigen Teile. Die Bewahrung des Zustands von 2017 bedeutet im Umkehrschluss auch, dass große Bauteile, die nicht für die aktuelle Präsentation verwendet werden aber unzweifelhaft zum Flugzeug gehören, dauerhaft aufbewahrt werden sollen.
Das Konzept der bpb sieht keine unumkehrbaren Eingriffe, wie etwa eine neue Lackierung oder das unsachgemäße Zertrennen und Absägen von Teilen vor. Im Mittelpunkt steht die Bewahrung eines besonderen historischen Objekts mit einer wechselhaften Geschichte.
Über die nächsten Schritte, wie den Umzug und die Montage einzelner Teile, wird auf der Projektseite Interner Link: www.bpb.de/lernort-landshut weiter berichtet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wolfgang Borgmann, Die Entführung der Landshut in Zeitzeugenberichten. Stuttgart 2017, S. 114

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